Neulich gab es ja einige Aufmerksamkeit um das Buch von FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher: Payback. Ich wollte ja eigentlich nichts dazu schreiben, aber aber irgendwie kann ich nicht anders.
Gut – man kann sich ja durchaus von der Rasanz der Entwicklungen, die das Internet prägen überfordert fühlen. Insbesondere dann, wenn man nicht die Zeit hat, sich regelmäßig mit dem Medium zu beschäftigen. Ich habe also volles Verständnis dafür, wenn 50-Jährige Malocher oder 88-jährige Omis mit dem ganzen Computerzeugs nicht klar kommen.
Andererseits – wenn man sich seit 15 Jahren mit dem Thema Internet beschäftigt, stellt man fest, daß sich die Geschwindigkeit der Entwicklungen zwar zügig ist, aber viele Sachen doch überraschend viel Zeit brauchen. Zum Beispiel beginnt sich die mobile Internetnutzung erst seit letztem Jahr so richtig durchzusetzen. Die ersten Gehversuche in diese Richtung habe ich bereits damals 2000/2001 bei einem Bankprojekt in der Schweiz gemacht – und da war ich bei weitem nicht mehr der erste. Alles was momentan als “heisses Zeug” gehandelt wird – soziale Netzwerke, mobiles Internet, Ortsbezogene Dienste – ist nicht neu. Ideen und Prototypen und erste Anwendungen dazu gibt es seit mindesten 10 Jahren. Neu ist nur die Aufmerksamkeit und Verfügbarkeit für die breite Masse. Vernünftige Theorien (‘Die Aufmerksamkeitsökonomie‘) und Abhandlungen (‘Das Cluetrain Manifest‘) über die Auswirkungen der Veränderungen sind ebenfalls seit über 10 Jahren bekannt.
Insofern habe ich eher kein Verständnis dafür, wenn Leute, die sich mutmaßlich selbst zur geistigen Elite zählen, diese Entwicklungen nicht intensiv mitgestaltet oder wenigstens mitverfolgt haben. Obwohl (oder weil?) sie kein ausreichendes Verständnis für die Materie aufbringen, stellen sie sich schmollend in die Ecke, wittern überall nur Gefahr und wollen großkotzig die Regeln neu bestimmen. Soweit nichts Neues – das kennen wir ja seit Jahren vom Deutschen Führungspersonal. So werden seit Jahren ausschließlich komplett hahnebüchene oder gar gefährliche Gesetze verabschiedet, um das Internet “in den Griff zu bekommen”.
Sich aber hinzustellen und laut in die Welt posaunen, daß man im Kopf einfach nicht mehr mitkommt, hat nochmals eine andere Qualität. Wenn ein einfacher Arbeiter in einer Fabrik mit den Veränderungen in seiner Arbeitswelt nicht mehr mitkommt, wird er eben rausgeschmissen und landet ein Jahr später in der Harz-4-Hölle. Der allgemeine Konsens ist, daß der eben selbst schuld ist – hätte sich halt mehr anstrengen müssen.
Wenn der FAZ-Herausgeber sich von den Neuerungen in seinem Arbeitsbereich geistig überfordert fühlt schreibt er ein Buch und erwartet vermutlich Zustimmung und Beifall. Was für ein übersteigertes Ego muss man dazu eigentlich haben?
Das hat bei mir eigentlich nur noch pawlowsches Kofschütteln hervorgerufen. Ich schreibe auch nur deshalb darüber, weil ich gerade ein gutes Interview zu dem Thema gelesen habe: “Schirrmacher ist Zaungast“. Interessant finde ich, daß der Artikel bei der Süddeutschen erschienen ist, die ja auch heftig mit dem Internet fremdelt und daß der interviewte Psychologe Peter Kruse altersmäßig auch bei weitem nicht mehr zu den “Digital Natives” zu rechnen ist.
