Der 36C3 ist zu Ende. Ich bin wieder in Berlin. Und zwar schon etwas länger, denn ich bin zwei Tage früher abgereist. Ausschlaggebend waren dafür zwei Gründe: gesundheitliche Beeinträchtigungen und politisches Unwohlsein meinerseits.
Ich gehe nun schon seit fast 20 Jahren hin- und wieder auf Veranstaltungen des CCC und meistens war ich begeistert oder zumindest positiv angeregt. Diesmal ging mir das politische Grundrauschen ganz gehörig auf den Senkel. Ich habe bemerkt, dass ich mit dem Eindruck nicht alleine bin und ich befürchte, dass der Club damit so langsam ein echtes Problem bekommt. Und das wäre fatal, weil ich ihn für eine wichtige Institution in Deutschland halte.
Immer noch wichtig und klasse
Aber bevor ich zu meiner Kritik komme, möchte ich sagen, dass ich die Veranstaltung eigentlich immer noch wichtig und klasse finde.
Wichtig, weil immer wieder Dinge für die breite Öffentlichkeit aufgedeckt werden, die andere gerne unter den Teppich kehren würden. In diesem Jahr zum Beispiel die Probleme mit der elektronischen Patientenakte oder die letzten Verschlimmbesserungen im elektronischen Zahlungsverkehr.
Wichtig für die Leute, die schon ein bisschen was von der Technik verstehen und sich für die neuesten Erkenntnisse zu Sicherheitsproblemen in Hardware, Software und Dienstleistungen interessieren.
Wichtig auch, weil man dort ganz entspannt mit Szenegrößen in Kontakt kommen kann.
Klasse, weil die ganze Veranstaltung im Prinzip ein einziges großes, entspanntes Happening ist. Mit bunten Lichtern, tonnenweise Nerd-Humor, schrägen Basteleien und Loungemusik.
Auch die Retro-Ecke war zu meiner Freude gut bestückt. Zwei schrankgroße DEC PDP-8 Rechner aus den frühen 70ern waren zu sehen – mit TELEX– und Videoterminals. Es wurde Datenübertragung per Modem über analoge Telefonvermittlungsanlagen gezeigt. Unter anderem war ein Mailboxsystem in Betrieb.
Nicht zuletzt gab es mehrere BTX Terminals aus den 80er Jahren zu bestaunen, die im Betrieb waren. Per Reverse Engineering und mittels noch vorhandener Originaldaten konnte der Betrieb gezeigt werden, obwohl der BTX Service bereits 2007 eingestellt wurde. Es gab Originalinhalte von 1984 zu sehen, darunter den BTX-Hack mit dem der CCC vor 35 Jahren bekannt wurde.
Nicht so klasse
So weit so schön. Aber das Übermaß an politischer “Rotlichtbestrahlung”, wie es früher im Osten hieß ging mir gehörig auf den Zeiger. Zumal der Club hier so langsam den Fokus verliert.
Früher ging es um technische Fragen und darum welche Bedeutung die Technik für die Gesellschaft hat. Dabei war der CCC schon immer politisch links, aber staatstragend. Also Einsatz für den Erhalt von Bürgerrechten etc. Es ist kein Zufall, dass der Club bereits mehrfach vom Bundesverfassungericht als Gutachter angefragt wurde und das auch mit Bravour gemeistert hat.
Heute thematisiert man globale Menschenrechte / Feminismus / Seenotrettung, Rettung der Welt, you name it… Wichtige Themen – Wer sich entsprechend engagieren möchte, kann und soll das ja tun, aber in meinen Augen ist der CCC absolut der falsche Rahmen dafür. Damit verliert der Club seinen Fokus, verhebt sich inhaltlich auch und zumindest die beiden Vorträge, die ich gehört habe (einen zu Feminismus, einen zur Seenotrettung) fand ich einseitig und unausgegoren.
Na gut, es muss einem ja nicht alles gefallen. Aber als ich ein großes Transparent der Antifa in der Haupthalle gesehen habe und einige kleinere Aufrufe, Straftaten zu begehen (weil man sich moralisch im Recht fühlt) ist bei mit die Klappe gefallen. So etwas geht einfach gar nicht!
Ich habe in den frühen 90er Jahren ehrenamtlich in einem Berliner Jugendclub mitgearbeitet, der in bestimmten Kreisen als “Zeckenburg” bezeichnet wurde. Wir hatten damals regelmäßig Angriffe von Rechtsradikalen. Als dann die Antifa ankam, um uns ihre “Hilfe” anzubieten, haben wir dankend aber sehr bestimmt abgelehnt. Diese Haltung hat sich im Laufe der Zeit als goldrichtig herausgestellt.
Auch wenn mir nicht alles gefällt – mit “links” kann ich umgehen. Genauso mit “konservativ”, obwohl mir dort erst recht nicht alles gefällt. Was ich aber niemals tolerieren werde sind Radikale – weder links, noch rechts, noch religiös, noch sonst was.
Der CCC bekommt da meines Erachtens gerade ein Problem, an dem er dringend arbeiten muss, falls er nicht das in 35 Jahren hart erarbeitete Renommee, sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in der Fachwelt verlieren will. Oder er macht konsequenterweise das, was Apple seinerzeit vorgemacht hat: Er streicht das Wort “Computer”.
Jahresende 2019: Ich bin beim 36C3, dem 36. Jahreskongress des Chaos Computer Clubs. Der letzte Congress, den ich besucht habe war der 33C3, der noch im Hamburger Congress Centrum stattfand. In diesem Jahr bin ich das erst Mal in Leipzig dabei.
Der Ort ist anders, die Stadt ist anders und das Gefühl auch. Das beginnt bereits bei der Anreise. Das CCH steht mitten in Hamburg am Dammtor. In Leipzig ist der Kongress auf dem Messegelände am Stadtrand. Die meisten Besucher kamen morgens mit der knüppeldicke vollen Strassenbahn an, die Gott sei dank im 5min Takt fährt. Die Benutzung ist für Kongressteilnehmer frei. Dennoch ist der erste Eindruck ziemlich ähnlich zu einem normalen Messebesuch. Die Logistik um die heranströmenden Massen am Eingang abzufertigen war übrigens ganz hervorragend!
