Ich bin natürlich nicht zum ersten mal Fahrrad gefahren, aber ich habe am Samstag drei besondere Bikes zur Probe gefahren und dabei waren einige “erste male”. Und das kam so:
Zum ersten mal e-Bike
E-Bikes (ich meine stets zulassungsfreie Pedelecs bis 25Km/h) fand ich oll. Ist was für Rentner. Die Dinger sind mit 25Kg oder mehr bleischwer, sehen hässlich aus und haben überhaupt den Charme von Krankenfahrstühlen.
Neulich bin ich recht spontan zum ersten mal mit einem e-Bike gefahren: Einem Ampler Stout. Das gefiel mir, weil es sich optisch nicht von einem normalen Tourenrad unterscheidet, und auch kaum schwerer ist. Es fuhr sich auch wie ein normales, gutes Tourenrad, bloß dass ich damit die (für Berliner Verhältnisse) steile Choriner Straße flott hochfuhr, ohne aus der Puste zu kommen (ich habe ja Asthma).
Na sowas. E-Bike geht ja auch in schick. Mein Interesse war geweckt und ich fing an, mich schlau zu machen.
Zum ersten mal richtig schick
Also Youtube und Blogs durchforstet – was man halt heute so macht. Ich habe schnell festgestellt, dass es einen starken Trend zu hochwertigen Rädern gibt und in den letzten Jahren ziemlich viele neue Manufakturen entstanden sind, die so richtig schickes Zeug bauen.
Uiii, das ist Gefährlich!
Für hochwertige Materialien und Verarbeitung, clevere Detaillösungen und schickes Design habe ich eine echte Schwäche und so wollte ich diese tollen Teile mal im Original sehen. Rein zufällig (* räusper *) gibt es bei mir um die Ecke gibt es einen kleinen Fahrradladen, der sich auf solches Edelmetall spezialisiert hat: Die Bike Dudes.
Da war ich am Samstag Morgen, habe mich eineinhalb Stunden beraten lassen und bin drei Fahrräder zur Probe gefahren. Ich habe sinngemäß gesagt, ich suche ein E-Bike, aber in leicht und schick. Im Laufe der Beratung sind wir dann bei drei Rädern der Marke Schindelhauer gelandet. Das ist eine Manufaktur aus Berlin, die Räder mit sehr edeler Ästhetik anbietet.
Das erste mal Fahrrad ohne Kette
Eine Gemeinsamkeit aller Räder dieser Marke ist, dass sie keinen Kettenantrieb haben, sondern einen Zahnriemenantrieb von Gates. Das ist wohl zur Zeit schwer angesagt. Beim Fahren merkt man eigentlich keinen Unterschied, aber man kann solche Dinge wie Öl, Kettenpflege, usw. vergessen. Das Ding ist nahezu wartungsfrei.
Das erste mal Single Speed
OK, fast das erste mal. Mein einziges Fahrrad ohne Schaltung war mein erstes Kinderrad, auf dem ich fahren gelernt habe. Ich bin eigentlich ein Fan von Kettenschaltungen. Die sind einfach, effizient und ich kann sie selber einstellen, wenn irgendwas rumzickt. Aber für den Riemenantrieb gibt es so etwas nicht. Mir wurde ans Herz gelegt, das Modell Arthur ohne Schaltung wenigstens einmal auszuprobieren, weil es für ein e-Bike mit nur 13,4 Kg extrem leicht ist. Also dann – losgefahren, die Landsberger Chaussee bergab zum Platz der Vereinten Nationen und dann wieder bergauf zurück.
Das Rad ist ein Träumchen. Es fährt auch ohne Motorunterstützung superleicht, man sitzt sportlich, die hydraulischen Scheibenbremsen sind extrem leichtgängig, gut dosierbar und beißen bei Bedarf richtig fest zu.
Und natürlich die Details: Der Rahmen aus Aluminium in schicker Lackierung, Brooks Ledersattel, Ledergriffe, die StVZO konforme Beleuchtung ist so geschickt in Lenker und Sattelstütze eingebaut dass man sie auch auf den zweiten Blick gar nicht wahrnimmt (im Dunkel natürlich schon), alle Züge im Rahmen verlegt. überall poliertes Aluminium, extrem hochwertiges Finnish. Egal wo man hinguckt – alles super edel. Selbst die Pedale sind hübsche, CNC gefräste Designstücke mit gutem Halt.
Aber die Schaltung fehlt mir doch. Schön – der Motor hilft einem den Berg hoch, aber es geht ja nicht nur um Kraft, sondern auch um eine angenehme Trittfrequenz. Beim Losfahren dreht mir die Kurbel zu langsam und wenn man richtig in Schwung ist, etwas zu schnell.
Das erste mal Pinion Schaltung
Da hat der freundliche Fachberater schnell Abhilfe zur Hand und gibt mir das Modell Arthur VI, das sich durch eine Pinion Schaltung von dem Grundmodell unterscheidet. Die von zwei ehemaligen Porsche Ingenieuren entwickelte Getriebeschaltung ist im Tretlager verbaut und hat die Besonderheit, dass man auch im Stand mehrere Gänge rauf- und runterschalten kann. Funktioniert super und somit kann ich ohne Probleme die Trittfrequenz an die Geschwindigkeit anpassen.
Perfekt!
Bis auf… naja, das enorm leichtgängige Rad verleitet einen ziemlich zum schnell fahren. Und der Preis. Aber dazu am Ende noch mehr.
Das erste mal Bosch Mittemotor
Zum Schluss wurde mir noch das Modell Oskar gegeben. Im Gegensatz zum recht sportlichen Arthur ist Oskar eher für Touren ausgelegt. Die Reifen sind breiter, der Akku hat mehr Kapazität (500Wh, statt 250Wh) und ist entnehmbar und der Bosch Mittelmotor hat mehr Drehmoment. Dafür ist das Rad schwerer (19,7Kg) und durch den Akku etwas weniger elegant. Leider war keine passenden Rahmengröße im Laden, aber ich solle doch auch nochmal den Bosch Antrieb ausprobieren. Tatsächlich fand ich das Konzept und den Antrieb auch sehr ansprechend, aber da ich aufgrund der zu kleinen Rahmens “wie der Affe auf dem Schleifstein” saß, kann ich mir kein abschließendes Urteil erlauben. Ich werde vielleicht nach meinem Urlaub noch einmal nachfragen, ob dann ein passendes Rad zur Verfügung steht. Das Modell Heinrich würde mich auch noch interessieren.
Das erste mal so richtig teuer
Aus den Beschreibungen wird eines deutlich: Ich bin zum ersten mal richtig teure Fahrräder gefahren.