Bekanntermassen schwimmen den etablierten Medienunternehmen momentan überall Ihre Felle davon. Man hört ziemlich viel dummes Gerede, wie z.B. “Google klaut einfach unseren Content”, die nur deutlich machen, daß die Manager auch nach 15 Jahren öffentlich zugänglichem Internet immer noch nicht die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen verstanden haben. Jetzt treiben einige wieder die Sau “Paid Content” durch das Dorf, mit der Begründung, daß man für eine (Papier)Zeitung ja schließlich auch zahlt. Oh Mann…
Die Ankündigungen von Springer (“Bild” auf dem iPhone nur noch gegen Geld) und Rupert Murdoch (Google aussperren und User bezahlen lassen) werden im Netz verständlicherweise mit Hohn und Spott überschüttet. Man kann das alles natürlich auch anders sehen. Lore Sjoberg beschreibt in einem (dezent zynischen) Artikel auf Wired (“Clever Murdoch Turns News Into Hip Underground Club“) Murdochs Vorstoss als einen Versuch, die Nachfrage und Zahlungsbereitschaft durch vermeintliche Exklusivität anregen zu wollen. Nett – aber natürlich ist das in den allermeisten Fällen Quatsch.
Ich habe neulich von dem Standpunkt gelesen (Quelle vergessen – sorry!), daß es die angebliche “Kostenlos (un-)Kultur” im Internet eigentlich gar nicht gibt. Irgendjemand zahlt immer – die Frage ist nur, wer und wieviel. Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten:
1.) Der Konsument zahlt. In der offline Welt ist das der Normalfall. Ausser bei Zeitungen, wo der Konsument höchstens die Druckkosten übernimmt und der Rest durch Anzeigen finanziert wird. In der Online Welt ist dieses Modell aber extrem selten erfolgreich.
2.) Der Produzent zahlt. Das kann der kleine Blogger sein, der aus Spass an der Freude schreibt, oder es kann eine Fachpublikation sein, die veröffentlicht um Bekanntheit zu generieren, damit das eigene Kerngeschäfts besser läuft.
3.) Ein Dritter zahlt. Das klassische Werbemodell. Der Produzent erzeugt Aufmerksamkeit, die er dann stückweise weiterverkauft. Einnahmemöglichkeiten sind Sponsoring, Werbeeinnahmen und Provisionen (Affiliateprogramme).
Jetzt muss man quasi ‘nur noch’ das für sein Geschäft passende Modell aussuchen und einfach gut sein – dann kann doch gar nicht mehr allzuviel schief laufen, oder? ;-)
Dirk Ollmetzer | Monday, 9 November 2009 |
Unterwegs
Ich liege seit dem frühen Abend im Bett und kämpfe gegen eine aufkommende Erkältung an.
Genau heute vor 20 Jahren lag ich ebenfalls früh abends im Bett und hatte eine richtig fiese Grippe. Diese Art, wo man den ganzen Tag zwischen Schlaf und wach sein hin und her pendelt und nur noch vor sich hin leidet. Das Bett in dem ich lag, stand in einer Dachkammer in Berlin Zehlendorf. Ich hatte nur wenig Licht an, weil mir die Augen weh taten und so blieb mir nichts übrig, als im Dämmerzustand Radio zu hören.
Dann kam die Nachricht, daß die Mauer geöffnet wird.
Ich habe das zunächst gar nicht für voll genommen, gedacht “Mein Gott, geht’s mir schlecht. Jetzt habe ich schon gehört, daß die Mauer offen ist.” und mich umgedreht. Ungefähr eine halbe Stunde später rief meine Mutter an und hat mir erzählt, was sie gerade im Fernsehen sah. Ich konnte mich erst 2 Tage später in den Wahnsinn stürzen. Den Rest kennt man ja.
Google ist keine Suchmaschine – Google ist viel, viel mehr.
Google hat extrem hochgesteckte Ziele, die einen frösteln lassen (Das Weltwissen im Zugriff).