Im Hamburger Congress Centrum waren die Assemblies, Kuschelecken und Special Interest Stände labyrintisch auf den vielen verschachtelten Ebenen des Gebäudes verteilt. In Leipzig werden die Messehallen genutzt und daher findet fast alles auf einer Ebene statt. Vorteil: Es ist mehr Platz. Nachteil: Zu viele Leute fahren mit Kickboards zwischen den Menschenmengen durch. Das nervt.
Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Die Organistation ist extrem professionell und das Programm mal wieder hochkarätig.
Gleich der erste Vortrag den ich gesehen habe, beschäftigte sich mit der unerwartet schwierigen Aufgabe, eine Hardware herzustellen, die nachweisbar ohne Backdoors ist.
Der Vortragende ist eine Koryphäe auf dem Gebite: Andrew “Bunnie” Huang zeigte tiefe Einblicke in die Supply Chain, Hardware Produktion, und bekannte Angriffe, mit denen unerwünschte Hardware in Produkte eingeschleust und versteckt werden kann. Er zeigte auch den teilweise extrem hohen Aufwand, der betrieben werden muss, um diese Manipulationen zu finden. Jedes hergestellte Boards zu röntgen reicht jedenfalls nicht aus.
Damit der Vortrag nicht zu theoretisch ist, zeigte “Bunnie”, wie mit den vorgetstellten Prinzipien ein mobile Messenger entwickelt wurde und noch wird, der nachweislich ohne Backdoors funktioniert. Detail zu dem Projekt können sind hier zu finden: https://betrusted.io/. Das Gerät sieht in etwas wie ein 20 Jahre alter Blackberry aus – aber das hat seinen Sinn.
Für jeden Hardwareteil erklärte er, weshalb es so ist wie es ist. Es hat also einen tieferen Sinn, dass ein S/W anstelle eines Farbdisplays verwendet wird, und eine physikalische anstelle einer Soaftwaretastatur verbaut ist. Der Inhalt seines Vortrages steht auf seinem Blog im Artikel “Can We Build Trustable Hardware?” unter https://www.bunniestudios.com/blog/?p=5706 .
Um es zusammenzufassen: Neben der Kontrolle der Komponenten, der Toolchain ist die Frage, wie jeder einzelne Schritt, jede Komponente und letztendlich jedes einzelne Gerät verifiziert werden kann. Das geht am Besten durch gezielte Reduktion der Komplexität.
Mein Fazit: Vereinfachung und Reduktion aus Sicherheitsgründen
Danach habe ich “The Ultimate Acorn Archimedes Talk” gesehen, in dem die Entwicklung des ersten RISC Homecomputers durch die britische Firma Acorn in den 80er Jahren beschrieben wurde. Es ging technisch ans Eingamchte: Die Besonderheiten der verschiedenen Hardwareversionen, des Betriebssystems und wieso die Design-Entscheidungen so und nicht anders getroffen wurden.
Am Ende war es eine Effizienzfrage. Wie bekommt man für möglichst wenig Entwicklungsaufwand und Produktionskosten die meiste Leistung. Die Antwort liegt in klarem, möglichst einfachem Design.
Mein Fazit: Vereinfachung und Reduktion aus Performance und Budgetgründen
Was damals gemacht wurde ist für uns heute übrigens hochrelevant, weil die Prozessoren, die heutzutage unsere Smartphones antreiben auf der damals entwickelten RISC Platform basieren. Aus dem Computerhersteller Acorn wurde der Prozessorhersteller ARM.
Beim Schlendern durch die Hallen fand ich ein laufendes Prototyp Board des Commander X16 – einem neuen 8 Bit Computer, den David Murray – bekannt durch seinen Youtube Kanal “The 8-Bit Guy” initiiert hat. Davor saß Michael Steil, der auf früheren Kongressen mit seinen Vorträgen “The ultimate C64 Talk” und “The ultimate Gameboy Talk” tiefe Einblicke in die Besonderheiten der beiden Hardwareplattformen vermittelt hat. Er unterstützt Murray bei der Entwicklung (https://www.pagetable.com/?p=1373) und hat mir im Laufe des Gesprächs nahegelegt, den X-16 Emulator auszuprobieren, da bereits einige Leute Software für den neuen Computer schreiben, obwohl dieser noch gar nicht zu Ende entwickelt ist.
Mein Fazit: Vereinfachung und Reduktion aus – hmm – Spass. Und aus Freude, etwas schönes und sinnvolles zu erschaffen.
Daneben stand übrigens auch noch ein MEGA65 – der Nachbau eines Computers, den Commodore in den 80er Jahren als Nachfolger des Commodore64 vorgesehn, aber nie zu Ende entwickelt hatte. Vom Commodore 65 existieren nur einige wenige Vorserien-Prototypen.
Und das ist ja auch der faszinierende Spirit des Kongresses. Dass hier Leute zusammenkommen, die massenweise interessanten Kram machen und Spass haben. Der Kongress ist nicht nur Kongress, sondern auch treffen von Bastlern und nicht zuletzt auch so eine Art Festival, was besonders am Abend deutlich wird. Überall steht cooles Zeug rum, alles blinkt, manches macht Töne und es gibt wie jedes Jahr einen Club, von dem sich so manche Kommerzdisko mehr als nur eine Scheibe abschneiden kann.
Dirk Ollmetzer | Friday, 20 December 2019 | Gizmos, Retro
Auf meiner Wunschliste interessanter Computer, an denen ich gerne mal arbeiten würde steht seit ewigen Zeiten die PDP-11 von Digital Equipment.
Bei der PDP-11 Baureihe handelt es sich um eine Famile von 16 Bit Minicomputern (D.h. damals Kleiderschrankgröße), der in den 70er Jahren extrem erfolgreich war. Auch heute noch sind viele in Betrieb und mit Kontroll- und Steuerungaufgaben betreut, u.a. in der Kontrolle von Atomkraftwerken.
