Das Zentrum meines kleinen Heimstudios ist seit einigen Jahren das Masterkeyboard Arturia Keylab 88. Die Tastatur von Fatar hat 88 gewichtete Tasten mit Hammermechanik und kommt vom Spielgefühl sehr nahe an ein Klavier heran. Das Gehäuse ist aus Metall mit Seitenteilen aus Holz. Alles ist solide, schwer und hochwertig – bis auf die Drehknöpfe und Schieberegeler.
Die Kunststoffknöpfe sind nämlich mit Softlack behandelt. Im fabrikneuen Zustand fühlt sich das ganz gut an. Nach wenigen Jahren wird die Oberfläche aber extrem klebrig und eklig. Ungefähr so, als ob man im Sommer in seine seine Tasche fasst und feststellt, dass da seit drei Monaten ein paar Gummibärchen Staub sammeln. Bäh!
Die Suche in der allwissenden Müllhalde ergab, dass man den Softlack auf verschiedene Weisen herunterbekommt. Ich habe mich für Isopropylalkohol entschieden, weil ich den zufällig im Hause hatte. Einfach mit einem in Alkohol getränkten Tuch hart abrubbeln. Nach dem dritten Durchgang hatte ich endlich alles runter. Der Trägerkunststoff fühlt sich sogar ganz angenehm an. Ich weiß gar nicht, weshalb Arturia den überhaupt beschichtet hat. Egal – jetzt ist wieder alles schön.
Und da ich schon mal dabei war, mein Heimstudio zu überarbeiten, habe ich mir endlich auch einen professionellen Keyboardständer gekauft. Der K&M 18820 “Omega Pro” ist so stabil, dass man darauf vermutlich auch einen Steptanz aufführen könnte. Selbst die zweite Ebene ist sehr stabil. Dort habe ich auf einer Leimholzplatte den Musikcomputer samt 22″ Monitor, Tastatur und Audiointerface aufgestellt. Die Kabel habe ich entlang des Gestells geführt. Der Drahtverhau unter dem Keyboard ist somit endlich Geschichte.
Jetzt kann ich ordentlich in die Tasten hauen und ein paar neue Songs basteln.
Wie schon im letzten Jahr, war ich auch in diesem Jahr wieder für ein paar Tage in London. Einer meiner Jugendfreunde lebt dort und sein Geburtstag war Anlass genug um sich in der Metropole mal wieder blicken zu lassen. Obwohl ich die Stadt bereits zum vierten Mal seit 2018 besucht habe, konnte ich wieder viele interessante Orte und Dinge entdecken.
London City Airport – spektakulär und empfehlenswert
Wie bereits 2022 bin ich mit British Airways zum London City Airport in den Docklands geflogen (London hat 5 Flughäfen, die man von Berlin auch alle erreicht). Diesmal bin ich auch von dort abgeflogen und kann es nur empfehlen. Der Flughafen ist klein, schnell und es gab nicht eine Minute Verspätung. Zudem sind die für die Strecke eingesetzten kleinen Embraer 190 sehr komfortabel.
Den spektakulären Anflug knapp vorbei an den Hochhäusern der City und der Docklands hatte ich im letztjährigen Artikel (London, Oktober 2022) bereits beschrieben.
Der Start ist auch sehr speziell: Die Startbahn, die zwischen zwei ehemaligen Hafenbecken liegt, ist mit 1500m extrem kurz. Der Flieger steht am letzten Ende, links und rechts Wasser. Die Bremsen sind fest angezogen, während die Triebwerke auf Vollast hochgefahren werden. Das ganze Flugzeug vibriert, die Tragflächen kommen schon ins schwingen und dann werden auf einmal die Bremsen gelöst. Wow – so schnell bin ich noch nie in der Luft gewesen! Fast ein Katapultstart.
Wetter
Laut Voraussage sollte es an allen Tagen stark und ständig Regnen. Freundlicherweise hielt sich das Wetter nicht ganz daran und wir hatten zwischendurch viel Sonne und konnten so ausgedehnte Spaziergänge machen. Trotzdem: Es hat jeden Tag geregnet und wir hatten immer um 90% Luftfeuchtigkeit. Alle meine Sachen waren stets klamm.
Der Goldbarren in meiner Hand
Im letzten Jahr hat mich der Besuch in der British Library begeistert, bei dem ich etliche historische Schätze im Original ansehen konnte. In diesem Jahr hatte ich ebenfalls eine besondere Erfahrung:
In der Bank of England einen echten Goldbarren anzufassen und sein verblüffend hohes Gewicht zu spüren!
Ihr wisst schon, diese Dinger, die als Währungsreseve in Fort Knox gestapelt werden, wie bei James Bond. Und eben in der Bank of England. Die haben angeblich über 400.000 Stück davon.
Natürlich kommt man dort nicht in die Tresorkammern. Aber die Bank hat ein Museum, in dem man einen(!) Goldbarren anfassen kann. Das Ding ist natürlich so gesichert, das man ihn nicht mitnehmen und auch nicht etwas davon abkratzen kann.
Der Barren aus 99.5% reinem Gold fühlt sich angenehm an und ist verblüffend schwer, selbst wenn man das eigentlich schon vorher weiß. Es sind satte 13Kg. Und nachdem ich das wusste, habe ich gleich mal den aktuellen Goldpreis gegoogelt. Ich hatte den Gegenwert eines guten Einfamilienhauses in der Hand: ca. €780.000. Puh…
Das Museum ist auch sonst sehr interessant: Alte Münzen, Geldscheine, Schecks und sogar die Gründungsurkunde der Bank of England von 1694. Passend dazu wurde erklärt, wie bis zum 17. Jahrhundert zunächst die Goldschmiede Währungshüter waren und nach einem Staatsbankrott die Zentralbank gegründet wurde. Aber auch die Verstrickung der Bank of England in den Sklavenhandel wurde ausfühlich thematisiert. Auf jeden Fall ein sehr lohnenswerter Besuch.
Freizeitvergnügen
Abends haben wir gerne mal zwei Bier im Black Lion Pub in der Kilburn High Road zu uns genommen. Der Pub sieht klasse aus, die Bedienung ist freundlich und aufmerksam, das Bier schmeckt gut und sowohl Sunday Roast (Rinderbraten mit Yorkshire Pudding) als auch der (die, das?) Cheesy Naan waren lecker.
Am Geburtstag von meinem Freund sind wir Mittags zunächst wie in alten Zeiten eine Runde Billiard spielen gegangen. Wir waren zunächst etwas irritiert, weil sich die Billardsalons alle “Billardclub” nannten. Tatsächlich sind es Clubs, bei denen man Mitglied sein kann. Aber auch als normaler Mensch bekommt man einen Tisch, wenn etwas frei ist. Als wir meinten, wir möchten für eine Stunden einen “Pool Table” haben, wurden wir gleich wieder mit den kleinen, feinen kulturellen Unterschieden konfrontiert: “Ihr meint American Pool?” Ähm – ja. Snooker muss nicht sein.
Ich hatte schon einige Wochen vor der Reise vorgeschlagen, wir könnten uns Livemusik anhören und recherchiert, was so geht. Irgendwas nettes, nicht zu teuer und so halbwegs in der Gegend wo mein Kumpel wohnt. Man will ja nicht nachts müde und evtl. etwas angetrunken durch die ganze Metropole zurückeiern. Ich bin dann auf Larkin Poe im Roundhouse in Camden aufmerksam geworden. Die Gruppe sagte mir nichts, aber zwei Frauen die amerikanischen Southern Rock spielen, fand ich passend.
Besser hätte ich es kaum treffen können. Der Veranstaltungsort ist ein ehemaliger alter Lokschuppen aus dem Jahr 1847(!) unweit des berühmten Camden Market. Tolle Location! Das Eröffnungskonzert haben 1966 übrigens Pink Floyd gegeben und seit dem haben so ungefähr alle hier gespielt: Stones, Bowie, Led Zeppelin, Doors, Motörhead, Kraftwerk, …
Passend zu Geschichte des Ortes habe ich mich bei der Vorgruppe The Sheepdogs spontan um 50 Jahre in die frühen 70er gebeamt gefühlt: Southern Blues Rock (obwohl sie aus Kanada sind) im Stile von Allman Brothers, Creedence Clearwater und so weiter. Und die Optik war ebenfalls im 70er Stil. Vor allem sind die Jungs gut! Und das Londoner Publikum hat das gewürdigt. Spätenstens beim zweiten Song waren alle gut dabei, wie das in Berlin häufig nur beim Hauptact der Fall ist.