Was bedeutet “teuer”? Billigen Schrott aus dem Baumarkt zu fahren, macht keine Spaß. Für mein Rennrad hatte ich 1990(!) bereits DM 1.500,- bezahlt und mein aktuelles Rad hat vor 10 Jahren knapp €1.000,- gekostet. Beide hatte ich als “nicht hinterhergeworfen, aber den Preis wert” empfunden.
Aber was ist JETZT teuer, zumal in diesem Segment? Für E-Bikes scheinen €2.000,- und €3.000 Euro normal zu sein. Und wenn es irgendwie besonders wird, auch gerne noch eine Schippe mehr. Und dass ich hier mit ziemlichem Edelmetall unterwegs war, konnte man meinen Zeilen entnehmen. Also kurz und knapp:
Die drei Räder lagen zwischen €3.900,- und €4.700,-
Puh!
Das muss man schon wirklich wollen. Ist alle superschick, aber der Gedanke solche Schmuckstücke mal eben vor einem Geschäft anzuschließen versetzt einen innerlich in Aufruhr.
Der “Haben-wollen-Faktor” ist allerdings ziemlich hoch.
Das Auto ist ja bekanntermassen das Grundübel der heutigen Welt. Es versaut die Umwelt, steht überall im Weg rum, tötet Radfahrer und ist sowieso prinzipiell völlig überflüssig, yada, yada…
Reality check
Meine werte Mitbewohnerin fragte mich, ob ich demnächst zu einer Ausstellung im Schloss Rheinsberg mitkommen möchte. Ja gerne. Ist ja ganz hübsch dort oben. Wir wären zu dritt und möchten / müssen am Wochenende dort hin, weil man ja unter der Woche arbeitet. Also wie fahren wir:
Mit der Bahn oder mit dem Auto?
Ich bin zwar Autofahrer, aber das heißt nicht automatisch, dass ich immer die Blechkiste nehmen muss oder will. Innerhalb Berlins fahre ich selten und so einen gemütlichen Ausflug kann ich mir auch ganz gut mit der Bahn vorstellen. Wie kommt man also dort hin?
Schnell mal auf der Website der Bahn Start, Ziel und gewünschte Uhrzeit eingegeben. Wobei der Startpunkt gar nicht so einfach ist, weil ich nicht weiß, von welchem Bahnhof der Zug (vermutlich Regionalexpress?) abfährt. Also gebe ich einfach meine Adresse ein. Zur Auswahl wurden drei verschiedenen Verbindungen ausgegeben: Mit drei oder viermal Umsteigen und einer Gesamtfahrzeit von drei Stunden oder länger.
Ähm – wie bitte?
Zum Vergleich: Mit dem Auto benötigt man für die 93km ungefähr 1:20h.
Meine Mitbewohnerin meinte, dass dort die Niederbarnimer Eisenbahn hinfährt und nicht die DB. Ich solle mal dort nachsehen.
Danke für den Hinweis. Woher sollte ich das wissen? Und wieso kann die Bahn nicht auch die Verbindungen der Konkurrenz anzeigen, wenn sie schon im Verkehrsverbund fahren?
Also auf die Website der NEB. Die Usability ist grausam, die Funktionen teilweise kaputt. Start und Ziel musste ich mehrfach eingeben und wurde schließlich auf eine kaputte Seite des VBB (Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg) weitergeleitet.
Das erklärte Ziel der verkehrswendebegten Mitbürger ist es, die Autofahrer dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen. Alleine das Gehoppel über drei verschiedene Websites ist nervig und hat an einer Stelle Vorwissen vorausgesetzt, dass ich nicht hatte. Ich möchte an dieser Stelle kein “stell Dich nicht so an” oder “wenn Du gleich da und dort geguckt hättest…” hören. Klar – jemand der laufend mit der Bahn fährt weiß so etwas vermutlich, aber derjenige muss ja auch nicht mehr “zum rechten Glauben bekehrt” werden.
Es wird von den Autokritikern immer so getan, als ob Bequemlichkeit kein valides Argument für das Auto sei. Diese ignorante Haltung ist vermutlich auch der Grund, weshalb sich in den letzten 30 Jahren nichts im Verkehrssektor verbessert hat. Denn jeder, der den Menschen etwas verkaufen möchte – also sie zu etwas überzeugen – weiß, dass Bequemlichkeit und Einfachheit zu den absolut wichtigsten Argumenten überhaupt zählt – noch weit vor dem Preis. Glaubst Du nicht? Frag mal Apple…
Von den technischen Problemen der Websites einmal abgesehen, gibt es Sonntags nur zwei Verbindungen: eine früh morgens und eine früh abends.
Kurz gesagt: Es klappt einfach nicht.
Aber nehmen wir mal an wir hätte eine passende Verbindung gefunden. Der Fahrpreis beträgt €10,50. Für drei Personen hin- und zurück sind das €63,- gegenüber €25,- Benzinkosten.
Ja – ich weiß, dass das Auto mehr kostet, als nur Benzin. Aber das sind im Wesentlichen Fixkosten, die ich ohnehin trage. Für die konkrete Fahrt ist (fast) nur Benzin und ggf. Parkgebühr fällig.
Und für diese Tour wäre nicht einmal die Ökobilanz der Bahn besser, weil ein mit drei Personen besetztes Auto relativ geringe Emissionen per Personenkilometer hat.
Machen wir also (für diesen konkreten Fall) mal eine Abwägung:
Bahn
Auto
Reisevorbereitung
–
+
Flexibilität
—
++
Direktverbindung
–
+
Reisezeit
–
+
Komfort
+
–
Kosten
–
+
Ökobilanz
o
o
Es steht in diesem Fall also 5 zu -5 für das Auto. Einzig die Tatsache, dass ich keine Lust habe, mich hinter das Lenkrad zu setzen spricht für die Bahn. Aber eigentlich auch nicht wirklich. Am Ende wird es wohl darauf hinauslaufen, dass ich mir die Ausstellung nicht ansehen werde. Das wäre für die Umwelt natürlich am besten: Wenn man mit seinem Hintern zu Hause bleibt.
Ist das am Ende mit dem Begriff “Verkehrswende” gemeint?
Wer diese Überschrift verstanden hat, arbeitet vermutlich als Motorradmechaniker, TÜV Prüfer oder Verkehrspolizist. Es geht um zugelassene Anbauteile. Heute habe ich nämlich ein kleines Päckchen bekommen und den Inhalt sofort verbaut.
Ich bin eigentlich nicht so der Tuning-Freund. Schon als ich damals Ende der 80er auf dem Land gewohnt habe, waren meine Autos ziemlich langweilig und serienmäßig. Keine Spoiler, keine Breitreifen, kein Sportauspuff, keine Tieferlegung, kein Fuchsschwanz am Manta (ja, ich hatte tatsächlich auch mal einen – war eine echt schräge Kiste und gut für etliche Stories). Auch heute ist mein Auto genau so, wie es aus der Fabrik kam.
Bei meinem Motorrad ist es etwas anders. Ich hatte die GSX-S 750 im Jahr 2020 neu gekauft. Sie gefällt mir vom Styling gut, aber ich habe zwei optische Mängel sofort vor der Auslieferung ändern lassen: Der klobige Kennzeichenhalter wurde durch einen kurzen ersetzt und die ollen bratpfannengroßen Blinker mit Glühlampen durch schmale, helle Lauflicht-LED Blinker. Das reicht mir eigentlich.
Seit heute habe ich auch noch neue Brems- und Kupplungshebel. Das hat einen sachlichen Grund: Ich hatte in der Stadt oder im Stau nämlich schnell Probleme mit gereizten Sehnenscheiden am linken Arm. Die Kupplung der GSX-S ist leider nicht butterweich, sondern man muss schon ein bisschen zupacken. Nicht wie der Hulk, aber auf Dauer merkt man es. Serienmäßig ist nur der Bremshebel in der Griffweite einstellbar, während der Kupplungshebel stur und weit absteht. Das konnte nicht so bleiben.
Wenn ich mir schon einstellbare Brems- und Kupplungshebel bestelle, kann man auch gleich noch die Optik etwas aufwerten. Die mehrteiligen Hebel von Raximo sind aus Aluminium gefräst, eloxiert, sowohl in der Griffweite, als auch in der Hebellänge einstellbar, und sollen im Falle eines Umfallers nach oben klappen, anstatt wie die Originale einfach abzubrechen. Und man kann jedes Einzelteil farblich auf sein Motorrad abstimmen. Sie werden also individuell für den Besteller zusammengebaut. Die Montage am Bike war sogar für einem Reparaturlegastheniker wie mich recht einfach zu bewerkstelligen. Beim Bremshebel war es super einfach und beim Kupplungshebel muss man vorher den Bowdenzug verstellen um ihn aushängen zu können. Nach dem Einbau muss man die Kupplung dann natürlich neu einstellen. Fährt jetzt gut und sieht gut aus.
Einziger Wehrmutstropfen: Ich muss jetzt immer die ABE (Allgemeine Bertriebserlaubnis) für die Hebel mitführen.
Die E-Nummer aus der Überschrift befindet sich übrigens an den Blinkern. Ich wusste zwar, dass sie da ist, habe sie aber nie gefunden. Heute habe ich die komischen Hubbel auf den winzigen Blinkergläsern mal mit meinem Handy fotografiert. Wenn man reinzoomt, erkennt man die Nummer. Das kann ja lustig werden, falls ich irgendwann in einer Verkehrskontrolle auf einen grummeligen Beamten treffen sollte.
…fiel wie bereits im letzten Jahr wegen Corona aus. Das ist sehr schade, weil es eine wirklich sehr schöne Veranstaltung ist. Auch – aber nicht ausschließlich wegen der Motorräder.
2018
Vor drei Jahren hörte ich zum ersten mal etwas davon, als ich auf dem Turm des Biorama Projektes in Joachimsthal stand. Und zwar wortwörtlich. Ich blickte über die Schorfheide, berauschte mich am Duft der Robinien und fragte mich, weshalb so unglaublich viele Motorräder durch den Ort fuhren. Die Bedienung im Café erzählte mir etwas später, dass das jedes Jahr zum Muttertag so sei, weil der Pastor in Friedrichswalde einen Motorradgottesdienst abhielt.
2019
Vor zwei Jahren bin ich dann selbst hingefahren. Die Veranstaltung fand damals bereits zum 24. mal statt. Ich wusste nicht recht, was mich erwartet, aber die Neugier siegte. Und siehe da – ich fand es richtig gut. Es ist zunächst mal ein entspannter Ausflug in schöner Landschaft. Man trifft Gleichgesinnte. Die Biker waren alle sehr gesittet unterwegs. Keine Möchtegern-Rennfahrer, keine Wheelies, keine Burnouts oder sonstiges Zeug, das Anwohner verdrießlich macht. Stattdessen freundliche Gesichter und Winken in den Dörfern. Keine Selbstverständlichkeit, wenn ca. 1000 Motorräder in ein 800 Seelen Dorf “einfallen”. Das Ganze ist ein richtiges kleines Volksfest mit Livemusik, Bratwurst- und Getränkestand, und allem was so dazugehört. Und auch der Gottesdienst selbst hat mich als Atheist positiv angesprochen. (siehe “Motorradgottesdienst Friedrichswalde 2019“). Mir war klar – da fährst Du im nächsten Jahr wieder hin.
2020
Tja, leider hatte ein kleines Virus andere Pläne. Alle Veranstaltungen abgesagt – also auch kein Motorradgottesdienst. Der Pastor veröffentlichte ein schönes Video – aber das ist natürlich nur ein schwacher Trost.
2021
Immer noch Corona. Allerfeinstes Wetter ist angesagt – jedoch wieder kein Motorradgottesdienst. Ich bemerkte, daß Pastor Ralf Schwieger auf Facebook einen schönen Text veröffentlicht hat, den man als Einladung verstehen kann, trotzdem in die Gegend zu kommen, um “fröhlich und freundlich” die schönen Strecken zwischen Schorfheide und Templin abzufahren. Dazu gab es den einen oder anderen Hinweis auf interessante Punkte an denen man innehalten oder auch ein Bratwurst bekommen kann. Er schloss mit den Worten: “Ich wünsche Euch allen einen gesegneten Sonntag. Wir sehen uns”.
Und so kam es dann auch. Da ich wegen des schönen Wetters ohnehin einen Berlin-Fluchtreflex hatte, kam mir dieser Wink mit dem Zaunpfahl sehr recht. Ich habe ich also auf meine Maschine geschwungen, mich mit gefühlt Millionen anderer daran gemacht, Berlin hinter mir zu lassen. Die ersten 15Km waren zäh, doch jenseits von Bernau wurde der Verkehr dann endlich so dünn, dass ich die Fahrt über Landstraßen, durch Dörfer und Wälder genießen konnte. Weder bummelten vor mir Sonntagsfahrer, noch wurde ich von hektischen Einheimischen durch ihr Revier gejagt.
Natürlich waren auch sehr viele Motorräder unterwegs. Häufig in Gruppen, aber soweit ich es beurteilen kann sehr darauf bedacht leise durch die Orte zu rollen und selbst auf der nicht enden wollenden 60er Strecke entlang des Werbellinsees mit geradezu auffallend korrekter Geschwindigkeit.
Na also – geht doch!
Die “Rennleitung 110” war an mehreren Stellen anwesend und führte Lasermessungen durch. Mein Eindruck war, dass sie nicht übermäßig viel zu tun hatten. Daran mag auch der erste richtig warme Tag des Jahres seinen Anteil gehabt haben. Nach einer recht kühlen und feuchten Woche “explodierte” das Grün regelrecht in der Wärme. Das Bummeln durch die frischen, wohlriechenden Wälder war ein Fest für die Sinne. Wozu sollte man da schnell fahren?
Gegen Mittag erreichte ich den Hofladen Gut Gollin. Passend für ein kleines Mittagsmal. Auf dem Parkplatz standen nur zwei Motorräder – jeweils Moto Guzzi V7. Die eine kam mir recht bekannt vor: Ein auffällig hübscher Umbau mit rotem Rahmen und verchromtem Tank. Die Maschinen gehörten Pastor Schwieger und seiner Frau. Und kaum hatte ich den Helm abgenommen, kamen wir schon ins Gespräch. Wir unterhielten uns natürlich über Motorräder, den Gottesdienst und über Corona. Mich interessierte, wie es sich in einer so dünn besiedelten Gegend auf die Menschen auswirkt. Auch die sehr unterschiedlichen Wertvorstellungen und Weltsicht der jungen Generation waren ein Thema. Das macht sich auf dem Lande wohl ebenso stark bemerkbar, wie im ach-so hippen Berlin. Als ich mittendrin durchblicken ließ, nicht gläubig zu sein, nahm der Pastor das locker und meinte augenzwinkernd, dass es bei mir ja auch etwas länger gedauert hat, bis ich zum Motorrad gefunden habe.
Es war ein sehr angenehmes, interessantes und anregendes Gespräch mit zwei wirklich sympatischen Menschen. Alleine dafür hat sich die Fahrt schon gelohnt.
Das Gut Gollin vermietet übrigens Baumhäuser. Im Ernst! Also jedenfalls, sobald Tourismus wieder erlaubt ist. Guckt gerne mal auf die Homepage.
Die weitere Tour führte mich über Templin und Milmersdorf noch einmal nach Friedrichswalde. Ich habe mir noch die Ausstellung in der Kirche angesehen, meinen Teil zur Kollekte beigetragen bevor ich mich wieder auf den Rückweg über Eichhorst, Prenden, Lanke und Bernau nach Hause gemacht habe.
Ein wirklich schöner Tag nach etlichen grauen Wochen, die das Gemüt belastet haben.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 18 April 2021 | Unterwegs
Berlin nervt. Zu voll, zu viel Verkehr, zu viele Menschen. Immer. Überall.
Am Donnerstag hatte ich das komplette Kontrastprogramm. Ich bin aus Gründen nach Wittenberge im Nordwesten Brandenburgs gefahren um mir die Stadt einmal genauer anzusehen. Die 17.000 Einwohner Stadt liegt an der Elbe ungefähr in der Mitte zwischen Berlin und Hamburg an der Bahnstrecke. Man braucht mit dem Zug in beide Städte jeweils ungefähr eine Stunde. Mit dem Auto deutlich länger, weil man noch ein ganzes Stück über die Landstrasse fahren muss.
Wittenberge liegt in der Prignitz – mit nur 36 Einwohnern pro km2 eine der am dünnsten besiedelten Gegenden in Deutschland. Etwas Flussabwärts auf der anderen Seite der Elbe liegt das ebenfalls sehr dünn besiedelte Wendland in Niedersachsen.
Die Gegend lebt hauptsächlich von Landwirtschaft und (vor Corona) etwas vom sanften Tourismus. Radwandern entlang der Elbe, kleine Städte ansehen – so etwas in dieser Richtung. Touristen sind zur Zeit natürlich nicht zu finden und die paar Läden, die die Stadt hat, waren geschlossen. Daher blieb vor allem ein Eindruck:
Leere.
Da ich gerade aus dem hypernervigen Berlin kam, war das gefühlt wie eine Vollbremsung aus 180 km/h.
Sehr wenige Menschen. Wenig Verkehr. Ruhe. Unheimlich viel Ruhe.
Früher hatte die Stadt einen aberwitzig großen Bahnhof, ein Eisenbahnreparaturwerk einen Hafen mit Lagerhäusern und Ölmühle und eine große Nähmaschinenfabrik (Singer, später Veritas). Davon sind nur noch der Bahnhof und das Instandhaltungswerk der Bahn in Betrieb. Die Ölmühle ist wohl zu einem Veranstaltungsort mit Hotel umgebaut (und zur Zeit logischerweise geschlossen). Es gibt von der Wirtschaftförderung recht rührige Bemühungen zur Ansiedlung neuer Betriebe und Branchen.
Dennoch ist die Stadt und die Region sehr strukturschwach. Entsprechend ist das Stadtbild. Es gibt viele sehr schön restaurierte alte Gebäude, aber Wittenberge ist noch nicht vollständig saniert. Es gab noch immer etliche baufällige Gebäude und sehr viele Baulücken im zentralen Bereich und unheimlich viel gewerblichen Leerstand.
Man merkt, dass die Stadt Potential hat und bemüht ist, möglichst viel aus fast nichts zu machen. Jeder Euro ist hier sehr hart erarbeitet. Es bleibt schwierig.
Anlässlich des heutigen Frauentages suchte eine Bekannte von mir (die um einiges jünger ist, als ich es bin) neulich per Facebook männliche Gesprächspartner, die sich als Feminist bezeichnen. Hintergrund war die Vorbereitung von Vorträgen und Workshops.
Da wir uns schon ein paar Jahre kennen, fragte ich sie, ob sie sich auch mit mir unterhalten würde, obwohl ich schon älter bin und mich explizit nicht als Feminist bezeichnen möchte (die Begründung dafür folgt unten). Einerseits war ich neugierig, was sie zur Zeit tut und andererseits dachte ich, ein paar eher ungewöhnliche Sichtweisen beitragen zu können.
Sie sagte zu und so hatten wir ein interessantes Gespräch. Gerade in einer Zeit, in der die allgemeine Diskussionskultur ziemlich Am Ar… ist und die Leute sich nur noch unfreundlich ihre Vorurteile um die Ohren hauen, finde ich es wichtig mit offenem Geist aufeinander zuzugehen und einander zuzuhören.
Das hat bei uns sehr gut funktioniert. Wir haben über die Veränderungen im Lauf der Jahrzehnte, juristische Aspekte, Sozialisation, Rollenverhalten, persönliche Erwartungshaltungen an andere, aber auch an sich selbst und noch etliches mehr thematisiert. Wir empfanden beide das Gespräch als angenehmen und interessanten Austausch jeder von uns konnte etwas daraus mitnehmen.
Das hat mir Spaß gemacht. Vielen Dank!
Was mir in letzter Zeit sehr deutlich geworden ist: Meine Einstellungen zum Stand der Gleichberechtigung entsprechen nicht dem, was man vielleicht anhand meines Alters erwarten könnte. Das liegt sicherlich daran, dass ich fast ausschließlich von Frauen erzogen wurde, die für ihre Zeit sehr emanzipiert und offen im Geiste waren. Alle Frauen in meiner Familie hatten ordentliche Berufe, haben ihr eigenes Geld verdient und zwei waren sogar selbstständig. Kurz und flapsig gesagt: Die Damen haben damals “den Laden geschmissen.”
Das war als Kind in den 70ern für mich erlebte Normalität.
Aber normal war es natürlich gar nicht. Um das geschichtlich und gesellschaftlich richtig einordnen zu können: Bis 1975 stand die Berufstätigkeit von Frauen unter dem Genehmigungsvorbehalt des Ehemannes! So etwas kann man sich heute (gottseidank) gar nicht mehr vorstellen.
Als jemand, der einen solchen familiären Background hat, finde ich die heutigen Diskussionen häufig reichlich befremdlich. Wenn ich z.B. im Jahr 2021 eine Forderung lese, dass Frauen lernen sollen, sich selbst um ihre Finanzen zu kümmern, denke ich nur “Ja wer denn sonst? Macht doch! Wieso ist das überhaupt ein Thema?”
Und dann fällt mir meine Großmutter ein, die meinem Opa Ende der 50er Jahre (!) untersagt hat, ihre Geschäftsbücher einzusehen mit der Begründung “Oskar, davon verstehst Du nichts. Du bist ja nur Angestellter”. BÄM!
Weshalb ich mich nicht Feminist nennen möchte
Wenn ich so sozialisiert bin, weshalb möchte ich mich dann nicht Feminist nennen? Zwei Gründe:
Erstens weil Gleichberechtigung (zumindest für mich) so selbstverständlich ist, dass ich mir dafür kein extra Label aufkleben möchte.
Zweitens empfinde ich den Begriff auch eher als abwertend. Ich assoziiere damit jemanden der sich einschleimt. Ein öliger “Frauenversteher”, der so lange lieb und verständnisvoll ist, bis er seine Gesprächspartnerin endlich im Bett hat.
Das mag der Eine oder die Andere anders sehen, aber es ist halt das, was ich dazu empfinde.
Deshalb: Nein, ich bin kein Feminist.
Und ich denke, dass der Hebel zur Gleichberechtigung weder in der gruseligen angeblich “gendergerechten Sprache” oder in der Verteilung von Vorstandsposten liegt, sondern in der Teilhabe der Männer an Kindererziehung und Haushalt.
Erst wenn für Arbeitgeber das Risiko, dass männliche Angestellte Sonderurlaub brauchen, weil das Kind krank ist genauso hoch ist, wie bei weiblichen Angestellten, entfällt der “Risikoabschlag” für Frauen.
Erst wenn Männer genau häufig Teilzeit einfordern, um sich besser um die Familie kümmern zu können entfällt der Vorteil für die Arbeitgeber, Männer jederzeit nach belieben hin- und herdisponieren zu können.
DAS sind die Schlüssel zur Gleichberechtigung. Davon bin ich felsenfest überzeugt, weil das in der Firma für die ich arbeite bereits so gelebt wird.
Dirk Ollmetzer | Monday, 1 March 2021 | Gizmos, Retro
Am Wochenende habe ich mal wieder etwas rumgenerdet. Ich habe mir einen Prototyp eines kleinen tragbaren Computers zusammengebastelt.
Jetzt denkst Du vermutlich “Wozu? Es gibt doch haufenweise Laptops, Tablets, Smartphones…“
Klar, aber das Zeug kommt ja fertig aus der Fabrik. Ich wollte etwas eigenes und dazu hole ich mal etwas aus.
Es war zu Beginn der 80er Jahre, als ich anfing, mich für Computer zu interessieren und vielleicht hatte ich sogar schon meinen Sinclair ZX-81.
Realität in den 80ern – die Maschine aus der Zukunft
1982 oder 1983 war ich mit meinem Vater auf der Industriemesse in Hannover. Ihn haben die Baumaschinen interessiert und mich die vier Hallen der CeBIT (das war erst ab 1986 eine eigenständige Messe), denn dort gab es Computer. Am Stand von Epson sah ich zwischen den Druckern und Elektronikbauteilen einen kleinen Computer, der mich umgehauen hat: Den HX-20. Der hatte die Grundfläche eines A4 Blattes, eine gute deutsche(!) Tastatur, einen kleinen Flüssigkristallbildschirm und fette 16 KB RAM (hey, nicht lachen – mein Sinclair hatte 1KB). Zudem war ein programmgesteuerter Microkassettenrekorder als Speichermedium und ein kleiner Drucker eingebaut. Und man konnte sogar noch einen Akustikkoppler anschließen!
Wahnsinn! Computer, Bildschirm, Speichergerät und Drucker in einem superkompakten Gehäuse, nur 1,6 kg schwer. Ein Traumcomputer zum mitnehmen! Preislich für mich natürlich absolut unerreichbar.
Etwas später kam dann noch das Tandy Modell 100 heraus. Ohne Kasettenrekorder und Drucker, aber mit größerem Bildschirm und mit eingebautem Modem.
Dieser Rechner wurde in den 80ern häufig von Reportern verwendet, damit diese Ihre Berichte direkt vor Ort schreiben und sofort per Telefon in die Redaktionen schicken konnten. Damals High-Tech!
Diese beiden Rechner sind zwei unerfüllte Jugendträume.
Fiktion in den 80ern – Cyberpunk
Und dann gibt es natürlich die Science Fiction Stories von William Gibson. Darin klinkten sich die Nerds per tragbarem “Cyberdeck” in den “Cyberspace” ein. Vom Internet ahnte ich damals natürlich noch nichts, aber dass man Computer irgendwie vernetzen kann, war mir spätestens nach War Games und Tron klar..
Heutzutage bekommt man elektronische Bauteile vergleichsweise billig und kann sich so leicht eigene Geräte selber bauen. Einschlägige Websites dazu sind unter anderem Hackaday, und die Blogs von Adafruit, Ben Heck oder Element14.
Die von Gibson in seinen Cyberpunk Romanen nur vage beschriebenen Cyberdecks regen auch viele Leute zum basteln an, wie man an den recht beeindruckenden Geräten auf der Seite Cyberdeck Cafe sehen kann.
Vorsichtige Annäherung
Die von mir gewünschte Geräteform ist ist ein “A4-Brett”, im Stil des HX-20 oder des Model 100. Der Rechner selbst ist ein Raspberry Pi Model 3B und als Bildschirm verwende ich den 7″ Touchscreen.
Die erste Annäherung, die ich im letzten Jahr aus Pappwabenplatte zusammengeklebt hatte, hat zwar funktioniert, war aber noch zu klobig.
An diesem Wochenende habe ich mir mit der kompakten offiziellen Raspberry Pi Tastatur und 5mm Kappa Platten Version 2 gebaut. Flacher, stimmiger, schicker. Die Richtung stimmt!
Für Version 3 plane ich bereits Verbesserungen im Bereich Bildschirm, Anschlüsse und Stromversorgung. Mal sehen, ob ich wieder ein Jahr dafür benötige.
Liegt es an meinem Brexit-Blues? Ich habe mir gerade drei aktuelle Schallplatten von britischen Musikern bestellt. Einerseits, weil ich die Musik mag und außerdem, weil ich finde, dass bei genau diesen Künstlern Vinyl das richtige Format ist: The Who – Who (2019), Paul Mc Cartney – 3 (2021) und Sleaford Mods – Spare Ribs (2021).
The Who – Who
Als ich vor einem Jahr -kurz vor Corona- meinen Freund in London besucht habe, fiel mir eine Konzertankündigung für The Who auf und dass die beiden verbliebenen Recken Pete Townshend und Roger Daltrey eine neue(!) Platte herausgebracht haben. Tatsächlich ist das erst das zwölfte Album seit 1964.
Das Album klingt – tja – nach the Who. Rockig. Die Instumentierung ist klassisch – hauptsächlich Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier. Pete Townshend kann immer noch Rocksongs schreiben und Roger Daltrey kann sie trotz seiner 75 Jahre noch immer singen. Für mich ragt zwar kein Song besonders raus – was aber gut ist, weil es auch keine Ausreißer nach unten gibt. Man kann das Album sehr gut als Album hören. Ganz so, wie man das früher gemacht hat. Das ganze hört sich nicht nach Alterswerk an. Gut so. Solide Arbeit.
Paul Mc Cartney – III
Anfang diesen Jahres las ich, dass sich Paul Mc Cartney 2020 etwas gelangweilt hat, weil seine Tournee aufgrund von Corona abgesagt wurde. Also ist er in sein Studio gegangen um etwas an Songs zu arbeiten, die halbfertig rumlagen und am Ende hat er sich gesagt: “Huch – das ist ja eigentlich ein komplettes Album”.
Lustige Geschichte, zumal man den Songs nicht anhört, dass sie aus Langeweile entstanden sind. Mc Cartney kann auch mit fast 80 immer noch gute Popsongs schreiben. Er hat auch alles selbst eingespielt und natürlich auch gesungen. Hier und da ist die Stimme etwas (aber nur etwas) brüchig. Das passt aber ganz gut zu dem Album, dass etwas rauh daherkommt. Nicht bis ins allerletzte durchproduziert. Für seine Verhältnisse also “Heimstudio” ;-).
Sehr Charmant. Auch ein Album, dass ich gerne komplett durchhöre.
Sleaford Mods – Spare Ribs
Das neue Album der Sleaford Mods wird ja gerade überall besprochen. Der Track Mork ‘n Mindy läuft im Radio in Heavy Rotation und da er mir gut gefiel, habe ich mir das Album geholt.
Das schöne an Vinyl Schallplatten ist, dass die großen Cover viel Platz für richtige kleine Kunstwerke haben. Die Chance wurde hier genutzt. Die Gestaltung ist zwar grafisch sehr schlicht, aber durch die Aussparungen, den Innendruck und das Innencover aber dennoch verspielt. Je nachdem, ob oder wie herum man das Innencover einsteckt, sieht man entweder einen Jason oder Andrew oder einen Hinweis auf knallrot. Zudem ist so genug Platz für die Texte, was bei dem schnodderigen Mid-England Slang wirklich hilfreich ist.
Und wie isses?
Gut. Gefällt mir richtig.
Zunächst mal ist es der bandtypische typische Elektropunk: Über den basslastigen Loops von Andrew Fearn meckert und lästert Jason Williamson in breitestem Nottigham Slang über den Brexit, den allgemeinen Zustand des Landes, die Politik und die stumpfen Mitbürger. Die Richtung wird bereits in den ersten 30 Sekunden des Albums gesetzt:
“And we’re all so Tory tired / And beaten by minds so small“.
Was mich aber sehr gefreut hat ist, dass sich die beiden auch musikalisch in kleinen, aber deutlich spürbaren Schritten weiterentwickelt haben. Im ganzen Album sind nette Details verstreut. Offensichtlich sind die sehr passend ausgesuchten weiblichen Stimmen. Billy Nomates setzt auf “Mork ‘ Mindy” tolle Akzente und Amy Taylor auf “Nudge It”. Die beiden scheinen ein Ansporn gewesen zu sein, denn Jasons typisches Gemeckere wird in “Glimpses” sogar zu fast zu so etwas wie Gesang.
Wenn man wie ich schon etwas älter ist, kommt einem Thematik und Stimmung des Albums seltsam vertraut vor. Alles erinnert irgendwie an die 70er und 80er Jahre, als es um das Vereinigte Königreich schon einmal richtig mies stand: Wirtschaftlicher Zusammenbruch und darauf folgend der Neokonservativismus der Thatcher Jahre.
Die damalige depressive gesellschaftliche Stimmung wurde von vielen Bands zu verblüffend guter und kraftvoller Musik verarbeitet.
Und genau darauf lassen sich viele musikalischen Anspielungen finden. Die Loops klingen weniger elektronisch als früher, weil nun häufiger Bassgitarren gesamplet wurden. “Nudge It” wird von einer Akkordfolge der Kinks getragen, “Glimpses” erinnert an die frühen, punkigen Adam and the Ants, die Bassläufe von “Fishcackes” lassen an Joy Division denken und die Sounds in “Top Room” sind klar Kraftwerk (Zwar aus Deutschland, aber damals stilbildend für viele britische Bands).
Mich hat zwar unverständlicherweise mal wieder keiner gefragt, aber ich gebe trotzdem als Betroffener und Sachverständiger (s.u.) eine Stellungnahme zu dem CDU Vorschlag ab.
Die Unionsfraktion im Bundestag hatte vorgeschlagen, eine Steuer auf Pakete “zur Unterstützung der notleidenden Innenstädte” zu erheben. Das Ganze wird dann als gerecht verkauft, “damit Amazon auch seinen Beitrag leistet”. Netter PR Trick!
Amazon endlich richtig zu besteuern wäre traumhaft und längst überfällig. Leider geht es darum hierbei genau nicht.
Hier sollen Immobilieninvestoren ohne Gegenleistung mit Geld der Allgemeinheit gefüttert werden.
Zunächst einmal gibt es keine “leidenden Innenstädte” sondern einfach eine geänderte Realität. Die Menschen fahren weniger häufig in die Innenstadt um dort einzukaufen. Das sorgt für weniger Umsatz in den Geschäften, in der Folge Leerstand und nicht erfüllte Renditeerwartungen. Andererseits führt das zu Verkehrsentlastung.
Das klingt doch gar nicht mehr so dramatisch – außer natürlich für die Immobilienbesitzer.
Tatsächlich wäre eine solche Abgabe auf so vielen Ebenen falsch, dass man ganze Bücher damit füllen könnte. Ich wage mal eine Prognose für den Fall, dass dieser Mist durchkommt:
Alle zahlen in europäischen Onlineshops mehr.
Amazon wird weiterhin über fragwürdige Firmenkonstrukte legal kaum Steuern bezahlen.
Im Endeffekt wird Amazon dadurch gegenüber der hiesigen Konkurrenz weiter gestärkt.
Es kaufen trotzdem immer weniger Menschen in der Innenstadt ein, weil sich dieses Geschäftsmodell einfach überholt hat.
Besitzer von Immobilen in zentralen Lagen werden für den Leerstand teilweise entschädigt und haben so überhaupt keinen Grund mehr, Mieten nach unten anzupassen oder über neue Nutzungen nachzudenken.
Der überfällige Umbau der Innenstädte wird daher um Jahre behindert.
Nein, ich denke, dass dieser Vorstoß eine totale Katastrophe ist. Wieder einmal hat die CDU gezeigt, dass sie den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel überhaupt nicht versteht und auch nichts gestalten will, außer den üblichen Verdächtigen die Fleischtöpfe zu sichern. Da dürfte der eine oder andere Interessenkonflikt eine Rolle spielen, vermute ich.
Gegenvorschlag
Keine neu Zusatzsteuer. Die werden nämlich wir alle bezahlen.
Stattdessen Schließung von Steuerschlupflöchern für internationale Konzerne. Kostet gar nichts, bringt Geld und verbessert die Wettbewerbsgleichheit der hiesigen Firmen.
Steuerliche Absetzbarkeit von Immobilienleerstand abschaffen. Das erhöht den Druck, überhöhte Renditevorstellungen zu korrigieren, neue Nutzungsformen zu ermöglichen und somit den überfälligen Umbau der Städte endlich in Gang zu bringen.
Den Immobilienmarkt für Auslandsinvestoren schließen. Massive Auslandsinvestitionen waren neben der EZB Politik ein Hauptgrund für die Preisexplosion auf dem Immobilienmarkt.
Klingt wie ein linkes Pamphlet? Macht nichts. Dafür bin ich auf anderen Gebieten stockkonservativ.
Betroffener und Sachverständiger?
In der Einleitung habe ich mich als “Betroffener und Sachverständiger” beschrieben. Das wollte ich im Nachgang noch kurz erläutern:
Betroffen bin ich (wie Ihr alle auch) als Konsument und Steuerzahler, dem mal wieder in die Tasche gegriffen werden soll.
Ich bin weiterhin als Bürger einer Stadt betroffen, die sich in den nächsten Jahren (mal wieder) massiv ändern wird. Ich habe starkes Interesse daran, dass das ausnahmsweise mal zu meinen Gunsten passiert, was in der Vergangenheit regelmäßig nicht der Fall war.
Sachverständig bin ich, weil ich durch mein Studium der Stadt- und Regionalplanung ein gewissen Grundverständnis in der Analyse der Zusammenhänge von wirtschaftlichen, sozialen, verkehrs- und standortpolitischen Fragen habe. Und zudem war ich als “Mitglied der großen IT-Familie” mit mittlerweile über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung in Bereich Onlinebanken, Onlineshopping und Onlinecommunities gleichzeitig Treiber der großen Umbrüche, die wir jetzt erfahren.
Ende Juli habe ich meine funkennietennagelneue Suzuki GSX-S 750 bekommen. Und wie es bei fabrikneuen Fahrzeugen so ist – man muss sie erst einmal vorsichtig einfahren. Da ich momentan eigentlich gar nicht so viel unterwegs bin, habe ich in den letzten Wochen einige kleinere Touren in das Berliner Umland unternommen und am letzten Sonntag die 1000km Marke überschritten. Die erste Inspektion hat die Lady nun bekommen und ich könnte nun die Zurückhaltung im Bereich Fahrdynamik sein lassen.
Aber ehrlich gesagt, habe ich gar nicht so großes Verlangen, ordentlich am Gasgriff zu drehen. Die Maschine hat so viel Power hat, dass sie einem auch mit 1/3 Gas schon recht ordentlich die Arme langzieht. Die im Fahrzeugschein eingetragenen 225 Km/h werde ich sicher niemals live erleben, weil es mir ab 120 Km/h ohnehin zu ungemütlich wird. Ich bin ja nicht mehr Anfang 20, dass ich jeden Scheiß ausprobieren muss. Aber darum soll es jetzt auch gar nicht gehen, sondern um die Frage:
Wo bin ich denn überhaupt so lang gefahren?
Ich habe das Berliner Umland in fast jede Himmelsrichtung abgefahren. Die Touren in chronologischer Reihenfolge:
Nordosten: Das Schiffshebewerk Niederfinow
Angefangen hatte ich mit einem klassischen Ausflugsziel für Motorradfahrer, das ich auch schon in der Fahrschulausbildung während meiner Pflichtstunden besucht hatte: Das recht beeindruckende Schiffshebewerk Niederfinow.
Ich wollte mit dem Bike nicht die Hauptstraßen, sondern kleine Nebenstraßen fahren und habe mir bei kurviger.de eine entsprechende Strecke herausgesucht: Schwanebeck, Birkholz, Börnicke, Tempelfelde, Beerbaum, Heckelberg, Kruge, Hohenfinow, Niederfinow. Ganz klare Empfehlung:
MACHT DAS NICHT!
Alles was zwischen Birkholz und Hohenfinow liegt kann ich nur als absolut Motorraduntauglich bezeichnen. Es fängt mit sehr(!) holperigem Asphalt an, wird zu einer Schlaglochpiste, die mit max 30Km/h befahren werden kann, streckenweise verschwand die komplette Fahrbahn unter einer 5cm dicken Schicht Rollsplit und zwei Ortsdurchfahrten hatten so übles Kopfsteinpflaster, dass ich ernsthaft überlegt hatte, die 214 Kg schwere Maschine zu schieben, weil ich Angst hatte, mir die Reifen an den scharfkantigen Steinen zu beschädigen.
Wenn man um diesem Mist jedoch einen Bogen macht und z.B. die schöne Strecke zwischen Niederfinow und Eberswalde und dann weiter Biesenthal und Bernau wählt, kann man an einem Ausflug dorthin aber viel Freude haben. Das neue, zweite Schiffshebewerk ist mittlerweile fast fertig. Es gibt also genug zu sehen.
Norden: Ziegeleipark Mildenberg
Ein weiteres interessantes Industriedenkmal liegt rund 80 Km nördlich von Berlin landschaftlich schön zwischen Löwenberger Land und Schorfheide: der Ziegeleipark Mildenberg. Ich war hier bereits zum Chaos Communication Camp 2015 gewesen (seit damals steht das “Neuland Ortsschild” als Kommentar des Chaos Computer Clubs dort). Und genau wie damals war es beim meinem Besuch über 30 Grad warm und sehr trocken. Neben dem Ziegeleipark laden zwei kleine baumbestandene Marinas und ein nettes Restaurant an der Havel zum Verweilen ein. In der Gegend gibt es u.a. durch den Tonabbau recht viele Seen und auf dem Weg fährt man durch viele Waldgebiete. Eine sehr angenehme und entspannte Tour.
Osten: Alt Landsberg
Das war eigentlich nur eine kurze Rundfahrt kurz hinter der Stadtgrenze. Frankfurter Allee nach Osten raus und hinter Hoppegarten nach Norden abgebogen. Durch Neuenhagen und Alt-Landsberg und dann über Ahrensfelde, Lindenberg und Malchow wieder zurück. Zwar liegt Alt-Landsberg kurz hinter der Stadtgrenze, aber gefühlt ist es recht weit weg. Ein nettes kleines Städtchen und eine schöne kurze Tour. Hier war ich 2003 das erste mal auf einem Chaos Communication Camp – damals noch recht klein und überschaubar auf einer Pferdekoppel, aber auch extrem nerdig und bunt. Von der Tour habe ich leider keine Fotos.
Süden: Bestensee
Den Tag hatte ich mit einem zweiten Frühstück im 45 über Null begonnen. Das ist ein recht origineller Hofladen/ Cafe/ Bar/ Bikertreff in Selchow. Originell insofern, als der Laden am Ende der Startbahn Nord des Flughafens Schönefeld / BER liegt und daher normalerweise ein optimaler Ort für Planespotter ist. Coronabedingt bleibt man dort aber zur Zeit weitgehend vom Fluglärm verschont.
Von dort habe bin ich weiter nach Bestensee gefahren, um einen Freund zu besuchen, der Berlin mittlerweile hinter sich gelassen hat. Die Landstraßen und Alleen südlich von Berlin sind schön und in wirklich gutem Zustand. Ein schöner Ausflug und ein nettes Wiedersehen.
Südosten um Müggelsee und Dahme
Bei meinen vorletzten Ausflug wollte ich eine Rundtour um Müggelsee und Dahme durch die schöne, Wald- und wasserreiche Gegend südöstlich von Berlin machen um dann über Erkner, Rüdersdorf und Hoppegarten zurück nach Berlin zu fahren. Bei einer Straßensperre kurz vor Erkner klärte mich eine nette Polizistin darüber auf, dass Erkner aufgrund eines Triathlon komplett gesperrt wäre und man den Ort entweder über Köpenick oder über Niederlehme umfahren muss. Das sind mal locker 25 bis 30 Km Umweg. Puh!
Aber ich war ja ohnehin auf einem Ausflug und hatte Zeit. Also bin ich zurück nach Niederlehme und von dort habe ich ausnahmsweise mal ein Stück Autobahn genommen. Über den südlichen und den östlichen Berliner Ring bin ich bis zur Ausfahrt Freienbrink gefahren. Dort ist viel Gegend, ein Logistikzentrum – und die Baustelle von Tesla!
Also habe ich mich mal an den Bauzaun gestellt um die Wunderbaustelle mal anzusehen. Am Rand der Landstrasse standen viele Autos und Motorräder und bestimmt 50 Leute, die schauten und fotografierten. Die Menschen sind sehr daran interessiert, wie es aussieht, wenn mal etwas richtig gut funktioniert. So etwas ist man in Deutschland ja nicht mehr gewohnt. Das hohe Bautempo scheint übrigens ohne Wochenendarbeit möglich zu sein, denn an diesem Tag bewegte sich dort nichts.
Westen: Wolfslake
Mein letzter Ausflug hat mich zum Jugendspeedway Rennen auf dem Eichenring in Wolfslake geführt. Zunächst habe ich aber ziemlich deppert angestellt. Um das Dorf überhaupt zu finden, bin ich gefühlt eine Stunde immer drumherum über andere Dörfer gefahren und habe den entscheidenden kleinen Pfad dorthin x mal übersehen. Irgendwann habe ich eingesehen, dass es doch der kleine Feldweg aus zwei parallelen Betonstreifen sein muss.
Aber bin ich überhaupt auf Speedway gekommen? Auf den Berliner Motorrad Tagen hatte das Team von Wolfslake einen Stand und ich bin neulich auch noch über den Youtube Kanal von Egon Müller gestolpert. Der war in den 70ern schon das Idol von meinem besten Kumpel. Im zarten Alter von 9 Jahren sind wir zusammen mit seinem Vater beim Grasbahnrennen gewesen. Damit es uns nicht zu langweilig wurde, durften wir (natürlich auf dem Gelände rund um die Rennstrecke) mit einem Mofa herumfahren, das wie ein kleines Motorrad aussah – eine Garelli Bonanza. Damals habe zwei Dinge gelernt: Motorräder sind cool – und ein Auspuff ist heiss und man kann sich daran verbrennen.
Ein bisschen Nostalgie war also dabei. Und in Wolfslake war das Gefühl ähnlich: Irgendwas zwischen Rennatmosphäre und Familienausflug. Die Action kommt in Wellen. Erst ist es sehr nett und chillig, dann kommt etwas Unruhe auf und kurz darauf wird es laut. Und wenn die Kids wieder von der Bahn runter sind, wird es wieder entspannt und die Aschebahn wird wieder geglättet und befeuchtet.
Zwei Sachen haben mich beeindruckt: Selbst die kleinen unter 10 Jahren (der jüngste Teilnehmer war 4 Jahre alt!) drehen den Gashahn ordentlich auf und driften quer um die Kurve, als ob es kein Morgen gibt. Und es ist kein reines Jungshobby mehr. Es waren so einige Mädchen am Start und die fuhren ganz vorne mit. Super!