tiny little gizmos

Web Engineering Unconference 2024

In diesem Jahr habe ich wieder die Web Engineering Unconference besucht, die vom 20. bis zum 22. September in Palma de Mallorca stattfand. Mittlerweile eine lieb gewonnenen Gewohnheit und auch dieses Mal waren die Vorträge, Diskussionen und Gespräche interessant und anregend.

Blick über Palma – einige Wolken und viel Sonne

Das ist umso schöner, weil Anfang des Jahres durchaus dunkle Wolken am Veranstaltungshimmel zu sehen waren. Das eingespielte Orga Team der letzten Jahre hatte aufgehört. Das neue Team musste sich erst finden, weshalb die Ankündigung recht spät kam. Zwischenzeitlich waren Flug- und Hotelpreise ordentlich gestiegen und das alles in einem wirtschaftliche schwierigeren Umfeld.

Erfreulicherweise wurden trotz der halbierten Teilnehmerzahl auch dieses Mal wieder viele interessante Themen präsentiert. Die informellen Gespräche jenseits der eigentlichen Konferenz waren anregend und vielschichtig.

Teilnehmer bei der Themenfindung

Das kommt sicherlich auch daher, dass dieses kleine, aber feine Branchentreffen keine herkömmliche Konferenz ist sondern eine Unkonferenz. Hier wird nicht zwischen Zuhörern und Vortragenden unterschieden, sondern jeder kann seine eigenen Themen mitbringen und vorstellen. Alle zusammen stimmen dann ab, welche Themen angenommen werden.

Das kann auch recht spontan sein. Einen eigenen Vortrag hatte ich dieses Mal nicht vorbereitet. Mir ging aber seit längerem ein Thema durch den Kopf, das ich nicht so recht zu fassen bekam. Am Vorabend habe ich das einigen Leuten gegenüber erwähnt und die Reaktion war immer “Mensch, das ist doch relevant und spannend – mach was dazu!”

Das Thema ist ständig steigende Komplexität.

Genauer die Frage, weshalb wir dazu tendieren, Systeme immer komplexer zu machen, bis sie nicht mehr richtig funktionieren oder aktualisert werden können. Konkreter Anlass war das Refactoring einer umfangreichen Software, aber das Problem ist nicht technisch, sondern eher universell.

Die üblichen Ansätze, steigende Komplexität in den Griff zu bekommen, laufen darauf hinaus, neue Werkzeuge und Verfahren zu etablieren, um die Komplexität zu managen. Leider wird das Problem dadurch nicht gelöst, sondern nur verschoben und die Gesamtkomplexität steigt duch die neuen Tools sogar noch weiter an.

Oft wäre es besser, stattdessen die Komplexität zu reduzieren, aber diese Weg wird fast nie gegangen. Mich interessierte die Frage, weshalb das so ist. Zumal das kein technisches Problem ist. Wir sehen dieselben Muster bei allen möglichen Organisation in der Wirtschaft und auf staatlicher Seite.

Session “Komplexität” mit Julia und Dirk (Foto von Maria Adler)

Ich hatte also Szenarien und Fragen mitgebracht. Passenderweise hatte Julia Dorandt (Beratung Judith Andresen) einen Vortrag vorbereitet, in dem sie Strategien vorstellte, die Individuen nutzen, um in einem komplexen System handlungsfähig zu bleiben. Stichwort “fight flight freeze fawn“.
Wir haben also zusammen einen Slot genutzt, in dem ich einleitend die Fragestellung aufgeworfen habe und Julia anschließend die Theorien aus der Verhaltenspsychologie erläutert hat.

Für das Thema haben wir viel positives Feedback bekommen. Ich konnte jedoch leider keine konkreten Handlungsempfehlungen ableiten. Als ich in der darauf folgenden Woche in meiner Firma davon erzählte, wurde das Thema aufmerksam aufgenommen und ich bekam einige gute Hinweise auf Quellen zu dem Thema.

Weitere weiche Themen auf der WEUC waren Neurodiversität, “Talking to people” und Kommunikation in schwierigen Organisationsstrukturen.

Technische Vorträge gab es natürlich auch.

Alexander M. Turek hielt einen Vortrag zu “Strict PHP”. Was bedeutet das, wozu ist es gut und weshalb es nicht reicht, das einfach im Programm zu deklarieren.

Rainer Schuppe (Oberservability Heroes) stellte Open Telemetry vor – ein Framework zur Erfassung von Messdaten. Er demonstrierte Einsatzzwecke und Möglichkeiten zur Datenauswertung.

Und natürlich gab es auch in diesem Jahr wieder einige Slots zum Thema “Künstliche Intelligenz”. Während KI in den vergangenen zwei Jahren eher als enormes Potential gesehen wurde, nimmt nun die tatsächliche Nutzung sprunghaft zu. Beispiele:

  • Automatisierte Websiteanalyse
  • Suche in und Zusammenfassung von großen Dokumentensammlungen
  • Unterstützung beim Programmieren und Einsatz bei personaliserter Akquise.
  • Automatische Erstellung von “best of presentation” Videos. Der Teilnehmer kommentierte das so: “Das Ergebnis sind so eine Art TikTok Videoschnipsel von unseren Vorträgen.”

Bei generativer KI zur Erzeugung von Bildern und Videos sind die enormen Verbesserungen der letzten zwei Jahre augenfällig, aber es gibt noch immer zu viele eigentümlichen Artefakte. Dennoch wurde gerade die Zusammenarbeit von Runway (AI basierte generierung von Videos) mit der Filmproduktionsfirma Lionsgate bekanntgegeben.

Joschua Ziethen (Yet Another Agency) zeigte interessante Beispiele zum Einsatz von KI Toolchains mit Hilfe von make.com. Zudem hat mich der Bastian Hofmann (Qdrant) zum Thema Vektordatenbanken sehr angesprochen.

Trotz des reduzierten Umfangs gab es also auch in diesem Jahr wieder reichlich spannenden fachlichen Austausch. Ein Teilnehmer meinte sogar, dass er es gut fand, dass wir in diesem Jahr nur zwei, anstelle von drei parallelen Tracks hatten, weil man so weniger verpasst.

Nur zwei anstelle von drei parallelen Tracks – aber interessante Themen

Es gibt also viel Positives zu berichten. Dennoch haben mir aber viele von meinen Buddies aus der E-Commerce Szene gefehlt. Ohne Marco, Lars, Fabian oder Thomas ist es nicht so ganz dasselbe. Andererseits habe ich darum bei der Abendgestaltung nicht über die Stränge geschlagen. Das ist dann wiederum ganz gut für die Gesundheit des alten Mannes.

Hat die WEUC noch Zukunft?

Die Diskussion, ob wir die Veranstaltung im nächsten Jahr weiterführen sollen, wurde einstimmig bejaht. Wir waren uns auch einig, dass 50 Teilnehmer die Untergrenze sind und wir eher wieder auf 75 bis 90 kommen sollten.

Diese zusätzlichen Teilnehmer wollen wir vozugsweise in anderen Branchen als e-commerce und außerhalb von Deutschland finden, um die Diversität an Themen und Sichtweisen zu fördern. Denn trotz Englisch als Konferenzsprache wurde der Anspruch, eine internationale Konferenz zu sein, in diesem Jahr nur knapp erreicht.

Bei der Frage, ob es wieder Mallorca sein muss, gab es unterschiedliche Meinungen. Mir selbst ist das nicht so wichtig (“Meinetwegen Kassel oder Bielefeld”), so lange sich eine gute Mischung aus Teilnehmern und Themen findet. Die überwiegende Mehrheit fand jedoch, dass die entspannte Atmosphäre und das Ambiente zum Erfolg der Veranstaltung beiträgt.

Da ist etwas dran. Das Besondere, weshalb ich jedes Jahr gerne wieder teilnehme ist die Offenheit, mit der hier Herausforderungen und Lösungsansätze besprochen werden. Im Gegensatz zu anderen Konferenzen, steht hier nicht Verkauf und Selbstdarstellung im Vordergrund, sondern ehrlicher Gedankenaustausch.

Zum Ende der Veranstaltung ein Zeichen zu setzen, sagte eine Sponsorin bereits die Unterstützung für 2025 zu. Nun ist es an uns, den längeren zeitlichen Vorlauf für eine gute Organisation und Medienarbeit zu nutzen.

Auf dass die Web Engineering Unconference 2025 wieder interessant, spanned und lehrreich wird.

Meine ersten Stolperschritte in das Thema Künstliche Intelligenz

Seit einiger Zeit ist künstliche Intelligenz ein allgegenwärtiges Thema. Ich bin da selber stets skeptisch gewesen. Jahrzenhntelang was das Thema eher ein fahler Witz. Zudem – wie soll ich an künstliche Intelligenz glauben, wenn ich schon kaum an natürliche Intelligenz glaube? (siehe: Zustand der Welt)

Zynismus beiseite – letztlich ist KI nur “Statistik auf Speed”. Die Grundlagen sind mathematisch verblüffend banal. Das sollte jeder verstehen können, der sich durch das Abitur geboxt hat. Von neuronalen Netzen war auch bereits zu meiner Schulzeit in den 80ern die Rede. Der Grund, weshalb das Thema jetzt so abhebt, ist die Verfügbarkeit von früher unvorstellbarer Rechnpower und digitalen Datenbergen.

Man muss zugeben, dass das Feld gerade explodiert. Texte, Bilder und Videos werden nach allen Regeln der Kunst und Manipulation zurechtgelogen und -gebogen. Selbstfahrende Autos haben (in den USA) bereits Fähigkeiten, die sie durch normale Programmierung in den nächsten 50 Jahren nicht erreicht hätten. KI wird uns in den nächsten Jahren überrollen, wie es die Computer in den 80er und 90er Jahren gemacht haben. Millionen von Arbeitnehmern werden ihre Jobs verlieren – und zwar diesmal die hochqualifizierten Angestellten. Höchste Zeit also, sich das Ganze etwas näher anzusehen.

Erste Schritte zwischen “Wow” und “Was zum Geier…”???

Bisher habe ich nur hier und da etwas Theorie gelesen, aber selbst noch nichts aktiv genutzt. Aus gegebenem Anlass beschäftige ich mich jetzt selber mit diesem Thema.
Mein Ziel war es, eine Serie von Bildern inhaltlich analysieren zu lassen, und die Erkenntnisse zu verschlagworten. Dabei sollten nicht nur Objekte in den Bildern erkannt werden, sondern auch bestimmte Situationen, dmit daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.