Larkin Poe waren eine Spur heftiger und moderner im Sound und haben den Saal ordentlich gerockt. Zwischendurch gab es auch einen rein akustischen Part zu dem sich alle vier Musiker um ein Mikro gruppiert haben um reinsten Südstaaten Blues zu spielen. Als das Publikum schon gut in Schwung war, lobte Sängerin Rebecca Lovell die britische Rockmusik um dann Elton Johns “Crocodile Rock” zu spielen. So ungefähr der ganze Saal (ca. 1000 Besucher) hat laut und deutlich mitgesungen. Das nenne ich mal eine gelungene Hommage an die Gastgeber!
Ich hatte eigentlich auch aufgrund des verträglichen Preises von ca. £32,- eher mit einem netten Abend in einem etwas größeren Club gerechnet. Bekommen haben wir ein großartiges Rockkonzert. Klasse!
Überhaupt – Musik…
An den unmöglichsten Stellen stehen in der Stadt Klaviere herum: Im Bahnhof, im Einkaufszentrum und so weiter. Und wenn sich da jemand dransetzt, kann diese Person auch sehr gut spielen. Egal wo ich in London bisher jemanden habe musizieren hören (Pub, Bahnhof, Strassenmusikanten, …) – das Niveau ist stets exzellent gewesen. Und falls Ihr jemals an der Abbey Road seid: Lasst das Foto auf dem Fußgängerüberwegs bleiben. Ich bin da 20 mal mit dem Bus vorbei – immer dasselbe: Die Touristen verstopfen da andauernd die Strasse und ein gutes Foto wird es eh nicht.
Der Norden: Hampstead / Golders Green / Fortune Green
Den Sonnenschein am Dienstag haben wir genutzt, um den Norden Londons zu erwandern. Wir sind zunächst von Süden nach Norden durch den riesigen, hügeligen und wilden Landschaftspark Hampstead Heath gelaufen. Dabei haben wir wieder den grandiosen Ausblick vom Parliament Hill über die Innenstadt genossen (Foto von letztem Jahr hier: London, Oktober 2022), sind an malerischen Teichen, knorrigen alte Bäumen vorbeigelaufen und sind von Ausblicken auf Teile Londons, die wie verträumte Kleinstädte in kleinen Tälern im Wald zu liegen scheinen, überrascht worden.
Danach sind wir nach Westen zur Hampstead High Street gelaufen. Auch hier viel Grün und Kleinstadtfeeling. An den Läden merkt man, dass Geld hier absolut kein Problem für die Bevölkerung ist. Alles klein, fein, tippi-toppi. Das war genau richtig um ganz entspannt eine kleine Stärkung in einem schnuckeligen Cafe einzunehmen, bevor ich mir eine Besonderheit angesehen habe, die mich seit meinem ersten London Besuch 1980 interessiert hat: Die tiefste U-Bahn Station in London.
Die 1907 eröffnete Station Hampstead der Northern Line liegt fast 60m tief. Sie hat daher keine Rolltreppen sondern nur Aufzüge und eine Treppe für Notfälle. Während die Eingangshalle oben und der Tunnel unten immer noch fast im schicken Originalzustand und gut gepflegt sind, macht der Treppenschacht schon optisch sehr deutlich, dass man die 320 Stufen bitte nur im Notfall benutzt werden sollte: Keine Verkleidung der Metallwand und in der Mitte lärmt der Ventilationsschacht.
320 Stufen in die Tiefe – ich habe die “Umdrehungen” nicht gezählt.
Von hier aus fuhren wir 1 1/2 Stationen in Richtung Norden nach Golders Green.
Ups – woher kommt die halbe Station?
Eigentlich sollte es zwischen Hampstead und Golders Green noch die Station Old Bull and Bush in fast 70m Tiefe unterhalb des Golders Hill geben. Aber weil die darüber geplante Siedlung nie gebaut wurde, gibt es die Station nur im Rohbau.
Am Auslauf des Golders Hill kommt die Northern Line ans Tageslicht. Und kurz hinter den drei(!) Tunnelportalen liegt die Station Golders Green und ein Betriebshof der Tube. Man merkt deutlich, dass dieser Stadtteil erst mit der U-Bahn kurz vor dem ersten Weltkrieg angelegt wurde. Die ehemalige Dorfstraße ist von dreigeschossigen Wohnhäusern gesäumt, die kleine Läden im Erdgeschoss haben und der Rest sind recht großzügige Doppelhäuser mit Garten. Nicht die sonst üblichen Reihenhäuser.
Von hier aus sind wir mit dem Bus wieder nach Süden zum Fortune Green gefahren. Diese ehemalige Gemeindewiese sollte Ende des 19. Jahrhundert komplett bebaut werden, aber die Anwohner haben damals die Fortune Green Preservation Society gegründet und einen Teil gerettet. Da musste ich sofort an den kautzigen Song We Are The Village Green Preservation Society denken, mit dem Kinks 1968 die englischen Besonderheiten und Spleens auf die Schippe nahmen. Ich habe den Song auch dann nicht mehr aus dem Kopf bekommen, als wir über den daneben liegenden Hampstead Cemetery gelaufen sind. Sehr alt und wild. Nachts bei feuchtem, nebligen Wetter ist das die perfekte Kulisse für Horrorgeschichten.
Stadtumbau
London gehört zu den teuersten Städten der Welt. Ich finde es recht erstaunlich, dass immer noch der größte Teil des Stadtgebietes aus kleinen Reihenhäusern besteht. Weniger erstaunlich ist es hingegen, dass auch sehr viel Stadtumbau mit wirklich großen Hochhäusern durchgeführt wird. Nicht nur Bürogebäude in der City, sondern auch Wohnhochhäuser. Ich habe extrem schrecklich Gegenden gesehen (Docklands), ziemlich schreckliche (neben dem Millenium Dome) und schreckliche (Vauxhall, neben dem MI6) und rund um das ehemalige Kraftwerk Battersea.
Ein eher gelungenes Gebiet für Stadterneuerung liegt sehr zentral in Kings Cross. Drei der größten Bahnhöfe Londons liegen auf nicht einmal 700m nebeneinander an der Euston Road: Euston (hässlicher Zweckbau aus den 60ern), St. Pancras (unglaublich protziger “Barock” in rotem Backstein) und Kings Cross (Schlichte Fassade aus gelbem Backstein mit zwei gigantischen Torbögen).
St. Pancras und Kings Cross liegen direkt nebeneinander und teilen sich den größten U-Bahnknotenpunkt der Stadt. Die Gleisanlagen laufen nach Norden ca. im 35 Grad Winkel auseinander. Das V-förmige Gebiet dazwischen wird vom Regents Kanal durchzogen und war früher Umschlagplatz für Kohle, Standort eines Gaswerkes, sowie für kleine Industriebetriebe. In dieser lauten schmutzigen Gegend wohnten auch noch viele arme Menschen, weshalb die 1906 eröffnete U-Bahnstation Yorck Road ab 1918 zunächst teilweise und ab 1932 komplett geschlossen wurde.
Man mochte die Herrschaften, die in die Vorort pendelten nicht unnötig den Kontakt mit armen und schmutzigen Menschen zumuten…
90 Jahre später ist hier ein neuer Stadtteil entstanden – und er funktioniert verblüffend gut. Das liegt vor allem an seinen Widersprüchen: Zentral und belebt, aber ruhig. Moderne Neubauten, aber die industrielle Vergangenheit nicht komplett abgeräumt. Dicht, aber mit genügend Freiflächen, Wasser und sogar etwas Grün. Sehr verkehrsgünstig, doch ohne Straßenverkehr.
Zudem gibt es eine gute Nutzungsmischung: Sehr viel Bürofläche für so ‘unbedeutende’ Firmen wie Google, Meta, Samsung diverse AI-Firmen usw.. Daneben ist ein sehr großes Gebäude mit Colleges für Kunst, Design und Theater. Es gibt sehr viele Wohnungen; Teilweise Apartements für etliche Millionen, aber auch 30% sozialer Wohnungsbau (was immer das in London bedeutet) und sogar Studentenwohnheime. Entlang des Regent Kanals gibt es auch etlich Liegeplätze für Hausboote. Auf dem Gelände findet sich viel Gastronomie und etwas Einzelhandel. Herausgekommen ist ein recht angenehmer Ort, der versucht, die Historie mit einzubeziehen. Der Ort ist recht belebt, aber ruhig.