Google hat verstanden, was der Begriff “Informationsgesellschaft” wirklich bedeutet und welche Macht in den Daten steckt.
Google hat einfach am besten verstanden, wie das Internet funktioniert. Sowohl technisch, als auch ökonomisch.
Google denkt ungeheuer strategisch und langfristig.
Google ist sensationell rationell und pedantisch. Das wurde mir vor Jahren klar, als ich einmal ein Papier der Firma in den Händen hielt, in dem ausgerechnet wurde, wieviel Stromkosten ein durchschnittliche Suchanfrage verbraucht.
Google steckt enorme Summen in scheinbar kostenlose Produkte und Dienste. Damit schaffen Sie die optimale Umgebung für ihr eigentliches Geschäft. Und genau deshalb wächst und gedeiht ihr Geschäft scheinbar unaufhörlich.
Daran musste ich gerade denken, als ich den sehr gelungenen Artikel “Das Google-Mißverständnis” bei “Die wunderbare Welt von Isotopp” gelesen habe. Lesetipp!
Dirk Ollmetzer | Sunday, 8 November 2009 |
Misc
Ich beabsichtige noch dieses Jahr wieder vollständig in Berlin zu sein. Die Pendelei nach Hamburg – so einträglich sie ist und so nett die Kollegen bei meinem Kunden auch sind – macht mich langsam porös. Ich zähle die Zeit rückwärts und freue mich darauf, dann auch endlich wieder ein Privatleben zu haben.
Freitag abend habe ich damit schon mal angefangen und war Gast auf der Party von jovoto (Marktplatz für kreative Konzepte). Nette Gespräche, viele schöne, optimistische junge Menschen. Hat mir sehr gut gefallen. Ich wünsche Bastian und seinen Mitstreitern von Herzen viel Erfolg!
Seit ich die Entscheidung getroffen habe, ist meine Stimmung auch gleich viertel Oktave höher. A propos Oktave: Musik ist mir momentan auch wieder sehr wichtig. Wobei ich mich immer wieder über mich selber wundere, welche Sachen ich mir anhöre – und in welcher Kombination.
Ich habe gerade Musik bei iTunes gekauft: Tony Christie, Middle of the Road, Tom Jones… Super pompöse Musik – ich liebe es. 3 mal hintereinander gehört und danach gleich “closer” von Nine Inch Nails. Ihr wisst schon – der Song mit dem etwas krassen Text. Mir geht’s gut.
Dirk Ollmetzer | Wednesday, 28 October 2009 |
Fundstücke
Wenn das Wetter draussen so besch… ist, daß man glatt zwei draus machen könnte, ist hier der Beweis, daß Wolken durchaus was tolles haben können. Dieses Hereinbrechen der Wolken über die Hügel nach San Francisco habe ich (etwas langsamer) ja auch schon live gesehen. Ist wirklich atemberaubend. Achtung: Fernwehalarm. ;-)
(gefunden bei Feingut)
Durch die Blogosphäre schwappt ja gerade die große Welle der Begeisterung (und bei einigen auch der Ablehnung) zum Thema Google Wave. Als vor einigen Wochen das Video im Netz die Runde machte, auf der Google sein neues Baby vorstellte, habe ich mir das Ganze natürlich auch angesehen. Allerdings hielt sich meine Begeisterung doch sehr im Rahmen. Möglich, daß es an der Überlänge der Präsentation lag, möglich, daß ich den Witz einfach noch nicht verstanden habe. Ging mir beim Thema Blogging ja am Anfang auch so. Damals dachte ich “Blogs sind doch nur kastrierte Content-Management-Systeme. Wo ist der Witz?” Manchmal braucht es eben ein bischen, ehe der Groschen fällt.
