Dirk Ollmetzer | Sunday, 24 December 2023 | Gizmos, Retro
In den letzten zwei Monaten des Jahres 2023 konnte ich auf Facebook mitlesen, wie sich ganze Horden von Männern um die 50, wie kleine Jungs benommen haben, die sich fragen, ob sie ihr heiß ersehntes Geschenk zu Weihnachten bekommen werden. Einer davon war ich selbst. Soviel vorneweg – sie haben es bekommen. Und es hat sich tatsächlich ein bisschen so angefühlt wie damals…
Wovon rede ich eigentlich?
Von einem Computer – aber einem sehr speziellen.
Wie die Eine oder der Andere weiß, ist eines meiner Hobbies Retrocomputing. Speziell die 8-Bit Ära der frühen 80er Jahre. Natürlich ist das zum großen Teil Nostalgie, aber auch die Faszination, wieviel man damals schon mit minimalstem technischen Aufwand machen konnte. Die drei ersten Computer, die ich hatte, haben mich nachträglich geprägt:
Zwischen dem Sinclair ZX-81, mit dem ich meine ersten Erfahrungen in Programmierung gemacht habe und meinem geliebten Commodore64, auf dem ich 6502 Assemblerprogrammierung gelernt habe, hatte ich den wunderbaren Sinclair ZX-Spectrum. Auf ihm habe ich mein ersten Computerspiel selbst programmiert. Ein einfaches Jump-and-Run in Basic. Immerhin wäre das fast in der “Happy Computer” abgedruckt worden. Programme zum abtippen waren damals ein großes Ding.
2017 hat eine Gruppe Enthusiasten eine Kickstarter Kampagne aufgelegt, um einen würdigen Nachfolger des ZX Spectrum zu entwickeln. Das ganze Projekt wurde so professionell angegangen, dass sich sogar Rick Dickinson (leider gest. 2018) – der Designer der Original Spectrum Modelle – zur Mitarbeit gwonnen werden konnte. Als I-Tüpfelchen durfte das Projekt sogar den Original Sinclair Schriftzug verwenden.
Die erste Kampagne mit ca. 3.000 Rechnern hatte ich leider verpasst, aber 2020 wurde aufgrund der großen Nachfrage eine zweite Kampagne gestartet. Ca. 5.200 Projektunterstützer haben sich eingeschrieben und die ca. €400,- im Voraus überwiesen. Diesmal war ich dabei, in der irrigen Annahme, dass es diesmal schneller gehen müsste, weil der Rechner ja bereits fertigentwickelt ist.
Das wahr wohl nichts!
Erst kam Corona, dann die Chip-Krise, dann war ein zentrales Bauteil nicht mehr verfügbar und die Platine musste umdesignt werden. Alle paar Monate gab es Nachricht, warum es jetzt wieder zu Verzögerungen kommt. Aber in der zweiten Jahreshälfte 2023 wurde es endlich konkret: Die Gehäuse und Tastaturen wurden produziert, die Platinen hergestellt und getestet. Immerhin wurden wir Projektunterstützer über jeden Fortschritt zeitnah informiert. Jetzt stieg die Spannung: Bekommen wir die Rechner noch in diesem Jahr? Für die Unterstützer in der EU und in UK kamen die Rechner in der Adventszeit an. Nach so langer Wartezeit war die Vorfreude bei allen groß.
Und taugt die “Kiste”?
Ich bin zwar was Technik angeht eher der nüchterne Typ, aber das Auspacken des Rechners habe ich tatsächlich in Ruhe zelebriert. Dafür, dass das eigentlich ein Hobbyprojekt war, ist eine unglaubliche Menge an Feinschliff in scheinbar unwichtige Details geflossen – wie z.B. die Verpackung.
Bereits der Hinweis, dass man die graue Umverpackung vorsichtig öffnen soll, wurde im Stil einer Fehlermeldung in ZX Schrifttype aufgedruckt: “R Tape cutting error, 0:1 Do not open with sharp instrument”.
Dann die eigentliche Verpackung: Tolle Produktfotografie, Sinclair Schriftzug, informative Rückseite, hochwertiger Karton.
Nach dem Öffnen musste ich eher an Apple als an Sinclair denken: Der Rechner und eine extra Pappschachtel für das Netzteil sind appetitlich arrangiert. Das Netzteil kommt mit Adaptern für alle möglichen Steckdosen und hat einen Ein/Ausschalter. Der Spectrum Next selbst hat nämlich keinen – wie das Original. Und wie beim Original liegt ein 300 Seiten dickes Handbuch dabei, das eine gute Einführung in die Programmiersprache Basic bietet.
Ist das den jetzt ein richtiger Spectrum?
Ich könnte jetzt spitzfindig sagen: “Nein, denn der Rechner ist viel zu gut”. Das Gehäuse und die Tastatur sind hochwertig. Das kann man vom Original bei aller Liebe nicht behaupten. Außerdem hat der Rechner viel mehr Speicher, massig Schnittstellen, ein SD Karten Laufwerk eine Echtzeituhr und WiFi eingebaut. Ich habe ihn an einen kleinen 9″ HDMI Monitor mit Ton angeschlossen. Das harmoniert ganz hervorragend.
Das Wichtigste: Design und nicht zuletzt das Gefühl sind stimmig.
Es fühlt sich alles “richtig” an. Nach dem Start ist der Rechner in zwei Sekunden einsatzbereit. Man landet zunächst in einem Menu, von dem man zum Dateibrowser, den Einstellungen oder direkt zu den verschiedenen Modi kommt – genannt “personalities”. Das sind neben den “Next” natürlich die originalen Spectrum Modellen 48K, 128, +2 und +3. Aber auch die früheren Sinclair Rechner ZX80, ZX81 und sogar ein CP/M Modus ist vorhanden. Um sich komplett zurechtzufinden, braucht es durchaus etwas Zeit.
Ich habe mich daher erst einmal um den 48K Modus gekümmert, weil der meinem damaligen Spectrum entspricht. Die Spiele, die ich zunächst ausprobiert habe, laufen alle einwandfrei.
Danach habe ich mich dem Basic zugewandt, weil ich schon von zwei Freunden gefragt wurde, ob ich mein Spiel von damals noch habe. Ich habe es nicht, aber es sollte nicht allzu aufwändig sein, dieses oder ein ähnliches neu zu schreiben.
Die Eingabe von Basic Programmen ist auf dem Spectrum schon sehr besonders. Man hat einen Zeileneditor in den unteren beiden Bildschirmzeilen (der Bildschirm zeigt 32 x 24 Zeichen). Ein einzelner Tastendruck bringt nicht unbedingt einen Buchstaben, sondern je nach Modus auch Sonderzeichen, Grafiksymbole oder ganze Befehle wie “PRINT” auf den Bildschirm. Dementsprechend ist die Tastatur bis zu fünffach belegt und alles ist auf die Tasten aufgedrukt.
Ich könnte jetzt stundenlang weiterschreiben, obwohl ich erst an der Oberfläche des ZX Spectrum Next gekratzt habe. Zum Beispiel über die Musikfähigkeiten, die Onlinedatenbank, den eingebauten Bildschirmtextartigen Onlinedienst. Aber in Kurzform:
Der ZX Spectrum Next ist ein faszinierendes Stück Technik mit einer spannenden Mischung aus historischer und aktueller Technik.
Er fühlt sich an, wie ein richtiger ZX Spectrum.
Im Moment versuche ich ein Spiel in Basic zu entwickeln. Vielleicht schreibe ich dazu eine kleine Artikelserie. Mal sehen.
“Das klingt Klasse! Ich will auch so einen haben.”
Falls Du, geneigter Leser auch so einen schönen modernen Retrocomputer haben möchtest, muss ich Dich leider enttäuschen. Das ist leider kein normales Produkt, dass man bestellen kann. Entweder Du findest einen auf eBay oder wartest, ob es noch eine dritte Kampagne geben wird.
Wenn Du aber auf das tolle Gehäuse verzichten kannst, bleibt noch die Möglichkeit, die Software auf einem anderen FPGA Board laufen zu lassen. MISTer, X-Berry π(pi) und N-GO sind kompatibel, wobei letzterer sogar in ein Original Spectrum Gehäuse passt. Und die Gehäuse bekommt man problemlos als Ersatzteil.
Ich habe im Oktober ein paar Tage in London verbracht. Der Anlass war der Geburtstag von einem Freund. Wir haben viel zusammen unternommen, die Woche war vollgepackt mit interessanten Dingen. Ich versuche mich an einer möglichst kurzen Zusammenfassung:
Corona
Kurz gesagt: Interessiert keinen mehr. Keiner fragt nach dem Impfpass, Flugzeug, Züge, U-Bahn, Busse, Museen – alles rappelvoll und fast niemand trägt eine Maske.
Wetter
Das Wetter war sonnig – jedenfalls wenn es nicht geregnet hat. Während es in Berlin fast überhaupt nicht mehr regnet, wurde London seinem Ruf gerecht. Meine Klamotten haben sich immer irgendwie klamm angefühlt.
Ankunft am LCY
London hat sage und schreibe fünf Flughäfen – und von Berlin aus kann man jeden davon anfliegen. Ich hatte mich diesmal für den London City Airport (LCY) entschieden. Goldrichtig, wie sich herausgestellt hat.
Zuerst hat man einen spektakulären Anflug über die City extrem dicht an der Spitze vom 309m hohen Shard vorbei, knapp über die Hochhäuser der Docklands und dann in steilem Sinkflug, um auf der sehr kurzen Landebahn (1500m) quasi eine Vollbremsung hinzulegen. Ich habe gelesen, dass für LCY nur wenige Flugzeugtypen zugelassen sind und die Piloten eine Spezialausbildung benötigen.