London wäre aber nicht London, wenn nicht ein paar Strassenblöcke weiter an einer Hauptstraße ein winziger Durchgang wäre, in der man sich plötzlich in das Jahr 1880 zurückversetzt fühlt.
Wir haben noch etliche andere Dinge gesehen. Zum Beispiel bin ich zum ersten Mal durch den Hyde Park gelaufen oder habe mir den Flohmarkt in der Portobello Road angesehen. Den halte ich übrigens für maßloß überbewertet. Ich meine, er ist ganz nett, wenn man gerade mal in der Gegend ist. Muss jetzt aber auch nicht sein. Da finde ich den Flohmarkt am Mauerpark in Berlin spannender.
Ich kann aber jetzt nicht jede Kleinigkeit aufzählen, die wir gemacht haben, sonst wird dieser Artikel ja nie fertig. Darum komme ich jetzt mal zum…
Fazit
Innerhalb von 5 Jahren war ich jetzt vier mal in London. Jedes mal für mehrere Tage mit straffem Programm. Ich halte mich meist etwas Abseits von den üblichen Sightseeing Routen, aber ich habe immer jede Menge interessanter, skurriler, historisch bemerkenswerter oder einfach nur unterhaltsamer Orte gefunden. Die Stadt wird einfach nicht langweilig. Und dabei habe ich noch nicht mal mit Kunst oder Theater angefangen…
Leider ist sie so unfassbar absurd teuer, dass man das eigentlich nur als Tourist genießen kann – oder man ist wirklich reich. Und ich meine REICH! Ein Jahreseinkommen von läppischen £100.000,- reicht jedenfalls nicht für eine einigermaßen akzeptable Wohnung.
Aber das wird mich nicht abhalten, dort auch im nächsten Jahr mit meinem Kumpel Geburtstag zu feiern. Ich komme wieder!
Am Samstag brachte mir der Postbote die Eintrittskarten für das Konzert von Orchestral Manoeuvres In The Dark im Februar 2024 in Berlin. Und um die Vorfreude noch ein wenig anzufachen ist heute auch noch die neue OMD Platte bei mir eingetroffen: Bauhaus Staircase.
Der Titel bezieht sich auf ein Gemälde von Oskar Schlemmer aus dem Jahre 1932. Überhaupt habe ich beim Hören das Gefühl keine Schallplatte, sondern eine Zitatsammlung aufgelegt zu haben – sowohl inhaltlich, als auch musikalisch.
OMD war ja schon in den 80ern dafür bekannt, dass sie abwechselnd gar liebliche Melodeien (“Maid of Orleans”, “Secret”, “Forever Live And Die”) und thematisch eher sperrige Werke voller Anspielungen (“Enola Gay”, “Dazzle Ships” etc.) mit teils recht eigenwilligen Soundcollagen veröffentlicht haben.
Ich liebe sie für beides.
Im aktuellen Werk wird man keine schlichten Liebeslieder finden. Dafür in den Songs “Bauhaus Staircase” und “Veruschka” Referenzen und Verweise auf deutsche Künstler. Und in anderen Songs düstere Texte, die Bezug auf den Zustand unserer westlichen Demokratien (“Kleptocracy”), das Anthropozän und sein vermutliches Ende (“Anthropocene” und “Evolution of Species”) nehmen.
Und die Musik? Handwerklich natürlich Profiarbeit, wie man es von einer Gruppe, die es seit 45 Jahren gibt zu Recht erwarten kann. Der Titelsong geht gut vorwärts und ich kann nur empfehlen, dazu das hervorragende Video anzuschauen. Der letzte Titel “Healing” ist schön und melancholisch.
Der Rest der Platte pendelt zwischen routiniertem Songwriting und dreistem Zitat. Etwas musikalische Vorbildung und Humor helfen beim Hören. “Look At You Now” klingt für mich wie gruseliger, deutscher 90er Jahre Schlager. “Slow Train” ist eine freche Interpretation von Alison Goldfrapps “Ooh La La”. Der nächste Song auf der zweiten Seite weist mit dem Synthi-Intro und dem Titel “Don’t Go” sehr direkt auf Yazoo hin und das Intro von “Kleptocracy” scheint mir doch recht deutlich von Depeche Modes “Boy say go!” inspiriert zu sein, aber das ändert sich nach ein paar Sekunden; Der Titel treibt jedenfalls gut vorwärts.
Unter dem Strich nicht das stärkste Album von OMD, aber bei weitem auch nicht fade. Schön zu hören, dass sie immer noch gute Songs schreiben können und Andy McCluskey noch so gut bei Stimme ist.
Ich freue mich schon mächtig auf das Konzert im Februar.
Es ist gerade mal Mitte Januar und ich glaube, ich habe mein “Platte des Jahres” bereits gefunden:
Billy Nomates – Cacti.
Auf Billy Nomates bin ich aufmerksam geworden, als sie bei den Sleaford Mods dem Titel “Mork ‘n Mindy” das gewisse Etwas mitgegeben hat. Daraufhin hatte ich mir ihre erste EP “Emergency Telephone” und die erste LP “Billy Nomates” (beide aus dem Jahr 2020) gekauft und für gut befunden. Die minimalistischen Tracks mit ihrem sehr eigenen Sprechgesang hatten etwas düsteres – eine Stimmung, die ich aus meiner Jugend noch gut kannte und eine Saite in mir zum schwingen gebracht hat.
Seit einigen Wochen tauchen nun immer mehr neue Videos von ihr auf Youtube auf und ich fand alle recht gut. Also habe ich mir die neue LP gleich zum Erscheinungsdatum bestellt – transparentes Viny mit Textinlay. Optisch macht das schon mal Lust darauf, den Plattenspieler anzuwerfen und die Scheibe aufzulegen.
Das habe ich dann auch sofort getan und es ist etwas passiert, was wirklich extrem selten ist: Mir gefällt jeder einzelne der 12 Songs.
Das liegt auch daran, dass die Songs mehrschichtiger geworden sind – oder sagen wir mal eher wie “richtige” Lieder. Die bisherigen basierten noch stark auf Loops, wie sie auch die Sleaford Mods verwenden und Billy hatte darüber den Sprechgesang in ihrem eigenen Stil gelegt.
Auf Cacti ist das weiterentwickelt. Mehr Melodie, mehr Songstruktur und sogar richtiger Gesang. Weniger “Ich haue der Welt in die Fresse, weil sie mir in die Fresse haut”-Attitüde. Nicht mehr das rebellierende Gossenkind. Immer noch Düsternis im Text, aber mehr Verletzlichkeit. Auch mehr Abwechselung im Arangement.
Kleines Detail am Rande: Beide Seiten beginnen mit ein paar dahingenuschelten, düsteren Weisheiten von Iggy Pop.
Gefällt mit ausgesprochen gut und ich habe darum auch gleich Karten für das Konzert in Berlin Ende März gekauft.
Falls ich Euch auch etwas neugierig gemacht habe: Wie Youtube funktioniert, wisst Ihr ja. ;-)
Nachdem das Vintage Computing Festival Berlin im letzten Jahr nach der Corona Zwangspause noch etwas verhalten ausfiel, war dieses Jahr die Beteiligung wieder zahlreicher und das Programm recht spannend. Selbst ich als “Veteran” (siehe meine Berichte von 2014,2015,2016,2017 und 2019 ) habe noch viel neues gelernt. Das gilt sowohl für die Ausstellungen, als auch für die Vorträge, die dank dem Chaos Computer Club unter https://media.ccc.de/c/vcfb22 abrufbar sind.
In der Ausstellung fand ich z.B. ein Gerät, das ich noch nie live gesehen hatte: Den BBC Micro Master. Schon der normale Acorn BBC Microcomputer von 1981 war seinerzeit in Deutschland kaum zu finden, aber in Großbritannien ist fast jeder damit in der Schule in Kontakt gekommen. Den normalen BBC Micro Model B hatte ich zwar schon ein paar mal gesehen, aber nun stand auch die größere “Lehrerversion” daneben. Sie zeichnet sich durch größere Tastatur, Modulports und mehr Speicher aus und sie konnte bereits damals mit den Rechnern der Schüler vernetzt werden.
Ein weiteres historisches Gerät aus dem Jahr 1982 konnte ich ebenfalls live sehen: Den Grid Compass. Das war der erste Notebook, der seinerzeit sogar im Space Shuttle zum Einsatz kam. Er war zwar bereits mit einem Intel 8086 Prozessor ausgestattet, hatte aber ein eigenes proprietäres Betriebssystem und war mit seinem 320×240 Pixel Elektrolumiszenz-Display und dem 340KB Magnetblasenspeicher technisch durchaus ungewöhnlich.