Diese Modellreihe ist aber nicht nur wegen ihrer großen Verbreitung und offenen Architektur historisch interessant, sondern u.a. auch deshalb, weil auf ihr das Betriebssystem Unix von Ken Thompson und Dennis Ritchie bei Bell Labs entwickelt wurde. Auf Unix basieren fast alle heutzutage gebräuchlichen Betriebssystem (Android, iOS, OS-X, Linux) außer Windows.
Und abgesehen davon sehen die Maschinen aus den frühen 70ern mit ihren blinken Lichtern und Pink-Violetten Kippschaltern einfach rattenscharf aus! :-D
Ich hatte bereits vor drei Jahren den genialen Nachbau der PDP-8/I von Oscar Vermeulenerstanden und zusammengebaut. Damals hatte er angekündigt, auch ein Modell einer PDP-11/70 zu entwickeln, das optisch noch näher am Original ist. Ich hatte den Bausatz 2018 auf dem Vintage Computing Festival Berlin erstanden, aber erst jetzt zusammengebaut. Läuft super und sieht so toll aus! Wie das Original, nur in klein.
Am Sonntag hatte den Rechner fertig gebaut und am Donnerstag zu meinem Geburtstag auch noch das passende Buch dazu geschenkt bekommen: Unix – A History and a Memoir.
Der Autor Brian Kernighan hat seinerzeit viele Tools für Unix entwickelt und gilt als Mitautor der Programmiersprache C, in der UNIX programmiert ist.
Leider werde ich über die Feiertage keine Zeit haben, mich mit der PDP-11 zu beschäftigen, aber in ein paar ruhigen Minuten in dem Buch zu stöbern wird bestimmt klappen.
Ich habe mich selbst so lange ich politisch denke – also ungefähr seit ich 10 Jahre alt war – immer gemäßigt links eingeordnet. Der stumpfe reaktionäre Mainstream der 70er Jahre war mir unerträglich und verhasst. Dieses bigotte Auftreten der alten Leute, die die Moralkeule vor sich hertrugen war und ist mir immer noch zutiefst zuwider.
Der Mainstream hat sich seitdem ganz gewaltig nach links verschoben. Müsste mir also doch eigentlich gut gefallen. Tut es aber nicht. Ich habe mit “Links” mittlerweile genau so ein Problem wie mit “Rechts” (falls diese Einteilung heute überhaupt noch Sinn macht).
Klar, man sagt ja, dass man mit zunehmendem Alter konservativer wird. Ein bisschen ist da was dran. Aber darum geht es mir gar nicht. Die großen Themen, die von den jungen Leuten angesprochen werden sehe ich als genauso wichtig an: Umweltschutz, Gleichberechtigung, Widerstand gegen Rechtsextremismus, usw. Das sind ja alles Themen, die mir auch in meiner Jugend schon wichtig waren. Damit habe ich überhaupt kein Problem.
Womit ich aber ein ganz erhebliches Problem habe, ist die Art der (nicht-)Kommunikation. Diese häufige moralinsaure Besserwisserei, die ich damals von den alten Säcken kannte und die nun ausgerechnet ihre Enkel wiederaufleben lassen. Dieses bei jedem Thema meilenweit über das Ziel hinausschießen. Mein Problem dabei ist, dass man Leute vergrätzt und vor den Kopf stößt, die eigentlich in die selbe Richtung denken und völlig unnötig Gräben aufreißt.
Klar, wenn man ein Anliegen hat, muss man laut trommeln. Und wenn man die Bräsigkeit vieler älterer Leute sieht, die einfach überhaupt nichts ändern wollen – das kann einen schon zur Weißglut bringen. Ich möchte trotzdem mal drei Beispiele bringen, was ich mit “meilenweit über das Ziel” meine:
Gleichberechtigung? Neulich gab es einen Artikel (Zeit, Spiegel, Tagesspiegel – ich weiß nicht mehr wo) in dem Stand, dass es viele Männer nicht ertragen, wenn ihre Frauen gleich viel oder mehr verdienen.
Ja, o.k, kann sein. Gibt es bestimmt. Da möchte ich nicht widersprechen.
Was aber nicht einmal als Andeutung vorkam war die Frage, wie viele Frauen es nicht ertragen, wenn ihr Mann dauerhaft weniger verdient als sie selbst. Das ist nämlich ebenfalls ein erhebliches Problem, wie ich aus meiner eigenen Umgebung weiß. Und das trifft insbesondere auf BesserverdienerInnen zu, bei denen es eigentlich nicht so drauf ankommt. Die Richterin, die es nicht erträgt, dass ihr Mann “bloß” Teamleiter einer IT Abteilung ist, die Chefärztin, der es auf Dauer nicht reicht, dass ihr Kerl “nur” normaler Rechtsanwalt ist. Eigentlich war Geld kein Problem, und trotzdem hatten diese Frauen das Gefühl dass sie “einen Verlierer mit durchfüttern”. Eigentlich sind alle Frauen, die ich kenne, die sehr viel Wert auf ihre Karriere legen, letzten Endes auf eigenen Wunsch Single.
Warum lese ich von so etwas nicht einmal einen Halbsatz?
Verkehrswende Die Verkehrswende ist absolut überfällig. Das sage ich als Besitzer von zwei benzingetriebenen Fahrzeugen, ehemaligem Vielflieger und jahrelangem Fernpendler. Ich habe die Hypermobilität in den letzten Jahren für mich selbst einigermaßen erfolgreich eindämmen können. Zudem verstehe ich als ehemaliger Stadtplaner auch ein bisschen was von der Materie.
Wir Planer wussten auch schon vor 30 Jahren, was man hätte tun müssen – aber es wurde weniger als nichts getan. Es wurde sogar alles noch schlimmer gemacht: Nebenstecken abgebaut, Shoppingcenter, Möbelhäuser und Baumärkte an die Autobahn gesetzt, Wohngebiete ohne ÖPNV Anschluss gebaut, Flexibilisierung der Arbeit, Dumpingpreise für Flugreisen…
Das muss aufhören. Schnell. Das Problem ist, dass jetzt nur darüber geredet wird, die Städte für Autos zu schließen. Das geht m.E. völlig am Problem vorbei und könnte am Ende sogar kontraproduktiv sein. Es geht nicht nur um Autos, sondern um den stetig steigenden Verkehr als ganzes. Ich schreibe dazu demnächst noch einen eigenen Artikel. Der Verkehr ist nur das Symptom für andere Sachzwänge. Nur ein Detail: Wie wäre es z.B. damit dem Jobcenter klar zu machen, dass tägliches Pendeln über 100km pro Strecke eben nicht zumutbar ist, sondern einfach nur asozial. Wie wäre es, mit einer Stadtplanung, die von vornherein lange Wege vermeidet? Wie wäre es mit aktiver Wohnungs- und Standortpolitik?