Außerdem ist das der schnellste Flughafen, auf dem ich jemals war. Von dem Augenblick in dem das Flugzeug auf der Standposition hielt ging es ratzfatz. Zu Fuß die 20m zum winzigen Terminal, schnell durch die Passkontrolle und die Koffer liegen auch fast sofort auf dem Gepäckband. Insgesamt 10min! Direkt vor der Tür hält die DLR mit der man schnell und bequem in die City kommt. Schneller geht es nicht mal mit einem Privatjet.
Verkehr im Allgemeinen
Abgesehen von Flugzeugen – wie ist denn jetzt der Verkehr? London hat seit Jahren eine City Maut, die nach Emissionsklasse gestaffelt und wirklich superteuer ist und ständig verschärft und ausgeweitet wird. Und ich muss sagen: Das Konzept funktioniert… einfach gar nicht!
Anstatt mit normalen Autos ist die Stadt jetzt vollgequetscht mit superteuren Autos, die mit Schrittgeschwindigkeit rumschleichen. Aber wer in dieser Stadt Auto fährt, hat ohnehin entweder einen wirklich wichtigen Grund – oder ist total bescheuert. Verkehr in London ist Tube, Eisenbahn oder Bus. Die fahren überall und ständig. Außer bei der Eisenbahn nach Bletchley habe ich nie auf einen Fahrplan schauen müssen. Und bezahlen ist extrem einfach. Entweder mit der Oyster Card oder gleich mit der Kreditkarte quasi im Vorbeigehen. Das ist eigentlich der Witz am ÖPNV in London. Einfach nutzen ohne große nachdenken oder organisieren zu müssen.
Und Fahrräder? “This is London, not Amsterdam. Deal with it!”
Ich wollte ursprünglich mit dem Rad einmal quer durch die City fahren. Angeblich wurde ja so viel für Radfahrer verbessert – und wo könnte man stilechter ein Brompton fahren, als in London? Also habe ich mir im Vorfeld die Brompton Bike Hire App auf das Handy geladen.
Aber aus dem Plan wurde nichts. Abgesehen vom Wetter – der Verkehr ist die Hölle. Alles ist eng, jede Strasse dicht. Radspuren gab es nur auf wenigen Straßen in der City.
Fahrräder sind dort etwas für Selbstmordkandidaten oder Kuriere. Wobei das ungefähr dasselbe ist. Kuriere fahren entweder 125er Motorroller oder selbstgebaute E-Bikes mit 2-3 Akkus die ziemlich sicher völlig illegal sind – aber genauso schnell wie die Roller. Und die Art E-Bikes, wie sie in Deutschland seit Jahren Verkaufsschlager sind, habe ich dort überhaupt nicht gesehen. Ach so – und ausnahmslos NIEMAND fährt nachts mit Licht.
Militär ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber sowohl historisch als auch technisch sind die Exponate durchgehend sehr interessant. Im RAF Museum auf einem ehemaligen Flugfeld im Norden von London sind sagenhafte 100 Flugzeuge aus jeder Epoche in tadellosem Zustand zu sehen. Von den Anfängen, über ersten und zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Immerhin hängt in Hangar 6 sogar ein aktueller Eurofighter. Im Hangar 3-5 kann man drei der wichtigsten WWII Bomber der Aliierten sehen: Die Avro Lancaster war auf der Seite mit dem Zitat von Hermann Göring versehen, dass kein feindliches Flugzeug über Deutschland fliegen werde – und daneben Markierungen für 137 Einsätze dieses Flugzeuges, die ihn Lügen straften.
Daneben stand noch eine amerikanische Boeing B17 und eine B-24 Liberator. Und die Dinger sind erheblich größer, als ich gedacht hätte. Die größte ausgestellte Maschine war die Vulcan aus den 50er und 60er Jahren. Deutsche High Tech Waffen aus dem 2. Weltkrieg gab es natürlich auch und ich war zum ersten Mal im Inneren eines Flugbootes.
Rechentechnik in Bletchley Park
Bletchley Park liegt ca. 70km nordwestlich von London und war im zweiten Weltkrieg die Basis der britischen Kryptoanalyse. Hier wurde der Nachrichtenverkehr des Deutschen Militärs entschlüsselt. Zu Beginn wurden vor allem die Codes der Enigma geknackt und später auch die der wesentlich besseren Lorenz SZ42. Im Museum werden die dafür gebauten Maschinen nicht nur ausgestellt, sondern auch erklärt und vorgeführt. Angefangen mit der sogenannten “Turing Bombe” (blöder Name) über Colossus (einer der ersten Computer neben der deutschen Zuse Z3 und dem amerikanischen ENIAC ) besteht die Ausstellung aus weiteren historisch interessanten Maschinen: Darunter EDSAC und WITCH (Harwell Dekatron) aus den 50er Jahren bis zu ICL Großcomputern aus den 80er Jahren. Und das tolle ist: fast alle Maschinen liefen.
So fantastisch die Ausstellung für Computerinteressierte ist, so ernüchternd ist die bauliche Anlage. Im Großen und Ganzen sieht Bletchley Park aus, wie eine große Ansammlung von Schweineställen, die vor ein Herrenhaus gesetzt wurden. Und genau so war das aufgrund der extremen Geheimhaltung im Krieg wohl auch gedacht. Ich wurde vor dem Museum von einem anderen Besucher gefragt, ob ich wüsste wo der Eingang sei. Wir standen fast genau davor.
Alles im Science Museum
Das Science Museum hatte ich schon einmal als Kind zusammen mit meiner Mutter besucht und es hat mich damals sehr beeindruckt. 42 Jahre später war ich wieder beeindruckt. Es ist größer geworden, die Exponate sind zum Teil andere und ich kann das Gesehene sehr viel besser einordnen, weil ich mittlerweile natürlich sehr viel mehr Kenntnisse über die Wissenschafts- und Technikgeschichte habe. Das Museum beinhaltet alle möglichen Technikbereiche: Energie, Druck, Weberei, Werkzeugherstellung, Luft- und Raumfahrt, Medizin, Uhren, Chemie, Mobilität, Mathematik und Rechentechnik… ein Parforceritt durch die Geschichte der Industrialisierung.
Gleich am Eingang stehen riesige, beeindruckende Dampfmaschinen – darunter eine Boulton und Watt von 1788 (!). Und die Erläuterungen sind es wert, gelesen zu werden. Wem ist heutzutage schon klar, daß einer der Auslöser der Industrialisierung eine Energiekrise war? England hatte nämlich kein Holz mehr zum Heizen und musste deshalb mühsam Kohle aus dem Boden kratzen. Zur Entwässerung der Gruben wurden die Dampfmaschinen erfunden und damit startete das Industriezeitalter.
Die für mich wichtigsten Exponate hatten aber natürlich wieder mit der Computerhistorie zu tun.
Unter anderem wurde der von Alan Turing entworfene Pilot ACE Computer gezeigt, der anstatt mit RAM mit Quecksilber Verzögerungsspeicher arbeitet. Einen funktionsgleichen Nachbau davon habe ich neulich auf dem Vintage Computing Festival in Berlin gesehen – inklusive Ultraschall Verzögerungsspeicher.
Auch historische Supercomputer waren zu sehen. Das Museum stellte nicht nur eine Cray 1 (1976) aus, sondern ich konnte auch zum ersten Mal eine Control Data 6600 (1964) sehen. Beide entwickelt von Seymour Cray und beide zu ihrer Zeit die schnellsten verfügbaren Computer.
Mindestens genau so beeindruckend waren die historischen Rechenmaschinen. Ich wusste zwar, dass es vor den Computern bereits mechanische Rechenmaschinen gab, die die vier Grundrechenarten beherrschten, aber die Menge von Spezialrechenmaschinen hat mich doch verblüfft. Es gab z.B. Maschinen zur Berechnung von Stahlbeton, für Gezeitenverlauf an der Küste oder für die statistische Berechnung durchschnittlicher Lebenserwartung, die bereits im 19. Jahrhundert von Versicherungen genutzt wurden.
Die aus 4000 Teilen bestehende und 5 Tonnen schwere Difference Engine Nr. 2 beeindruckt mit ihren Maßen von ungefähr 2,5m Höhe und 3,5m Länge. Der Entwurf aus den 1840er Jahren wurde seinerzeit nicht gebaut. Daher ist das ausgestellte Exemplar, owohl es erst 1989-1991 gebaut wurde streng genommen kein Nachbau, sondern das Original. Umso verblüffender, dass die Maschine tatsächlich funktioniert wie beabsichtigt.
Viel kleiner und optisch weniger beeindruckend das Versuchsmodell der Analytical Engine, das Babbage selbst gebaut hat. Dafür ist die Maschine wesentlich interessanter, weil sie nicht nur zur Berechnung vorher bestimmter mathematischer Probleme gedacht war, sondern frei programmierbar gewesen wäre. Wäre sie fertig gestellt worden, wäre es der erste richtige Computer gewesen. Und genau diese Grenzüberschreitung von reiner Berechnung zur komplexen Symbolbearbeitung war Ada Lovelace klar, als sie das erste Programm für diese noch nicht existierende Maschine schrieb und darauf hinwies, dass sie sich auch für nicht-mathematische Aufgaben eignet.
British Library
Mein Freund hat einen Bibliotheksausweis – und zwar einen von der British Library. Er ist dort regelmäßig, um medizinische Fachliteratur zu studieren. Als ich ihn fragte, ob ich ihn dorthin begleiten kann, meinte er “ja, aber nicht überall hin. Es gibt geschlossene Bereiche, die nur für bestimmte Besucher zugänglich sind”. Okay, das ist fair. Los geht es…
Die British Library umfasst einen kompletten Straßenblock neben dem ikonischen Bahnhof St. Pancras. Als Nationalbibliothek hat sie natürlich einen unglaublichen Bestand an historisch wertvollen Büchern und Schriften. Daher hat man zu den meisten Werken nur mit Spezialausweisen oder Genehmigungen Zutritt. Damit hatte ich natürlich gerechnet. Ich wollte nur kurz die Aura dieses Koloss des Wissens und der Kultur auf mich wirken lassen.