Eine in mehrfacher Hinsicht größere Lücke in meinem Computerwissen sind die Deutschen Computerhersteller der 60er bis 80er Jahre. Sicherlich – daß Siemens Großrechner hergestellt hat und es eine sehr erfolgreiche Firma mit dem Namen Nixdorf gab, war mit bekannt – aber “Computer Technik Müller” (CTM)?
Das klingt wie der kleine PC Schrauber aus der nächsten Seitenstraße. Doch weit gefehlt. Die Firma war zeitweise nach Umsatz der zweitgrößte Computeranbieter in Deutschland nach Nixdorf und noch deutlich vor IBM oder Digital Equipment!
Es gab damals für 15-20 Jahre eine gar nicht mal so kleine Nische im Computerbereich, die von deutschen Computerherstellern gut bedient wurde: Die sogenannte mittlere Datentechnik machte Datenverarbeitung auch für mittelständische Unternehmen bezahlbar, für die die großen Computer unerschwinglich waren. Typische Aufgaben waren Lohn- und Finanzbuchhaltung und Fakturierung. Die Systeme wurden meist als Komplettlösung verkauft. Erst in den 80er Jahren wurde diese Nische durch die standardisierten und immer günstigeren und leistungsfähigeren Personalcomputer besetzt, was zum Ende der Nixdorf/CTM-Ära und in der Konsequenz zum Ende der Computerentwicklung in Deutschland führte.
Ein kleines aber feines Projekt stellte Jürgen Müller vor. Er hat sich mit der Automatic Computing Engine befasst, die Alan Turing in den 1940er Jahren konzipiert hat. Daraus hat er ein sowohl technisch interessantes, als auch optisch schönes Funktionsmodell – den Tiny ACE – gebaut, das kleinere Programme ablaufen lassen kann.
Aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert ist das Konzept, den Arbeitsspeicher als Ultraschall Verzögerungsleitungen zu bauen. Im Original waren das 1,5m lange Röhren, die mit Quecksilber gefüllt waren. Daraus ergab sich, dass bei der Programmierung nicht direkt auf Speicheradressen zugegriffen werden kann, sondern stattdessen mittels korrektem Timing darauf gewarten werden muss, bis der entsprechende “Speicherplatz” anliegt. Das macht die Programmierung sehr ungewöhnlich und kompliziert.
Das wirklich verblüffende an dem Tiny ACE ist nun, dass neben konventionellen 74xx Logikbausteinen tatsächlich drei Ultraschall-Umlaufspeicher verwendet werden. Sie basieren auf kleinen Glasplättchen und wurden früher in Fernseher zur Erzeugung des PAL Signals verwendet.
Sonstige Ausstellungsstücke
Es gab so viele interessante Ausstellungsstücke, dass ich hier nur kurz eine unvollständige Auflistung wiedergeben kann. Angefangen beim Game-Room in dem man historische Computer und Telespiele ausprobieren konnte, über diverse Heimcomputer, einen halben Raum voller Apple vom Apple III über Lisa bis zu Macs aus allen Generationen – und sogar die iPods sind mittlerweile bereits retro. Weiterhin gab es eine Original PDP-8 mitsamt Terminal und Telex zu sehen, auf der OS8 lief, zwei Rechner von Telefunken und AEG, die früher bei der Bundeswehr eingesetzt wurden. Ich habe mir an einem VT101 Terminal (ca. 1980) über einen in der TU Berlin selbstentwickelten Computer eine E-Mail geschickt. Ein Projekt ermöglicht es mittels Signalumsetzer alte Modems über das Internet kommunizieren zu lassen und somit Mailbox Systeme stilecht zu betreiben, was mangels analogem Telefonnetz ansonsten nicht mehr möglich ist. Und es gab noch viel mehr, das ich hier nicht mehr erwähnen kann.
Kurztagung Hard Bit Rock – Computer und Musik
Neben den Ausstellungen und Vorträgen gab es auch in diesem Jahr wieder eine Kurztagung. Dieses Mal ging es um das weite Feld “Computer und Musik”. Diese Kombination ist heutzutage natürlich alles andere als ungewöhnlich. Die meisten Musikproduktionen werden heute zumindest im Computer abgemischt und gemastert und volldigitale Produktionen sind im Zeitalter von Digital Audio Workstations und Plugins normal. Solch ein digitales Studio habe ich auch zu Hause. Dennoch waren die Vorträge und Darbeitungen interessant und zum Teil auch verblüffend.
Zu Beginn gab Rainer Siebert einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der digitalen Klagsynthese und überraschte mich mit vielen Details, wie damit, dass PCM (Pulse Code Modulation) bereits 1921 als optomechnisches Verfahren erfunden wurde und das erste 5 Bit Sampling schon 1937 durchgeführt wurde, noch bevor es überhaupt einsatzfähige Digitalrechner gab. Die thematische Tour de force endete mit dem Durchbruch der Digitalsysthesizer der Großserienhersteller Yamaha, Casio und Roland in den 80er Jahren.
Vorführungen Computer und Musik – verblüffend analog
Zwei der praktischen Vorführungen fand ich aufgrund der extrem originellen Setups bemerkenswert. Beide Male kamen Computer bei der Klagerezugung zum Einsatz – aber völlig anders als bei heute üblichen digitalisierten Studios.
Am ersten Tag führte Hainbach im Medientheater vor, wie man mit einem Sinusgenerator, einer analogen Bandmaschine, einem Casiotone und einem HP87 Computer aus dem Jahr 1982 interessante Soundloops erzeugen kann. Was das Setup wirklich speziell macht: Bis auf den kleinen Casiotone war keines dieser Geräte für musikalische Anwendungen vorgesehen. Es handelt sich vielmehr um alte, früher sündhaft teure analoge messtechnische Geräte.
Die Bandmaschine wurde für die analogen Messdatenaufzeichnung z.B. von Schwingungsversuchen im Flugzeugbau verwendet. Daher hat sie im Gegesatz zu normalen Tonbandmaschinen einige Besonderheiten: Einen extrem starken Antriebsmotor um präzise Bandgeschwindigkeit sicherzustellen, keinen Löschkopf, damit wichtige Daten nicht versehentlich gelöscht werden, und die Möglichkeit in verschiedenen Geschwindigkeiten vor- und rückwärts zu laufen. Und sie hat ein Interface über das Steuersignale übertragen werden können.
Der Computer ist wiederum kein PC, sondern ein Spezialrechner zur Steuerung von Laborgeräten – in diesem Fall der Bandmaschine. In der Vorführung sorgte ein kleines Basicprogramm dafür, dass das Band mit verschiedenen Geschwindigkeiten zunächst vorwärts, dann rückwärts zum Ausgangspunkt läuft und das ganze stetig wiederholt. Währenddessen wird mit dem Sinusgenerator ein Signal erzeugt und dieses manuell in der Frequenz geändert. Durch die Überlagerung der verschiedenen Frequenzen und der Rhythmik der ständig veränderten Bandlaufs entstanden interessante Klangschleifen.
Als im zweiten Durchlauf anstelle des Sinusgenerators der kleine Casio als Signalquelle verwendet wurde, steigerte das für mich die inhaltliche Qualität nochmals deutlich. Die Veranstaltung ist auf Hainbachs Youtube Kanal zu sehen – inklusive erklärender Zwischenszenen: Endgame Tape Music Techniques: HP’s Computer Controlled Reel-To-Reel.
Am zweiten Tag setzte Andrea Taeggi weitere Akzente, indem er für seine Vorführung keinen Digitalcomputer, sondern einen Analogcomputer von Telefunken aus den 60er Jahren zur Signalerzeugung nutzte. Auch hier basierten die Klänge auf Sinuswellen, die sich gegenseitig beeinflussten und damit sowohl den Klang, als auch die Rythmik ständig änderten.
Das ist nicht völlig ungefährlich, weil der Analogrechner auch mit Frequenzen jenseits des Hörspektrums arbeiten kann. Bei einigen Klängen bebte das Signallabor und ich machte mir Sorgen, ob die Lautsprecher diese Belastung überleben. Spannend fand ich hier, dass auch jenseits der zu erwartenden Sinusbässe recht interessante Klangfarben entstanden, wie z.B. ein Anblasgeräusch. Da ganze Krachen, Stampfen, Klingeln lies mich an einen Tanztheater denken.