Noch vor fünf Jahren hätte ich abgewunken und “unmöglich” gesagt. Nun stehen mir etliche Werkzeuge aus der Microsoft Azure Cloud und GPT4 zur Verfügung. Die Anwendung ist nicht schwer zu programmieren, weil die eigentlich anspruchsvolle Arbeit ja von den Cloudservern erledigt wird.

Ich musste nur dafür sorgen, dass die Bilder nacheinander zur KI hochgeladen werden, die Antwort entgegennehmen und verarbeiten. Ach ja, und der “Prompt” muss natürlich sinnvoll sein. Damit sagt man der KI, was sie machen soll – und zwar in natürlicher Sprache.

Erster Eindruck: Die Objekterkennung ist ziemlich gut. Man bekommt eine Liste von Dingen, die die KI auf dem Foto erkannt zu haben glaubt, zusammen mit einem “Confidence” Wert. Ein Eintrag wie “Hardhat (confidence: 0.93)” bedeutet sinngemäß: “Ich bin mir zu 93% sicher, dass dort ein Bauarbeiterhelm ist”. In diesem Fall war es zwar ein roter Ball unter einem Schreibtisch – aber da der Kontext “Baustelle” war, ist das völlig in Ordnung. Da muss man halt später noch mal mit einer Plausibilitätsprüfung drüber. Die anderen Dinge wurden verblüffend korrekt erkannt.

Aus den Objekten alleine kann man aber noch nicht viel ableiten. Die Beziehung untereinander und der Kontext ergibt eine Situationseinschätzung. Und auch die ist verblüffend gut gewesen.

So wurde gelobt, dass das Baugerüst ordentlich aufgestellt war und bemängelt, dass die Bauarbeiter keine ausreichende Schutzkleidung trugen. Selbst potentiell gefährlich Situationen wurden erkannt “Bauarbeiter unter schwebender Kranlast”. Sehr sehr beeindruckend.

Nun habe ich versucht die Analyseergebnisse selber weiter zu verarbeiten. Dazu müssen sie in einen standardisiertes Format gebracht werden. Das ist an und für sich kein großes Thema: Man analysiert den Rückgabetext und erzeugt daraus Schlagworte die mit dem Bild verbunden werden.

Dabei ist mir aber schnell einen Manko aufgefallen: Wenn ich der KI das identische Bild wieder und wieder vorlege, bekomme ich jedes mal andere Antworten. Das reicht von unterschiedlicher Wortwahl über unterschiedliche Reihenfolge und Gewichtung und tatsächlich sind auch die erkannten Sachverhalte nicht völlig identisch.
Das ist ein Verhalten wie es Menschen in einer Diskussion zeigen würden. Leider ist es damit aber völlig ungeeignet um damit verlässliche Schlagwortlisten aufzubauen. Insbesondere wenn es um wirklich wichtige Themen wie Sicherheit geht und nicht nur um Smalltalk.

So bin ich gerade etwas hin- und hergerissen. Einerseits ist die Bildanalyse wirklich beeindruckend. Andererseits macht die mangelhafte Reproduzierbarkeit das vernünftige Arbeiten nahezu unmöglich.

Taugt das was? Ich weiss noch nicht so recht…

Neulich habe ich einmal irgendwo gelesen, KI sei nur ein stochastischer Papagei, der Intelligenz vorgaukelt. Man könnte natülich etwas bösartig sagen, dass das auch für 85% der Menschen zutrifft.

Von solchen philosophischen Betrachtungen abgesehen, habe ich wahrscheinlich nur noch nicht die richtigen Schalter und Parameter gefunden. Ich bleibe erst mal am Thema dran…

Mit dem E-Auto in den Urlaub – Oh mein Gott!!!

Wenn man einem bekannten deutschen Nachrichtensender glauben möchte, ist es ein wahres Abenteuer, elektrisch von Stuttgart nach Colmar (222km!) und dann in den Schwarzwald in den Urlaub zu fahren. Die Story verlinke ich jetzt mal absichtlich nicht. Zudem halte ich halte diese Tour eher für einen etwas längeren Tagesausflug, als einen Urlaub.

Ich fahre meist zweimal pro Jahr für ein paar Tage in den Norden an die dänische Grenze (450km) um Freunde und Verwandte zu besuchen. Anfang August war es mal wieder so weit. Zum ersten Mal mit dem E-Auto und es gab noch eine Premiere:

Ich bin nach 22 Jahren endlich mal auf die andere Seite nach Dänemark rübergefahren und habe mich dort etwas umgesehen.

Wie habe ich mich auf mein Wagnis vorbereitet?

Ich habe die Karte in meiner Maingau App angesehen und danach noch die Karte von Tesla. Tatsächlich sind Schnelllader im Norden etwas dünner gesäät, aber entgegen landläufiger Meinung muss man ja nicht jede Stunde an die Steckdose.

Ein schöner An- und Ausblick: Model 3 vor Yachthafen an der Förde

Ich bin mit knapp 100% Ladung in Berlin losgefahren, genauso wie ich früher vor der Abfahrt vollgetankt habe. Dann habe ich dem Auto gesagt “Navigiere mich nach Flensburg”. Die angezeigte Strecke entspricht genau der, die ich seit Jahren fahre. Es wurde ein Ladestopp ungefähr auf der Hälfte der Strecke angezeigt – in Wittenburg, wo ich ebenfalls seit Jahren meinen Zwischenstopp mache. Als ich noch meinen kleinen Peugeot hatte, musste ich dort auf dem Autohof auch immer noch Zwischentanken. Der hatte die Strecke nämlich auch nicht in einem Rutsch geschafft.

Invasion der Wikinger an der Skipiste in Mecklenburg-Vorpommern?

Bis hierhin also überhaupt nichts Neues. Lediglich, dass ich nicht auf den Autohof gefahren bin, sondern 500m weiter zu den Superchargern an der Skihalle. Die 8 Ladesäulen waren auch gut besucht. Ich war der einzige mit deutschem Kennzeichen – der Rest Norweger, Schweden und Dänen.

Die “Wikingerinvasion” mit Tesla statt mit Drachenboot.

Das Auto zeigte mir irgendwann an, dass die Ladung genügt, um das Ziel zu erreichen. Zur Vorsicht habe ich noch 5% draufgelegt und dann ging es weiter.

Da ich aufgrund des etwas dünneren Ladenetzes (und vor allem der unverschämten Roaming-Preise für Ladestrom) gerne mit genügend Kapazität im Akku am Urlaubsort ankommen wollte, habe ich das Auto noch einmal in der Nähe von Schleswig auf 95% geladen. Das sollte für die kleineren Touren in den nächsten Tage genügen.

Die ersten drei Tage habe ich mich auch nur im Umfeld von Glücksburg aufgehalten. Die Sonne schien und es war Strandwetter. Das ist hier selbst im Sommer nicht selbstverständlich und wurde daher ausgenutzt.

Strand von Holnis: Auf dem Foto leer, tatsächlich sehr gut besucht.

Was geht denn so in Dänemark?

In diesem Jahr hatte ich mir fest vorgenommen, endlich auch mal die Nordseite der Flensburger Förde zu besuchen. Morgens ging es zunächst zum Strand nach Dreiby. Die Landschaft ist genauso grün, hügelig und mit Wasserflächen durchzogen, wie auf der deutschen Seite. Trotzdem ist die Atmosphäre anders. Die Gegend ist dünner besiedelt, die Häuser ducken sich flacher hinter die Büsche und Bäume und der Strand war naturbelassen und sehr viel leerer, als in Holnis.

Strand von Dreiby in Dänemark

Mittags fuhr ich in die Altstadt von Sønderborg um dort einen ein leckeres Sandwich und köstlichen Kaffee zu mit zu nehmen. Sønderborg wird manchmal “die kleine Schwester von Flensburg” genannt und das trifft es auch recht gut.

Altstadt von Sønderborg
Hafen von Sønderborg

Westlich von Sønderborg befindet sich die Dybbøl Banke (Düppeler Schanze). Hier verlor Dänemark im zweiten Deutsch-Dänischen Krieg1864 die Herzogtümer Schleswig und Holstein and Preußen und das aliierte Österreich. Die Anhöhen werden von Dänemark als historische Orte erhalten. Man kann die teilweise geschleiften Befestigungen noch sehen und es gibt ein Museum.

Mühle und Kanonen auf der Düppeler Schanze

Danach bin ich in die Kleinstadt Broager gefahren. Die beiden charakteristischen weißen Kirchtürme habe ich jahrelang von Holnis aus gesehen. Nun habe ich mir den Ort und den ganzen Kirchberg endlich einmal aus der Nähe betrachtet. Sonst ist in dem verschlafenen 3.300 Seelen Ort nicht viel los und es zog mich wieder zurück nach Deutschland.

Kirchtürme von Broager

…und was ist jetzt mit aufladen?

Stimmt. Jetzt bin ich schon drei Tage durch die Gegend gefahren und der Akku ist immer noch nicht leer. Auf dem Weg habe ich einige 11KW Ladesäulen gesehen, aber in Klipev stehen Supercharger und dort kostet mich der Strom trotz Nachmittagszuschlag nur DKK 2,50 (€0,33) pr kWh. Der Ladepark liegt an der Autobahn E-45 (in Deutschland A7) und hat sagenhafte 48 Ladesäulen von Tesla und noch weitere von anderen Anbietern. Also mal eben wieder auf 90% und in der Zeit bei Mecces einen Kaffee ziehen.

Sagenhafte 48 Supercharger – plus weitere Anbieter (nicht mit im Bild)

Als ich an meiner Pension in Bockholm angekommen bin, war ich von dem unfassbar niedrigen Stromverbrauch fasziniert. Für die knapp 40km über Autobahn, Schnell- und Landstrassen habe ich nur etwas über 4kW benötigt. Zugegeben – ich bin gemütlich gerollt, aber nicht einmal €1,50 für die Strecke finde ich sensationell!

Noch billiger ist nur Fahrrad

Ich habe ein paar Minuten nur gelacht, weil mir zum Vergleich einfiel, was ich im Jahr zuvor ausgerechnet hatte. Da war ich von derselben Pension aus abends noch mal kurz zur Tankstelle gefahren. Die liegt 5km entfernt in Glücksburg, also hin und zurück 10km. Der Mercedes benötigte auf Kurzstrecke gerne mal 12 Liter/100km oder mehr. Rechnen wir der Einfachheit halber mit 10. Für die Fahrt zur Tankstelle und zurück habe ich also einen Liter verbraucht – für damals €1,80.