Womit ich aber niemals gerechnet habe, ist, dass ich in einer Ausstellung einige dieser Schmuckstücke im Original sehen konnte. Gleich zu Beginn eine Doppelseite mit Notizen und Zeichnungen von Leonardo da Vinci mit Betrachtungen zur Statik (ca. 1517-18). Ich wäre fast vor Ehrfurcht in die Knie gegangen.
Und in dieser Güte ging es weiter: Original Noten von Georg Friedrich Händel (Atalanta, 1736), Wolfgang Amadeus Mozart (Streichquartett D-Dur, KV 575 „Preußisches Quartett“ Nr. 1, 1789), Franz Schubert (“An die Musik”, D 547, ca. 1827). Das handschriftliche Original “Doctor Faustus” von Christopher Marlowe von 1631.
Und natürlich gab es auch viele religiöse Schriften. Sehr interessant fand ich eine bebilderte Bibel aus Padua – quasi ein Comic aus dem Jahr 1400! Weiterhin ein reich verziertes altes Testament auf Deutsch und eine Original Gutenberg Bibel von 1455 (mit dem Vermerk, dass noch ein weiteres Exemplar im Bestand ist), “die fünf Bücher Moses” in Hebräisch (1469), ein unfassbar aufwändig geschmückter und vergoldeter Koran aus dem 10. Jahrhundert und daneben ein sehr schlichter Koran in Kufi, der von der Schriftgrafik extrem modern aussieht, aber aus dem 9. Jahrhundert stammt. Aber nicht nur die drei abrahamitischen Religionen sind vertreten. Aus Indien stammt ein handschriftliches Buch mit den “heiligen Gedichten von Zarathustra” aus dem Jahr 1661.
Und das Original der Magna Carta von 1225 mit Siegel wurde auch ausgestellt. Sie ist die Grundlage des britischen Verfassungsrechts. Und kurz für Kleinkrämer: Ja – die erste Version der Magna Carta stammt aus dem Jahr 1215, aber diese ist die finale und letztlich gültige Version.
Dass ich völlig unerwartet solche kulturellen Kostbarkeiten sehen konnte, hat mich wirklich sehr glücklich gemacht.
Unterkunft und Verpflegung
Ich habe bei meinem Freund in West Hampstead übernachtet. Sein Mini-Apartment ist leider nicht zum Kochen geeignet, also gab es entweder Stulle oder wir sind essen gegangen. Wenn man arabisches oder indisch/pakistanisches Essen mag, ist man in London genau richtig. Riesige Auswahl, extrem lecker und vergleichsweise bezahlbar. “Bezahlbar” ist allerdings alles andere als selbstverständlich. Wir hatten auch einmal für zwei Portionen Cheeseburger mit Pommes und Cola £37,- (ca. €42,-) ausgegeben. Puh…
Ansonsten bekommt man an jeder zweiten Ecke leckere Sandwiches und hervorragenden Kaffee. Und für die Abendunterhaltung haben wir uns einen richtig netten Pub ausgesucht, in dem eine Bardame wie eine junge Ausgabe von Helena Bonham Carter aussah (die interessanterweise ganz in der Nähe geboren und aufgewachsen ist). Am Wochenende gab es dort sogar gute Livemusik für umsonst. So hat sich das – zugegeben leckere – Bier für £6,- (ca. €7,-) wieder etwas relativiert.
Brexit und Economy
Man liest ja häufig in den deutschen Zeitschriften, wie schlecht es den Briten nach dem Brexit geht und das alles knapp sei. Nun ja – draußen in Bletchley sah die Hauptstraße so aus, wie bei unseren Kleinstädten: viel Leerstand, Nagelstudios und Ramschketten. In London habe ich davon aber absolut nichts gemerkt. Es wird irre viel gebaut, Leerstand habe ich fast gar nicht gesehen, Kaufhäuser sind nicht pleite, sondern voller Kunden, und die Regale waren alle gut gefüllt.
Alles ganz im Gegensatz zu Deutschland, wenn ich mir die Spitze mal erlauben darf.
Und wenn wir schon mal dabei sind…
Shopping
Ich bin zwar nicht dafür nach London geflogen – aber ich habe mir in der Oxford Street bei Marks & Spence zwei schöne Oberteile gekauft. Im Prinzip Zeug, das ich auch in Deutschland bekomme – aber nur fast. Material und Farbe sind im Detail dann doch noch etwas schicker.
Ansonsten haben wir uns Covent Garden angesehen und dem dortigen Brompton Flagship Store besucht. Tiptop renovierte Gegend. Fast schon ein bisschen zuviel des Guten, aber für ein, zwei Stunden gut zum Abhängen und Essen.
Am Camden Market haben wir ebenfalls einen kurzen Zwischenstop eingelegt, aber es war derart voll, dass wir doch den nächsten Bus nach Fortune Green genommen haben.
Sonstiges
Mein Freund wollte mit der Seilbahn über die Themse fahren. Also sind wir morgens, als das Wetter nicht allzu garstig war mit der Tube nach North Greenwich gefahren, habe uns zunächst den Millenium Dome angesehen. Das Ding ist im Kern ein riesiges Veranstaltungszentrum, das von einer kreisrunden Shopping Mall umringt wird.
Erster Eindruck: Mann ist das riesig ! 365 Meter Durchmesser, 52 Meter Höhe.
Zweiter Eindruck: Das Ding ist ja wirklich ein Zelt! Das verdammt nochmal größte Zelt, das ich je gesehen habe.
Die Fahrt in der Seilbahn wird normal mit der Oyster Card bezahlt – und sie ist nichts für Leute mit Höhenangst!
Davon abgesehen ist die Ecke tot. Wir sind also mit der Seilbahn rüber auf das Nordufer, um von einem uninteressanten und fehldimensionierten Stadtentwicklungsgebiet in ein anderes zu fahren. Nichts wie weg und auf nach Whitechapel…
Fazit
Eine schöne Woche mit einem meiner ältesten Freunde. Wir hatten tolle Unterhaltungen, viel Spass, gutes Essen und haben massenhaft interessante Dinge gesehen. London kommt mir langsam vertrauter vor. Ich bekomme ein Gefühl für die Stadt.
Und vor allem merke ich, dass sich bei vielen Themen bei mir so langsam der Kreis schließt:
Ich habe den Nachbau von Zuse Z3 in Berlin und den Nachbau von Colossus in London in Aktion gesehen. Ich habe in Kalifornien auf einem Flugzeugträger eine Gemini-Raumkapsel gesehen, die tatsächlich im All war. Im Science Museum wurden eine Sojus und eine Apollo Raumkapsel gezeigt. Ich habe ein Original von Leonardo da Vinci gesehen und 1000 Jahre alte Bücher.
Das sind alles Dinge, von denen ich als Jugendlicher nicht zu träumen gewagt habe.
Nachdem das Vintage Computing Festival Berlin im letzten Jahr nach der Corona Zwangspause noch etwas verhalten ausfiel, war dieses Jahr die Beteiligung wieder zahlreicher und das Programm recht spannend. Selbst ich als “Veteran” (siehe meine Berichte von 2014,2015,2016,2017 und 2019 ) habe noch viel neues gelernt. Das gilt sowohl für die Ausstellungen, als auch für die Vorträge, die dank dem Chaos Computer Club unter https://media.ccc.de/c/vcfb22 abrufbar sind.
In der Ausstellung fand ich z.B. ein Gerät, das ich noch nie live gesehen hatte: Den BBC Micro Master. Schon der normale Acorn BBC Microcomputer von 1981 war seinerzeit in Deutschland kaum zu finden, aber in Großbritannien ist fast jeder damit in der Schule in Kontakt gekommen. Den normalen BBC Micro Model B hatte ich zwar schon ein paar mal gesehen, aber nun stand auch die größere “Lehrerversion” daneben. Sie zeichnet sich durch größere Tastatur, Modulports und mehr Speicher aus und sie konnte bereits damals mit den Rechnern der Schüler vernetzt werden.
Ein weiteres historisches Gerät aus dem Jahr 1982 konnte ich ebenfalls live sehen: Den Grid Compass. Das war der erste Notebook, der seinerzeit sogar im Space Shuttle zum Einsatz kam. Er war zwar bereits mit einem Intel 8086 Prozessor ausgestattet, hatte aber ein eigenes proprietäres Betriebssystem und war mit seinem 320×240 Pixel Elektrolumiszenz-Display und dem 340KB Magnetblasenspeicher technisch durchaus ungewöhnlich.
Eine in mehrfacher Hinsicht größere Lücke in meinem Computerwissen sind die Deutschen Computerhersteller der 60er bis 80er Jahre. Sicherlich – daß Siemens Großrechner hergestellt hat und es eine sehr erfolgreiche Firma mit dem Namen Nixdorf gab, war mit bekannt – aber “Computer Technik Müller” (CTM)?
Das klingt wie der kleine PC Schrauber aus der nächsten Seitenstraße. Doch weit gefehlt. Die Firma war zeitweise nach Umsatz der zweitgrößte Computeranbieter in Deutschland nach Nixdorf und noch deutlich vor IBM oder Digital Equipment!