Antifaschismus Heute habe ich das erste mal jemanden aus meiner Facebook Kontaktliste gekickt. Ein Kontakt (Bereich Musik), den ich schon länger hatte, aber nie wirklich persönlich kennengelernt habe. Was war passiert?
Es gibt in Berlin einen Club mit dem etwas bräsigen Namen “Beate Uwe”. Diese Person stellte den Club plötzlich unter Faschismusverdacht, weil zwei NSU Terroristen diese Vornamen haben.
Ähm, ja, wie vermutlich noch eine Millionen anderer Deutscher.
Nun ist mein Ex-FB Kontakt nicht aus Deutschland. Daher nahm ich an, dass sie das Wortspiel mit “Beate Uhse” nicht verstanden hat. Das ist halt so ein kulturelles Ding, das man vermutlich nur versteht, wenn man hier ausgewachsen ist. Also nahm mir die Freiheit, sie freundlich(!) darauf hinzuweisen, dass man als Deutscher vermutlich eher diese Assoziation, anstatt an Terroristen zu denken. Die Reaktion darauf war sinngemäß: “Das mit den Terroristen sei doch offensichtlich. Sie sei nicht an irgend so einem deutschen Pornostar(!!!) interessiert. Ob ich mit einbilde, für alle Deutschen zu sprechen – and by the way who do you think you are, Daddy?”
WTF???
Auf meine immer noch höfliche Nachfrage, weshalb sie so aggressiv reagiere, hat sie nicht geantwortet. Dafür haben andere Leute geschrieben, dass das ein sehr entspannter Multi-Kulti-Club ist. Sie wurde wohl auch von dem Club direkt angeschrieben. Etwas pikant ist, dass sie selber DJ ist.
Man kann ja mal etwas falsch verstehen. Passiert. Aber dann sollte man wenigstens den Arsch in der Hose haben zu sagen “Sorry, ich habe da wohl etwas überreagiert” anstatt andere Leute aggressiv anzupampen.
Berlin besteht gefühlt zu 50% aus solchen Soziopathen. Ich habe auf solche Leute einfach keinen Bock mehr.
Einige von Euch wissen, dass ich hin und wieder einen kleinen Track bastele. Die meisten davon bleiben als unfertige Fragmente, Soundschnipsel, Rhytmus und Akkordübungen auf der Festplatte meines Musikrechners.
Aber wenn ich so ca. 10 Stücke soweit habe, dass man sie anderen Menschen vorspielen kann, ohne damit gegen die Genfer Menschenrechtskonvention zu verstoßen, mache ich daraus MP3, bringe sie in eine sinnvolle Reihenfolge, bastele ein Cover dazu und nenne das “Album” – so wie früher.
Jetzt ist es wieder so weit. 11 Stücke sind fertig und mein neues “Album” heißt ‘next’. Viele Stücke haben keine klassische Songstruktur, sondern sind eher Soundtrack zu einem imaginären Film.
Verwendete Technik
Die Stücke habe ich mit Bitwig Studio 2 und 3, sowie mit Reason 10 komponiert und arrangiert. Dabei sind u.a. klassische Instrumente, wie ARP2600, Buchla Easel, DX7, Matrix12, und CMI Fairlight V als “virtuelle Nachbauten” aus der V Collection von Arturia zum Einsatz gekommen. Von Arturia stammt auch das Masterkeyboard Keylab 88, mit dem ich die Stücke eingespielt habe. Die Wandlung zu MP3 Dateien habe ich mit Audacity vorgenommen und die MP3 Tags mit Picard von MusicBrainz bearbeitet.
Coverfoto
Das Foto habe ich im Sommer auf der Dachterrasse des ehemaligen Debis Hochhauses im Potsdamer Platz Areal aufgenommen.
Hinweis zum Urheberrecht
Wie für meine komplette Homepage gilt auch für meine Musik die Creative Commons Lizenz cc-by-nc-nd.
Das bedeutet, dass die Musik privat gehört und kopiert werden darf,
solange der Copyright Inhaber korrekt und vollständig genannt wird. Eine
Bearbeitung und kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 13 October 2019 | Gizmos, Retro
Am 12. und 13. Oktober fand in Berlin das Vintage Computing Festival mit Ausstellungen, Vorträgen, Gamesroom und Bastelworkshops für kleine und große Kinder, so wie die Kurztagung “Computer Space – 50 Jahre Hardware, Software und Wetware im Weltraum” statt.
Aus dem großen und interessanten Programm, möchte ich hier eine kleine Auswahl vorstellen.
Schwerpunkt mechanische Rechenmaschinen
Jürgen Weigert zeigte seinen Nachbau der 1623 von Wilhelm Schickard entworfenen Rechenmaschine, die bereits die vier Grundrechenarten unterstützt. Der Nachbau ist besteht ausschließlich aus Teilen, die per Lasercutter aus Birkensperrholz hergestellt wurden.
Prof. Dr.-Ing. Christian-M. Hamann gab in seinem Vortrag “Von Brunsviga zu Curta – Geschichte und Technik mechanischer Rechenmaschinen” einen schönen geschichtlichen Überblick und zeigte mit ansteckender Begeisterung interessante Details bei der Bedienung unterschiedlicher mitgebrachter Exponate. Er betreibt unter http://public.beuth-hochschule.de/hamann/calc/index.html eine umfangreiche Website mit Informationen zu mechanischen Rechnern und weiteren mechanischen Werkzeugen, wie u.a. Planimeter, Pantographen, Schreibmaschinen und Uhren.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich für das sehr anregende Gespräch bedanken, dass wir am Sonntag Mittag zu Themen wie Universitäten, Rechnern, Hacking, Kalifornien und dem Leben im Allgemeinen geführt haben. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Schwerpunkt Computer aus Deutschland
Es wurden einige aus heutiger Sicht eher obskure Datenerfassungsgeräte von Walther und Triumph Adler ausgestellt, die wie modifizierte Schreibmaschinen aussahen. Zudem war einer von nur noch sehr wenigen erhaltenen Rechnern der deutschen Firma Gepard zu sehen, die in den 80er Jahren vergeblich versucht haben, mit günstigen, rechenstarken Workstations auf dem Markt Fuß zu fassen.
Anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung von Robotron wurden viele Geräte des ehemaligen DDR Kombinates gezeigt.
Weitere interessante Exponate
Ebenfalls viel Raum wurde Geräten von Apple, Next und Sun gegeben, die zwar nicht von deutschen Firmen stammten, für deren Gestaltung aber die aus dem Schwarzwald stammende Firma Frog Design von Hartmut Esslinger verantwortlich zeichnete.
Stark vertreten war auch wieder die Fraktion, die Rechner von Digital Equipment zeigte, wenn auch diesmal ohne die imposanten Racks. Neben einer PDP 8/m war auch die endlich wieder lauffähige PDP-11/34A zu sehen, die vom Hackerspace AFRA zum Signallabor der Humboldt Uni umgezogen ist. Zudem gab es ein ganzes Netzwerk von verschiedenen, kompakte VAX Tischsystemen zu sehen.
Es gab so viele interessante Exponate, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann (Portables, Homecomputer, Computer aus Dänemark,…), aber zwei Exponate sind für mich noch erwähnenwert: Als Jugendlicher hat mich neben Tron, der Film War Games stark beeinflusst, in dem sich der jugendliche Computernerd David (Matthew Broderick) mit seinem Computer und Modem aus versehen in einen Militärcomputer einwählt und beinahe den dritten Weltkrieg auslöst.
Auf dem VCFB war sowohl das Equipment zu sehen, mit dem die Weltgrafik in der NORAD Zentrale erzeugt wurde, als auch der Rechner, den David in dem Film benutzt hat: Ein IMSAI 8080. Und neben dem IMSAI stand noch ein MITS Altair 8800b aus dem Jahr 1976.
Wie bereits in den vergangenen Jahren fand das Vintage Computing Festival Berlin wieder in den Räumen des Deutschen Technikmuseums statt. Die Veranstaltung wurde zusammen mit der Humboldt-Universität und dem Berliner Hackerspace AFRA organisiert. Die Aufzeichnung der Vorträge wurde vom VOC des Chaos Computer Clubs durchgeführt.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 22 September 2019 | Retro, Unterwegs
Am Sonntag nach der enorm großen “Fridays for Future” Demonstration sollten die Berliner freiwillig auf das Autofahren verzichten. Über 400 Menschen sind dem Aufruf gefolgt und fuhren stattdessen mit dem Motorrad durch die Stadt. Und zwar nicht aus Protest, sondern zu einem guten Zweck.
Worum ging es?
Der Distinguished Gentlemens Ride (kurz DGR) findet in über 700 Städten weltweit am letzten Septemberwochenende statt. Für Berlin musste die Veranstaltung um eine Woche vorverlegt werden, da die Stadt am 29.September bereits durch den Marathon vollständig blockiert wird.
Es handelt sich um eine Benefizveranstaltung zur Unterstützung von Projekten, die der Männergesundheit dienen. Das ist z.B. Forschung im Bereich Prostatakrebs, oder Projekte der Suizidprävention. Also ernste Themen, um die sich Männer gerne herumdrücken, bis es zu spät ist.
Um die Männer (und ihre Frauen) für diese ernsten Themen zu aktivieren, wurde eine Veranstaltung ins Leben gerufen, die einfach Spaß macht. Eine gemeinsamer Ride-Out mit klassischen oder umgebauten Motorrädern im “Gentleman-Outfit”. Anstatt Lederkombi sind ausnahmsweise Tweed-Sakkos, weiße Hemden und Weste und ähnliches angesagt. Der Style Guide zeigt Outfits zwischen englischem Landadel und dem smarten Donald Draper aus der Serie Mad Men.
Im letzten Jahr habe ich den Distinguished Gentlemens Ride in Berlin ganz knapp verpasst. Ich war quasi “um die Ecke” aber wusste von der tollen Veranstaltung nichts. Da ich weder das passende Motorrad noch die passende Garderobe habe, wollte ich mich in diesem Jahr wenigstens an den Straßenrand stellen und die Prozession von mehreren hundert Motorrädern und gestylten Fahrern ansehen. Daraus wurde wieder nichts – ich bin nämlich “aus Versehen” mitgefahren. Und das kam so:
Der Startpunkt wurde nur registrierten Teilnehmern mitgeteilt. Es sollte ein “zentraler bekannter Ort” sein. Also habe ich überlegt, dass der Ort groß genug für vierhundert angemeldete Motorräder sein und zudem auch Stil haben muss. So viele Möglichkeiten gibt es nicht. Der Alexanderplatz ist groß genug, sieht aber wie eine Müllhalde aus, im Lustgarten bekommt man die Motorräder nicht untergestellt, der Bebelplatz auf dem die Nazis 1933 die Bücherverbrennung durchführten – das wäre schlechter Stil.
Also fuhr ich auf gut Glück mal zum Gendarmenmarkt und lag damit goldrichtig. Nur dezent neben der Szenerie zu parken hat nicht gelappt, weil mich gleich die Einweiser auf den Platz in Reihe zwei dirigiert haben.
Nun gut. Also bin ich zur Orga und habe gesagt, dass ich gar nicht mitfahren kann, weil ich nicht registriert bin und mein Outfit auch nicht regelkonform ist (Retro Lederjacke über weißem T-Shirt, dunkelblaue enge Kevlar Jeans und Motorradstiefel in “Ziviloptik”). Die Dame musterte mich von oben bis unten und sagte dann in strengem Ton: “Okay, es geht gerade so. Das nächste Mal dann mit Anmeldung und Hemd. Du fährst mit.”
Das war kein Angebot, sondern ein Feststellung. Jo – okay Chefin!
BSA, Baujahr 1925
Royal Enfield
Da allerfeinstes Motorradwetter war (trocken, Sonne, leichter Wind, 24 Grad), konnte ich mir schlimmeres vorstellen. Dann fahre ich also mit. Vorher gab es noch ein einstündiges Programm zu den Gesundheitsthemen, Verhaltensregeln für das Fahren in Kolonne, einen Sonderapplaus für die Motorradstaffel der Berliner Polizei, die die Straßen für uns freimachen würde und ein Gruppenfoto auf den Stufen des Konzerthauses.
Ansprache
Danach wurde Aufstellung hinter dem führenden Polizeifahrzeug genommen. Wenn 400 Motorräder angelassen werden – zumal viele sehr alte und relativ laute – dann zittert die Luft. Dieses dumpfe Grollen lässt einen nicht kalt und viele Touristen blieben an der Strecke neugierig stehen, zückten ihre Smartphones zum fotografieren und filmen und fragten sich, was diese Truppe denn wohl darstellt. Da wir aber offensichtlich keine Rocker, sondern ein braver, lustig gekleideter Haufen waren, waren die Reaktionen fast ausschließlich wohlwollend. Freundliche Gesichter und fröhliches Winken war die Regel.
Gewerbehof im Prenzlauer Berg
Es ist schon nett, wenn einem die Polizei den Weg freimacht und man sich um keine Verkehrsregel kümmern muss. Ich bin heute gefühlt über hundert rote Ampeln gefahren und einmal sogar falsch herum durch eine Einbahnstraße. Die Strecke war verschlungen. Einige markante Wegpunkte waren “unter den Linden”, Potsdamer Platz, Großer Stern im Tiergarten, Str. des 17. Juni, Schloss Charlottenburg, Westend, Kantstr, Kurfürstendamm, Landwehrkanal, Friedrichstr. und Torstr. Nach über einer Stunde Fahrt waren wir am Ziel: Dem Club Roadrunners Paradise in einem Gewerbehof im Prenzlauer Berg.
Roadrunners Paradise
Also fast bei mir um die Ecke. Dort gab es dann ein gemeinsames Ausklingen bei Streetfood, Getränken und später auch Livemusik. Ein wirklich schöner Sonntag – und im nächsten Jahr habe ich passende Kleidung.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 8 September 2019 | Unterwegs
Ende August war ich für ein verlängertes Wochenende in der alten Heimat. Anlass war die Geburtstagsfeier einer Freundin aus Jugendzeiten. Die Gelegenheit habe ich zu einem kleinen Rundreise genutzt. Am Donnerstag bin ich zunächst nach Hannover zu meiner Schwester gefahren und abends gleich zu einer Firmenfeier mitgenommen worden. Begründung: “Das sind alles Nerds – da passt Du rein.” So war es dann auch. Ein netter Abend unter ziemlich vielen Leuten (nicht nur) vom Chaos Computer Club.
Hannover Vahrenwald
Das Ganze war genau in der Gegend, in der ich geboren wurde und bis zu meinem 11. Lebensjahr gelebt habe: In Vahrenwald/List. Sehr zentral, viele Altbauten, viele Läden, kleinere Gewerbegebiete. Ich freute mich schon, von der Dachterrasse der Party zu meiner alten Grundschule herübersehen zu können – aber die wurde im letzten Jahr abgerissen und das Gelände wird gerade neu bebaut. Es ist schon etwas verwunderlich, wenn man durch die Gegend seiner Kindheit läuft und die eigene Schule nicht mehr existiert, aber auf der anderen Seite der Kiosk an der Ecke immer noch der selbe ist, wie vor über 40 Jahren.
Baustelle statt Grundschule
Kiosk seit über 40 Jahren
Den Freitag habe ich genutzt um südlich von Hannover eine kleine Motorradtour durch den Deister und das Leinetal zu machen. Immer schön abseits der Bundesstraßen kreuz und quer über die Dörfer, und an der Marienburg vorbei. Das Wetter war ideal: 27 Grad, sonnig mit leichten Wolken und es herrschte wenig Verkehr. dabei habe ich gemerkt, dass die Gegend landschaftlich recht schön ist. Immer wieder gab es Ausblicke, die mich verblüfften, weil ich sie in meiner Jugend nicht wahrgenommen oder als selbstverständlich genommen hatte. Für die Tour hatte ich mir eine Yamaha MT07 ausgeliehen. Ein Nakedbike mit 76 PS, also genau dieselbe Fahrzeugkategorie, wie meine Suzuki SV650. Handlich, einfach, flott und sparsam. Macht einfach Spaß.
Marienburg
Mit der Yamaha MT07 im Deister
Am Samstag und Sonntag war ich in Elze, wo ich zwischen meinem 14. und 19. Lebensjahr gelebt hatte. Ich übernachtete im Elternhaus meiner Freunde von damals. Die Geburtstagsfeier fand in einem schön renovierten alten Kino in Gronau (Leine) statt. Mein Aufenthalt war familiär und vertraut, ein kleines bisschen melancholisch, aber sehr schön.
Ausblick
Montag ging es dann zurück nach Berlin. Ein wirklich schönes Wochenende mit vielen Menschen, die mir etwas bedeuten.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 18 August 2019 | Unterwegs
Am Wochenende war ich zu einer Feier von einem Freund nach Leipzig eingeladen. Die Feier am Abend war schön und ich konnte mit am Samstag und Sonntag ein bisschen von der Stadt ansehen. Und was soll ich sagen – sie gefällt mir!
Man sagt, Leipzig sei das neue Berlin. Wobei “man” hauptsächlich Immobilienmakler und amerikanische Touristen sind. Das darf man also eher als Drohung verstehen.
Trotzdem ist ein wenig was dran. Die Stadt ist großzügig mit dem Platz, noch (?) nicht überlaufen. Der Verkehr ist erträglich, an vielen Stellen gibt es noch verblüffend große Brachflächen. Einige Straßenbahnen sind noch aus den 60ern und laut. Es gibt einen lebendige, alternative Szene und schöne Cafés. Es gibt alte Industrieareale, die für Kunst und Kultur genutzt werden und liebevoll restaurierte Gründerzeitbauten.
Alte Baumwollspinnerei – ein Kunstmekka
Lindenau – schöne Wohngebäude und Cafés
Aber es ist natürlich nicht Berlin – und das meine ich positiv. Die Innenstadt ist super schick herausgeputzt, der Bahnhof ist eine Wucht und überhaupt hat man ein gutes Händchen dafür, pompöse Altbauten aus den wirtschaftlichen Glanzzeiten der Messe-, Handels- und Bankenstadt piekfein zu sanieren, daneben die Architektur der aus DDR-Zeiten ebenfalls wieder auf Hochglanz bringen und Neubauten deutlich sichtbar aber geschmackvoll zu integrieren. Ganz im Gegensatz zu Berlin, wo eine Bande abgehalfterter Stadtplaner aus dem Westen, fast den kompletten Bezirk Mitte verhunzt haben.
Leipziger Hauptbahnhof – Halle
Leipziger Hauptbahnhof – Dachkonstruktion
Hätte der Palast der Republik in Leipzig gestanden, wäre er vermutlich als geschichtlich bedeutendes Bauwerk hervorragend saniert worden. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass in Leipzig die großen Freiflächen in der Innenstadt permanent mit irgendwelchen peinlichen Rummelbuden vollgestellt werden, wie es mit dem Alexanderplatz passiert. Das hat etwas von Würde und positivem Selbstbewusstsein. Gefällt mir außerordentlich gut!
Augustplatz mit Gewandhaus und Universität
Mädlerpassage
Der Augustplatz zwischen Oper, Gewandhaus und Universität ist jedenfalls überhaupt nicht vollgerümpelt, sondern zeigt seine Bauhistorie aus jeder Epoche blitzblank und selbstbewusst. Ganz anders, aber ebenfalls extrem ansprechend sind die vielen Passagen in den Handelshäusern, die mit interessanten und schicken Läden aufwarten.
Mein diesjähriger Hauptbeitrag zur globalen Klimaerwärmung ist ein Besuch in Venedig. Wie bereits vor zwei Jahren war der Anlass der Besuch der Biennale. Und wie 2017 teile ich meinen Reisebericht in zwei Artikel: Diesen zur Stadt und einen zur Kunst (58. Biennale in Venedig).
Anreise
Der Flug mit Easyjet ab Berlin Tegel war pünktlich, ruhig, wolkenlos und bot perfekte Sicht auf München, Innsbruck, die Alpen und die Lagune von Venedig. Auch in diesem Jahr bin ich wieder im Hotel “Antica Locanda al Gambero” im Stadtteil San Marco abgestiegen, das auf halbem Weg zwischen Rialtobrücke und Markusplatz liegt. Es hat kleine, schnucklige Zimmer und ein gutes Frühstücksbüfet, was einen guten Start in einen anregenden und anstrengenden Tag garantiert.
Venedig im Anflug
Wetter
Das Wetter war wolkenlos und sehr warm. Das Thermometer zeigte zwar “nur” 34 Grad und nicht 38 Grad wie zur gleichen Zeit in Berlin, aber die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch. Da die Stadt im flachen Wasser steht, das bereits 29 Grad warm war, sank die Temperatur auch nachts nicht unter 27 Grad. Ich hatte das Gefühl, dass Venedig in einem großen, flachen Kochtopf steht und langsam gegart wurde. Mein Kreislauf war daher am Limit. Immerhin ist Südeuropa mit seinen schmalen, schattigen Gassen und dem großzügigen Einsatz von Klimaanlagen natürlich viel besser auf solch ein Wetter vorbereitet als Deutschland. Ich habe mich hauptsächlich von Schatten zu Schatten bewegt und wenn es zu arg wurde, habe ich irgendwelche klimatisierten Räume betreten.
Sehenswertes
Bereits bei meinem ersten Besuch 2017 habe ich recht viel von Venedig gesehen. Daher konnte ich die typischen Klischees Canal Grande, Rialtobrücke, Markusplatz, Dogenpalast usw. dieses mal kurz abhandeln. Man kommt da halt zwangsläufig vorbei. Aber auch bei meinem zweiten Besuch habe ich viele spannende Eindrücke von der Stadt gewinnen können.
Schade, dass ich auch dieses mal nicht den Markusdom von innen angesehen habe. Man muss sich gleich früh Morgens anstellen, um überhaupt eine Chance zu haben, aber bereits da war es so voll und heiß, dass ich davon Abstand genommen habe. Vielleicht kann man das im Frühling oder Herbst machen, aber nicht im Juni.
Kitschiges Klischee, aber echt
Die Tage waren überwiegend der Kunst gewidmet. Abends, wenn die Sonne nicht mehr so gebrannt hat und die Stadt langsam etwas ruhiger wurde, habe ich mir Ecken und Winkel jenseits der Hauptattraktionen angesehen um die Lagunenstadt besser verstehen zu können. Bei meinem ersten Besuch hatte ich den Eindruck, dass in den Gassen fast ausnahmslos Touristen unterwegs und nur noch am äußersten Rand einige wenige Venezianer wohnen. Dieses mal habe ich jedoch auch in zentralen Bereichen von San Marco und Dorsoduro einige verstecktere Winkel und Gassen durchstreift, in die sich zwar auch noch Touristen verirren, die aber tatsächlich von richtigen Menschen bewohnt werden. Dann sieht man auch mal an einem Handwerksbetrieb oder einen kleinen Tante-Emma-Laden. Einmal kam mir ein energisch diskutierendes junges italienisches Pärchen entgegen, und das Mädchen sagt, dass es nun wirklich nach Hause zur Mutter muss. Echtes Leben!
Original Banksy Graffitti gefunden
In meinem Venedig Artikel von 2017 schrieb ich von Gassen, die kaum 1,5m breit sind. Tatsächlich geht es aber noch enger. Den Rekord dürft eine Gasse halten, die ich in Dorsoduro auf dem Weg zwischen der Haltestelle San Toma und dem Campo San Pantalon auf der Suche nach dem Graffitti von Banksy durchschritten habe. Sie maß kaum 80 cm(!) und ich habe sie erst gesehen, als ich genau davor stand. Dazu kommen noch etliche Wege, die durch Unterführungen oder Arkaden verlaufen und häufig den Eindruck vermitteln, das es dort privat ist. Nebenbei habe ich die Gasse gefunden (Calle Malipiero), in der laut einer Gedenktafel Giacomo Casanova geboren sein soll.
Hier steht das Geburtshaus von Casanova
Erholung
Da die Tage so anstrengend waren, habe ich bei meinen Streifzügen nicht nur auf Erbauung, sondern auch auf Erholung geachtet. Mal habe in einer versteckten Unterführung zu einem Anleger am Canal Grande Stühle gefunden und spontan eine 5min Pause eingelegt um den Verkehr der vorbeifahrenden Boote zu beobachten. Mal habe ich den Sonnenuntergang und den Blick zur Friedhofsinsel San Michele am Fondamente Nove genossen und einen ausklingenden Nachmittag habe ich am Strand des Lido gechillt und einfach nur eine Stunde auf die Adria geschaut. Dort lief die ganze Zeit klassischer Italo-Pop (“Felicita”, “Serenata”, “Ti amo”, “Volare”, “Sarà perché ti amo” usw.), der mit tagelang in den Gehörgängen klebte.
Nun ja, wo wäre das passender als hier?
Spontane 5 min Pause
Abendstimmung mit Friedhof
Blick auf die Adria
Mein unerwartetes Highlight
Einige Ausstellungen die mir angesehen habe, waren über die Stadt verteilt und in großen Häusern oder Palazzi untergebracht. Zunächst war ich im Gebäude der Ugo and Olga Levi Foundation um dort die Länderbeiträge von Bulgarien und Portugal zu sehen. Das Haus war nicht nur groß, sondern auch sehr gut saniert und bot einen tollen Ausblick auf den Canal Grande und die Ponte dell’Accademia.
Blick auf die Ponte dell’Accademia
Auf dem Foto hinter der Brücke schon zu erahnen ist der Palazzo Contarini Polignac in dem eine Ausstellung mit Werken von Günther Förg gezeigt wurde. Nichts gegen Förg, aber gegen das absolut umwerfende Gebäude hat sein Werk m.E. überhaupt keine Chance. Der Palazzo aus dem 15. Jahrhundert ist nämlich fast im Originalzustand erhalten. Die Möbel im 1.OG stammen aus dem 16. und die im 2.OG aus dem 17. Jahrhundert. Es gibt hinter dem Haus einen für venezianische Verhältnisse sehr großzügigen Garten. Der Grundriss ist mit seiner Unterteilung in linken und rechten Flügel, sowie Mittelhalle typisch für ein venezianisches Handelshaus dieser Zeit.
Ich hatte mich in den Tagen zuvor an die beengten Platzverhältnisse und entsprechende Proportionen in der Stadt gewöhnt und stand plötzlich in der Haupthalle im Piano Nobile (1.OG). Mindestens 6m breit, 5m hoch und satte 22m lang. Sie geht von der Fassade am Canal Grande bis zur Rückwand am Garten. Beide Seiten sind in voller Breite und Höhe mit Fensterflügeln versehen, zum Canal mit Balkon. Dazu die Möblierung aus dem 16. Jahrhundert. Extrem beeindruckend! Leider durfte man dort nirgends fotografieren, weil das Haus in Privatbesitz ist und sogar noch bewohnt wird. Daher muss leider die Beschreibung ein Foto der Fassade genügen.
Palazzo Contarini Polignac
Ereignisse, die nicht stattfinden
Eines Abends fühlte ich mich etwas an Thomas Manns “Der Tod in Venedig” erinnert. Der Protagonist Gustav von Aschenbach besucht Venedig und bemerkt im Verlauf der Handlung, dass etwas in der Stadt nicht stimmt. Seine Versuche Auskunft zu erhalten, weshalb die Zisternen mit Kalk behandelt werden und immer mehr Gäste abreisen, werden nur ausweichend beantwortet, nichts steht in den Zeitungen. So erfährt er nicht, dass in der Stadt die Cholera ausgebrochen ist.
Daran musste ich denken, als ich bei einem abendlichen Spaziergang an der Promenade Riva Cà di Dio ein ziemlich großes Feuer bemerkt habe. Der Himmel färbte sich orange und nach ein paar Minuten sah man sogar die Flammen über die Dächer lodern. Aus der Perspektive war schwer auszumachen, wo das Feuer wütete. Meine Versuche herauszufinden, wo es genau gebrannt hatte blieben alle erfolglos. Der Portier im Hotel hat zwar recherchiert, aber nichts gefunden und selbst am nächsten Tag stand nichts in den italienischen Nachrichtenportalen.
Der Brand
Overtourism
Den Artikel habe ich mit einem selbstkritischen Satz begonnen und ich möchte ihn ähnlich beenden. Die Reise war anstrengend und schön, aber Venedig wird von Besuchermassen überrannt. Die Stadt hat noch ca. 60.000 Einwohner, aber über 30 Millionen Besucher jährlich.
So weit, so bekannt. Ich war nun so unklug, auch noch genau zur Hauptreisezeit zu buchen. Daher habe ich nicht nur die Höchsttemperatur, sondern auch noch den höchsten “Füllstand” mit Touristen abbekommen. Als ich am Dienstag ankam, war die Stadt schon sehr voll, aber sie wurde gefühlt von Tag zu Tag voller. Und das Gefühl wurde bei meiner Abreise bestätigt. Auf dem Anflugbild ist kein Kreuzfahrschiff im Hafen zu sehen. Bei meiner Abreise lagen dort 7(!) von den unerwünschten Riesen, gegen die die Stadtbewohner protestieren. So dürften zusätzlich zu der normalen Masse nochmal ca. 10.000 Tagestouristen von den Schiffen dazukommen.
Auch wenn ich selber zu den Touristen gehöre und Venedig ohne Touristen vermutlich nicht mehr existieren würde – so geht das einfach nicht mehr weiter. Wir müssen alle einfach viel häufiger zu Hause bleiben.