Nach der Livevorführung spielte Taeggi noch einige komplexere Aufnahmen ab, die er mit Hitachi Analogcomputern in den Willem Twee Studios von Hans Kulk aufgenommen hatte.
Die Vorführungen von Hainbach und Andrea Taeggi fand ich sowohl klanglich spannend, als auch dahingehend, den Ansatz “Computer und Musik” völlig anders zu denken.
Hainbach nutzte den Digitalcomputer nicht zur eigentlichen Erzeugung oder Berechnung des Audiosignals, sondern um indirekt über analog-/machnischen Umweg die Frequenzen des Signals zu beeinflussen.
Taeggi liess das Audiosignal zwar von einem Computer “berechnen”, aber eben nicht von einem heutzutage üblichen Digitalcomputer, sondern von einem alten Analogcomputer, mit dem in den 60er Jahren Diffentialgleichungen gelöst wurden.
Fazit
Schön, dass auch in diesem Jahr wieder das Vintage Computing Festival durchgeführt werden konnte. Obwohl die Vorzeichen nicht so gut waren (Rückkehr aus dem Deutschen Technikmuseum in die Humboldt Universität, Corona Nachwehen, zwei wichtige Menschen aus der Organisation sind nicht mehr in Berlin, …) waren sowohl die Exponate, als auch die Vorträge und Vorführungen sehr interessant. Zudem habe ich Bekannte wiedergetroffen und nett gefachsimpelt.
Vom 12. bis 14. Mai 2022 fand in Berlin die Superbooth statt – eine Messe rund um elektronische Musik mit dem Schwerpunkt Modularsythesizer. Elektronische Musik und Berlin passt perfekt zusammen. Von Tangerine Dream bis Techno – der Sound von Berlin ist elektronisch, also passt hier auch gut eine entsprechende Messe hin.
Ich habe die Superbooth zum ersten Mal besucht. Jede Erwartung, die man an eine Musikmesse haben kann, wurde dort auf den Kopf gestellt. Das vermeintliche Nischenthema “analoge Modularsythesizer” klingt irgendwie sehr technisch und trocken. Und Messen machen in der Regel auch keinen Spaß. Meist große Hallen mit viel Gedränge und schlechter Luft, geschäftiges Abklappern von potentiellen Geschäftspartnern, langweilige Stände, Prospekte sammeln, Verkaufsgespräche, Visitenkarten austauschen und so weiter. Am Ende zählt, wie viel Kontakte und Abschlüsse man gemacht hat.
Die Superbooth entpuppte sich als genau das Gegenteil: Ein total entspanntes Happening von Leuten, die elektronische Musik und die Instrumente lieben. Nebenbei wurde sicherlich auch das eine oder andere Geschäft angebahnt, aber das Ganze hat sich mehr nach Festival oder nerdigem Hackercamp (siehe Chaos Communication Camp 2015) angefühlt, als nach Verkaufsmesse. Und das ist auch die Absicht des Veranstalters.
Die Anti-Messe
Die Geschichte fängt vor 20 Jahren mit einem Gemeinschaftsstand auf der großen Frankfurter Musikmesse statt, auf dem sich mehrere Kleinsthersteller zusammengetan haben (daher der Name “Superbooth”). Analoge Modularsysnthesizer waren damals völliges Nischenthema und daher monetarisch für so eine Riesenveranstaltung eher uninteressant. Im Laufe der Jahre wuchs wohl die Unzufriedenheit mit der Frankfurter Musikmesse und 2015 entschied sich Andreas Schneider, aus dem Gemeinschaftsstand eine eigene Veranstaltung zu machen. Und dort sollte so einiges anders werden.
Der besondere Ort
Das fängt schon mit der Wahl des Veranstaltungsortes an. Keine Messehalle, keine angesagte Location in einem trendigen Szenebezirk in der Innenstadt, sondern das FEZ in der Wuhlheide. Für Nicht-Berliner: Die Wuhlheide ist ein städtisches Waldgebiet, das in Oberschöneweide zwischen den Stadtteilen Karlshorst und Köpenick liegt. Darin befindet sich neben einer Freilichtbühne und einer Parkeisenbahn (ehemals Pioniereisenbahn) das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ – ehemals Pionierpalast „Ernst Thälmann“). Man fährt also aus der Stadt heraus und läuft dann erst mal einen knappen Kilometer durch den Wald, bis man am FEZ ankommt. Das fühlt sich schon mal sehr anders an, als zu einem Messegelände zu fahren und hat bereits Einfluss auf die Stimmung.
Das FEZ ist ein recht großes Gebäude aus den späten 70er Jahren. Und hier fühlt sich alles auch noch einigermaßen konventionell an: Foyer, Auditorium für Vorträge und viele Räume für Aussteller. Hier ist aber nur ein Teil unterbracht. Ein anderer Teil der Aussteller ist in Hütten oder Zelten untergebracht, die auf dem Gelände verstreut liegen. Es gibt also keine Messestände im engeren Sinn. Das Ganze wird ergänzt um Bühnen für Auftritte an einem kleinen See oder in einem Zirkuszelt.
Der Umgang mit Menschen
In diesem Jahr schnitt Andreas Schneider auch noch den letzten Zopf konventioneller Messen ab: Den Fachbesuchertag.
Auf großen Messen ist es üblich, Pressevertretern und einigen ausgewählten Personen bereits vor der offiziellen Eröffnung Zutritt zu geben. Schneider wischte das weg mit dem Argument: “Jeder, der zu dieser Veranstaltung kommt, ist Fachbesucher” und machte keinen Unterschied zwischen Presse, Händler, Musiker oder auch “nur” Musikinteressierten.
Das Ergebnis ist ein bunter Haufen Menschen, der sich einfach für dasselbe interessiert. Man bewegt sich sich in einer entspannten Umgebung, läuft mal hier und mal dort hin und tauscht sich mit Gleichgesinnten aus.
Und das wirkt! Man kommt sehr locker mit wirklich jedem ins Gespräch. Keine Person wird erst mal darauf abgecheckt, wie wichtig sie vermeintlich ist. Alle sind auf Augenhöhe. Jeder ist neugierig und jeder erzählt auch gerne was sie/er macht. Man wird nicht schräg angesehen, wenn man sich als Neuling in dem Bereich outet, sondern es wird erklärt und Mut zugesprochen (“Be patient. We’ve all been there. Start small and practice. The more you do, the more you understand. The more you understand, the better you will know, what you really need.”).
Die Großen
Falls das jetzt eher nach Jahreshauptversammlung der Kaninchenzüchtervereins Wuhletal anhört – lasst Euch nicht täuschen.
Das Publikum ist genau so international, wie die Aussteller und es lassen sich auch bekannte Personen blicken. Im letzten Jahr mischte sich z.B. Jean Michel Jarre unter die Besucher und ich habe ein Podiumsgespräch mit Dave Smith, Markus Ryle und Tom Oberheim anlässlich der Vorstellung des neuen Oberheim OB-X8 gehört. Die drei haben etliche der besten Analogsynthesizer der 70er und 80er Jahre entwickelt und sind absolute Koryphäen! Tom Oberheim war leider nur per Video zugeschaltet. Schade, aber verständlich. Er ist immerhin mitten in seine 80er Jahren. Immerhin sind die anderen beiden extra aus den USA gekommen um das neue Instrument zu präsentieren, das sicher eines der Highlights der Messe war.
Viele schöne, kleine Juwelen
Es waren viele der größeren, bekannten Hersteller vertreten: Korg, Yamaha, Moog, Sequential, Novation, Nord, Rhodes usw. Was die Superbooth aber so besonders macht, ist die unglaubliche Menge kleiner und kleinster Hersteller von Klangmodulen. Deren Exponate zeichnen sich meist durch Originalität, Verspieltheit und Detailliebe aus. Man merkt, dass das nicht einfach hart kalkulierte Industrieprodukte sind, sondern Kleinserien in die viel Liebe und Herzblut geflossen sind. Oftmals sind die Anbieter selbst Musiker, die einfach das entwickelt haben, was sie selbst haben wollten und nirgends kaufen konnten.
Aus der riesigen Menge, stelle ich mal exemplarisch drei Module für Eurorack Synthesizer vor, die ich sehr interessant fand.
Spannend fand ich den NerdSEQ von XOR-Electronics. Ein Mehrspur-Sequencer, der nach dem Prinzip der Soundtracker funktioniert, mit denen in den 80er und 90er Jahren Musikstücke auf Heimcomputern erstellt wurden. Um den Nerdfaktor zu erhöhen, kann man das Gerät per Joypad bedienen und eine Ausgabe per Videosignal an einen Röhrenmonitor(!) ist auch möglich.