Der Dienst befindet sich zur Zeit noch in einer halb öffentlichen Beta-Phase, d.h. man braucht eine Einladung um ihn ausprobieren zu können. Letzte Woche bekam ich dann eine Einladung und ich konnte einen ersten Eindruck auf der Basis eigener Erfahrungen gewinnen. Mehr als ein erster Eindruck ist aber nicht drin, weil ich selber niemanden Einladen kann. Und ein Kommunikationstool, in dem man nur einen Kontakt hat, ist ziemlich witzlos. Klas (compuccino) hat das gestern in einem Tweet sehr schön auf den Punkt gebracht:
“#wave ist wie ein Club … keiner kommt rein, und drinnen ist auch nix los. Aber die Einrichtung ist echt stylisch.“
Gähnende Leere in der Kontaktliste
Dennoch: mein Eindruck entspricht so ungefähr dem, was ich nach dem Betrachten des Videos dachte: Momentan gehe ich nicht davon aus, daß dieser Dienst für mich wichtig wird. Google versucht, verschiedene Nachrichtendienste miteinander zu verzahnen, was ich im Prinzip als sinnvoll erachte. Daß die E-Mail dringend einen Nachfolger braucht, sehe ich genau so. Dennoch finde ich Google Wave eher uninteressant. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Es werden zentrale Features eingebaut, die technisch spannend sind, die ich als User aber nicht benötige oder sogar bewusst nicht haben möchte.
- Dafür fehlen wichtige Dinge, die ich bei einem E-Mail Nachfolger unbedingt sehen will.
- Die Benutzeroberfläche ist zwar klar strukturiert, dennoch ist die ganze Usability eher verwirrend. Und das liegt am Prinzip.
Ein Feature, welches ich technisch spannend finde, aber eigentlich als Anwender gar nicht haben will ist, daß der angeschriebene sofort sieht, was ich schreibe. Und mit “sofort” meine ich, noch während ich schreibe. Es ist schon reichlich verwirrend, bereits eine Antwort zu bekommen, während man noch dabei ist, den Satz zu Ende zu schreiben. Man sieht jeden Tastendruck, jeden Tippfehler, jede Korrektur wenn das Gegenüber einen Satz nochmal löscht oder umformuliert.
Das mag ich nicht.
Ich möchte wenigstens die Möglichkeit haben, das Geschreibene noch mal Korrektur zu lesen, zu überdenken, umzuformulieren oder ggf. in den den virtuellen Mülleimer zu werfen. Wenn alle Mails und Postings, die ich in den letzten 15 Jahren geschrieben habe sofort gelesen worden wären, hätte ich heute vermutlich etliche Freunde weniger. ;-)
Was ich hingegen bei der E-Mail vermisse und bei Wave auch nicht sehe (vielleicht ist es da, aber ich sehe es nicht), ist die Sicherheit, wirklich von der richtigen Person angeschrieben worden zu sein – Stichwort Spam.
Vertraulichkeit ist bei einem Google-Dienst natürlicher völlig ausgeschlossen. Ein für berufliche Zwecke ernstzunehmender Dienst muss aber m.E. hohe Hürden gegen Abhören bieten.
Bei einem neuen Dienst ist es m.E. auch absolut notwendig, gleich auch ein Interface für mobile Endgeräte einzubauen. Ich kann aber nicht recht vorstellen, wie Wave auf einem Handy oder Smartphone funktionieren soll.
Zudem befürchte ich, daß bei längeren Diskussionen, mit mehreren Teilnehmern, File-Attachments usw. ein Wave so ausufert und unübersichtlich wird, daß man sich nicht mehr zurechtfindet. Das liegt natürlich am Prinzip.
Ich glaube, daß wir in nächster Zeit noch so einige neue Messaging-Lösungen sehen werden. Ich glaube auch, daß die Tage der E-Mail so langsam gezählt sind. Wave ist ein interessanter Ansatz – aber der große Wurf ist es noch nicht. Aber das sind natürlich nur meine Einwände. Wenn in drei Jahren alle bei Wave sind, werde ich es natürlich auch nutzen (müssen). Genauso, wie ich mich drei Jahre gegen Facebook gewehrt habe.