Kein weiterer Kommentar mehr zu den Betriebskosten.

Obwohl doch – einen hab ich noch.
Zwei Tage und etliche gefahrene Kilometer später fahre ich bei der Verwandschaft in Nordfriesland auf den Hof. Die haben schon vor Jahren ihr Scheunendach mit Photovoltaik voll und auch eine Wallbox in der Garage, obwohl noch kein E-Auto auf dem Hof steht (O-Ton: “…die hat damals zusammen mit der Anlage nur €150,- gekostet. Dann habe ich das gleich mitinstallieren lassen”). Ich frage, ob ich mal anstöpseln darf. Durfte ich. Wir waren alle interessiert, ob die Anlage richtig funktioniert. Das Auto meckert etwas, weil nur auf zwei von drei Phasen geladen wird, aber es geht. Mit gemütlichen 7kW. Aber der Nachmittag ist lang und sonnig und am Abend ist der Akku trotzdem voll.

Die nächsten 200km bin ich also völlig klimaneutral mit Solarstrom gefahren. Einfach klasse!

Nach 6 Tagen zurück nach Berlin

Leider war der Urlaub nur sehr kurz und ich musste am Sonntag zurück nach Berlin. Die Fahrt war eher zäh. Die Autobahnen waren sehr voll. Mehr als 120km/h selten möglich. Zwischenladen wieder in Wittenburg. Zwei längere Staus vor Berlin. Schlecht für die Durchschnittsgeschwindigkeit, gut für den Verbrauch. In Berlin mit 40% im Akku angekommen.

Und wo war jetzt das Drama?

Es gab keines. Und das, obwohl ich nur das Modell mit dem kleinen Akku habe (60kWh statt 80kWh). Ich hatte allerdings auch keine echten Probleme erwartet.

Ich bin insgesamt 1.350 km gefahren, habe 194kWh verbraucht (inkl. Ladeverluste etc.) und weniger als €75,- bezahlt.

Zugegeben – die gute Infrastruktur von Tesla hilft, aber ich hätte auch stets woanders laden können. Allerdings zu höheren Kosten mit weiteren Stromverträgen. Und das ist meines Erachtens das eigentliche Problem der E-Mobilität: Die völlige Intransparenz an den Ladesäulen. Da muss die Politik dringend ran.

Die Wahl, die Jugend, die Grünen, die Medien

Der Schock über die Ergebnisse der Europawahl am letzten Wochenende sitzt bei vielen tief – auch bei mir.

Was mich aber fast noch sprachloser macht, sind die hilflosen und inhaltlich mangelhaften Erklärungsversuche auf die Frage:

Weshalb haben so viele junge Leute rechts gewählt?

Ich kontere mal mit einer provokannten Gegenfrage:

Ja, warum denn eigentlich nicht?
Sie machen es, weil sie es können und weil sie es wollen.

Der Schock wäre eine gute Gelegenheit, die eigenen Vorurteile und Standpunkte zu hinterfragen. Ein Beispiel:

Jahrelang wurde propagiert, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken.
Diese Forderung kam überwiegend aus der grünen und linken Ecke.
Das unausgesprochene Kalkül dahinter ist die Stärkung der eigenen politischen Positionen. Konservativismus wurde als alt und männlich gesehen und die Jugend sei automatisch grün und links.
Die offiziell ausgesprochene Begründung war bessere politische Beteiligung der Jugend, immer verbunden mit dem Hinweis, mit 16 sei man auf jeden Fall geistig reif genug.

Nichts davon hat mir jemals eingeleuchtet.

Das fängt schon mal damit an, daß hier das Prinzip der Volljährigkeit nicht verstanden wurde.
Zugegeben ist 18 Jahre eine halbwegs willkürliche Grenze. Nur weshalb man einerseits mit 16 nicht voll verantwortlich für sein eigenes Handeln in Hinsicht auf Geschäfte, Sexualität und Straftaten sein soll,
aber auf der anderen Seite genügend geistige Reife für politische Entscheidungen haben soll, erscheint mir einfach nur unlogisch und inkonsequent.

Jetzt, wo sich herausgestellt hat, dass das politische Kalkül “Jugend = links” nicht aufgegangen ist, wird die zuvor attestierte geistige Reife auch gleich wieder in Frage gestellt, indem über den verwerflichen Einfluss von Tik-Tok Videos geschwafelt wird.
Spiegel titelt sogar “Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, wie extrem rechts die AfD ist“.

Also irgendwas stimmt hier im Weltbild nicht.
Entweder sind junge Leute doch nicht so geistig reif, oder…
oder…

Schon mal in Erwägung gezogen, dass sie es doch sind und genau das wollen, was sie wählen?

Es hat keinen Sinn, ständig von “Brandmauern gegen rechts” zu fantasieren, die es ehrlich gesagt niemals gab. Es ist völlig unlogisch, Jugendliche automatisch mit politisch links zu assoziieren.

Jugendliche machen sich zuerst mal sorgen, welchen Platz in der Gesellschaft sie einnehmen können.

Wenn sie, wie wir damals in den 80ern in Westdeutschland den Eindruck haben, der Staat ist stockkonservativ und versperrt ihnen alle Wege, werden sie sich eher nach links wenden und versuchen freiheitlicher zu werden.

Heutzutage ist die Ausgangslage aber eine völlig andere.
Der Mainstream ist extrem liberal geworden. Jeder macht, was er will. Strukturen sind zwar noch vorhanden, funktionieren aber nicht mehr, während gleichzeitig jede Form von Autorität in Frage gestellt und herausgefordert wird.
Kontrollverlust auf allen Ebenen.

Nicht nur Alte, sondern auch viele Jugendliche fühlen sich damit überfordert.
Viele haben den Wunsch nach mehr Struktur und Sicherheit.

Das sind genau die Beweggründe, die meinem Großvater 1929 in die NSDAP haben eintreten lassen. Er sagte mir damals ehrlich “Ich wollte, dass das Chaos [der Weimarer Republik] aufhört und da waren Leute, die Struktur und Disziplin versprachen.”

Möglicherweise denken heute auch wieder viele so.

Ich habe die Wahrheit auch nicht, aber die akademische Innenstadtblase, aus der die meisten Medienschaffenden kommen, sollte mal die eigenen Moralvorstellungen und Hybris zurückstellen, um sich mit mal mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Immer nur die eigenen Vorurteile widerzukäuen bringt keinen Erkenntnisgewinn.

Zwei Monate unter Strom – meine Eindrücke

Es hat sich seit längerem abgezeichnet und im März habe ich es endlich durchgezogen. Ich habe mein Verbrenner Auto gegen ein E-Auto eingetauscht.

Warum?

Ernsthaft?
Ölkrise 1973, Ölkrise 1979, Unglücke mit Tankern und Bohrinseln, diverse Kriege und Unruhen, Klimakatastrophe um mal ein paar Stichpunkte zu nennen. Wenn man mal ehrlich ist, wissen wir seit 50 Jahren, dass wir vom Öl weg müssen. Und jetzt geht es bei Autos auch endlich – also los!

Warum jetzt?

Es war für mich nie die Frage, ob ich umsteigen möchte, sondern nur wann. Ich habe lange den schleppenden Aufbau der Ladeinfrastruktur verfolgt, den langsamen Rückgang der enorm hohen Kaufpreise und nun hat endlich beides für mich mich gepasst. Wo ich hinwill gibt es mittlerweile Strom und das Auto war zwar nicht gerade billig, aber preiswert und ich musste keine Niere verkaufen um die Anschaffung zu finanzieren.

Was ist es geworden?

Meine Hauptkriterien bei der Suche waren:

  • Berlin / Hannover (300km) muss in einem Rutsch möglich sein. Auch bei Tempo 120-130.
  • 10-80% Laden in 30 Minuten.
  • Keine ernsthaften Kinderkrankheiten.
  • Keine Newcomer Marke. Ich möchte auch in sechs oder acht Jahren noch Ersatzteile bekommen.
  • Und natürlich – ich muss den Hobel bezahlen können.

Mittlerweile kommen da tatsächlich mehrere Modelle verschiedener Hersteller in Frage. Leider fielen aber ziemlich viele Kandidaten bei einem Punkt durch: Effizienz.

Was nützt mir denn ein großer (teurer, schwerer) Akku, wenn der genau so schnell leergenuckelt wird, wie ein kleinerer in einem effizienten Auto? Strom gibt es ja auch nicht gerade umsonst. Ich habe auch verblüfft festgestellt, dass große und stark motorisierte E-Autos z.T. deutlich weniger verbrauchen als viele elektrische Kleinwagen. Wer hätte das gedacht?

Am Ende bin ich dann beim Tesla Model 3 Basismodell mit Heckantrieb und kleinem Akku gelandet. Laut etlicher Vergleichstests ist das eines der effizientesten E-Autos. Der kommt mit seinem 60kw/h Akku nämlich fast genau so weit, wie andere Modelle mit 77kw/h. Außerdem ist das ein LFP Akku, der wirklich von 0-100% genutzt werden kann, kein Kobalt enthält, nicht brennt und doppelt so lange hält, wie normale NMC. Das Preis-Leistungsverhältnis ist super.

So muss das: Kleiner Ausflug ins Grüne, ohne die Luft zu verpesten.

Und ich bin E-Auto Anfänger. Durch das Supercharger Netz ist das wie fahren lernen mit Stützrädern :-D

Ladepark in Peine – Tesla Supercharger, EnBW Lader, Solarzellen, Café und Werksverkauf von Rausch Schokolade.

Und wie ist er?

Mein erstes Zwischenfazit nach 2.000 km (alles von Wochenendeinkauf über Kurzausflüge bis 300km Mittestrecken):

Ja geil! Macht total Spass.

OK, etwas differenzierter bitte. Der Tesla ist in vieler Hinsicht deutlich anders, als herkömmliche Auto. Einiges ist gut, einiges albern, manches einfach nur anders und manches auch eher doof.