Bei LPZW.Modules fand ich den 6m0d6, ein Modul, das im Prinzip eine Roland TR-606 Drummachine ist. Der Sound ist knackig und die Vorführung zeigte, wie sich durch ein simples LFO Signal, lebendigere Hi-Hats oder Toms erzeugen lassen.
Instruo aus Glasgow hatten zwei Racks dabei, die optisch zu den schönsten der gesamten Messe gehört haben. Die Kombination aus dunklem Holz, mattschwarzen Oberflächen und goldener Beschriftung hatte besten Steampunk-Appeal. Und die Demonstration des Granularsynthesizers arbhar zeigte, dass sich mächtige Soundmöglichkeiten und einfache Bedienung nicht ausschließen müssen.
Bei den kleinen Anbietern habe ich stets gefragt, woher sie sind. Mein Eindruck ist, dass “Eurorack” nicht nur ein technischer Standard ist, denn die meisten kamen aus Osteuropa, Spanien, United Kingdom oder Deutschland. Asiatische Anbieter habe ich in diesem Segment gar nicht gesehen und Amerikaner waren auch rar. Ich habe zum Beispiel Intellijel aus Kanada vermisst, die wirklich erstklassige Module und Racks herstellen. Aber egal, mit wem man sprach: jeder, wirklich JEDER hat Schwierigkeiten, die benötigten elektronischen Bauteile in genügender Stückzahl zu bekommen.
Und sonst?
Tonnenweise Zeug, Zubehör, Cases, Software. Wenn ich von Modularsynthesizer rede, sind hier meist die kleinen Eurorack-Module gemeint. Es gab aber auch immerhin zwei Anbieter, die Module im größeren Moog-Format anboten und im Bungalowdorf war auch noch Buchla zu finden.
Ich hatte noch gute Gespräche bei Bitwig, deren Workstation Software der Kern meines kleinen Heimstudios ist und gleich daneben stand noch der Colani-Truck, den Arturia zur Präsentation ihrer Produkte nutzte. Als ich erzählte, wie zufrieden ich mit meinem Keylab-88 Masterkeyboard und den tollen Software Synthesizern der V-Lab Collection bin, habe ich gleich ein T-Shirt dafür bekommen. Ungewöhnlich für Merchandising: Die Textilie hat eine sehr gute Qualität – und der Firmenname fehlt (!). Es gibt nur einen Mini-Aufdruck “_The sound explorers”.
Insider – Merchandising. Okay, warum nicht?
Livemusik
Zur Messe gehörte auch ein Programm von Live Performances. Leider traten viele Acts, die mich interessiert hätten bereits an den Vortagen auf, wie z.B. Julia Bondar. Aber das hält einen ja nicht davon ab, mal hier oder dort reinzuhören.
Manches war akustisch etwas anstrengend, aber im Großen und Ganzen, konnte man meist gut zu den Acts entspannt abhängen und z.B. mit einem Bierchen in der Hand den Sonnenuntergang genießen.
Fazit
Tja, mein Fazit steht ja schon in der Überschrift: “die wahrscheinlich lässigste Musikmesse der Welt” :-D Hat mir sehr gut gefallen und ich werde auch nächstes Jahr gerne wiederkommen. Ich überlege, dann evtl. sogar zwei Tage einzuplanen, denn ich habe so einige Dinge nicht mehr geschafft. Den neuen Oberheim hätte ich gerne ausprobiert, Moog habe ich aus Zeitgründen nicht geschafft und bei Rhodes hätte ich auch gerne das neue E-Piano ausprobiert.
Im Nachgang fiel mir auch auf, dass so ungefähr alle Fachmagazine und Blogs anwesend waren und berichtet haben. Dabei fand ich ganz interessant, dass jeder irgendwie einen eigenen Schwerpunkt hatte und andere Dinge berichtete, als die anderen Publikationen. Aber es waren sich alle einig, dass die Superbooth entspannt, familiär und einfach toll war. In seiner Nische ist diese Veranstaltung mittlerweile eine der großen und renommierten.
Die Eine oder der Andere weiß, dass ich hin und wieder an etwas Musik bastele. Immer wenn ich einen Schwung Songs fertig habe, erkläre ich das zu einem “Album”, gebe dem Ganzen Namen und Cover und veröffentliche es hier auf meinem Blog. Und weil es jetzt wieder so weit ist, gebe ich mir selbst augenzwinkernd auch gleich noch ein “Interview” dazu.
Hallo Dirk, Wir sitzen hier heute zusammen, um über Dein neues virtuelles Album “Der Schritt zurück” zu sprechen. Es ist das mittlerweile 7. Album von Dir seit 2009.
Es ist für mich tatsächlich ein sehr besonderes Album, darum freue ich mich, dass wir heute darüber sprechen. Ich bin ja kein ausgebildeter Musiker, sondern Softwareentwickler. Und bei diesem Album habe ich in mehrfacher Hinsicht echten Fortschritt erzielt.
Worin siehst Du die Weiterentwicklung?
Nun, zunächst sicherlich handwerklich. Als ich um 2005 meine ersten Songs aufgenommen habe, fehlte mir noch fast jedes Wissen im musikalischen Bereich. Ich habe weder Akkorde, noch Rythmik, Songstruktur, Arrangement oder Sounddesign verstanden. Es war alles trial and error.
Meine Songs waren damals zu 90% Schrott und 10% bestenfalls originelle Klangskizzen. Über die Jahre wurde das langsam besser und ab 2009 habe ich diese Klangfragmente gesammelt. Die ersten beiden Alben “Raw Fragments” und “Furthermore” zähle ich zu dieser Phase.
Du meintest Fortschritt in mehrfacher Hinsicht. Was ist Dir noch wichtig?
Normalerweise benötige ich mindestens 12 Monate um genügend brauchbare Songs zusammenzutragen. Diesmal war ich durchgehend inspiriert und habe die 11 Songs in nur knapp vier Monaten geschrieben und aufgenommen.
Neu für mich ist, dass ein gemeinsames Konzept hinter allen 11 Songs steht. Ich habe deshalb zielgrichtet gearbeitet und es gab auch weniger Ausschuss als sonst.
Welches Konzept hattest Du im Kopf und wie kamst Du darauf?
Eigentlich sind es sogar zwei Konzepte: Ein inhaltliches und ein technisches.
Vielleicht magst Du erst etwas zum technischen Konzept sagen?
Gerne. Das war auch tatsächlich der Ausgangspunkt. Mich faszinieren die Sythesizer der 80er Jahre. In diesem Jahrzehnt ist musikalisch und soundtechnisch so unfassbar viel passiert. Und es ist natürlich die Musik meiner Teenager Zeit die mich emotional berührt.
Diese mittlerweile klassischen Synthesizer haben jeweils einen eigenen, speziellen Charakter und sind daher bei Sammlern und Musikern immer noch heiss begehrt. Das bedeutet irre teure Gebrauchtpreise – falls man überhaupt jemanden findet, der ein Gerät verkauft.
Wobei – teuer waren sie damals ja auch. Ich hatte damals um 1985 einen Roland Jupiter 8 in einem Laden in Hannover gesehen, aber durfte ihn nicht anfassen, weil er sagenhafte 15.000 DM kostete. Die weniger teueren Geräte, wie den legendären Yamaha DX-7 durfte man für eine halbe Stunde ausprobieren, wenn man keinen “echten” Kunden nervte.
Zum Vergelich: Für 15.000 DM hat man damals einen neuen Mittelklassewagen bekommen. Und dann gab es ja noch die absoluten High-End-Geräte wie Fairlight und Synclavier die mit 100.000 DM – 250.000 DM so viel kosteten, wie Einfamilienhäuser.
Und heute, nach 40 Jahren Computerrevolution besitze ich fast alle dieser Traumgeräte. Natürlich nicht im Original, sondern als Softwareemulation auf meinem Mac.
Auf Youtube habe einige Musiker eine sogenannte “One Sythesizer Challenge” gemacht. Es geht dabei darum, einen kompletten Song ausschließlich mit einem einzigen klassischen oder sehr spziell klingenden Synthezizer aufzunehmen. Kein weiteres Instrument ist erlaubt. Die Herausforderung liegt natürlich in der klanglichen Beschränkung. Da ich die meisten meiner Traumgeräte mittlerweise besitze – wenn auch nur als Software – habe ich mir gedacht:
“Klingt lustig. Das probiere ich auch”.