Wir werden sehen.
Ich liebe alternative Sichtweisen auf Alltägliches. Darum habe ich damals natürlich (wie es sich für Tecchies gehört) die Bücher von Douglas Adams verschlungen. Gerade bin ich auf einen ganz netten Artikel auf Smashing Magazine zum Thema Brand/Interface Design/User Experience gestossen: “Brand = User Experience: The Interface of a Cheeseburger“.
Obwohl sie theoretisch aufeinander aufbauen sollten, sind Brand Design, User Interface Design und die tatsächliche User Expierence in der Praxis meist nur locker verbunden. Die genannten Beispiele Mc Donalds und Google sind jedoch ganzheitlich auf ein ganz ursprüngliches Verhaltensmuster ausgerichtet. Genauso wie beim Stillen eines Babys, geht es hier darum, ein momentanes Bedürfnis, ohne groß nachzudenken sofort zu befriedigen.
Das ist natürlich keine tiefschürfende Erkenntnis, aber gut, wenn man sich so etwas hin- und wieder bewusst macht. Es hilft, den Fokus in eigenen Projekten besser setzen zu können.
Achtung: Der folgende Eintrag enthält persönliche und emotionale Aussagen
Seit gestern bin ich für einen mehrtägigen Besuch in Hannover. Ich bin hier aufgewachsen, aber schon vor 25 Jahren weggezogen. Seit fast 20 Jahren komme ich nur noch sporadisch hierher. Meist in Eile schnell mal die Familie abklappern und wieder weg.
Die Stadt hat ‘nen schlechten Ruf, aber so ganz kann ich das eigentlich nicht nachvollziehen. Klar ist hier weniger los als zum Beispiel in Berlin oder Hamburg. Niemand kommt für einen kurzen Städtetrip hier her – ausser Messebesucher. Dafür ist man jederzeit in 5 Min. im Grünen, der Verkehr funktioniert und die Leute sind nicht so überdreht.
Ich übernachte bei meiner Schwester in Ricklingen. Nicht weit weg haben wir damals in den 80ern gewohnt. Ich gehe durch die Strassen. Die Häuser sind viel kleiner als daheim im Prenzlauer Berg. Die Seitenstrassen haben vier mehr grün. Die Läden und Kneipen sind überhaupt nicht hip und die Menschen sehen auch total normal aus. Nicht so fürchterliche “Junge, erfolgreiche deutsche Famile”-Klone, die einem einen Spaziergang durch den Friedrichshain zur Pest machen und das Gefühl geben, in einem weissen Mittelstandsghetto zu leben.
Stattdessen hier und da mal ein Harz4-Opfer, dort mal ein, zwei Ausländer aber dann auch wieder nette junge Familien. Irgendwie scheint mir das ‘ne gesundere Mischung zu sein.
Es hat sich hier nicht richtig viel verändert. Hier und da ein anderer Laden, ein neues Haus und neue Hochbahnsteige auf der Hauptstrasse. Ich irgendwie ‘nen Flashback, der Himmel ist grau und es nieselt.
BANG! Novembergefühl obwohl erst Oktober ist.
Mein Soundtrack dazu: Anne Clark. Passt von der Zeit und dem Gefühl perfekt.
Alles ist irgendwie so vertraut. Und trotzdem so weit weg. Ich habe das Gefühl, ich laufe durch meinen eigenen Film. Könnte ich hier leben? Keine Ahnung. Könnte ich es in Hamburg? Ich weiss nicht recht. Kann ich es noch in Berlin? Zweifel.
Da fällt mir ein Satz ein, der galube ich von Tom Wolfe stammt:
Man kann nie wieder zurück
Aber wohin dann? Und was tun? Und… noch viel mehr Fragen. Ich sollte mich freuen, liebe Menschen zu treffen, die ich viel zu selten sehe. Das tue ich auch und trotzdem bin ich so ratlos und schiebe gerade den Blues.
Der Herbst hat mich gerade so richtig fies erwischt.
Für mich selbst ist der Disput “Journalisten vs. Blogger” seit langem gegessen. Für Menschen, die sich mit dem Thema vielleicht noch nicht so intensiv auseinandergesetzt haben, hier eine kleine Einführung:
Der elektrische Reporter glänzt mal wieder mit einer gelungenen Ausgabe zum Thema “Zukunft des Journalismus”. In Kurzform und verständlich werden die Veränderungen im Bereich Journalismus sowohl auf der Seite der Nachrichtenproduktion, als auch auf der Rezeptionsseite erläutert. So wird deutlich, weshalb daraus ein völlig neues wirtschaftliches Umfeld und eine erhebliche Veränderung der Beeinflussung der öffentlichen Meinung resultieren.
Es ist erstaunlich, daß diese einfachen Erkenntnisse noch immer nicht bis zu allen Medienschaffenden durchgedrungen sind, wie das lautstarke aber sinnentleerte Lamentieren über “die Enteignungen der Zeitungen durch Google” durch einige Vertreter der alten Medienhäuser in den letzten Wochen und Monaten zeigen. Das Problem sind die Kollateralschäden im deutschen Rechtssystem, die durch die extreme Lobbyarbeit solcher “Interessenvertreter” bis dahin verursacht werden. Dadurch geht wertvolle Zeit für einen sinnvollen Umbau der Medienlandschaft verloren und ich befürchte, daß die meisten bisherigen Mitspieler mittelfristig verschwinden – selbstverschuldet.
Wer sich mit den Ursachen und Wirkungszusammenhängen der veränderten Medienlandschaft nicht ernsthaft auseinandersetzt, wird untergehen. Übrig bleiben dann eine handvoll Megaplayer, die die Strippen ziehen. Google ist nämlich nicht so groß geworden, weil sie böse sind, sondern weil sie brilliant verstanden haben, worauf es im Netz ankommt. Sie sorgen dafür, daß sinnvolle Dinge entwickelt werden und stellen diese gratis zur Verfügung. Die Menschen geben Google deshalb in großem Umfang ihre Daten, weil sie im Gegenzug nützliche Dienste bekommen. Unternehmen geben Google deshalb gerne ihre Daten, weil sie im Gegenzug Aufmerksamkeit und potentielle Kunden bekommen.
Ich habe irgendwann in den 90er Jahren die ersten Artikel zur heranziehenden Aufmerksamkeitsökonomie (z.B. hier: “Die Aufmerksamkeitsökonomie und das Netz“) gelesen und gedacht “was ist denn das für ein abgedrehtes Zeug?”. Mittlerweile ist mir das alles sonnenklar geworden.
Ein Markt ensteht immer dort, wo eine hohe Nachfrage auf knappe Ressourcen trifft.
Früher war die Nachfrage nach Information hoch und deren Beschaffung und Verteilung aufwändig. Also waren Menschen bereit, für Information zu bezahlen. Heute gibt es pro Sekunde mehr Informationen, als man in seinem ganzen Leben aufnehmen könnte. Das knappe Gut ist jetzt nicht mehr die Information, sondern die Aufmerksamkeit der Menschen. Nach bisherigem Modell müsste also eigentlich jeder Geld bekommen, wenn er bereit ist, eine Zeitung zu lesen. So wird es natürlich nicht kommen. Aber diejenigen, die ihre Aufmerksamkeit den Medien geben, werden im Normalfall nicht bereit sein, zusätzlich zu ihrer knappen Zeit auch noch echtes Geld zu geben. Im Gegenteil – sie werden einen spürbaren Gegenwert einfordern.
Medien, die bisher Informationen an Konsumenten verkauft haben, müssen also verstehen, daß sie jetzt mit der Aufmerksamkeit der Leser/Zuhörer/Zuschauer handeln. Der Marktmechanismus hat sich also im Prinzip “nur” um 180 Grad gedreht.
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