Dinge, die ich gut finde

  • Das Fahrgefühl ist einfach nur großartig. Ruhig, kraftvoll, unaufgeregt, sehr entspannt.
  • Beim Blinken wird das Bild der Seitenkamera auf dem Display angezeigt. Kein toter Winkel mehr!
  • Zusätzlich zum echt großen Kofferraum gibt es vorne nachmal ein Gepäckfach.
  • One Pedal Driving. Ich habe auf den 2.000 km vielleicht 5x das Bremspedal benutzt.
  • Das Auto ist bis jetzt so sparsam, wie ich es erhofft hatte.
  • Supercharger sind so gut wie idiotensicher und günstig. Die meisten Standorte haben auch recht viele Lader. 8-20 Stück sind normal.
  • AC Lader (langsam – meist 11kw) von anderen Anbietern sind weniger günstig, aber funktionieren in Kombination mit 1-3h Parken auch gut.
  • Vorklimatisierung und Sitzlüftung – einfach genial!
    Wenn die Sonne das Auto auf 65 Grad aufgeheizt hat und die Kunstledersitze knallheiß sind, einfach in der Smartphone App eingeben, dass man in 5 min losfahren will. Beim Einsteigen hat das Auto dann nur noch 30 Grad, 30 Sekunden Sitzlüftung an und man klebt nicht am Sitz fest.
  • Die Soundanlage klingt gut.
  • Die Software ist stabil und die Bedienung auf dem Display schnell.
  • Unerwartet, aber klasse: Weil das Design sehr reduziert ist, bekommt man das Auto schnell sauber. 10 Minuten mit Lappen und Staubsauger und innen ist wieder alles schick.
    Mein Mercedes hatte tausend Schalter, war eng und zerklüftet und man musste elende Verrenkungen machen um in alle Ecken zu kommen.
  • Die Verarbeitung ist gut. Nur auf extremen Kopfsteinpflaster klötert die Gurtmechanik. Sonst ist Ruhe im Karton.
Kein toter Winkel mehr! Blinker setzen und das Bild der Seitenkamera wird eingeblendet.
Schlicht mag ich. Und es ist sehr pflegeleicht.
Reicht dicke: Großer Kofferraum plus Riesenfach unter dem Boden plus großem Fach unter der Fronthaube.

Dinge, die nett, lustig oder albern sind

  • Der Ton beim Verriegeln des Autos kann geändert werden. Das standardmässige “meep meep” klang mir zu sehr nach billiger 90er Jahre Nachrüst-Alarmanlage. Ich habe mir einen Sound zusammengebastelt, der irgendwo zwischen Laserschwert und elektrischer Funkenentladung klingt. Passt besser zu dem Auto :-D
  • Man kann den Tesla furzen lassen – und dann auch noch in unterschiedlichen Intensitäten.
    Ist OK, wenn man 5 jährige Kinder zum Lachen bringen will.
  • Eingebaute Lightshow mit Dancemoves (was ?!?).
    Habe selber schon etwas verwundert und amüsiert an so einem Event teilgenommen. Wer sich fragt, wovon ich rede, sucht am besten mal bei Youtube nach “Tesla Lightshow” oder guckt gleich das Video vom “Tesla Takeover 2024“.
  • Entertainment wie Spiele, Video- und Audiostreaming und sogar eine Software, mit der man mal eben Musikstücke zusammenbasteln kann.
Zwischendurch mal eben ‘nen amtlichen Track basteln? Kein Problem…

Dinge die einfach nur anders sind

  • Die Philosophie, wenn möglich Mechanik durch Software zu ersetzen.
    Versteht nicht jeder. Für ITler seit ewigen Zeiten völlig normal.
  • Die Bedienung generell.
    Viel Touch und etwas Sprache, Kaum Knöpfe, kein Tacho direkt vor der Nase.
    Viele finden das doof, andere lieben den reduzierten und aufgeräumten Look.
  • Die Klima/Lüftung hat zwar keine mechanische Bedienung mehr, aber dafür kann man auf dem Display mit den Fingern die Luftströmung verschieben und teilen.
  • Die Materialauswahl im Innenraum. Anders, aber auch schön.
  • Das Lenkrad fasst sich sehr gut an, aber die Naht des Bezugs ist auf der Rückseite und nicht innen. Am Anfang etwas irritierend.
  • An einigen Stellen etwas seltsame Prioritäten. Beispiel:
    Die Hebel am Lenkrad einsparen, aber dafür ein Touchdisplay für den Fond und ein teures Glasdach.
Kaum was dran. Selbst das Bremspedal braucht man kaum.

Eher doof

  • Die ganzen besch… Assistenzsysteme, die Bevormundung, das ständige gepiepe.
    Hat mich am Anfang irre gemacht, aber das meiste bekommt man ausgeschaltet. Fairerweise muss man sagen, dass das weniger an Tesla liegt. Der ganze Müll ist mittlerweile von der EU für alle Neuwagen vorgeschrieben. Was für Drogen nehmen diese Leute in Brüssel eigentlich während der Arbeit?
  • Keine Blinkerhebel.
    Ich habe mich dran gewöhnt und kann jetzt sogar im Kreisverkehr richtig “rausblinken”, aber trotzdem – das war blöd. Minimalismus finde ich ich schick, aber das ist zuviel des Guten. Und ich glaube auch, dass viele das Model 3 genau deshalb nicht kaufen, obwohl es sonst ein tolles Auto ist.

Zwischenfazit

Zwei Monate und 2.000km ist noch nicht viel, aber bis jetzt macht das Auto sehr viel Spass und keine Probleme. Den Gedanken, dass ich einen schönen, gut erhaltenen Mercedes gegen ein amerikanisches Auto, das in China gebaut wurde eintausche und das auch noch klasse finde, hätte ich vor zehn Jahren noch für recht abwegig gehalten.

Laden statt tanken – man muss halt etwas umdenken. Man lädt nicht, wenn der Akku alle ist, sondern wenn man gerade eine gute Gelegenheit hat. Und schon hat man kaum Mehraufwand.

Ich will niemanden bekehren. E-Mobilität passt vielleicht noch nicht für jeden (mein Cousin reist gerne mit großem Wohnwagen) oder überall (In Nord/Ostdeutschland leider noch sehr wenige Schnellader), aber für mich passt es ganz hervorragend.

Seelische und geistige Erbauung zum Muttertag

Sonntag, 12. Mai. Als ich morgens das Haus verließ, traf ich einen Nachbarn. Ich grüßte und sagte, dass ich mich passend für den Gottesdienst angezogen habe. Er musterte meine Motorradkombi, lächelte und meinte nur “oh – ist schon wieder ein Jahr um?”. Ertappt!

Dirk im schönen Friedrichswalde neben der Kirche

Manche nennen sich Christen und gehen einmal im Jahr in die Kirche – zu Weihnachten.

Ich bin getaufter Atheist und gehe auch einmal im Jahr in die Kirche – zu Muttertag. So auch in diesem Jahr. Gemeint ist natürlich der nunmehr 29. Motorradgottesdienst in Friedrichswalde (hier meine Artikel von 2023 und 2022).

Angemessene Kleidung für den Gottesdienst

In diesem Jahr bin ich mit zwei Arbeitskollegen gefahren. Natürlich sind wir nicht einfach die 70 km Autobahn hoch nach Norden gebrettert, sondern fuhren die Strecke gemütlich über kleine Landstraßen. Der Weg ist zumindest ein wichtiger Teil vom Ziel. So konnte wir die eineinhalb Stunden dauernde Fahrt in die Schorfheide genießen. Das Wetter war perfekt: Sonnig und warm, aber nicht heiß. Die Landschaft stand in voller Blüte, sah bezaubernd aus, duftete gut und mein Antiallergikum hat gewirkt.

So eine kleine Tour ist Balsam für die Seele.

Motorräder vor der Kirche

Wir kamen gegen 12 Uhr in Friedrichswalde an und konnten unsere Maschinen noch in der Nähe der Kirche abstellen. Etwas später war bereits das halbe Dorf zugeparkt. Ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Jahr wieder an die 1.000 Motorräder waren.

Als erstes haben wir Pastor Schwieger und seine Frau begrüßt. Trotz des Trubels nahmen sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch. Danach machten wir uns auf ins Getümmel. Viele Menschen standen oder saßen in kleinen oder größeren Gruppen zusammenstanden schnackten miteinander. Dazu bot Dominic Mertens eine gelungenen Mischung aus Coversongs dar. Wir genossen die sehr nette, entspannte und angenehme Atmosphäre.

Ordentlich Betrieb auf der Dorfstraße

Nachdem wir uns hinreichend mit leckerem Grillgut, Getränken, Kaffee und Kuchen versorgt hatten, machten wir die obligatorische Runde durch das Dorf, um uns die Maschinen anzusehen. Auch diesmal waren wieder einige wunderschön restaurierte Oldtimer dabei. Und wie jedesmal bin ich auch diesmal verblüfft gewesen, wie etliche hunderte Motorräder zusammen stehen können und keine zwei Maschinen gleich sind.

Wunderbar restaurierte Simson

Um 14:00 begann der Gottesdienst, den ich wie auch in den vergangenen Jahren vom “Balkon” aus verfolgt habe. Die musikalische Untermalung – kräftiger Bluesrock mit christlichen Texten – kam auch in diesem Jahr wieder von Fat Hat. Im Gegensatz zum letzten Jahr allerdings ohne Feuerbälle.

Die Predigt war eine Metapher über Freiheit und Verantwortung, die vordergründig vom Motorradfahren handelt, aber eigentlich recht universell ist. Schön fand ich die Stelle in der aufgezählt wurde, was man während des Motorradfahrens alles tut. All die Schalter und Hebel mit beiden Händen und Füßen zu bedienen, Sitzhaltung, Gleichgewicht, Blickführung, usw. Das klingt für nicht-Biker nach harter Arbeit (die es auch ist) und macht dennoch so viel Vergnügen.

Natürlich gehörte auch wieder eine Schweigeminute dazu, während der wir den Verstorbenen und Kranken gedacht haben.

Predigt in der vollbesetzten St. Michael Kirche

Nach dem Gottesdienst blieb noch etwas Zeit für ein Getränk, bevor auf der Dorfstraße für die gemeinsame Ausfahrt Aufstellung genommen wurde. Wie in den vergangenen Jahren wurde der Konvoi von der Motorradstaffel der Johanniter begleitet. Nicht so schön war allerdings, dass einige Autofahrer nicht verstanden haben, dass man nicht in einen geschlossenen Verband hereinfahren darf und versucht haben, sich einfach vorbei zu drängeln.

Da wir drei noch die 70km zurück nach Berlin vor uns hatten, haben wir die Karawane ziehen lassen. Wir stärkten uns noch mit einem letzten Stück Kuchen und machten uns dann auf den Weg. Am Werbellinsee legten wir noch einen kleinen Zwischenstopp ein, den einer meiner Kollegen für einen kurzen Sprung ins kühle Nass nutzte.

Ein kurzer Sprung ins kühle Nass

Diese Erfrischung erwies sich als als goldrichtig, weil wir bereit ein paar Kilometer später im Stau standen. Das Ende eines langen Wochenendes mit starkem Rückreisverkehr nach Berlin, eine zugestaute A11 und eine Baustelle in Eichwalde ergaben einen unerquicklich langen Stau entlang des Werbellinsees. Mit dem Auto hätten wir hier sicherlich 40-50 Minuten gestanden. Mit dem Motorrad fahre ich an so etwas vorsichtig und mit etwas schlechtem Gewissen vorbei, aber eine knappe Stunde mit Stop and Go und Geschwindigkeiten im einstelligen Km/h Bereich geht einfach nicht.

Trotz der etwas mühsamen Rückfahrt war der Motorradgottesdienst auch in diesem Jahr wieder sehr erfreulich. Den Kollegen hat es ebenfalls gefallen. Ich freue mich schon jetzt auf die 30. Ausgabe im nächsten Jahr.

Für zwei Tage an die Küste gestromert

Ein Geburtstag lieferte den Anlass zu einem zweitägigen Ausflug nach Rostock. Natürlich war ich schon etliche Male dort oben an der Küste: Von Kühlungsborn und Heiligendamm bis Fischland / Darß / Zingst. Immer links oder rechts an Rostock vorbei oder schnell durch bis nach Warnemünde, aber niemals in der Stadt selbst.

O.K., Warnemünde ist technisch gesehen ein Stadtteil von Rostock – fühlt sich aber nicht so an. Mein Eindruck war immer, dass die Stadt nur aus Schnellstrassen und DDR Plattenbauten entlang der Warnow besteht und tatsächlich stimmt das auch für große Teile der Stadt.

Aber das ist eben nicht alles und ich habe nun eine sehr schöne Seite kennengelernt.

Stadtmauer und Petrikirche.
Blick von der Warnow auf Rostock

Rostock ist im Jahr 1283 der Hanse beigetreten und war daher über Jahrhunderte eine blühende Handelsstadt. Zwar wurden während des zweiten Weltkriegs weite Teile der Stadt zerstört, aber die verblüffend große Altstadt hat immer noch viele schöne Ecken und historische Gebäude – teilweise sogar aus dem 14. Jahrhundert. Zudem sind noch Teile der Stadtmauer und mehrere Stadttore erhalten.

Vor der Stadtmauer – Das Steintor
Hinter der Stadtmauer – Hinunter zum Kuhtor

Ein Highlight für mich sind die beiden noch erhaltenen Bastionen vor der Stadtmauer an der südwestlichen Seite der Altstadt. Auf der Karte kann man noch die typischen, zackigen oder Rondellartigen Grundrisse der Wallanlagen erkennen. Sie sind auch noch immer von einem wassergefüllten Wallgraben umgeben. Im Gegensatz zum 17. Jahrhundert ist die Anlage aber mit großen Bäumen bewachsen und bildet so einen idyllischen Stadtpark. Trotz des Bewuchses kann man aber noch immer deutlich die enormen Höhenunterschiede von bis zu 20m sehen. Kaum vorstellbar, welch unglaublicher Kraftaufwand der Bau dieser Anlagen ohne Maschinen seinerzeit gewesen sein muss.

Heubastion und Wallgraben – früher Verteidungungsanlage, heute Park

Ich war ohnehin etwas erstaunt, daß es in der Altstadt im Gegensatz zum Umland ganz und gar nicht flach ist.

Hinter dem Kuhtor – Likörfabrik und Beginenberg

Und sehr schön ist, dass die Altstadt jenseits der Einkaufsstraße tatsächlich bewohnt wird. Es ist kein reines Shopping / Kneipen / Museums- / Touristenbespaßungs- / Eventdingens, sondern richtige Stadt mit einer Gebäudemischung aus jeder Epoche seit dem 14. Jahrhundert, die ich als sehr angenehm empfinde. Selbst den paar DDR Plattenbauten merkt man an, dass sie in Form und Proportion eingepasst wurden, was seinerzeit vermutlich mit harten Bandagen politisch erkämpft werden musste.

Noch an einigen Stellen vorhanden: Norddeutsche Backsteingotik
Schöne Mischung: Wohnstraße zwischen Petri- und Nicolaikirche

Es gibt in der Altstadt viele schöne und besondere Ecken. Die Nicolaikirche (ab 1230) fiel mir auf, weil es einen Gang gibt (Schwibbogen) , mit dem man quer unter dem Kirchenschiff hindurchgehen kann. Noch ungewöhlicher: Im Dachstuhl sind auf mehreren Etagen Wohnungen (für Kirchenmitarbeiter) untergebracht und im Turm sind Büros (der evangelisch Lutherischen Kirche). Am kuriosesten ist jedoch, dass der Umbau zu DDR-Zeiten in den 1980er Jahren durchgeführt wurde – und das Geld dafür aus Westdeutschland kam, aber das ist eine etwas längere Geschichte.

Zwei Tage sind kurz. Was fiel mir sonst auf?

Mir war nicht bekannt, dass das Kreuzfahrtunternehmen AIDA seinen Firmensitz in Rostock hat.

Die Tourismusabgabe der Stadt ist mit €3,70 pro Tag recht happig, zumal der An- und Abreisetag jeweils voll zählen (also 3 x €3,70 für die zwei Tage). Immerhin ist die ÖPNV Nutzung dabei eingeschlossen – nur habe ich das nicht gebraucht.

Und wenn ich schon mal beim Geld bin: Auf der Hinreise bin ich von Berlin zunächst nach Warnemünde und habe mich vom Navi meines Autos einlullen lassen. Das dumme Ding hat mich tatsächlich östlich der Warnow langfahren lassen. Und plötzlich stand ich ohne Wendemöglichkeit vor dem Warnowtunnelder einzigen mautpflichtigen Strasse in Deutschland!
Also erst mal auf den Standstreifen, Geld suchen und dann die völlig unnötigen €4,10 zu bezahlen.

Das Parkhaus am Rande der Altstadt, in dem ich mein Auto stehen ließ,war auch etwas hinterhältig. Bis 45 min darf man umsonst parken, danach kostet es Geld. Max. Tagessatz: €10,-. Eigenlich sehr fair – nur gibt es keine Schranke und somit auch keinen Parkschein. Man muss das einfach wissen und sich einen entsprechenden Ausweis besorgen, weil tatsächlich streng kontrolliert wird.

Und wenn ich schon mal beim Auto bin – in der Überschrift habe ich ein kleines Wortspiel versteckt. Ich bin nämlich nicht nur durch Rostock gestromert (= “ziellos geschlendert”), sondern auch die komplette Strecke hin- und zurück gestromert (= “elektrisch gefahren”). Meinen Benziner habe ich durch ein E-Auto ersetzt und das war die erste etwas längere Fahrt. Aber dazu schreibe ich separat.

Meine CO2 Bilanz für 2023 – und wie weiter?

Der Klimawandel ist real und seit einigen Jahren auch deutlich spürbar. Das 1,5 Grad Ziel haben wir bereits im letzten Jahr gerissen und die Zukunft sieht nicht gut aus. Ich muss leider zugeben, dass ich auch ein Gewohnheitstier bin und nicht mein ganzes Leben auf den Kopf stellen will. Ich möchte auch weiterhin Wurst auf meinem Brötchen haben und wegfahren können. Aber das ist natürlich keine Entschuldigung überhaupt nichts zu tun. Also versuche ich durchaus, Dinge zu ändern. Wie in den letzten Jahren auch schon.

Bringt das überhaupt etwas, wenn ich etwas ändere?

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob meine Bemühungen überhaupt etwas bringen, nutze ich seit einigen Jahren den CO2 Rechner des Umweltbundesamtes um mir meine persönliche CO2 Bilanz zu erstellen. Dabei lag ich seit einige Jahren stets deutlich unter dem deutschen Durchschnitt und zudem gingen meine CO2 Emissionen auch stetig zurück. Von unglaublichen 21,56 t CO2 im Jahr 2000 (durch sehr viele berufsbedingte Flüge) über schon bessere 9,22 t 2019 bis auf 8,84 t für 2022. Die Hebel waren vor allem Einsparungen im Energierverbrauch im Haushalt und geändertes Mobilitätsverhalten durch Änderungen im Beruf.

2011 bin ich noch über 35.000 km mit dem Auto (Golf TDI) gefahren. In den letzten Jahren gab es teilweise Homeoffice und mein Büro lag im Nachbarbezirk – klarer Fall für das Fahrrad.

So weit, so schön – und wie geht es weiter?

Zwar habe ich es auch 2023 noch einmal geschafft, die Vorjahreszahl leicht zu unterbieten, aber so richtig viel Potential scheint da nicht mehr drin zu sein. Meine CO2 Bilanz für 2023 liegt bei 8,6 Tonnen – ca. 16% unter dem Deutschen Durchschnitt von 10,34t. Bei Wohnen und Energie liege ich extrem gut, bei Ernährung und sonstiger Konsum leicht besser, aber der Bereich Mobilität ist nicht gut. Das lag vor allem an drei Flugreisen – eine beruflich, eine privat und einmal Urlaub.

Für dieses Jahr sind auch wieder mindestens ein oder zwei Flugreisen fest eingeplant. Das restliche Mobilitätsbudget wird aus familiären Gründen auch nicht geringer ausfallen können. Vermutlich werde ich sogar wieder etwas mehr mit dem Auto fahren müssen. Mein Ziel ist es dennoch, für 2024 unter 8t zu kommen.

Wo ist der Hebel für weitere Reduktion?

Für dieses Jahr ist der Hebel ein technischer. Ich habe vor, meinen schönen (alten und durstigen) Mercedes bald durch ein Elektroauto zu ersetzen. Somit würde es auch Sinn machen, den Urlaubsflug durch einen kürzeren Urlaub mit dem Auto zu ersetzen.

Ich bin gespannt, wie sich das in meiner Gesamtbilanz auswirken wird.

Elektrisch unterwegs, Teil 3: Volvo EX30

Meine Suche nach einem passenden E-Auto geht in die dritte Runde. Nachdem ich in letzter Zeit den Jeep Avenger (“Endlich mal elektrisch – mit dem Jeep Avenger“) und das neue Tesla Model 3 (“Elektrisch unterwegs, Teil 2: Tesla Model 3“) zur Probe gefahren bin, konnte ich dieses Wochenende den neuen Volvo EX30 ausprobieren.

So viel sei schon vorneweg verraten: Ich würde den Volvo genau zwischen den beiden anderen Fahrzeugen einordnen. Was ich damit meine, erläutere ich im Fazit.

Mein Testfahrzeug hatte “nur” Heckantrieb mit 200 kW (272 PS), den großen 64 kWh Akku und die höchste von drei Ausstattungslinien. Listenpreis: €47.730,00, wobei mir ein guter “Hauspreis” für Barzahlung angeboten wurde, obwohl das Auto brandneu auf dem Markt ist.

Volvo, Strom, Schweden, China

Volvo hat bereits seit längerem mehrere Elektrofahrzeuge im Programm. Das sind umgebaute Verbrenner, die groß, kantig, teuer und “verbrauchsstark” sind. Der neue EX30 ist deutlich kleiner, günstiger und das erste Modell, das von vornherein ausschließlich als Elektroauto konzipiert wurde. Die technische Basis stammt vom chinesichen Geely Konzern und wird auch für den Smart #1 und dem Zeekr X verwendet. Karosserie, Innenraum und Bedienung sind allerdings bei allen drei sehr unterschiedlich.

China? Geely?

Ja, die Volvo Car Corporation hat zwar ihren Sitz in Göteborg in Schweden, ist aber bereits seit längerem in chinesischem Besitz. Dem Konzern gehören ganz oder teilweise auch andere bei uns bekannte Marken wie Polestar, Lotus und Smart.

Karosserie und Innenraum

Für die Volvo Marketing Abteilung ist der EX30 ein Kompakt-SUV. Für mich ist das einzige SUV-mäßige an dem Fahrzeug das kantige Styling der Karosserie. Mit einer Länge von 4,23 m und einer Breite 1,83 m gehört der Wagen aber eindeutig in die Kompaktklasse, wie der Golf. Die Höhe von 1,55 m ist ebenfalls nicht übertrieben. Das Auto ist also ziemlich sozialverträglich und gefällt mir optisch gut.

Volvo EX30 – kantige Front
Bulliges Design, aber veträgliche Größe (rechts daneben: Citroen C3)

Die kompakten Außenmaße bedeuten andererseits natürlich auch, dass der Innenraum nicht allzu üppig ist. Auf den Vordersitzen hat man ausreichend Platz, aber in der zweiten Reihe kann es eng werden, wenn die Vordersitze weit zurückgeschoben werden.

Volvo EX30 – Platzverhältnisse vorne

Der Kofferraum reicht mit 318 l (904 l mit umgeklappten Rücksitzen) locker für den Wochenendeinkauf, aber nicht für das Reisegepäck einer vierköpfigen Familie. Immerhin gibt es unter dem Kofferraumboden noch etwas Raum für flache Dinge und das verschmutzte AC Ladekabel kann separat in einem kleinen Fach unter der Fronthaube untergebracht werden.

Volvo EX30 – Platzverhältnisse hinten

Die Materialien im Innenraum sind aus Recyclingmaterial. In der höchsten Ausstattungslinie “Ultra” sind die Sitze hellgrau meliert und Teile des Armaturenbretts ebenfalls mit einem ähnlichen Stoff überzogen. Ich empfand die Qualität als angenehm. Andere Tester bemängelten die Haptik als “etwas billig”. Möglicherweise bezog sich das aber auch auf die unteren Ausstattungsvarianten, in denen auf dem Armaturenbrett ein Kunststoff verbaut wird, der mich an Bodenbelag von Turnhallen erinnert. Immerhin nerven nirgendwo “Klavierlack”-Oberflächen.

Die Verarbeitungsqualität ist auf jeden Fall hochwertig und solide. Alles ist stabil, nichts wackelt oder knarzt.

Bedienung

Wie heutzutage schon fast üblich, gibt es keinen Schlüssel mehr. Wenn man sich dem Fahrzeug mit dem Token oder dem Smartphone und der Volvo App nähert, blinkt er kurz und entriegelt automatisch die Türen.

Nachdem man hinter dem etwas eckigen Lenkrad Platz genommen hat, merkt man, wie aufgeräumt das Auto ist. Ähnlich wie im Tesla, gibt es nur einen zentralen Touchscreen, als Anzeige. Das “Tablet” ist etwas kleiner als im Tesla, hochkant verbaut und läuft mit Android als Betriebssystem. Es ist übersichtlich, die Bedienung ist super flüssig und es gibt eine hervorragende Spracherkennung.

Anders als Tesla gibt es aber hier neben einigen Tasten auf dem Lenkrad noch zwei Lenkstockhebel für Blinker, Licht, Scheibenwischer und Gangwahl.

Sehr aufgeräumtes Cockpit

Bei vielen Testern hat dieses aufgeräumte Cockpit reflexartig zu Kritik geführt: “Kein Fahrerdisplay, kein Head-Up Display, keine Knöpfe”.

Ich war froh, dass ich bereits den Tesla gefahren bin und das Grundkonzept verstanden hatte. Knöpfe für Sitz- und Lenkradheizung, Radio, Klimaanlage etc. habe ich gar nicht vermisst und auch nicht im Blindflug auf dem Tablet rumgewischt, sondern sofort alles über Sprachbefehle gesteuert. Das funktioniert – Google sei dank – sehr schnell und einwandfrei. Wenn man das einmal genutzt hat, fragt man sich, warum in anderen Autos eigenlich 1.000 Knöpfe und Regler verstreut sind. Mein Mercedes Baujahr 2013 kommt mir im Vergleich mittlerweile recht altbacken vor.

Die Sitze sind vielfach elektrisch einstellbar und bequem, haben aber nicht viel Seitenhalt. Das Lenkrad ist manuell einstellbar. Es ist zwar nicht völlig rund, aber es liegt gut in der Hand und fühlt sich angenehm an. Die Tasten auf dem Lenkrad sind leider – wie beim VW ID3 – nicht so gut gelöst. Der Blinkerhebel funktioniert nicht ganz so wie gewohnt. Er rastet nicht ein, sondern ist eigentlich nur ein Schalter.

Der Sound der im Armaturenbrett eingebauten Anlage von Harmann Kardon ist richtig gut. Leider spiegelt sich das Logo in der Windschutzscheibe.

Die Probefahrt
Es gibt keinen Anlasser oder Startknopf. Den Fuß auf die Bremse, mit dem Rechten Hebel “D” oder “R” wählen und schon kann es los gehen. Wie bei anderen E-Autos rollt der Wagen nahezu lautlos an. Ich bin per “One-Pedal-Driving” gefahren – also nahezu ohne die Bremse zu nutzen, da die Rekuperation bis zum Stillstand reicht. Das lässt sich aber auch umstellen.

Meine Fahrt führte mich 50km über Stadt- und Landstrassen und ein Stück Autobahn. Die Fahrbahnqualität reichte von glattem Asphalt über Betonplatten bis zu Kopfsteinpflaster. Die Federung schluckt viel weg, ist für meinen Geschmack aber etwas zu weich, weil bei etwas(!) zügigerer Fahrt doch etwas Bewegung in die Karosserie kommt. Das Fahrgeräusch war stets sehr leise – egal ob Dorfstrasse mit Kopfsteinpflaster oder mit 185 km/h auf der Autobahn. Das ist übrigens auch die Höchstgeschwindigkeit, die man nur sehr kurz fahren sollte. Erstens konnte man zugucken, wie die kalkulierte Restreichweite “verdampfte” und zudem wird das ansonsten angenehm komfortable Fahrwerk dann sehr unruhig und man muss viel korrigieren. Also schnell man an einer Kolonne vorbeiziehen ist möglich, aber das Auto fühlt sich bei 120 – 130 km/h am wohlsten.

A Propos Autobahn: Bei der Auffahrt habe ich das Strompedal einmal durchgetreten.

Jesus!

Man ist derart schnell von 50 auf 130, dass man kaum zum Luftholen kommt. Für das Grundmodell mit 272 PS ist die Beschleunig von 0-100 km/h 5,3 s. angegeben. Wozu es da noch eine Allradversion mit 428PS gibt, ist mir unklar. Eigentlich passt diese massive Beschleunigung nicht so recht zum ansonsten kreubraven, komfortablen Character des Fahrzeugs.

Im Alltag sind andere Dinge wichtiger. Die Schildererkennung liegt leider zu häufig daneben und hat mich nicht so ganz überzeugt. Beispiele von der 50 km Probefahrt:

  • Auf einer vierspurigen Ausfallstraße wurden 10 km/h angezeigt (anstatt 60 km/h).
  • Auf der Autobahn wurde die Aufhebung von 120 Km/h nicht angezeigt.
  • Bei einer Dorfdurchfahrt wurde die zeitliche Einschränkung einer 30 km/h Zone ignoriert.

Das ist aus zwei Gründen ärgerlich:

Erstens ist das Fahrzeug – typisch E-Autos – so leise, dass man die gefahrene Geschwindigkeit nicht mehr fühlt. Man muss also nach Tacho fahren und dann sollte die angezeigte Höchstgeschwindigkeit bitte auch stimmen.

Zweitens müssen neue Autos seit diesem Jahr ein deutlich hörbares Warngeräusch machen, sobald man auch nur knapp schneller fährt. Das ist zwar einerseits praktisch (siehe Grund eins), aber es nervt kolossal, wenn das Auto häufig nicht recht hat und rumbimmelt.

Mit der Aufmerksamkeitüberwachung hatte ich im Gegensatz zu einigen Testern kein Problem. Das mag daran liegen, dass ich während der Fahrt nichts auf dem Bildschirm gesucht habe (Sprachsteuerung FTW!!!) oder daran, dass die Funktion in der aktuellen Softwareversion entschärft wurde.

Rückwärts einparken funktioniert sowohl mit der Rückfahrtkamera, als auch konventionell gut.

Weitergehende Assistenzsysteme habe ich nicht ausprobiert.

Verbrauch, Laden, Reichweite

Die Probefahrt fand bei freundlichem Vorfrühlingswetter statt: 13 Grad, trocken, kaum Wind. Das sind ziemlich gute Voraussetzungen für akzeptable Verbrauchswerte. Während der Fahrt bin ich ruhig im Verkehr mitgeschwommen, habe wo es ging die erlaubte Höchstgeschwindigkeit ausgenutzt. Auf der Autobahn fuhr ich 120 -130 km/h und habe für zwei Minuten Vollstrom gegeben. Am Ende wurde mir für die 48km Fahrt ein Durchschnittsverbrauch von 20,3 kWh/100 km angezeigt. Das ist weder richtig gut, noch richtig schlecht. Die größeren E-Volvos benötigen deutlich mehr, aber das Tesla Model 3 hat neulich bei schlechterem Wetter 16,3 kWh/100 km angezeigt (was aber vermutlich etwas zu optimistisch ist).

Ich denke, dass der Unterschied hauptsächlich auf die unterschiedliche Karosserieform zurückzuführen ist. Der Volvo ist kurz und kantig, während das Model 3 flach, lang und windschlüpfrig ist. Beide Wagen haben Wärmepumpen.

Verbrauch bei der 48 km Testfahrt: 20,3 kWh/100 km

Für das von mir gefahrene Modell mit Heckantrieb und 64 kWh Akku wird eine WLTP Reichweite von 476 km angegeben. Ich gehe von realistischen 300 bis 350 km aus. Zur Ladeplanung kann ich nichts sagen und verweise auf andere Tests. An Gleichstrom soll der Wagen mit maximal 130 kW von 10% auf 80% in 26 Minuten laden. Eine Besonderheit ist, dass man den EX30 anstelle des serienmäßigen 11 kW AC Laders auch mit einem 22 kW AC Lader bekommen kann.

Fazit

Kurzfassung; Der Volvo EX30 ist ein sehr angenehmes, praxistaugliches Auto, das es mit kleinem 51 kW/h Akku bereit ab €37.000,- gibt.

Jeep vs. Volvo

Ich hatte eingangs geschrieben, dass er für mich zwischen dem Jeep Avenger und dem Tesla Model 3 liegt. Damit meine ich, dass der Jeep und der Volvo vom Charakter kreuzbrave, komfortable Kompaktautos sind, die im SUV-Kleid daherkommen und im Grundpreis von ca. €37.000 vergleichbar sind. Beide kann ich mir gut als typisches Kurzstrecken und Pendlerfahrzeug vorstellen.

Beide haben einen 51 kWh Akku. Der Jeep ist von der Bedienung (Knöpfe!) und der überschaubaren 156 PS Motorisierung her noch ein “normales” Auto. Der Volvo hat dagegen einen absurd starken 272 PS Motor und ist mit seinem Tablet- und sprachbasierten Bedienkonzept näher an Tesla. Die Autobahn ist für beide aufgrund der kleinen Akkus nicht so das Metier. Der Jeep wird sogar bereits bei 150 km/h abgeriegelt.

Volvo vs. Tesla

Der Volvo mit dem größeren Akku ist hingegen, wie aus der Tesla voll autobahntauglich. Beide kommen weit, laden zügig und können bei Bedarf auch mal kurzfristig schnell fahren. Die Höchstgeschwindigkeit vom Tesla ist 200 km/h, die vom Volvo ist 180 km/h.

Auch diese Fahrzeuge sind preislich vergleichbar: Der Volvo ab €42.000,- und der Tesla ab €43.000,-. Der Volvo hat einen etwas größeren Akku (64 kWh) als der Tesla (60 kWh), aber der Tesla verbraucht weniger und lädt noch etwas schneller. Bei hohem Autobahnanteil würde ich den Tesla bevorzugen, weil der deutlich ruhiger auf der Strasse liegt. Bei hohem Stadtanteil eher den Volvo, weil der kompakter, wendiger und übersichtlicher ist.

Nachtrag

Standardargument: “…aber das ist vieeel teurer, als ein Verbrenner!

Ähm – nein. Nur noch etwas teurer. Ich habe eben mal zum Spass einen vergleichbaren VW Golf konfiguriert. 150 PS Benziner mit Automatik (bzw. 7 Gang DSG), alle Zusatzfunktionen rein, die der Volvo serienmäßig hat. Ergebnis: € 38.785,00!
Und dabei fehlen immer noch so wichtiges Komfortfeature, wie Vorklimatisierung. Wenn wir jetzt den erheblich höheren Wartungsaufwand für Verbrenner berücksichtigen haben wir den Mehrpreis nach 36 Monaten locker drin.

Elektrisch unterwegs, Teil 2: Tesla Model 3

Vor ein paar Tagen bin ich das erste Mal ein E-Auto zur Probe gefahren und war von dem Fahrgefühl begeistert. Das Auto selbst fand ich auch recht ansprechend. Auf meinen Bericht (“Endlich mal elektrisch – mit dem Jeep Avenger“) habe sehr gemischte Reaktionen erhalten.

Ein Bekannter, der sich auch für E-Autos interessiert aber noch nicht gewechselt ist, schrieb sinngemäß “endlich mal ehrliche Eindrücke jenseits von Fanboy oder Diesel-Dieter”. Ein Freund, der gerne an alten Autos rumschraubt warnte mich vor sehr ungenügender Reichweite (seine Bekannte fährt ein dem Jeep vergleichbares Auto) und ein anderer Freund, der selbst ein – allerdings ziemlich teures – E-Auto fährt, riet mir, mich nochmal bei anderen Herstellern umzusehen.

Immerhin hat niemand von “Elektroschrott” geschrieben oder ähnliches und es ist klar, dass ich das Thema E-Auto weiter verfolge.

Wieso denn jetzt gerade dieses Auto?

Im Internet fand ich bei Probefahrten der Stellantis Autos häufig Kommentare wie “…ist ja ganz nett, aber für das Geld bekommt man auch schon fast einen Tesla.”

Tjä, Tesla…
Zu der Firma habe ich – wie vermutlich viele – erst mal einen ganzen Sack voller gemischter Vorurteile.

Negativ finde ich den problematischen Chef, den vielen großmäuligen, falschen und gefährlichen Aussagen zum autonomen Fahren, der Philosophie kein Auto anzubieten, sondern vernetzte Computer auf Rädern, teilweise problematische mechanische Qualität (Stichworte Querlenker und TÜV Report), eigenartige Bedienkonzepte (dazu später mehr) und solchen Mist wie den Cybertruck.

Andererseits hat es diese Firma im Alleingang geschafft, eine verschnarchte und selbstgerechte Multimilliarden Industrie so richtig in den A… zu treten.

Chapeau!

Anfängliche Bedenken zu den Akkus (“die halten doch keine 50.000 km”, “im Winter bleibt die Kiste bestimmt liegen”) wurden durch die vielen Teslas, die seit Jahren in Norwegen unterwegs sind eindeutig widerlegt.

Also schauen wir uns Tesla mal genauer an. Am spannendsten finde ich das Model 3. Es ist das kompakteste und günstigste Modell im Sortiment und wurde vor kurzem komplett überarbeitet. Dabei wurde nicht nur das Design nachgeschärft, sondern auch viele Kritikpunkte wie Lautstärke, Fahrwerk usw. behoben.

Also hin zum Tesla Showroom in der Mall Of Berlin und eine Probefahrt vereinbart.

Die Probefahrt – mit dem Tesla zu Tesla

Am Samstag war es so weit. Aufgrund der unzähligen Baustellen und Demonstrationen in der Stadt startete ich nicht in Berlin Mitte, sondern vom Tesla Stützpunkt in Schönefeld. Es war eine längere Fahrt mit einem ordentlichen Anteil Autobahn vereinbart. Das Wetter war perfekt für den Test:

Knapp über null Grad und Nieselregen.

Denn ich wollte wissen, wie das Auto ist, wenn alles zusammenkommt, was schlecht für die Reichweite ist. Nett fahren bei 20 Grad und Sonne kann ja jedes Auto.

Alter Mann, neues Model 3, Tesla Fabrik Grünheide (von vorne nach hinten)

Ich fuhr eine Tour über den äußeren Berliner Ring mit Fotostopp vor der Tesla Fabrik in Grünheide. Weiter durch Erkner, über Kopfsteinpflaster Strassen in den Wohngebieten, über Landstraße nach Niederlehme und auf der Autobahn zurück nach Schönefeld. Der größte Teil der Autobahn ist auf 120 oder 100 begrenzt, aber ein Stück auch frei. Ich bin so gefahren, wie ich es mit meinem Mercedes auch mache: ruhig, aber zügig, wo es erlaubt ist und geht. Ich habe keines der Assistenzsysteme genutzt, sondern wollte einen ungefilterten Eindruck bekommen.

Bevor es losgeht aber erst einmal der generelle Eindruck.

Das Auto von aussen und innen

Das Model 3 ist zwar das kleinste Modell, aber mit einer Länge von 4,72 m, einer Breite von 1,85 m und einer Höhe von 1,44 m immer noch eine stattliche Mittelklasselimousine. Die Form ist klassisch-sportlich. Die Frontpartie hat mich aus bestimmten Blickwinkeln an Jaguar F-Type und Ferrari Daytona erinnert. Man merkt an vielen Details, wieviel Wert die Entwickler auf geringen Luftwiderstand gelegt haben. Der Erfolg: Cw 0,23 ist wirklich super.

Flotte Front, finde ich. Das Model 3 von vorne

Beim Einsteigen fangen gleich die Besonderheiten an. Natürlich gibt es keinen profanen Schlüssel. Geöffnet wird, indem man eine NFC-Karte oder das Smartphone mit der Tesla App an die B-Säule hält.

Einsteigen und… hui, ist das anders!

Erster Gedanke: “Wer hat den Tacho geklaut?”
Und zweiter Gedanke: “…und warum hat er den Blinker und den Scheibenwischerhebel auch mitgenommen?”

Aber zu den Besonderheiten der Bedienung komme ich gleich.

Nanu, da fehlt doch fast alles?!?

Der Innenraum ist wirklich großzügig. Mächtig viel Platz vorne und hinten. Damals in den 80ern war die Mercedes S-Klasse ungefähr so groß. Die Sitze sind sehr bequem, mannigfaltig elektrisch einstellbar und wie das ebenfalls elektrisch einstellbare Lenkrad mit einem sehr angenehmen Kunstleder bezogen. Überhaupt ist die Haptik sehr gut. Es gibt Textiloberflächen und wo es nicht ganz so wichtig ist Filz. Ich konnte nirgendwo Nachlässigkeiten in der Verarbeitung entdecken.

Und der Geruch ist im Gegensatz zu vielen anderen Neuwagen sehr dezent und angenehm eigenständig. Meine Beifahrerin vermutete leichte Parfümierung, aber der Wagen im Showroom hat genau so gerochen.

Es gibt keine große Heckklappe, sondern nur einen Kofferraumdeckel, aber der ist ausreichend groß und wird – natürlich – elektrisch bedient. Der Kofferraum ist riesig (682 Liter) und die Rücksitze lassen sich auch noch umklappen. Wer nicht gerade Waschmaschinen transportieren will, ist hier auf jeden Fall gut bedient. Zumal dazu ja auch noch ein großer Frunk gehört – also ein Kofferraum dort, wo bei normalen Autos der Motor sitzt.

Kofferraum vorne wie einst im Käfer – aber im Heck kommt eine echte Höhle dazu.

Die Fahrt

Das Fahrwerk ist ziemlich deutsch für ein amerikanisches Auto. Also eher straff, aber dennoch komfortabel. Auf üblem Kopfsteinpflaster kann man gelassen bleiben. Es klappert oder quitscht auch nichts. Auf Landstrassen, in Kurven liegt das Auto wie ein Brett und bei über 180 auf der Autobahn auch. Der Wagen schafft übrigens 201 km/h Spitze. Nicht, dass man das braucht, zumal man damit den Akku in Rekordzeit leert, aber gut zu wissen, dass es geht.

Die Lenkung ist auch so wie ich es mag: Zielsicher und leichtgängig aber nicht zu leichtgängig. Passt beim Einparken und auf der Autobahn musste ich auch nicht nachkorrigieren.

Dass alle Teslas mehr als ausreichend motorisiert sind, hat sich ja rumgesprochen. Der Testwagen war das Long Range Modell mit zwei Motoren und 496 PS (ächtz!), das weniger als 5 Sekunden von null auf hundert benötigt. Als ich dem Verkäufer sagte, dass ich mich eigentlich für das Grundmodell (“nur” 283 PS) interessiere, stellte er einfach den Fahrmodus “lässig” für sanftes Fahren ein.

Ganz ehrlich – mehr ist absolut nicht nötig. In der Stadt sowieso nicht und als ich auf dem Beschleuningsstreifen auf der Autobahn mal kurz durchgetreten habe, ging es zwar sanft aber sehr nachdrücklich vorwärts. Überhaupt kein Problem, damit in kleinere Lücken zu kommen, ohne den nachfolgenden Verkehr zum Bremsen zu nötigen.

Bremsen. Das ist ein Thema. Nicht weil die Bremsen nicht gut wären, sondern weil ich sie auf 50 km Fahrt fast nicht gebraucht habe. Man kann das Model 3 fast vollständig mit dem Strompedal fahren. Die Rekuperation ist ganz schön kräftig, wenn man den Fuß vom Pedal nimmt und reicht bis zum Stehenbleiben. Das hat dazu geführt, dass ich die ersten 2, 3 Kilometer total “eckig” gefahren bin, wie ein Fahrschüler. Aber man kommt schnell rein.

A propos schnell reinkommen…

Die Bedienung

Die fehlenden Bedienelemente hatte ich ja bereits weiter oben angemerkt. Wie geht man damit um?

Als ich losfahren wollte, war mein erster Reflex der Griff zum Zündschloss – aber das gibt es natürlich nicht. Dafür legt man eine NFC Karte oder sein Smartphone in die linke Ablage unter dem Screen – und man ist abfahrbereit. In der App kann man übrigens gleich ein Profil hinterlegen. Dann werden Sitze, Lenkrad usw. automatisch eingestellt. Praktisch, wenn man sich das Auto mit mehreren teilt.

Weiterhin gibt es auch keinen Gangwahlhebel. Lösung:
Den Fuß auf das Bremspedal und am linken Rand vom Touchscreen zwischen Vorwärts, Rückwärts und Parken auswählen. Aber der Wagen denkt mit. Falls man zum Beispiel vor einer Mauer steht und hinter dem Wagen frei ist, wird automatisch der Rückwärtsgang ausgewählt.

Die Scheibenwischer habe ich auf Automatik gestellt, die mir aber manchmal etwas zu lange mit dem Wischen gewartet hat. Wenn man einmal kurz wischen will oder Wischwasser braucht, tippt man eine Taste rechts auf dem Lenkrad an.

Das Licht hatte ich ebenfalls auf Automatik gestellt. Der Blinker wird über zwei übereinanderliegenden Tasten auf der linken Seite auf dem Lenkrad gesetzt und rausgenommen. Man nimmt einfach die Taste “in Drehrichtung”. Also wenn man nach rechts fahren will, die obere Taste und nach links die untere. Wenn man das erst mal verstanden hat, ist das auch intuitiv. Einzig die Ausfahrt aus einem Kreisverkehr kann etwas herausfordernd sein.

Das Meiste funktioniert also nach kurzer Eingewöhnung doch verblüffend gut.

Wenn man steht und Zeit hat, die Augen auf den Touchscreen zu lenken kann man ganz interessante Einstellungen vornehmen. Zum Beispiel mit einem Fingerwisch die Luftströme aus der Klimaanlage im ganzen Innenraum regulieren, oder den “akustischen Schwerpunkt” der sehr guten Audioanlage verschieben, falls z.B. der Fahrer das lauter haben mag, als die Passagiere.

Bei einigen Dingen ist es dennoch nervig, den riesigen Touchscreen bedienen zu müssen. Während der Fahrt ein No-Go, aber vieles geht nach dem Motto

“Sag doch einfach, was Du von mir willst”

Als ich meine Beifahrerin fragte, wie groß das Handschufach ist, fragte sie zurück, wie sie das Ding aufbekommen soll, wenn da nirgend ein Knopf ist. Beim Fahren wollte ich nicht ewig auf dem Touchscreen suchen, sondern probierte einfach mit dem Sprachbefehl “öffne Handschuhfach” und mit einem Klack sprang es auf. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das völlig blödsinning oder cool finden soll – aber es funktioniert.

Es gibt sicherlich hunderte dieser Besonderheiten. Wenn man aus einem normalen Auto kommt, fragt man sich laufend “wo ist denn…” oder “wie geht denn…”. Aber der Witz ist der:

Nach ein paar Kilometern hat man schnell drin.

Ich gebe aber zu, dass ich trotzdem für Licht, Blinker, Scheibenwischer und Temperatur konventionelle Bedienelemente bevorzugen würde.

…und wie weit kommt man nun?

Die Bedingungen waren nicht optimal für den Akku. Zwei Grad Celsius und Nieselregen. Ich bin knapp 50 km gefahren, wovon ein Drittel gemütliches Bummeln durch Orte und über Landstrassen war und zwei Drittel Autobahn auch mal deutlich über 110 km. Dabei ist der Akkustand von 79% auf 69% gefallen. Allerdings war das eben auch das Long Range Modell mit dem großen Akku (79 KWh anstatt 60 KWh im Standardmodell). Das sagt mir also nicht viel über das Grundmodell.

Statistische Auswertung: 16,3 kWh / 100 km

Wichtiger ist die Info, dass ich auf der Fahrt einen Durchschnittsverbrauch von 16,3 kWh hatte. Angesichts des Wetters und des Fahrprofils finde ich das sensationell gut. Ich hatte mit 20 kWh oder darüber gerechnet. Mit dem kleinen Akku sollte also auch bei widrigen Bedingungen 290 km drin sein.

Zumal man auch noch Spartipps bekommt, inklusive Auflistung wofür wieviel Strom verbraucht wurde.

Und nun kommt natürlich noch die Trumpfkarte: Die Ladeplanung. Blitzschnell und Idiotensicher. Man sagt dem Auto, wo man hin will und innerhalb von 1-3 Sekunden hat man die empfohlene Route auf dem Touchscreen – inklusive Ladepunkten mit Angaben, wieviel man dort noch im Akku hat, wieviel man nachladen sollte und wie hoch die Preise sind. Die sind an den Superchargern übrigens deutlich günstiger, als z.B. bei Ionity oder anderen Konkurrenten.

Was mir nicht gefällt

  • Der Chef von Tesla stört mich.
  • Jede Kleinstadt hat einen VW Händler. Tesla nur ein paar Stützpunkte. Was macht man, wenn der Wagen kaputt geht?
  • Ein bischen weniger “originelle” Bedienung wäre besser.
  • Hohe Typklassen bei der Versicherung.

Was mir gut gefällt

  • Das Fahrgefühl ist traumhaft. Genau so wie ich es mag. Der Wagen fühlt sich schwer an und liegt in jeder Situation satt auf der Straße.
  • Er fährt vollkommen ruhig, extrem entspannt, aber wenn mal mal kurz Leistung braucht, ist die sofort da und es bleibt immer noch ruhig.
  • Da der Wagen so ruhig ist, macht auch die gute Audioanlage Sinn.
  • Karosserie und Innenraumgestaltung gefallen mir sehr.
  • Die Materialanmutung und Verarbeitung sind wirklich gut.
  • Sehr viel Platz für die Karosseriegröße.
  • Volle Reisetauglichkeit.
  • Für ein Elektroauto hohe Reichweite in Kombination mit dem Supercharger Netz.

Mein Fazit

Es gibt Fahrzeuge, die so anders sind, dass man den Witz daran erst dann richtig begreift, wenn man sie mal ausprobiert. Bei Fahrrädern wäre das sicherlich das Brompton Faltrad und bei Autos definitiv Tesla.

Ich war mit der Erwartung gestartet, dass das Auto irgendwie ganz gut fährt und mich die ganzen Besonderheiten der Bedienung total nerven würden. Stattdessen bin ich mit Grinsen im Gesicht ausgestiegen und habe mir gedacht “was für ‘ne geile Karre!”

Bleibt der Preis. Das Einstiegsmodell kostet €43.000,-. Das ist sehr viel weniger als das Vorgängermodell und man bekommt quasi gleich die Komplettausstattung.

Einerseits ist das für das Gebotene ziemlich günstig, andererseits ist es absolut gesehen immer noch viel Geld. “Da muss eine arme Frau lange für stricken”, wie meine Mutter zu sagen pflegte.

Wie auch immer – die Messlatte liegt jetzt verdammt hoch.

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