Gleich der erste Versuch mit einem vergleichsweise unscheinbaren und günstigen Casio CZ-101 fand ich derart überzeugend, dass ich nach und nach mit fast allen meiner Software Syntheziser Songs produziert habe.
Gab es dabei Problem oder Überraschungen?
Probleme nicht, aber Überraschungen durchaus. Die erste war, dass der einfache und günstige Casio super zum Songwriting taugt. Dagegen bin ich mit einem Gerät, von dem ich mir recht viel versprochen hatte – dem komplexen und seinerzeit recht teuren Oberheim Matrix 12 nicht gut zurecht gekommen. Es hat mich nicht genügend inspiriert. Ganz allgemein heben mich die Geräte häufig auch nicht in die stilistische Richtung gezogen, die naheliegend ist. Der Yamaha DX-7 ist berühmt für seine Glocken, Glass, E-Piano Sounds, wie sie in 100 Schnulzen und Baladen verwendet wurde, z.B. bei Whitney Houstens “The greatest love of all”. Mich hat das Herumspielen mit den Presets aber zu dem extrem düsteren Stück “Zwischen Elend und Sorge” inspiriert. Das war unerwartet.
Welche Instrumente hast Du letztlich genutzt?
Insgesamt 10 Instrument in 11 Songs. Der MiniMoog war so großartig, dass er gleich in zwei Songs verwendet wird. Casio CZ-101 und Yamaha DX-7 hatte ich bereits genannt, der ARP 2600, Roland Juno 60, Oberheim OB-Xa, Emulator II, NED Synclavier und Fairlight CMI. Und es hat sich ein Software Synth eingeschlichen, den es niemals als Hardware gegeben hat: Der FM-4 aus Bitwig Studio. Das ist auch die Audio Workstation, die ich zur Produktion verwendet habe. Die anderen Softwareinstrumente sind von Arturia.
Welches inhaltliche Konzept hast Du umsetzt?
Es stellte sich schnell heraus, dass sich die einzelnen Songs vom Klangcharakter sehr gut ergänzen. Ich hatte ursprünglich erwartet, klangliche Solitäre zu schaffen, da die verwendeten Instrumente doch recht unterschiedlich klingen. Stattdessen gab es plötzlich eine gemeinsame Linie. Was lag näher, als daraus auch eine inhaltlich Linie zu machen?
Beim Mastern und finalisieren der Musikdateien fühlte ich mich wie auf einem mentalen Road Trip. Reines Kopfkino. Der Protagonist startet in einem Ibiza-Style Club bei lauschiger Cocktail-am-Pool-bei-Sonnenuntergang, aber irgendwas irritiert ihn. Er erkennt, dass ihn das Clubleben nicht erfüllt und macht sich auf den Weg zurück nach Deutschland. Aus der Jet-Set Umgebung verschlägt es ihn in die Berge. Er erreicht abgelegene Gegenden, in denen er keinen Party-Glitzer, sondern Armut findet, was ihn sehr unangenehm berührt. Als er jedoch nachts durch den Wald geht fühlt er die Magie von Elementargeistern und verliert sich zunächst. Zurück im Dorf bedankt er sich bei dem Bewohner, der ihn auf den Pfad geführt hat. Der Trip ist zu Ende.
Im allgemeinen, gebe ich meinen Songs englische Titel. Man könnte meinen, dass das bei instrumentaltiteln eigentlich egal ist, aber hier hat es einfach nicht gepasst. Ich hatte ein romantisierte Mitteleuropäische Gebirgslandschaft, wie den Harz vor Augen und das funktioniert einfach nicht auf englisch.
Ist das Thema nicht ein bischen kitschig und platt?
Ja, sicher. Aber kein “Plüsch-um-den-Telefonhörer-Kitsch”. Dass wir alle den mentalen Kontakt zur Natur verloren haben, ist eine Binsenweisheit, die uns die Jugendlichen ja richtigerweise seit einiger Zeit ordentlich um die Ohren hauen. Leider haben aber auch die, die die Kritik am lautesten und heftigsten formulieren diesen Kontakt ebenfalls nicht. Können sie ja nicht, da sie ebenfalls Teil des Systems sind. Aber diese Diskussion sprengt den Rahmen dieses Interviews bei weitem, fürchte ich.
Sicher. Also zurück zu Deiner Musik. Ab wann und wo wird Deine Musik verfügbar sein?
Meine Musik steht unter der Creative Commons Lizenz cc-by-nc-nd. Das bedeutet, dass die Musik privat gehört und kopiert werden darf, solange der Copyright Inhaber korrekt und vollständig genannt wird. Eine Bearbeitung und kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet.
Abschliessende Frage: Hast Du schon weitere musikalische Projekte?
Ich habe bereits einige interessante Songfragmente vorbereitet, die auch wieder inhaltlich untereinander Bezug haben, aber das ist ein Prozess, den ich vielleicht nicht beende, weil er aus politischem Ärger heraus entstanden ist. Und das trägt möglicherweise nicht langfristig.
Vielleicht ist es interessanter, dass ich mir gerade einen Modularsynthesizer zugelegt habe. Echte Hardware nach den ganzen Softwareemulationen.
Ich finde das Konzept super spannend. Ich liebe einfach diese technische Haptik, hundert Schalter und Drehregler, blinkende LED, ein Wald aus Kabeln. Aber es ist natürlich auch enorm herausfordernd, weil es kein fertiges Instrument ist.
Du musst Dir zu Beginn ein technisches Konzept überlegen, wie Dein Sound entstehen soll und baust Dir Das Instrument dazu durch die Verkabelung erst zusammen. Es ist wahnsinnig herausfordernd, aus den Maschinen etwas besseres, als schrillen, pulsierenden Lärm herauszuholen. Mal schauen, was der Sommer so bringt.
Mein kleines digitale “Musikstudio” basierte bis zum letzten Wochenende auf einem 2014er Mac Mini. Darauf liefen im Wesentlichen die DAWs Bitwig 4 und Reason 11 und etliche virtuelle Instrumente von Arturia. Als Audiointerface nutze ich das Scarlett 212 von Focusrite und als Keyboard das KeyLab 88 von Arturia, das eine wunderbare, gewichtete Klaviatur hat. Beide sind per USB an den Mac angeschlossen. Das ist ein sehr zweckmäßiges Setup, mit dem ich wunderbar arbeiten kann. Lediglich die Startzeit der Software hat den Spaß gedämpft. Vom Hochfahren des Rechners, bis ein Song mit mehreren virtuellen Instrumenten geöffnet war konnten locker 5 Minuten vergehen.
Ich hätte den Mac mit einer SSD nachrüsten können, habe mich aber dazu entschieden, gleich auf einen Mac Mini M1 mit 16GB RAM und 512GB SSD aufzurüsten. Damit habe ich ein paar Monate gewartet, weil es immer etwas wackelig ist, wenn Apple die Prozessorarchitektur wechselt (seit 1984 immerhin zum dritten Mal). Ältere Software läuft dann zwar meist dank der Rosetta Emulation weiter, aber Audiosoftware ist aufgrund des Timings gerne mal etwas zickig und so habe ich lieber ein, zwei Updates abgewartet.
TL;DR – das Update ist geglückt
Einen neuen Rechner einzurichten dauert normalerweise sehr lange: Software neu installieren, Daten rüberkopieren, Einstellungen manuell nachziehen und irgendwas Wichtiges übersieht man immer. Aber Apple hat mir das Wochenende mit einer genialen Software gerettet: Dem Migrationsassistent.
Dieser kopiert alle Programme, Daten und Einstellungen in einem Rutsch auf den neuen Rechner. Das läuft nach dem Start automatisch und hat in meinem Fall knapp zwei Stunden gedauert. Funktioniert tadellos.
Bitwig und Reason starteten sofort, das Audiointerface wurde sofort erkannt. Dennoch lief aber nicht alles auf Anhieb. Für die Softwareinstrumente von Arturia musste die Rosetta Emulation nachinstalliert werden. Die VST-Bridge, mit der die externen Instrumente in Bitwig geladen werden startete zunächst nicht, weil sie nicht von Apple signiert ist. Die Berechtigung muss man manuell einstellen, was aufreizend umständlich war (Dateiberechtigungen innerhalb eines Archivs ändern – echt jetzt?).
Das größte Problem war jedoch, dass das Keyboard nicht funktioniert hat, obwohl es korrekt erkannt wurde.