Es gab damals für 15-20 Jahre eine gar nicht mal so kleine Nische im Computerbereich, die von deutschen Computerherstellern gut bedient wurde: Die sogenannte mittlere Datentechnik machte Datenverarbeitung auch für mittelständische Unternehmen bezahlbar, für die die großen Computer unerschwinglich waren. Typische Aufgaben waren Lohn- und Finanzbuchhaltung und Fakturierung. Die Systeme wurden meist als Komplettlösung verkauft. Erst in den 80er Jahren wurde diese Nische durch die standardisierten und immer günstigeren und leistungsfähigeren Personalcomputer besetzt, was zum Ende der Nixdorf/CTM-Ära und in der Konsequenz zum Ende der Computerentwicklung in Deutschland führte.
Ein kleines aber feines Projekt stellte Jürgen Müller vor. Er hat sich mit der Automatic Computing Engine befasst, die Alan Turing in den 1940er Jahren konzipiert hat. Daraus hat er ein sowohl technisch interessantes, als auch optisch schönes Funktionsmodell – den Tiny ACE – gebaut, das kleinere Programme ablaufen lassen kann.
Aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert ist das Konzept, den Arbeitsspeicher als Ultraschall Verzögerungsleitungen zu bauen. Im Original waren das 1,5m lange Röhren, die mit Quecksilber gefüllt waren. Daraus ergab sich, dass bei der Programmierung nicht direkt auf Speicheradressen zugegriffen werden kann, sondern stattdessen mittels korrektem Timing darauf gewarten werden muss, bis der entsprechende “Speicherplatz” anliegt. Das macht die Programmierung sehr ungewöhnlich und kompliziert.
Das wirklich verblüffende an dem Tiny ACE ist nun, dass neben konventionellen 74xx Logikbausteinen tatsächlich drei Ultraschall-Umlaufspeicher verwendet werden. Sie basieren auf kleinen Glasplättchen und wurden früher in Fernseher zur Erzeugung des PAL Signals verwendet.
Sonstige Ausstellungsstücke
Es gab so viele interessante Ausstellungsstücke, dass ich hier nur kurz eine unvollständige Auflistung wiedergeben kann. Angefangen beim Game-Room in dem man historische Computer und Telespiele ausprobieren konnte, über diverse Heimcomputer, einen halben Raum voller Apple vom Apple III über Lisa bis zu Macs aus allen Generationen – und sogar die iPods sind mittlerweile bereits retro. Weiterhin gab es eine Original PDP-8 mitsamt Terminal und Telex zu sehen, auf der OS8 lief, zwei Rechner von Telefunken und AEG, die früher bei der Bundeswehr eingesetzt wurden. Ich habe mir an einem VT101 Terminal (ca. 1980) über einen in der TU Berlin selbstentwickelten Computer eine E-Mail geschickt. Ein Projekt ermöglicht es mittels Signalumsetzer alte Modems über das Internet kommunizieren zu lassen und somit Mailbox Systeme stilecht zu betreiben, was mangels analogem Telefonnetz ansonsten nicht mehr möglich ist. Und es gab noch viel mehr, das ich hier nicht mehr erwähnen kann.
Kurztagung Hard Bit Rock – Computer und Musik
Neben den Ausstellungen und Vorträgen gab es auch in diesem Jahr wieder eine Kurztagung. Dieses Mal ging es um das weite Feld “Computer und Musik”. Diese Kombination ist heutzutage natürlich alles andere als ungewöhnlich. Die meisten Musikproduktionen werden heute zumindest im Computer abgemischt und gemastert und volldigitale Produktionen sind im Zeitalter von Digital Audio Workstations und Plugins normal. Solch ein digitales Studio habe ich auch zu Hause. Dennoch waren die Vorträge und Darbeitungen interessant und zum Teil auch verblüffend.
Zu Beginn gab Rainer Siebert einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der digitalen Klagsynthese und überraschte mich mit vielen Details, wie damit, dass PCM (Pulse Code Modulation) bereits 1921 als optomechnisches Verfahren erfunden wurde und das erste 5 Bit Sampling schon 1937 durchgeführt wurde, noch bevor es überhaupt einsatzfähige Digitalrechner gab. Die thematische Tour de force endete mit dem Durchbruch der Digitalsysthesizer der Großserienhersteller Yamaha, Casio und Roland in den 80er Jahren.
Vorführungen Computer und Musik – verblüffend analog
Zwei der praktischen Vorführungen fand ich aufgrund der extrem originellen Setups bemerkenswert. Beide Male kamen Computer bei der Klagerezugung zum Einsatz – aber völlig anders als bei heute üblichen digitalisierten Studios.
Am ersten Tag führte Hainbach im Medientheater vor, wie man mit einem Sinusgenerator, einer analogen Bandmaschine, einem Casiotone und einem HP87 Computer aus dem Jahr 1982 interessante Soundloops erzeugen kann. Was das Setup wirklich speziell macht: Bis auf den kleinen Casiotone war keines dieser Geräte für musikalische Anwendungen vorgesehen. Es handelt sich vielmehr um alte, früher sündhaft teure analoge messtechnische Geräte.
Die Bandmaschine wurde für die analogen Messdatenaufzeichnung z.B. von Schwingungsversuchen im Flugzeugbau verwendet. Daher hat sie im Gegesatz zu normalen Tonbandmaschinen einige Besonderheiten: Einen extrem starken Antriebsmotor um präzise Bandgeschwindigkeit sicherzustellen, keinen Löschkopf, damit wichtige Daten nicht versehentlich gelöscht werden, und die Möglichkeit in verschiedenen Geschwindigkeiten vor- und rückwärts zu laufen. Und sie hat ein Interface über das Steuersignale übertragen werden können.
Der Computer ist wiederum kein PC, sondern ein Spezialrechner zur Steuerung von Laborgeräten – in diesem Fall der Bandmaschine. In der Vorführung sorgte ein kleines Basicprogramm dafür, dass das Band mit verschiedenen Geschwindigkeiten zunächst vorwärts, dann rückwärts zum Ausgangspunkt läuft und das ganze stetig wiederholt. Währenddessen wird mit dem Sinusgenerator ein Signal erzeugt und dieses manuell in der Frequenz geändert. Durch die Überlagerung der verschiedenen Frequenzen und der Rhythmik der ständig veränderten Bandlaufs entstanden interessante Klangschleifen.
Als im zweiten Durchlauf anstelle des Sinusgenerators der kleine Casio als Signalquelle verwendet wurde, steigerte das für mich die inhaltliche Qualität nochmals deutlich. Die Veranstaltung ist auf Hainbachs Youtube Kanal zu sehen – inklusive erklärender Zwischenszenen: Endgame Tape Music Techniques: HP’s Computer Controlled Reel-To-Reel.
Am zweiten Tag setzte Andrea Taeggi weitere Akzente, indem er für seine Vorführung keinen Digitalcomputer, sondern einen Analogcomputer von Telefunken aus den 60er Jahren zur Signalerzeugung nutzte. Auch hier basierten die Klänge auf Sinuswellen, die sich gegenseitig beeinflussten und damit sowohl den Klang, als auch die Rythmik ständig änderten.
Das ist nicht völlig ungefährlich, weil der Analogrechner auch mit Frequenzen jenseits des Hörspektrums arbeiten kann. Bei einigen Klängen bebte das Signallabor und ich machte mir Sorgen, ob die Lautsprecher diese Belastung überleben. Spannend fand ich hier, dass auch jenseits der zu erwartenden Sinusbässe recht interessante Klangfarben entstanden, wie z.B. ein Anblasgeräusch. Da ganze Krachen, Stampfen, Klingeln lies mich an einen Tanztheater denken.
Nach der Livevorführung spielte Taeggi noch einige komplexere Aufnahmen ab, die er mit Hitachi Analogcomputern in den Willem Twee Studios von Hans Kulk aufgenommen hatte.
Die Vorführungen von Hainbach und Andrea Taeggi fand ich sowohl klanglich spannend, als auch dahingehend, den Ansatz “Computer und Musik” völlig anders zu denken.
Hainbach nutzte den Digitalcomputer nicht zur eigentlichen Erzeugung oder Berechnung des Audiosignals, sondern um indirekt über analog-/machnischen Umweg die Frequenzen des Signals zu beeinflussen.
Taeggi liess das Audiosignal zwar von einem Computer “berechnen”, aber eben nicht von einem heutzutage üblichen Digitalcomputer, sondern von einem alten Analogcomputer, mit dem in den 60er Jahren Diffentialgleichungen gelöst wurden.
Fazit
Schön, dass auch in diesem Jahr wieder das Vintage Computing Festival durchgeführt werden konnte. Obwohl die Vorzeichen nicht so gut waren (Rückkehr aus dem Deutschen Technikmuseum in die Humboldt Universität, Corona Nachwehen, zwei wichtige Menschen aus der Organisation sind nicht mehr in Berlin, …) waren sowohl die Exponate, als auch die Vorträge und Vorführungen sehr interessant. Zudem habe ich Bekannte wiedergetroffen und nett gefachsimpelt.
Mitte Dezember 2021. Draußen ist es kalt und ungemütlich und Corona nervt schon wieder so richtig.
Was hilft?
Zum Beispiel Kerzen auf den Tisch, in eine Decke kuscheln und bei Kaffee und Lebkuchen an etwas schönes zurückdenken. An meine erste kleine, aber feine Motorradreise, die ich im Sommer gemacht habe. Nichts großes, sondern ein verlängertes Wochenende in Niedersachsen. Ich habe eine gute Freundin besucht und bin mit ihr zusammen einen Tag durch das Leinetal kreuz und quer gefahren. Und ich habe nach sehr langer Zeit liebe Verwandschaft wiedergetroffen.
Weshalb das Leinetal?
Weil es dort im Harzvorland schön ist.
Und weil nicht so fürchterlich weit weg ist.
Und weil ich die Landschaft früher, als ich dort als Teenager gewohnt hatte, nicht gewürdigt habe.
Und weil ich als Kind häufig auf den Bauernhöfen meiner Verwandten war und gerne daran zurückdenke.
Und weil es dort kleine, wenig befahrene kurvige Straßen gibt, die mit dem Motorrad Spaß machen.
Und weil eine gute Freundin von mir noch immer dort wohnt und auch Motorrad fährt und die Idee einer gemeinsamen Tour toll fand.
Vorbereitung
Ich fahre ja noch nicht so lange Motorrad und habe noch nie eine längere Tour gemacht. Also haben mich einige Dinge beschäftigt bevor es losging: Wie viel Gepäck kann ich eigentlich mitnehmen (nicht viel) und wie befestige ich das sicher an der Maschine? Welche Klamotten sind für so etwas richtig? Wie stecke ich das Fahren körperlich weg und wird mir so etwas überhaupt Spaß machen?
Zum Gepäck: Ich habe mich für zwei Teile von SW Motech entschieden. Das Rearbag wird auf den Soziussitz gelegt und mit vier Riemen an Soziusfußrasten und Kennzeichenhalter festgezurrt. Der Tankrucksack wird sehr einfach und schnell an einem Kunststoffring am Tankstutzen befestigt. Wenn man bei einer Rast, seine Wertsachen nicht unbeaufsichtigt lassen will, kann man ihn problemlos mitnehmen. Ohne Gepäck bleibt nur der relativ dezente Ring auf dem Tank zurück und nichts stört die Optik.
Für ein verlängertes Wochenende reicht der Stauraum knapp aus. Auf das vollgepackte Bike würdevoll aufzusteigen war aber schon eine kleine Herausforderung… ;-)
Zur Kleidung: Das Wochenende war als wechselhaft vorausgesagt, mit Temperaturen zwischen 15 und 28 Grad, Regen und Sonne. Etwas überspitzt gesagt also irgendwie alles außer Tropenhitze und Schneetrieben. Mach da mal was draus. Ich habe mich für eine wasserabweisende Textilkombi entschieden in der Hoffnung, dass es nicht zu heiß wird. Das hat sich als richtig herausgestellt, auch wenn es hier oder da mal recht warm war, wenn ich nicht gefahren bin. Um den Regen bin ich stets herumgekommen.
Zum Thema Kondition: Motorrad zu fahren ist körperlich anstrengender, als Auto zu fahren. Ich bin ehrlich gesagt körperlich nicht gerade richtig fit und hatte schon etwas Bedenken, aber alles ging gut. Ja der Hintern brummt schon nach 100km und auf der Autobahn drückt bei 130km/h den Helm ordentlich auf die Stirn. Dann fährt man eben etwas langsamer und macht eine Pause mehr. Während des Fahrens habe ich nicht bemerkt, aber am Sonntag war ich doch froh nach zwei Tagen im Sattel einfach nur etwas abzuhängen, bevor ich mich am Montag auf den Rückweg gemacht habe. Meine Freundin fährt in der Regel auch nur kürzere Strecken und war nach einem Tag auf ihrem Chopper auch recht geplättet.
Zum Thema Spass: Ja, war geil!
Genau die richtige Dosis für den Anfang. Und mal abgesehen von dem eher langweiligen Autobahnanteil bei An- und Abreise war die eigentliche Tour am Samstag toll.
Wir sind überwiegend über kleine, wenig befahrene Nebenstraßen durch Dörfer und Kleinstädte gefahren. Schön gemütlich durch die grüne Landschaft gebummelt (meist zwischen 60 und 80 km/h), vorbei an Feldern, Wälder auf den Hügeln im Blick. Und im Gegensatz zu Brandenburg gibt es dort sogar schöne Kurven. Und auch das eine oder andere architektonische Highlight: Die Fagus Werke in Alfeld und die Eisenbahn Hochbrücke bei Greene lagen auf dem Weg, in Einbeck haben wir im historischen Stadtkern zwischen den Fachwerkbauten Eis gegessen.
Emotional – Ein Trip in die Vergangenheit und liebe Menschen
Die jüngste Tochter meiner Freundin ist Anfang 20 und hat uns abends gefragt, weshalb “Leute in einem bestimmten Alter dazu neigen, einen Sentimental Journey zu machen”. Als Antwort bekam sie von ihrer Mutter “weil irgendwann immer mehr Menschen, die einem etwas bedeuten sterben. Und dann möchte man diejenigen, die noch leben noch einmal sehen, weil man merkt wie wichtig sie einem sind.”
BÄM – auf den Punkt!
Blick zurück in die 70er Jahre: Ich war als Kind häufig auf den Bauernhöfen meiner Verwandten. Das Land und die Felder und die Tiere waren das völlige Kontrastprogramm zu meinem Leben in der Innenstadt von Hannover. Ich habe dort gespielt und abends geholfen, die Kühe von der Weide zurück in den Stall zu holen. Ich habe gesehen (und gerochen), wie man Schweine (ordentlich) hält. Ich habe gelernt, wie Silage gemacht wird, was eine Egge ist und habe mit dem Traktor Heu gewendet.
Es ist mir so wichtig, die Dinge erlebt zu haben. Gerade wenn man später durch die Welt gejettet ist um an Millionenschweren IT Projekte zu arbeiten, hilft es einem, halbwegs geerdet zu bleiben.
Ich wollte mir die Orte meiner Jugend noch einmal ansehen. Aber dann dachte ich mir, dass ich nicht einfach dort hin fahren kann, ohne dass dort jemand Bescheid weiß. Wie sieht das aus, wenn plötzlich zwei Motorradfahrer ankommen, vor dem Hof halten und dann vielleicht sogar fotografieren?
Also habe ich meiner Patentante einen Brief geschrieben und uns angekündigt. So richtig mit Füller auf Papier! Das hat mich etwas Mut gekostet. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir sehr(!) lange keinen Kontakt mehr hatten. Aber meine Bedenken waren unbegründet. Die Freude war groß und mir wurde gesagt “Biker sind uns immer willkommen”. Es stellte sich nämlich heraus, dass meine Patentante und ihr Mann beide begeisterte Motorradfahrer waren und aus gesundheitlichen Gründen damit aufhören mussten.
Wir wurden also mit offenen Armen empfangen und hatten einen sehr schönen Nachmittag, mit grillen, klönen und ich habe mich gefragt, weshalb ich mich nicht schon viel früher gemeldet habe. Aber besser spät, als nie.
Und was ist mit der Umwelt?
Die Frage nach der Klimabilanz darf heute natürlich nicht fehlen. Am Besten wäre es natürlich, wenn man gar keinen Urlaub machen würde. Also für die Umwelt. Für mich aber nicht. Diese kleine Reise war mir 1000 mal wichtiger, als alle blöden Businesstrips der letzten 10 Jahre zusammen. Und mit dem Motorrad ist es sogar halbwegs harmlos. Klar – ich habe Benzin verbraucht – aber relativ wenig. Nicht nur im Vergleich zu einem Flug ans Mittelmeer, sondern auch im Vergleich zum Auto. Mit meinem Auto hätte ich auf der Tour ungefähr 70 Liter benötigt. Das Motorrad kam mit knapp 40 Liter aus. Wäre ich weniger Autobahn gefahren, hätte es auch nochmals deutlich weniger sein können. Das merke ich mir für das nächste Mal, zumal Autobahn auf zwei Rädern keinen Spaß macht. Die Ökobilanz dieses Kurzurlaubs halte ich also für vertretbar, zumal ja auch die Eisenbahn noch längst nicht Klimaneutral fährt und mit ihr hätte ich die Fahrt so gar nicht machen können.
Dirk Ollmetzer | Monday, 1 March 2021 | Gizmos, Retro
Am Wochenende habe ich mal wieder etwas rumgenerdet. Ich habe mir einen Prototyp eines kleinen tragbaren Computers zusammengebastelt.
Jetzt denkst Du vermutlich “Wozu? Es gibt doch haufenweise Laptops, Tablets, Smartphones…“
Klar, aber das Zeug kommt ja fertig aus der Fabrik. Ich wollte etwas eigenes und dazu hole ich mal etwas aus.
Es war zu Beginn der 80er Jahre, als ich anfing, mich für Computer zu interessieren und vielleicht hatte ich sogar schon meinen Sinclair ZX-81.
Realität in den 80ern – die Maschine aus der Zukunft
1982 oder 1983 war ich mit meinem Vater auf der Industriemesse in Hannover. Ihn haben die Baumaschinen interessiert und mich die vier Hallen der CeBIT (das war erst ab 1986 eine eigenständige Messe), denn dort gab es Computer. Am Stand von Epson sah ich zwischen den Druckern und Elektronikbauteilen einen kleinen Computer, der mich umgehauen hat: Den HX-20. Der hatte die Grundfläche eines A4 Blattes, eine gute deutsche(!) Tastatur, einen kleinen Flüssigkristallbildschirm und fette 16 KB RAM (hey, nicht lachen – mein Sinclair hatte 1KB). Zudem war ein programmgesteuerter Microkassettenrekorder als Speichermedium und ein kleiner Drucker eingebaut. Und man konnte sogar noch einen Akustikkoppler anschließen!
Wahnsinn! Computer, Bildschirm, Speichergerät und Drucker in einem superkompakten Gehäuse, nur 1,6 kg schwer. Ein Traumcomputer zum mitnehmen! Preislich für mich natürlich absolut unerreichbar.
Etwas später kam dann noch das Tandy Modell 100 heraus. Ohne Kasettenrekorder und Drucker, aber mit größerem Bildschirm und mit eingebautem Modem.
Dieser Rechner wurde in den 80ern häufig von Reportern verwendet, damit diese Ihre Berichte direkt vor Ort schreiben und sofort per Telefon in die Redaktionen schicken konnten. Damals High-Tech!
Diese beiden Rechner sind zwei unerfüllte Jugendträume.
Fiktion in den 80ern – Cyberpunk
Und dann gibt es natürlich die Science Fiction Stories von William Gibson. Darin klinkten sich die Nerds per tragbarem “Cyberdeck” in den “Cyberspace” ein. Vom Internet ahnte ich damals natürlich noch nichts, aber dass man Computer irgendwie vernetzen kann, war mir spätestens nach War Games und Tron klar..
Heutzutage bekommt man elektronische Bauteile vergleichsweise billig und kann sich so leicht eigene Geräte selber bauen. Einschlägige Websites dazu sind unter anderem Hackaday, und die Blogs von Adafruit, Ben Heck oder Element14.
Die von Gibson in seinen Cyberpunk Romanen nur vage beschriebenen Cyberdecks regen auch viele Leute zum basteln an, wie man an den recht beeindruckenden Geräten auf der Seite Cyberdeck Cafe sehen kann.
Vorsichtige Annäherung
Die von mir gewünschte Geräteform ist ist ein “A4-Brett”, im Stil des HX-20 oder des Model 100. Der Rechner selbst ist ein Raspberry Pi Model 3B und als Bildschirm verwende ich den 7″ Touchscreen.
Die erste Annäherung, die ich im letzten Jahr aus Pappwabenplatte zusammengeklebt hatte, hat zwar funktioniert, war aber noch zu klobig.
An diesem Wochenende habe ich mir mit der kompakten offiziellen Raspberry Pi Tastatur und 5mm Kappa Platten Version 2 gebaut. Flacher, stimmiger, schicker. Die Richtung stimmt!
Für Version 3 plane ich bereits Verbesserungen im Bereich Bildschirm, Anschlüsse und Stromversorgung. Mal sehen, ob ich wieder ein Jahr dafür benötige.
Liegt es an meinem Brexit-Blues? Ich habe mir gerade drei aktuelle Schallplatten von britischen Musikern bestellt. Einerseits, weil ich die Musik mag und außerdem, weil ich finde, dass bei genau diesen Künstlern Vinyl das richtige Format ist: The Who – Who (2019), Paul Mc Cartney – 3 (2021) und Sleaford Mods – Spare Ribs (2021).
The Who – Who
Als ich vor einem Jahr -kurz vor Corona- meinen Freund in London besucht habe, fiel mir eine Konzertankündigung für The Who auf und dass die beiden verbliebenen Recken Pete Townshend und Roger Daltrey eine neue(!) Platte herausgebracht haben. Tatsächlich ist das erst das zwölfte Album seit 1964.
Das Album klingt – tja – nach the Who. Rockig. Die Instumentierung ist klassisch – hauptsächlich Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier. Pete Townshend kann immer noch Rocksongs schreiben und Roger Daltrey kann sie trotz seiner 75 Jahre noch immer singen. Für mich ragt zwar kein Song besonders raus – was aber gut ist, weil es auch keine Ausreißer nach unten gibt. Man kann das Album sehr gut als Album hören. Ganz so, wie man das früher gemacht hat. Das ganze hört sich nicht nach Alterswerk an. Gut so. Solide Arbeit.
Paul Mc Cartney – III
Anfang diesen Jahres las ich, dass sich Paul Mc Cartney 2020 etwas gelangweilt hat, weil seine Tournee aufgrund von Corona abgesagt wurde. Also ist er in sein Studio gegangen um etwas an Songs zu arbeiten, die halbfertig rumlagen und am Ende hat er sich gesagt: “Huch – das ist ja eigentlich ein komplettes Album”.
Lustige Geschichte, zumal man den Songs nicht anhört, dass sie aus Langeweile entstanden sind. Mc Cartney kann auch mit fast 80 immer noch gute Popsongs schreiben. Er hat auch alles selbst eingespielt und natürlich auch gesungen. Hier und da ist die Stimme etwas (aber nur etwas) brüchig. Das passt aber ganz gut zu dem Album, dass etwas rauh daherkommt. Nicht bis ins allerletzte durchproduziert. Für seine Verhältnisse also “Heimstudio” ;-).
Sehr Charmant. Auch ein Album, dass ich gerne komplett durchhöre.
Sleaford Mods – Spare Ribs
Das neue Album der Sleaford Mods wird ja gerade überall besprochen. Der Track Mork ‘n Mindy läuft im Radio in Heavy Rotation und da er mir gut gefiel, habe ich mir das Album geholt.
Das schöne an Vinyl Schallplatten ist, dass die großen Cover viel Platz für richtige kleine Kunstwerke haben. Die Chance wurde hier genutzt. Die Gestaltung ist zwar grafisch sehr schlicht, aber durch die Aussparungen, den Innendruck und das Innencover aber dennoch verspielt. Je nachdem, ob oder wie herum man das Innencover einsteckt, sieht man entweder einen Jason oder Andrew oder einen Hinweis auf knallrot. Zudem ist so genug Platz für die Texte, was bei dem schnodderigen Mid-England Slang wirklich hilfreich ist.
Und wie isses?
Gut. Gefällt mir richtig.
Zunächst mal ist es der bandtypische typische Elektropunk: Über den basslastigen Loops von Andrew Fearn meckert und lästert Jason Williamson in breitestem Nottigham Slang über den Brexit, den allgemeinen Zustand des Landes, die Politik und die stumpfen Mitbürger. Die Richtung wird bereits in den ersten 30 Sekunden des Albums gesetzt:
“And we’re all so Tory tired / And beaten by minds so small“.
Was mich aber sehr gefreut hat ist, dass sich die beiden auch musikalisch in kleinen, aber deutlich spürbaren Schritten weiterentwickelt haben. Im ganzen Album sind nette Details verstreut. Offensichtlich sind die sehr passend ausgesuchten weiblichen Stimmen. Billy Nomates setzt auf “Mork ‘ Mindy” tolle Akzente und Amy Taylor auf “Nudge It”. Die beiden scheinen ein Ansporn gewesen zu sein, denn Jasons typisches Gemeckere wird in “Glimpses” sogar zu fast zu so etwas wie Gesang.
Wenn man wie ich schon etwas älter ist, kommt einem Thematik und Stimmung des Albums seltsam vertraut vor. Alles erinnert irgendwie an die 70er und 80er Jahre, als es um das Vereinigte Königreich schon einmal richtig mies stand: Wirtschaftlicher Zusammenbruch und darauf folgend der Neokonservativismus der Thatcher Jahre.
Die damalige depressive gesellschaftliche Stimmung wurde von vielen Bands zu verblüffend guter und kraftvoller Musik verarbeitet.
Und genau darauf lassen sich viele musikalischen Anspielungen finden. Die Loops klingen weniger elektronisch als früher, weil nun häufiger Bassgitarren gesamplet wurden. “Nudge It” wird von einer Akkordfolge der Kinks getragen, “Glimpses” erinnert an die frühen, punkigen Adam and the Ants, die Bassläufe von “Fishcackes” lassen an Joy Division denken und die Sounds in “Top Room” sind klar Kraftwerk (Zwar aus Deutschland, aber damals stilbildend für viele britische Bands).
Vor knapp 3 Monaten hatte ich mich auf den Berliner Motorrad Tagen (siehe mein Artikel) vom 09.02) zu einer Probefahrt bei Triumph angemeldet. Leider kam zunächst der Dauerregen dazwischen und als das Wetter warm und trocken wurde stoppte Corona alles. Jetzt ist der KFZ Verkauf wieder zugelassen, das Wetter gut und ich habe drei Tage Resturlaub. Ein Anruf am Dienstag und die Probefahrt konnte Tags darauf stattfinden.
Also fuhr ich am Mittwoch zum Triumph Händler in Berlin Weißensee. Der Verkäufer fragte mich, für welches Modell ich mich interessiere und ich antwortete, dass ich eigentlich die komplette Modellpalette stilvoll und toll finde, aber noch keine der Maschinen gefahren bin. Bei der Street Triple interessiert mich der Dreizylinder Motor und die Klassik Linie sieht zum Niederknien schön aus. “Kein Problem” meinte der Verkäufer, “fahr zur Probe, was Du willst”.
Ja gerne! Dann einmal die Street Triple RS und einmal die Speed Twin. ;-)
Ich hätte auch noch eine Bobber, eine Tiger und eine Bonneville fahren können, aber wir wollen ja nicht gleich maßlos werden. Tags zuvor hatte ich mir eine kleine Runde herausgesucht, die ich dann sowohl mit den beiden Triumph, als auch zum Vergleich noch einmal mit meiner Suzuki SV 650 gefahren bin. Außer Autobahn war alles dabei: Asphalt und Kopfsteinpflaster, normaler Stadtverkehr, Stop-and-Go durch ein Dorf und Landstraße. Leider mangelt es in Brandenburg an Kurven, aber für einen Eindruck reichte das allemal.
Triumph Street Triple RS
Die erste Runde fuhr ich mit der brandneuen Street Triple RS – dem Topmodell der Baureihe. Ursprünglich war die Baureihe “nur” die Naked Variante des Sportmodells Daytona. Nach einigen Evolutionsstufen ist die Baureihe aber sehr eigenständig geworden. Die etwas insektenartige Frontansicht mit den Doppelscheinwerfern und dem “bösen Blick” unter dem Mini-Windschild ist nicht jedermanns Sache, aber ich finde sie klasse.
Sitzposition und Bedienung
Der Verkäufer meinte, dass ich mit meinen knapp 190cm eigentlich etwas zu groß wäre, aber probieren geht über studieren. Für ein Naked Bike ist die Sitzposition recht sportlich: Etwas nach vorne gebeugt und der spitze Kniewinkel ist sicherlich auch nichts für lange Touren, aber ich habe mich sehr wohl gefühlt. Alles liegt gut im Griff, die Highriser Spiegel an den Lenkerenden sorgen für gute Sicht nach hinten und der Sitz ist bequem. Das hochauflösende TFT Display ist sowohl bei praller Sonne, als auch im Schatten super ablesbar. Dabei hilft die automatische Umschaltung: In der Sonne zeigt das Display schwarz auf weiß und im Schatten weiß auf schwarz. Ich liebe solche Details – insbesondere wenn sie perfekt funktionieren.
Bremsen und Fahrwerk
Die Street Triple RS hat als Spitzenmodell der Baureihe nicht nur hochwertige Bremsen von Brembo, die super dosierbar und kräftig sind, sondern auch noch ein Fahrwerk von Öhlins. Das ist spürbar straffer, als z.B. das von meiner SV650, aber man überlebt auch Kopfsteinpflaser ohne Bandscheibenvorfall. Man sagt, dass dieses Fahrwerk beim Kurvenräubern ganz fantastisch sein soll. Das glaube ich gerne. Nur fahre ich recht STVO konform und Kurven gibt es in ganz Berlin und Brandenburg nur eine Handvoll. Das Einlenkverhalten beim Abbiegen ist jedenfalls klasse.
Motor und Getriebe
Die Maschine ist bereits nach der ab 2021 vorgeschriebenen Euro 5 Norm zugelassen und erfüllt damit sehr hohe Anforderungen an Abgasreinigung und maximaler Lautstärke. Dennoch leistet der sportliche Dreizylinder mit 765ccm Hubraum satte 123PS und der Klang ist einzigartig und charakteristisch. Je nach Drehzahl irgendwo zwischen sonor, heiser und turbinenartig, aber nicht wirklich laut. Das erfreut den Fahrer und schont die Nerven der Anwohner.
Der Motor läuft sanft und ohne nennenswerte Vibrationen. Auch in niedrigen Drehzahlbereichen ist schon genügend Druck da. Im 6. Gang von 50 auf 80 geht ruckzuck und ohne Murren. Richtig Power hat er natürlich, wenn man ihn hochdreht, aber dazu bin ich auf meiner kleinen Runde nicht gekommen und die Maschine war mit knapp 600Km auf der Uhr auch noch nicht eingefahren. Das Getriebe ließ sich jederzeit präzise Schalten, die Kupplung ist leichtgängig. Den Quickshifter habe ich nicht ausprobiert, weil ich nicht daran gedacht habe. Ist nett, aber nicht notwendig. Die einzigen kleinen Kritikpunkte sind die etwas hohe Leerlaufdrehzahl nach dem Kaltstart und ein leichtes rasseln der Kupplung im Leerlauf. Davon abgesehen ist der Antrieb ein Träumchen und macht sehr viel Spass. Selbst wenn man gesittet fährt. Nach der Fahrt hatte ich das sprichwörtliche breite Grinsen im Gesicht. ;-)
Triumph Speed Twin
Triumph bietet eine sehr breite Auswahl an Modellen der Klassik Baureihe. Motorräder, die so aussehen, als könnten sie aus den 70er Jahren stammen, aber tatsächlich hochmoderne Technik verbaut haben. Auf die Spitze treiben es dabei die “Bonneville” Modelle, an denen jede Schraube edel und durchgestylt ist. Die Speed Twin mischt jedoch die klassischen Designelemente wie Faltenbälge an der Gabel sehr gekonnt mit modernen Details, wie kurzem Schutzblech hinten, viel Aluminium und Highriser Spiegel an den Lenkerenden.
Sitzposition und Bedienung
Auf der Speed Twin sitzt man sehr aufrecht mit entspanntem Kniewinkel auf der bequemen Sitzbank. Die wenigen Bedienelemente sind im doppelten Wortsinn schnell erfasst. Die Spiegel bieten einen guten Blick auf das Geschehen hinter einem. Auffallend sind die in einer Aluminiumplatte eingefassten Rundinstrumente. Die digitalen Zusatzanzeigen sind dezent und stören die klassische Linie nicht. Eine optisch sehr schöne Lösung.
Bremsen und Fahrwerk
Die klassische Grundform lässt zunächst ein behäbiges Fahrverhalten befürchten, aber davon kann keine Rede sein. Auch hier beisst die hochwertige Bremse von Brembo kraftvoll und gut dosierbar zu. Das Fahrwerk ist zwar weniger straff, als bei der Triple, aber dennoch sehr wendig (soweit ich das eben auf den Brandenburger Geraden herausfinden konnte). Von Träge keine Spur!
Motor und Getriebe
Im Gegensatz zum quirligen Dreizylinder der Street Triple hat dieser Motor einen Zylinder weniger, aber fast einen halben Liter Hubraum mehr. Der Reihenzweizylinder mit 1200ccm leistet 97PS. Er gehört zu den optisch schönsten auf dem Markt. Sieht aus, wie ein klassischer luftgekühlter Twin aus den 70ern, ohne die ganzen heutzutage üblichen Schläuche und Kabel. Dabei ist der Motor auf der Höhe der Zeit. Einspritzanlage, Kühler, Katalysator, Lambdasonde, Regelelektronik ist vorhanden, aber konstruktiv geschickt versteckt.
Dieser Motor ist auf guten Durchzug bei niedrigen Drehzahlen ausgelegt. Flottes Anfahren mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl ist kein Problem. Er kann schnell, aber der Charakter ist auf entspanntes Cruisen ausgelegt.
Beim Fahren in sehr niedrigen Drehzahlen erinnert der Sound ein klein wenig an eine Harley Davidson – allerdings in vergleichbar ziviler Lautstärke. Das Sonore Wummern der Maschine kam mit tatsächlich etwas lauter als die Triple vor. Ob das von den Messwerten auch so ist, weiß ich nicht. Die Kupplung ist auch hier sehr leichtgängig, das Getriebe wirkte etwas weniger präzise, als das der Triple. Den Leerlauf musste ich ein paar Mal konzentriert suchen. Das ändert nichts daran, dass mir auch diese Maschine sehr gefallen hat.
Fazit
Die beiden Naked Bikes sind beide sehr schöne, angenehm zu fahrende Maschinen mit deutlich unterschiedlichem Charakter. Dem quirligen Triple merkt man seine Herkunft aus dem Sportbereich an, aber er ist Gentlemen-Sportler, den man auch sehr gut gemächlicher fahren kann. Der Twin entzückt mit seiner Optik und dem kraftvollen, aber eher gemütlichen Charakter, der aber auch flott kann. Beide sind mit mit sehr hochwertigen Teilen ausgestattet, bestechen durch tolles Finisch und sind bis ins Detail durchdacht. Sie sind preislich mit ca. €12.000,- auch fast identisch. Viel Geld, aber man bekommt auch tolle Maschinen dafür.
Und welche gefällt mir nun besser?
Schwierig. Wirklich schwierig. Beide sind auf ihre Art toll. Optisch gefällt mir die klassiche Linie der Speed Twin besser. Auf der Landstrasse hatte man aufgrund der aufrechten Sitzposition auf der Twin mehr Winddruck. Auf der Triple saß man etwas gebeugter und der Mini-Windschild hält den gröbsten Sturm ab. Vom Fahrverhalten und der Motorcharakteristik hat mich die Street Triple mehr gereizt.
Sehr sehr knapp, aber ich würde die Speed Triple bevorzugen.
Dirk Ollmetzer | Friday, 20 December 2019 | Gizmos, Retro
Auf meiner Wunschliste interessanter Computer, an denen ich gerne mal arbeiten würde steht seit ewigen Zeiten die PDP-11 von Digital Equipment.
Bei der PDP-11 Baureihe handelt es sich um eine Famile von 16 Bit Minicomputern (D.h. damals Kleiderschrankgröße), der in den 70er Jahren extrem erfolgreich war. Auch heute noch sind viele in Betrieb und mit Kontroll- und Steuerungaufgaben betreut, u.a. in der Kontrolle von Atomkraftwerken.
Diese Modellreihe ist aber nicht nur wegen ihrer großen Verbreitung und offenen Architektur historisch interessant, sondern u.a. auch deshalb, weil auf ihr das Betriebssystem Unix von Ken Thompson und Dennis Ritchie bei Bell Labs entwickelt wurde. Auf Unix basieren fast alle heutzutage gebräuchlichen Betriebssystem (Android, iOS, OS-X, Linux) außer Windows.
Und abgesehen davon sehen die Maschinen aus den frühen 70ern mit ihren blinken Lichtern und Pink-Violetten Kippschaltern einfach rattenscharf aus! :-D
Ich hatte bereits vor drei Jahren den genialen Nachbau der PDP-8/I von Oscar Vermeulenerstanden und zusammengebaut. Damals hatte er angekündigt, auch ein Modell einer PDP-11/70 zu entwickeln, das optisch noch näher am Original ist. Ich hatte den Bausatz 2018 auf dem Vintage Computing Festival Berlin erstanden, aber erst jetzt zusammengebaut. Läuft super und sieht so toll aus! Wie das Original, nur in klein.
Am Sonntag hatte den Rechner fertig gebaut und am Donnerstag zu meinem Geburtstag auch noch das passende Buch dazu geschenkt bekommen: Unix – A History and a Memoir.
Der Autor Brian Kernighan hat seinerzeit viele Tools für Unix entwickelt und gilt als Mitautor der Programmiersprache C, in der UNIX programmiert ist.
Leider werde ich über die Feiertage keine Zeit haben, mich mit der PDP-11 zu beschäftigen, aber in ein paar ruhigen Minuten in dem Buch zu stöbern wird bestimmt klappen.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 13 October 2019 | Gizmos, Retro
Am 12. und 13. Oktober fand in Berlin das Vintage Computing Festival mit Ausstellungen, Vorträgen, Gamesroom und Bastelworkshops für kleine und große Kinder, so wie die Kurztagung “Computer Space – 50 Jahre Hardware, Software und Wetware im Weltraum” statt.
Aus dem großen und interessanten Programm, möchte ich hier eine kleine Auswahl vorstellen.
Schwerpunkt mechanische Rechenmaschinen
Jürgen Weigert zeigte seinen Nachbau der 1623 von Wilhelm Schickard entworfenen Rechenmaschine, die bereits die vier Grundrechenarten unterstützt. Der Nachbau ist besteht ausschließlich aus Teilen, die per Lasercutter aus Birkensperrholz hergestellt wurden.
Prof. Dr.-Ing. Christian-M. Hamann gab in seinem Vortrag “Von Brunsviga zu Curta – Geschichte und Technik mechanischer Rechenmaschinen” einen schönen geschichtlichen Überblick und zeigte mit ansteckender Begeisterung interessante Details bei der Bedienung unterschiedlicher mitgebrachter Exponate. Er betreibt unter http://public.beuth-hochschule.de/hamann/calc/index.html eine umfangreiche Website mit Informationen zu mechanischen Rechnern und weiteren mechanischen Werkzeugen, wie u.a. Planimeter, Pantographen, Schreibmaschinen und Uhren.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich für das sehr anregende Gespräch bedanken, dass wir am Sonntag Mittag zu Themen wie Universitäten, Rechnern, Hacking, Kalifornien und dem Leben im Allgemeinen geführt haben. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Schwerpunkt Computer aus Deutschland
Es wurden einige aus heutiger Sicht eher obskure Datenerfassungsgeräte von Walther und Triumph Adler ausgestellt, die wie modifizierte Schreibmaschinen aussahen. Zudem war einer von nur noch sehr wenigen erhaltenen Rechnern der deutschen Firma Gepard zu sehen, die in den 80er Jahren vergeblich versucht haben, mit günstigen, rechenstarken Workstations auf dem Markt Fuß zu fassen.
Anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung von Robotron wurden viele Geräte des ehemaligen DDR Kombinates gezeigt.
Weitere interessante Exponate
Ebenfalls viel Raum wurde Geräten von Apple, Next und Sun gegeben, die zwar nicht von deutschen Firmen stammten, für deren Gestaltung aber die aus dem Schwarzwald stammende Firma Frog Design von Hartmut Esslinger verantwortlich zeichnete.
Stark vertreten war auch wieder die Fraktion, die Rechner von Digital Equipment zeigte, wenn auch diesmal ohne die imposanten Racks. Neben einer PDP 8/m war auch die endlich wieder lauffähige PDP-11/34A zu sehen, die vom Hackerspace AFRA zum Signallabor der Humboldt Uni umgezogen ist. Zudem gab es ein ganzes Netzwerk von verschiedenen, kompakte VAX Tischsystemen zu sehen.
Es gab so viele interessante Exponate, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann (Portables, Homecomputer, Computer aus Dänemark,…), aber zwei Exponate sind für mich noch erwähnenwert: Als Jugendlicher hat mich neben Tron, der Film War Games stark beeinflusst, in dem sich der jugendliche Computernerd David (Matthew Broderick) mit seinem Computer und Modem aus versehen in einen Militärcomputer einwählt und beinahe den dritten Weltkrieg auslöst.
Auf dem VCFB war sowohl das Equipment zu sehen, mit dem die Weltgrafik in der NORAD Zentrale erzeugt wurde, als auch der Rechner, den David in dem Film benutzt hat: Ein IMSAI 8080. Und neben dem IMSAI stand noch ein MITS Altair 8800b aus dem Jahr 1976.
Wie bereits in den vergangenen Jahren fand das Vintage Computing Festival Berlin wieder in den Räumen des Deutschen Technikmuseums statt. Die Veranstaltung wurde zusammen mit der Humboldt-Universität und dem Berliner Hackerspace AFRA organisiert. Die Aufzeichnung der Vorträge wurde vom VOC des Chaos Computer Clubs durchgeführt.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 22 September 2019 | Retro, Unterwegs
Am Sonntag nach der enorm großen “Fridays for Future” Demonstration sollten die Berliner freiwillig auf das Autofahren verzichten. Über 400 Menschen sind dem Aufruf gefolgt und fuhren stattdessen mit dem Motorrad durch die Stadt. Und zwar nicht aus Protest, sondern zu einem guten Zweck.
Worum ging es?
Der Distinguished Gentlemens Ride (kurz DGR) findet in über 700 Städten weltweit am letzten Septemberwochenende statt. Für Berlin musste die Veranstaltung um eine Woche vorverlegt werden, da die Stadt am 29.September bereits durch den Marathon vollständig blockiert wird.
Es handelt sich um eine Benefizveranstaltung zur Unterstützung von Projekten, die der Männergesundheit dienen. Das ist z.B. Forschung im Bereich Prostatakrebs, oder Projekte der Suizidprävention. Also ernste Themen, um die sich Männer gerne herumdrücken, bis es zu spät ist.
Um die Männer (und ihre Frauen) für diese ernsten Themen zu aktivieren, wurde eine Veranstaltung ins Leben gerufen, die einfach Spaß macht. Eine gemeinsamer Ride-Out mit klassischen oder umgebauten Motorrädern im “Gentleman-Outfit”. Anstatt Lederkombi sind ausnahmsweise Tweed-Sakkos, weiße Hemden und Weste und ähnliches angesagt. Der Style Guide zeigt Outfits zwischen englischem Landadel und dem smarten Donald Draper aus der Serie Mad Men.
Im letzten Jahr habe ich den Distinguished Gentlemens Ride in Berlin ganz knapp verpasst. Ich war quasi “um die Ecke” aber wusste von der tollen Veranstaltung nichts. Da ich weder das passende Motorrad noch die passende Garderobe habe, wollte ich mich in diesem Jahr wenigstens an den Straßenrand stellen und die Prozession von mehreren hundert Motorrädern und gestylten Fahrern ansehen. Daraus wurde wieder nichts – ich bin nämlich “aus Versehen” mitgefahren. Und das kam so:
Der Startpunkt wurde nur registrierten Teilnehmern mitgeteilt. Es sollte ein “zentraler bekannter Ort” sein. Also habe ich überlegt, dass der Ort groß genug für vierhundert angemeldete Motorräder sein und zudem auch Stil haben muss. So viele Möglichkeiten gibt es nicht. Der Alexanderplatz ist groß genug, sieht aber wie eine Müllhalde aus, im Lustgarten bekommt man die Motorräder nicht untergestellt, der Bebelplatz auf dem die Nazis 1933 die Bücherverbrennung durchführten – das wäre schlechter Stil.
Also fuhr ich auf gut Glück mal zum Gendarmenmarkt und lag damit goldrichtig. Nur dezent neben der Szenerie zu parken hat nicht gelappt, weil mich gleich die Einweiser auf den Platz in Reihe zwei dirigiert haben.
Nun gut. Also bin ich zur Orga und habe gesagt, dass ich gar nicht mitfahren kann, weil ich nicht registriert bin und mein Outfit auch nicht regelkonform ist (Retro Lederjacke über weißem T-Shirt, dunkelblaue enge Kevlar Jeans und Motorradstiefel in “Ziviloptik”). Die Dame musterte mich von oben bis unten und sagte dann in strengem Ton: “Okay, es geht gerade so. Das nächste Mal dann mit Anmeldung und Hemd. Du fährst mit.”
Das war kein Angebot, sondern ein Feststellung. Jo – okay Chefin!
BSA, Baujahr 1925
Royal Enfield
Da allerfeinstes Motorradwetter war (trocken, Sonne, leichter Wind, 24 Grad), konnte ich mir schlimmeres vorstellen. Dann fahre ich also mit. Vorher gab es noch ein einstündiges Programm zu den Gesundheitsthemen, Verhaltensregeln für das Fahren in Kolonne, einen Sonderapplaus für die Motorradstaffel der Berliner Polizei, die die Straßen für uns freimachen würde und ein Gruppenfoto auf den Stufen des Konzerthauses.
Ansprache
Danach wurde Aufstellung hinter dem führenden Polizeifahrzeug genommen. Wenn 400 Motorräder angelassen werden – zumal viele sehr alte und relativ laute – dann zittert die Luft. Dieses dumpfe Grollen lässt einen nicht kalt und viele Touristen blieben an der Strecke neugierig stehen, zückten ihre Smartphones zum fotografieren und filmen und fragten sich, was diese Truppe denn wohl darstellt. Da wir aber offensichtlich keine Rocker, sondern ein braver, lustig gekleideter Haufen waren, waren die Reaktionen fast ausschließlich wohlwollend. Freundliche Gesichter und fröhliches Winken war die Regel.
Gewerbehof im Prenzlauer Berg
Es ist schon nett, wenn einem die Polizei den Weg freimacht und man sich um keine Verkehrsregel kümmern muss. Ich bin heute gefühlt über hundert rote Ampeln gefahren und einmal sogar falsch herum durch eine Einbahnstraße. Die Strecke war verschlungen. Einige markante Wegpunkte waren “unter den Linden”, Potsdamer Platz, Großer Stern im Tiergarten, Str. des 17. Juni, Schloss Charlottenburg, Westend, Kantstr, Kurfürstendamm, Landwehrkanal, Friedrichstr. und Torstr. Nach über einer Stunde Fahrt waren wir am Ziel: Dem Club Roadrunners Paradise in einem Gewerbehof im Prenzlauer Berg.
Roadrunners Paradise
Also fast bei mir um die Ecke. Dort gab es dann ein gemeinsames Ausklingen bei Streetfood, Getränken und später auch Livemusik. Ein wirklich schöner Sonntag – und im nächsten Jahr habe ich passende Kleidung.