Riesiger Schreck und Verbindungsprobleme
Das führte auch zu einem wirklichen Schreckmoment. Da ich zunächst keine Lösung für das Problem mit dem Keyboard fand, habe ich mich zu einem Firmware Update des Keylab 88 entschlossen. Und das misslang! Das Update fror bei 11% ein und danach war das € 700,- Keybord gebrickt und ließ nicht nicht mehr starten und zurücksetzen.
WAHHHHH!!!
Nachdem ich dreimal laut fluchend durch das Zimmer gesprungen bin, habe ich mich langsam(!!!) wieder beruhigt habe, beschloss ich, das Firmware Update nochmal von meinem alten Mac Mini zu versuchen. Und siehe da: es funktionierte!
Ende gut – alles funktioniert
Im Nachhinein glaube ich, dass es gar nicht am Rechner selbst gelegen hat, sondern daran, dass ich das Keyboard zusammen mit der Tastatur über einen USB Hub am gleichen USB-A Anschluss hängen hatte und das Timingprobleme verursacht hat. Der M1 hat nämlich nur noch zwei statt vier USB-A Buchsen und ich brauchte drei für Keyboard, Audiointerface und Tastatur. Jetzt hängt das Audiointerface an einem der beiden USB-C Ports und alles läuft wunderbar und sehr zügig.
Liegt es an meinem Brexit-Blues? Ich habe mir gerade drei aktuelle Schallplatten von britischen Musikern bestellt. Einerseits, weil ich die Musik mag und außerdem, weil ich finde, dass bei genau diesen Künstlern Vinyl das richtige Format ist: The Who – Who (2019), Paul Mc Cartney – 3 (2021) und Sleaford Mods – Spare Ribs (2021).
The Who – Who
Als ich vor einem Jahr -kurz vor Corona- meinen Freund in London besucht habe, fiel mir eine Konzertankündigung für The Who auf und dass die beiden verbliebenen Recken Pete Townshend und Roger Daltrey eine neue(!) Platte herausgebracht haben. Tatsächlich ist das erst das zwölfte Album seit 1964.
Das Album klingt – tja – nach the Who. Rockig. Die Instumentierung ist klassisch – hauptsächlich Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier. Pete Townshend kann immer noch Rocksongs schreiben und Roger Daltrey kann sie trotz seiner 75 Jahre noch immer singen. Für mich ragt zwar kein Song besonders raus – was aber gut ist, weil es auch keine Ausreißer nach unten gibt. Man kann das Album sehr gut als Album hören. Ganz so, wie man das früher gemacht hat. Das ganze hört sich nicht nach Alterswerk an. Gut so. Solide Arbeit.
Paul Mc Cartney – III
Anfang diesen Jahres las ich, dass sich Paul Mc Cartney 2020 etwas gelangweilt hat, weil seine Tournee aufgrund von Corona abgesagt wurde. Also ist er in sein Studio gegangen um etwas an Songs zu arbeiten, die halbfertig rumlagen und am Ende hat er sich gesagt: “Huch – das ist ja eigentlich ein komplettes Album”.
Lustige Geschichte, zumal man den Songs nicht anhört, dass sie aus Langeweile entstanden sind. Mc Cartney kann auch mit fast 80 immer noch gute Popsongs schreiben. Er hat auch alles selbst eingespielt und natürlich auch gesungen. Hier und da ist die Stimme etwas (aber nur etwas) brüchig. Das passt aber ganz gut zu dem Album, dass etwas rauh daherkommt. Nicht bis ins allerletzte durchproduziert. Für seine Verhältnisse also “Heimstudio” ;-).
Sehr Charmant. Auch ein Album, dass ich gerne komplett durchhöre.
Sleaford Mods – Spare Ribs
Das neue Album der Sleaford Mods wird ja gerade überall besprochen. Der Track Mork ‘n Mindy läuft im Radio in Heavy Rotation und da er mir gut gefiel, habe ich mir das Album geholt.
Das schöne an Vinyl Schallplatten ist, dass die großen Cover viel Platz für richtige kleine Kunstwerke haben. Die Chance wurde hier genutzt. Die Gestaltung ist zwar grafisch sehr schlicht, aber durch die Aussparungen, den Innendruck und das Innencover aber dennoch verspielt. Je nachdem, ob oder wie herum man das Innencover einsteckt, sieht man entweder einen Jason oder Andrew oder einen Hinweis auf knallrot. Zudem ist so genug Platz für die Texte, was bei dem schnodderigen Mid-England Slang wirklich hilfreich ist.
Und wie isses?
Gut. Gefällt mir richtig.
Zunächst mal ist es der bandtypische typische Elektropunk: Über den basslastigen Loops von Andrew Fearn meckert und lästert Jason Williamson in breitestem Nottigham Slang über den Brexit, den allgemeinen Zustand des Landes, die Politik und die stumpfen Mitbürger. Die Richtung wird bereits in den ersten 30 Sekunden des Albums gesetzt:
“And we’re all so Tory tired / And beaten by minds so small“.
Was mich aber sehr gefreut hat ist, dass sich die beiden auch musikalisch in kleinen, aber deutlich spürbaren Schritten weiterentwickelt haben. Im ganzen Album sind nette Details verstreut. Offensichtlich sind die sehr passend ausgesuchten weiblichen Stimmen. Billy Nomates setzt auf “Mork ‘ Mindy” tolle Akzente und Amy Taylor auf “Nudge It”. Die beiden scheinen ein Ansporn gewesen zu sein, denn Jasons typisches Gemeckere wird in “Glimpses” sogar zu fast zu so etwas wie Gesang.
Wenn man wie ich schon etwas älter ist, kommt einem Thematik und Stimmung des Albums seltsam vertraut vor. Alles erinnert irgendwie an die 70er und 80er Jahre, als es um das Vereinigte Königreich schon einmal richtig mies stand: Wirtschaftlicher Zusammenbruch und darauf folgend der Neokonservativismus der Thatcher Jahre.
Die damalige depressive gesellschaftliche Stimmung wurde von vielen Bands zu verblüffend guter und kraftvoller Musik verarbeitet.
Und genau darauf lassen sich viele musikalischen Anspielungen finden. Die Loops klingen weniger elektronisch als früher, weil nun häufiger Bassgitarren gesamplet wurden. “Nudge It” wird von einer Akkordfolge der Kinks getragen, “Glimpses” erinnert an die frühen, punkigen Adam and the Ants, die Bassläufe von “Fishcackes” lassen an Joy Division denken und die Sounds in “Top Room” sind klar Kraftwerk (Zwar aus Deutschland, aber damals stilbildend für viele britische Bands).
Einige von Euch wissen, dass ich hin und wieder einen kleinen Track bastele. Die meisten davon bleiben als unfertige Fragmente, Soundschnipsel, Rhytmus und Akkordübungen auf der Festplatte meines Musikrechners.
Aber wenn ich so ca. 10 Stücke soweit habe, dass man sie anderen Menschen vorspielen kann, ohne damit gegen die Genfer Menschenrechtskonvention zu verstoßen, mache ich daraus MP3, bringe sie in eine sinnvolle Reihenfolge, bastele ein Cover dazu und nenne das “Album” – so wie früher.
Jetzt ist es wieder so weit. 11 Stücke sind fertig und mein neues “Album” heißt ‘next’. Viele Stücke haben keine klassische Songstruktur, sondern sind eher Soundtrack zu einem imaginären Film.
Verwendete Technik
Die Stücke habe ich mit Bitwig Studio 2 und 3, sowie mit Reason 10 komponiert und arrangiert. Dabei sind u.a. klassische Instrumente, wie ARP2600, Buchla Easel, DX7, Matrix12, und CMI Fairlight V als “virtuelle Nachbauten” aus der V Collection von Arturia zum Einsatz gekommen. Von Arturia stammt auch das Masterkeyboard Keylab 88, mit dem ich die Stücke eingespielt habe. Die Wandlung zu MP3 Dateien habe ich mit Audacity vorgenommen und die MP3 Tags mit Picard von MusicBrainz bearbeitet.
Coverfoto
Das Foto habe ich im Sommer auf der Dachterrasse des ehemaligen Debis Hochhauses im Potsdamer Platz Areal aufgenommen.
Hinweis zum Urheberrecht
Wie für meine komplette Homepage gilt auch für meine Musik die Creative Commons Lizenz cc-by-nc-nd.
Das bedeutet, dass die Musik privat gehört und kopiert werden darf,
solange der Copyright Inhaber korrekt und vollständig genannt wird. Eine
Bearbeitung und kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet.