Ich bin kürzlich das erste Mal mit einem Elektroauto gefahren. Tatsächlich jetzt erst, obwohl ich schon 2007 in mehreren Blog Artikeln das absehbare Ende des Verbrennungsmotors prognostiziert habe und bereits mehrere elektrische Motorräder zur Probe gefahren bin (“Das leiseste Motorradfestival der Welt: Reload.Land“).
Mein aktuelles Auto hatte ich 2016 gekauft. Die Elektroautos die es damals gab, taugten entweder nicht für meine Einsatzzwecke oder hießen Tesla und lagen sehr deutlich über meiner finanziellen Schmerzgrenze. Darum hatte ich mir einen (gebrauchten) Mercedes gekauft und gesagt: Das ist mein letzter Verbrenner. Der hält so lange, bis E-Autos in meinem Budget und Nutzungsspektrum sind.
Damals noch nicht passend – und jetzt?
Über die Feiertage war ich an der Ostsee in der Nähe von Flensburg. Ich bin in regelmäßigen Abständen dort oben in der Gegend zum Ausspannen. Insgesamt bin ich diesmal 1.100 km gefahren und habe dabei ca. 100 l Benzin verfeuert.
Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Ladeinfrastruktur gut genug ist, damit ich mich nicht nur gerade eben so von Ladesäule zu Ladesäule durchhangeln kann, sondern ausreichend Flexibilität in der Reiseplanung möglich ist. Also ist es jetzt an der Zeit, dass ich mir E-Autos genauer ansehe.
Endlich mal elektrisch – die Plattform von Stellantis
Und so kam es, dass ich endlich das erste Mal ein E-Auto zur Probe gefahren bin. Der Jeep Avenger nutzt dieselbe Elektroplatform wie auch etliche andere Modelle von Stellantis. Das sind zum Beispiel Peugeot e208, Opel Corsa-e, Opel Astra-e, Peugeot e2008, Opel Mokka-e, Citroen e-C4 und Fiat 600e und vermutlich noch ein paar andere.
Die genannten Fahrzeuge sind von den technischen Werten identisch: 115 kW (156 PS), 51 kW/h Akku, Ladeleistung 11 kW an AC, 100 kW an DC. Das klingt im Elektroauto-Land nicht beeindruckend, aber es ist ganz gut, die ersten Eindrücke in der Brot- und Butter Klasse zu machen. Diese Fahrzeuge sind ja auch noch teuer genug, aber dazu komme ich noch.
Im Geschäft standen ein Jeep Avenger und ein Fiat 600e direkt nebeneinander. Verblüffend, dass beide gleich groß sind, obwohl der rundlich, niedliche Fiat eher wie ein Kleinwagen wirkt und der kantige Jeep – nun ja – eben wie ein Jeep. Die Innenräume sind auch gleich groß und die Bedienelemente weitgehend identisch. Ich gehe davon aus, dass die beiden sich auch beim Fahren sehr ähnlich anfühlen. Gefahren bin ich wie gesagt den Jeep Avenger.
Bedienbarkeit: Klasse!
Im Gegensatz zu der sehr unkonventionellen und gewöhnungsbedürftigen Bedienung bei Tesla ist man bei Stellantis pragmatischer: Für alles was während der Fahrt blind bedient werden muss (Licht, Scheibenwischer, Fenster, Klima, Laustärke vom Radio, …) gibt es Knöpfe in guter Haptik. Alles was ich als Fahrer ständig im Blick haben muss wird auf einem blendfreien Multifunktionsdisplay angezeigt. Das ist genau dort, wo der Tacho hingehört – direkt vor den Fahrer. Leider keine Selbstverständlichkeit heutzutage. Alles in allem kann man einsteigen und ohne Umgewöhnung losfahren.
Der ganze Rest (Fahrzeueinstellungen, Navi, Entertainment) findet sich auf einem 10,2″ großen Touch Display in der Mitte. Es reagiert zügig und man kommt nach kurzer Zeit zurecht. Spielereien, die einem bei der Bordelektronik vielleicht fehlen, kann man über das Smartphone per Apple Car Play oder Android Auto nachrüsten.
Für mich ist das die beste Kombination aus konventioneller und moderner Bedienung. Exakt so möchte ich es haben. 100 Punkte dafür!
Innenraum
Der Innenraum ist ansehnlich und konventionell gestaltet. Alle Hebel und Schalter liegen dort, wo ich sie erwartet habe. Die Bedienung ist gut und weitestgehend intuitiv. Auch wenn viele Tester über Hartplastik meckern – ich fand die Haptik gut. Ist halt nicht Oberklasse. Sehr gut, dass auf spiegelnde “Klavierlack” Oberflächen verzichtet wurde, die schnell schäbig aussehen und darüberhinaus auch noch blenden können. Ablagen sind ausreichend vorhanden.
Das Lenkrad ist ausreichend verstellbar und fasst sich gut an. Die Sitze sind fest und bequem, aber die Sitzfläche könnte gerne etwas länger sein. Da bin ich aber auch vom meinem (sehr viel teureren) Mercedes verwöhnt. Die Sitzposition konnte ich für meine 1,88 m gut einstellen. Die Sitzposition ist etwas höher, als in herkömmlichen Autos, aber man schwebt nicht völlig über den Dingen.
Auf der Rückbank geht es eher eng zu und der Kofferraum ist ausreichend aber nicht allzu groß. Da macht sich bemerkbar, dass es sich um ein Kompaktmodell handelt. Ungefähr so groß wie ein Golf 3. Damals hat das den meisten Deutschen genügt und mir würde das heute auch reichen.
Der Wagen ist aufgrund seiner kantigen Form recht übersichtlich. Eine Rückfahrkamera ist vorhanden, aber man kommt auch ohne gut klar.
Die Probefahrt
Die Probefahrt war eine einigermaßen spontane Aktion und Ich hatte leider nicht allzuviel Zeit. Daher kann ich nur meine ersten Eindrücke schildern und zu Landstrasse und Autobahn nichts sagen. Die Autobahn ist ja ohnehin nicht so die Stärke von Elektrofahrzeugen.
Gefahren bin ich in der Stadt bei Berufsverkehr. Das bedeutet Gedrängel auf der Ausfallstraße, Stop-and-Go, Nebenstraßen mit Kopfsteinpflaster, ein- und ausparken und so was.
Die Lenkung ist sehr leichtgängig. In der Stadt toll, ich könnte mir aber vorstellen, daß man auf Landstraße und Autobahn bei Seitenwind häufiger korrigieren muss. Das war jedenfalls bei meinen früheren Peugeots so, die ähnlich abgestimmt waren. Mein Mercedes liegt da auch bei 150 km/h wie ein Brett auf der Straße, aber das ist auch genau sein Metier.
Wo der Jeep aber locker mithalten kann ist der Komfort. Mein Mercedes ist mit 1,7 Tonnen Gewicht, knapp 190 PS und feiner Achtgang-Automatik schon sehr komfortabel und (außer bei Kickdown) auch sehr ruhig. Da liegt die Meßlatte schon recht hoch, aber der 1,5 t schwere Jeep toppt das deutlich. Gefahren bin ich auch aufgrund des Verkehrs ausschließlich im eco-Modus. Damit geht er zwar zügig, aber die Hölle bricht nicht los. Motorgeräusch ist nicht vorhanden und es gibt natürlich auch keine Schaltpunkte. Ein Tritt auf das Strompedal und der Wagen zieht völlig unaufgeregt und gleichmäßig los.
So hat man aber natürlich auch keine Rückmeldung mehr über die Geschwindigkeit. Wie früher nach Gehör und Gefühl fahren geht nicht. Der Blick auf den Tacho ist Pflicht.
Wenn man im Modus “D” auf das Bremspedal tritt, wird rekuperiert und damit Energie zurück in den Akkus geladen – und zwar ziemlich viel. Die echten Bremsen greifen verblüffend spät ein. Der Übergang ist spürbar, aber nicht störend. Mit vorausschauendem Fahren kommt man fast ohne “richtiges” Bremsen aus.
Das Auto ist sehr komfortabel gefedert. In Kombination mit dem Akkubedingt hohen Gewicht ist auch schlechtes Kopfsteinpflaster sehr erträglich. Die Verarbeitung ist gut – nicht klappert.
Mein Gesamteindruck: Mehr Komfort geht kaum.
Als Besonderheit muss ich noch das etwas schräge Blinkergeräusch nennen. Es klingt wie ein Schlagzeug mit Standard 120 bpm Disco-Beat: Bassdrum, Snare, Bassdrum, Snare, …
Je nach persönlicher Stimmung lustig oder nervig. Auf jeden Fall doof, wenn man gleichzeitig Musik hört.
Ganz kurz – der Kram interessiert mich nicht. Es war ziemlich viel Zeug eingebaut. Elektrische Sitzheizung, Totwinkelwarner und elektrische Heckklappe habe ich bemerkt, kann aber sehr gut ohne leben. Wen das im Detail interessiert, der schaut am Besten bei Jeep nach.
Verbrauch, Ladeleistung, …
Dazu kann ich auch nur auf Tests verweisen. Geladen kann mit 11 kW an AC und mit 100 kW an DC. Mir wurde zwischenduch mal ein Verbrauch von 23 kW/h pro 100 km angezeigt, aber davon mag bei Kurzstrecke recht viel auf Heizung/Sitzheizung gehen. Das Ganze bei 5 Grad Außentemperatur und es war trocken. Jens, vom Youtubekanal Move Electric hat im Sommer in der Stadt 12,3 kW/h und bei 130 km/h auf der Autobahn mit Klimaanlage (30 Grad) 19,2 kW/h verbraucht. Ähnliches habe ich von anderen Testern gehört und gelesen
Im Gegensatz zur ersten Version verbraucht die aktuellen Version der Stellantis-Platform deutlich weniger, sie lädt schneller und man kommt deutlich weiter. Das würde meinen Mindestanforderungen genügen. Klar – mehr wäre nett, aber kostet auch erheblich mehr Geld. Und chinesische Autos zum gleichen Preis können es auch nicht besser.
Zeit für ein kurzes Fazit.
Was ist dieses Auto nicht?
Der Jeep Avenger ist nicht die Spur sportlich.
Und er ist nicht schnell. Bei 150 km/h wird abgeriegelt.
Und geräumig ist es auch nicht. Er wirkt groß, ist aber tatsächlich ein Kompaktwagen.
Und er ist kein Jeep. Kein Allradantrieb, mit 20 cm Bodenfreiheit gerade mal Schlechtwegetauglich und mangels Anhängerkupplung kann man auch den Pferdeanhäger nicht vom Gestüt ziehen.
Was ist diese Auto?
Es ist extrem entspannt. Selbst im Vergleich zu meinem Mercedes ist der Komfortlevel hier noch mal deutlich höher.
Es ist kompakt und übersichtlich. Mit nur 4,08 m verliert die Suche nach Parklücken ihren Schrecken.
Der Jeep ist Schick, obwohl er ein SUV ist. Ich finde das Design wirklich total gelungen. Sowohl außen, wie auch innen.
Er ist komplett ausgestattet. Mir fällt wirklich nichts ein, was hier fehlen würde.
Wäre das ein Auto für mich?
Ich mag keine SUV. Wirklich nicht. Diese ganzen Dickschiffe sind meist hässlich, klobig und mir schon aufgrund der Masse unsympathisch. Den kleinen Jeep finde ich aber schick. Der ist schön kompakt, ein rollendes Sofa. Super ausgestattet, fährt toll. Sehr sympathisches Fahrzeug. Kann ich mir vorstellen.
Und der Preis?
Tja, Elektrofahrzeuge und Geld… Mein Testfahrzeug hat mit Komplettausstattung laut Liste von Dezember über €44.000,- gekostet. Das wäre mir deutlich zuviel. Aber mit der bereits weitgehend kompletten Grundausstattung liegt der Avenger unter €40.000. Und nach dem Wegfall der E-Auto Förderung wird der Markt ohnehin gerade neu ausgehandelt und vermutlich deutlich nach unten korrigiert. Mal schauen, wo wir im März sind…
“…aber als Verbrenner kostet der 10.000 weniger!”
Das stimmt zwar – aber dann hat man weniger Ausstattung und einen Downsizing Benzin Motor mit Handschaltung. Mal ganz abgesehen vom Umweltaspekt – das ist vom Geräusch und Komfortlevel mindestens eineinhalb Wagenklassen niedriger. Darauf hätte ich keine Lust mehr.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 24 December 2023 | Gizmos, Retro
In den letzten zwei Monaten des Jahres 2023 konnte ich auf Facebook mitlesen, wie sich ganze Horden von Männern um die 50, wie kleine Jungs benommen haben, die sich fragen, ob sie ihr heiß ersehntes Geschenk zu Weihnachten bekommen werden. Einer davon war ich selbst. Soviel vorneweg – sie haben es bekommen. Und es hat sich tatsächlich ein bisschen so angefühlt wie damals…
Wovon rede ich eigentlich?
Von einem Computer – aber einem sehr speziellen.
Wie die Eine oder der Andere weiß, ist eines meiner Hobbies Retrocomputing. Speziell die 8-Bit Ära der frühen 80er Jahre. Natürlich ist das zum großen Teil Nostalgie, aber auch die Faszination, wieviel man damals schon mit minimalstem technischen Aufwand machen konnte. Die drei ersten Computer, die ich hatte, haben mich nachträglich geprägt:
Zwischen dem Sinclair ZX-81, mit dem ich meine ersten Erfahrungen in Programmierung gemacht habe und meinem geliebten Commodore64, auf dem ich 6502 Assemblerprogrammierung gelernt habe, hatte ich den wunderbaren Sinclair ZX-Spectrum. Auf ihm habe ich mein ersten Computerspiel selbst programmiert. Ein einfaches Jump-and-Run in Basic. Immerhin wäre das fast in der “Happy Computer” abgedruckt worden. Programme zum abtippen waren damals ein großes Ding.
2017 hat eine Gruppe Enthusiasten eine Kickstarter Kampagne aufgelegt, um einen würdigen Nachfolger des ZX Spectrum zu entwickeln. Das ganze Projekt wurde so professionell angegangen, dass sich sogar Rick Dickinson (leider gest. 2018) – der Designer der Original Spectrum Modelle – zur Mitarbeit gwonnen werden konnte. Als I-Tüpfelchen durfte das Projekt sogar den Original Sinclair Schriftzug verwenden.
Die erste Kampagne mit ca. 3.000 Rechnern hatte ich leider verpasst, aber 2020 wurde aufgrund der großen Nachfrage eine zweite Kampagne gestartet. Ca. 5.200 Projektunterstützer haben sich eingeschrieben und die ca. €400,- im Voraus überwiesen. Diesmal war ich dabei, in der irrigen Annahme, dass es diesmal schneller gehen müsste, weil der Rechner ja bereits fertigentwickelt ist.
Das wahr wohl nichts!
Erst kam Corona, dann die Chip-Krise, dann war ein zentrales Bauteil nicht mehr verfügbar und die Platine musste umdesignt werden. Alle paar Monate gab es Nachricht, warum es jetzt wieder zu Verzögerungen kommt. Aber in der zweiten Jahreshälfte 2023 wurde es endlich konkret: Die Gehäuse und Tastaturen wurden produziert, die Platinen hergestellt und getestet. Immerhin wurden wir Projektunterstützer über jeden Fortschritt zeitnah informiert. Jetzt stieg die Spannung: Bekommen wir die Rechner noch in diesem Jahr? Für die Unterstützer in der EU und in UK kamen die Rechner in der Adventszeit an. Nach so langer Wartezeit war die Vorfreude bei allen groß.
Und taugt die “Kiste”?
Ich bin zwar was Technik angeht eher der nüchterne Typ, aber das Auspacken des Rechners habe ich tatsächlich in Ruhe zelebriert. Dafür, dass das eigentlich ein Hobbyprojekt war, ist eine unglaubliche Menge an Feinschliff in scheinbar unwichtige Details geflossen – wie z.B. die Verpackung.
Bereits der Hinweis, dass man die graue Umverpackung vorsichtig öffnen soll, wurde im Stil einer Fehlermeldung in ZX Schrifttype aufgedruckt: “R Tape cutting error, 0:1 Do not open with sharp instrument”.
Dann die eigentliche Verpackung: Tolle Produktfotografie, Sinclair Schriftzug, informative Rückseite, hochwertiger Karton.
Nach dem Öffnen musste ich eher an Apple als an Sinclair denken: Der Rechner und eine extra Pappschachtel für das Netzteil sind appetitlich arrangiert. Das Netzteil kommt mit Adaptern für alle möglichen Steckdosen und hat einen Ein/Ausschalter. Der Spectrum Next selbst hat nämlich keinen – wie das Original. Und wie beim Original liegt ein 300 Seiten dickes Handbuch dabei, das eine gute Einführung in die Programmiersprache Basic bietet.
Ist das den jetzt ein richtiger Spectrum?
Ich könnte jetzt spitzfindig sagen: “Nein, denn der Rechner ist viel zu gut”. Das Gehäuse und die Tastatur sind hochwertig. Das kann man vom Original bei aller Liebe nicht behaupten. Außerdem hat der Rechner viel mehr Speicher, massig Schnittstellen, ein SD Karten Laufwerk eine Echtzeituhr und WiFi eingebaut. Ich habe ihn an einen kleinen 9″ HDMI Monitor mit Ton angeschlossen. Das harmoniert ganz hervorragend.
Das Wichtigste: Design und nicht zuletzt das Gefühl sind stimmig.
Es fühlt sich alles “richtig” an. Nach dem Start ist der Rechner in zwei Sekunden einsatzbereit. Man landet zunächst in einem Menu, von dem man zum Dateibrowser, den Einstellungen oder direkt zu den verschiedenen Modi kommt – genannt “personalities”. Das sind neben den “Next” natürlich die originalen Spectrum Modellen 48K, 128, +2 und +3. Aber auch die früheren Sinclair Rechner ZX80, ZX81 und sogar ein CP/M Modus ist vorhanden. Um sich komplett zurechtzufinden, braucht es durchaus etwas Zeit.
Ich habe mich daher erst einmal um den 48K Modus gekümmert, weil der meinem damaligen Spectrum entspricht. Die Spiele, die ich zunächst ausprobiert habe, laufen alle einwandfrei.
Danach habe ich mich dem Basic zugewandt, weil ich schon von zwei Freunden gefragt wurde, ob ich mein Spiel von damals noch habe. Ich habe es nicht, aber es sollte nicht allzu aufwändig sein, dieses oder ein ähnliches neu zu schreiben.
Die Eingabe von Basic Programmen ist auf dem Spectrum schon sehr besonders. Man hat einen Zeileneditor in den unteren beiden Bildschirmzeilen (der Bildschirm zeigt 32 x 24 Zeichen). Ein einzelner Tastendruck bringt nicht unbedingt einen Buchstaben, sondern je nach Modus auch Sonderzeichen, Grafiksymbole oder ganze Befehle wie “PRINT” auf den Bildschirm. Dementsprechend ist die Tastatur bis zu fünffach belegt und alles ist auf die Tasten aufgedrukt.
Ich könnte jetzt stundenlang weiterschreiben, obwohl ich erst an der Oberfläche des ZX Spectrum Next gekratzt habe. Zum Beispiel über die Musikfähigkeiten, die Onlinedatenbank, den eingebauten Bildschirmtextartigen Onlinedienst. Aber in Kurzform:
Der ZX Spectrum Next ist ein faszinierendes Stück Technik mit einer spannenden Mischung aus historischer und aktueller Technik.
Er fühlt sich an, wie ein richtiger ZX Spectrum.
Im Moment versuche ich ein Spiel in Basic zu entwickeln. Vielleicht schreibe ich dazu eine kleine Artikelserie. Mal sehen.
“Das klingt Klasse! Ich will auch so einen haben.”
Falls Du, geneigter Leser auch so einen schönen modernen Retrocomputer haben möchtest, muss ich Dich leider enttäuschen. Das ist leider kein normales Produkt, dass man bestellen kann. Entweder Du findest einen auf eBay oder wartest, ob es noch eine dritte Kampagne geben wird.
Wenn Du aber auf das tolle Gehäuse verzichten kannst, bleibt noch die Möglichkeit, die Software auf einem anderen FPGA Board laufen zu lassen. MISTer, X-Berry π(pi) und N-GO sind kompatibel, wobei letzterer sogar in ein Original Spectrum Gehäuse passt. Und die Gehäuse bekommt man problemlos als Ersatzteil.
Das Zentrum meines kleinen Heimstudios ist seit einigen Jahren das Masterkeyboard Arturia Keylab 88. Die Tastatur von Fatar hat 88 gewichtete Tasten mit Hammermechanik und kommt vom Spielgefühl sehr nahe an ein Klavier heran. Das Gehäuse ist aus Metall mit Seitenteilen aus Holz. Alles ist solide, schwer und hochwertig – bis auf die Drehknöpfe und Schieberegeler.
Die Kunststoffknöpfe sind nämlich mit Softlack behandelt. Im fabrikneuen Zustand fühlt sich das ganz gut an. Nach wenigen Jahren wird die Oberfläche aber extrem klebrig und eklig. Ungefähr so, als ob man im Sommer in seine seine Tasche fasst und feststellt, dass da seit drei Monaten ein paar Gummibärchen Staub sammeln. Bäh!
Die Suche in der allwissenden Müllhalde ergab, dass man den Softlack auf verschiedene Weisen herunterbekommt. Ich habe mich für Isopropylalkohol entschieden, weil ich den zufällig im Hause hatte. Einfach mit einem in Alkohol getränkten Tuch hart abrubbeln. Nach dem dritten Durchgang hatte ich endlich alles runter. Der Trägerkunststoff fühlt sich sogar ganz angenehm an. Ich weiß gar nicht, weshalb Arturia den überhaupt beschichtet hat. Egal – jetzt ist wieder alles schön.
Und da ich schon mal dabei war, mein Heimstudio zu überarbeiten, habe ich mir endlich auch einen professionellen Keyboardständer gekauft. Der K&M 18820 “Omega Pro” ist so stabil, dass man darauf vermutlich auch einen Steptanz aufführen könnte. Selbst die zweite Ebene ist sehr stabil. Dort habe ich auf einer Leimholzplatte den Musikcomputer samt 22″ Monitor, Tastatur und Audiointerface aufgestellt. Die Kabel habe ich entlang des Gestells geführt. Der Drahtverhau unter dem Keyboard ist somit endlich Geschichte.
Jetzt kann ich ordentlich in die Tasten hauen und ein paar neue Songs basteln.
Wie schon im letzten Jahr, war ich auch in diesem Jahr wieder für ein paar Tage in London. Einer meiner Jugendfreunde lebt dort und sein Geburtstag war Anlass genug um sich in der Metropole mal wieder blicken zu lassen. Obwohl ich die Stadt bereits zum vierten Mal seit 2018 besucht habe, konnte ich wieder viele interessante Orte und Dinge entdecken.
London City Airport – spektakulär und empfehlenswert
Wie bereits 2022 bin ich mit British Airways zum London City Airport in den Docklands geflogen (London hat 5 Flughäfen, die man von Berlin auch alle erreicht). Diesmal bin ich auch von dort abgeflogen und kann es nur empfehlen. Der Flughafen ist klein, schnell und es gab nicht eine Minute Verspätung. Zudem sind die für die Strecke eingesetzten kleinen Embraer 190 sehr komfortabel.
Den spektakulären Anflug knapp vorbei an den Hochhäusern der City und der Docklands hatte ich im letztjährigen Artikel (London, Oktober 2022) bereits beschrieben.
Der Start ist auch sehr speziell: Die Startbahn, die zwischen zwei ehemaligen Hafenbecken liegt, ist mit 1500m extrem kurz. Der Flieger steht am letzten Ende, links und rechts Wasser. Die Bremsen sind fest angezogen, während die Triebwerke auf Vollast hochgefahren werden. Das ganze Flugzeug vibriert, die Tragflächen kommen schon ins schwingen und dann werden auf einmal die Bremsen gelöst. Wow – so schnell bin ich noch nie in der Luft gewesen! Fast ein Katapultstart.
Wetter
Laut Voraussage sollte es an allen Tagen stark und ständig Regnen. Freundlicherweise hielt sich das Wetter nicht ganz daran und wir hatten zwischendurch viel Sonne und konnten so ausgedehnte Spaziergänge machen. Trotzdem: Es hat jeden Tag geregnet und wir hatten immer um 90% Luftfeuchtigkeit. Alle meine Sachen waren stets klamm.
Der Goldbarren in meiner Hand
Im letzten Jahr hat mich der Besuch in der British Library begeistert, bei dem ich etliche historische Schätze im Original ansehen konnte. In diesem Jahr hatte ich ebenfalls eine besondere Erfahrung:
In der Bank of England einen echten Goldbarren anzufassen und sein verblüffend hohes Gewicht zu spüren!
Ihr wisst schon, diese Dinger, die als Währungsreseve in Fort Knox gestapelt werden, wie bei James Bond. Und eben in der Bank of England. Die haben angeblich über 400.000 Stück davon.
Natürlich kommt man dort nicht in die Tresorkammern. Aber die Bank hat ein Museum, in dem man einen(!) Goldbarren anfassen kann. Das Ding ist natürlich so gesichert, das man ihn nicht mitnehmen und auch nicht etwas davon abkratzen kann.
Der Barren aus 99.5% reinem Gold fühlt sich angenehm an und ist verblüffend schwer, selbst wenn man das eigentlich schon vorher weiß. Es sind satte 13Kg. Und nachdem ich das wusste, habe ich gleich mal den aktuellen Goldpreis gegoogelt. Ich hatte den Gegenwert eines guten Einfamilienhauses in der Hand: ca. €780.000. Puh…
Das Museum ist auch sonst sehr interessant: Alte Münzen, Geldscheine, Schecks und sogar die Gründungsurkunde der Bank of England von 1694. Passend dazu wurde erklärt, wie bis zum 17. Jahrhundert zunächst die Goldschmiede Währungshüter waren und nach einem Staatsbankrott die Zentralbank gegründet wurde. Aber auch die Verstrickung der Bank of England in den Sklavenhandel wurde ausfühlich thematisiert. Auf jeden Fall ein sehr lohnenswerter Besuch.
Freizeitvergnügen
Abends haben wir gerne mal zwei Bier im Black Lion Pub in der Kilburn High Road zu uns genommen. Der Pub sieht klasse aus, die Bedienung ist freundlich und aufmerksam, das Bier schmeckt gut und sowohl Sunday Roast (Rinderbraten mit Yorkshire Pudding) als auch der (die, das?) Cheesy Naan waren lecker.
Am Geburtstag von meinem Freund sind wir Mittags zunächst wie in alten Zeiten eine Runde Billiard spielen gegangen. Wir waren zunächst etwas irritiert, weil sich die Billardsalons alle “Billardclub” nannten. Tatsächlich sind es Clubs, bei denen man Mitglied sein kann. Aber auch als normaler Mensch bekommt man einen Tisch, wenn etwas frei ist. Als wir meinten, wir möchten für eine Stunden einen “Pool Table” haben, wurden wir gleich wieder mit den kleinen, feinen kulturellen Unterschieden konfrontiert: “Ihr meint American Pool?” Ähm – ja. Snooker muss nicht sein.
Ich hatte schon einige Wochen vor der Reise vorgeschlagen, wir könnten uns Livemusik anhören und recherchiert, was so geht. Irgendwas nettes, nicht zu teuer und so halbwegs in der Gegend wo mein Kumpel wohnt. Man will ja nicht nachts müde und evtl. etwas angetrunken durch die ganze Metropole zurückeiern. Ich bin dann auf Larkin Poe im Roundhouse in Camden aufmerksam geworden. Die Gruppe sagte mir nichts, aber zwei Frauen die amerikanischen Southern Rock spielen, fand ich passend.
Besser hätte ich es kaum treffen können. Der Veranstaltungsort ist ein ehemaliger alter Lokschuppen aus dem Jahr 1847(!) unweit des berühmten Camden Market. Tolle Location! Das Eröffnungskonzert haben 1966 übrigens Pink Floyd gegeben und seit dem haben so ungefähr alle hier gespielt: Stones, Bowie, Led Zeppelin, Doors, Motörhead, Kraftwerk, …
Passend zu Geschichte des Ortes habe ich mich bei der Vorgruppe The Sheepdogs spontan um 50 Jahre in die frühen 70er gebeamt gefühlt: Southern Blues Rock (obwohl sie aus Kanada sind) im Stile von Allman Brothers, Creedence Clearwater und so weiter. Und die Optik war ebenfalls im 70er Stil. Vor allem sind die Jungs gut! Und das Londoner Publikum hat das gewürdigt. Spätenstens beim zweiten Song waren alle gut dabei, wie das in Berlin häufig nur beim Hauptact der Fall ist.
Larkin Poe waren eine Spur heftiger und moderner im Sound und haben den Saal ordentlich gerockt. Zwischendurch gab es auch einen rein akustischen Part zu dem sich alle vier Musiker um ein Mikro gruppiert haben um reinsten Südstaaten Blues zu spielen. Als das Publikum schon gut in Schwung war, lobte Sängerin Rebecca Lovell die britische Rockmusik um dann Elton Johns “Crocodile Rock” zu spielen. So ungefähr der ganze Saal (ca. 1000 Besucher) hat laut und deutlich mitgesungen. Das nenne ich mal eine gelungene Hommage an die Gastgeber!
Ich hatte eigentlich auch aufgrund des verträglichen Preises von ca. £32,- eher mit einem netten Abend in einem etwas größeren Club gerechnet. Bekommen haben wir ein großartiges Rockkonzert. Klasse!
Überhaupt – Musik…
An den unmöglichsten Stellen stehen in der Stadt Klaviere herum: Im Bahnhof, im Einkaufszentrum und so weiter. Und wenn sich da jemand dransetzt, kann diese Person auch sehr gut spielen. Egal wo ich in London bisher jemanden habe musizieren hören (Pub, Bahnhof, Strassenmusikanten, …) – das Niveau ist stets exzellent gewesen. Und falls Ihr jemals an der Abbey Road seid: Lasst das Foto auf dem Fußgängerüberwegs bleiben. Ich bin da 20 mal mit dem Bus vorbei – immer dasselbe: Die Touristen verstopfen da andauernd die Strasse und ein gutes Foto wird es eh nicht.
Der Norden: Hampstead / Golders Green / Fortune Green
Den Sonnenschein am Dienstag haben wir genutzt, um den Norden Londons zu erwandern. Wir sind zunächst von Süden nach Norden durch den riesigen, hügeligen und wilden Landschaftspark Hampstead Heath gelaufen. Dabei haben wir wieder den grandiosen Ausblick vom Parliament Hill über die Innenstadt genossen (Foto von letztem Jahr hier: London, Oktober 2022), sind an malerischen Teichen, knorrigen alte Bäumen vorbeigelaufen und sind von Ausblicken auf Teile Londons, die wie verträumte Kleinstädte in kleinen Tälern im Wald zu liegen scheinen, überrascht worden.
Danach sind wir nach Westen zur Hampstead High Street gelaufen. Auch hier viel Grün und Kleinstadtfeeling. An den Läden merkt man, dass Geld hier absolut kein Problem für die Bevölkerung ist. Alles klein, fein, tippi-toppi. Das war genau richtig um ganz entspannt eine kleine Stärkung in einem schnuckeligen Cafe einzunehmen, bevor ich mir eine Besonderheit angesehen habe, die mich seit meinem ersten London Besuch 1980 interessiert hat: Die tiefste U-Bahn Station in London.
Die 1907 eröffnete Station Hampstead der Northern Line liegt fast 60m tief. Sie hat daher keine Rolltreppen sondern nur Aufzüge und eine Treppe für Notfälle. Während die Eingangshalle oben und der Tunnel unten immer noch fast im schicken Originalzustand und gut gepflegt sind, macht der Treppenschacht schon optisch sehr deutlich, dass man die 320 Stufen bitte nur im Notfall benutzt werden sollte: Keine Verkleidung der Metallwand und in der Mitte lärmt der Ventilationsschacht.
320 Stufen in die Tiefe – ich habe die “Umdrehungen” nicht gezählt.
Von hier aus fuhren wir 1 1/2 Stationen in Richtung Norden nach Golders Green.
Ups – woher kommt die halbe Station?
Eigentlich sollte es zwischen Hampstead und Golders Green noch die Station Old Bull and Bush in fast 70m Tiefe unterhalb des Golders Hill geben. Aber weil die darüber geplante Siedlung nie gebaut wurde, gibt es die Station nur im Rohbau.
Am Auslauf des Golders Hill kommt die Northern Line ans Tageslicht. Und kurz hinter den drei(!) Tunnelportalen liegt die Station Golders Green und ein Betriebshof der Tube. Man merkt deutlich, dass dieser Stadtteil erst mit der U-Bahn kurz vor dem ersten Weltkrieg angelegt wurde. Die ehemalige Dorfstraße ist von dreigeschossigen Wohnhäusern gesäumt, die kleine Läden im Erdgeschoss haben und der Rest sind recht großzügige Doppelhäuser mit Garten. Nicht die sonst üblichen Reihenhäuser.
Von hier aus sind wir mit dem Bus wieder nach Süden zum Fortune Green gefahren. Diese ehemalige Gemeindewiese sollte Ende des 19. Jahrhundert komplett bebaut werden, aber die Anwohner haben damals die Fortune Green Preservation Society gegründet und einen Teil gerettet. Da musste ich sofort an den kautzigen Song We Are The Village Green Preservation Society denken, mit dem Kinks 1968 die englischen Besonderheiten und Spleens auf die Schippe nahmen. Ich habe den Song auch dann nicht mehr aus dem Kopf bekommen, als wir über den daneben liegenden Hampstead Cemetery gelaufen sind. Sehr alt und wild. Nachts bei feuchtem, nebligen Wetter ist das die perfekte Kulisse für Horrorgeschichten.
Stadtumbau
London gehört zu den teuersten Städten der Welt. Ich finde es recht erstaunlich, dass immer noch der größte Teil des Stadtgebietes aus kleinen Reihenhäusern besteht. Weniger erstaunlich ist es hingegen, dass auch sehr viel Stadtumbau mit wirklich großen Hochhäusern durchgeführt wird. Nicht nur Bürogebäude in der City, sondern auch Wohnhochhäuser. Ich habe extrem schrecklich Gegenden gesehen (Docklands), ziemlich schreckliche (neben dem Millenium Dome) und schreckliche (Vauxhall, neben dem MI6) und rund um das ehemalige Kraftwerk Battersea.
Ein eher gelungenes Gebiet für Stadterneuerung liegt sehr zentral in Kings Cross. Drei der größten Bahnhöfe Londons liegen auf nicht einmal 700m nebeneinander an der Euston Road: Euston (hässlicher Zweckbau aus den 60ern), St. Pancras (unglaublich protziger “Barock” in rotem Backstein) und Kings Cross (Schlichte Fassade aus gelbem Backstein mit zwei gigantischen Torbögen).
St. Pancras und Kings Cross liegen direkt nebeneinander und teilen sich den größten U-Bahnknotenpunkt der Stadt. Die Gleisanlagen laufen nach Norden ca. im 35 Grad Winkel auseinander. Das V-förmige Gebiet dazwischen wird vom Regents Kanal durchzogen und war früher Umschlagplatz für Kohle, Standort eines Gaswerkes, sowie für kleine Industriebetriebe. In dieser lauten schmutzigen Gegend wohnten auch noch viele arme Menschen, weshalb die 1906 eröffnete U-Bahnstation Yorck Road ab 1918 zunächst teilweise und ab 1932 komplett geschlossen wurde.
Man mochte die Herrschaften, die in die Vorort pendelten nicht unnötig den Kontakt mit armen und schmutzigen Menschen zumuten…
90 Jahre später ist hier ein neuer Stadtteil entstanden – und er funktioniert verblüffend gut. Das liegt vor allem an seinen Widersprüchen: Zentral und belebt, aber ruhig. Moderne Neubauten, aber die industrielle Vergangenheit nicht komplett abgeräumt. Dicht, aber mit genügend Freiflächen, Wasser und sogar etwas Grün. Sehr verkehrsgünstig, doch ohne Straßenverkehr.
Zudem gibt es eine gute Nutzungsmischung: Sehr viel Bürofläche für so ‘unbedeutende’ Firmen wie Google, Meta, Samsung diverse AI-Firmen usw.. Daneben ist ein sehr großes Gebäude mit Colleges für Kunst, Design und Theater. Es gibt sehr viele Wohnungen; Teilweise Apartements für etliche Millionen, aber auch 30% sozialer Wohnungsbau (was immer das in London bedeutet) und sogar Studentenwohnheime. Entlang des Regent Kanals gibt es auch etlich Liegeplätze für Hausboote. Auf dem Gelände findet sich viel Gastronomie und etwas Einzelhandel. Herausgekommen ist ein recht angenehmer Ort, der versucht, die Historie mit einzubeziehen. Der Ort ist recht belebt, aber ruhig.
London wäre aber nicht London, wenn nicht ein paar Strassenblöcke weiter an einer Hauptstraße ein winziger Durchgang wäre, in der man sich plötzlich in das Jahr 1880 zurückversetzt fühlt.
Wir haben noch etliche andere Dinge gesehen. Zum Beispiel bin ich zum ersten Mal durch den Hyde Park gelaufen oder habe mir den Flohmarkt in der Portobello Road angesehen. Den halte ich übrigens für maßloß überbewertet. Ich meine, er ist ganz nett, wenn man gerade mal in der Gegend ist. Muss jetzt aber auch nicht sein. Da finde ich den Flohmarkt am Mauerpark in Berlin spannender.
Ich kann aber jetzt nicht jede Kleinigkeit aufzählen, die wir gemacht haben, sonst wird dieser Artikel ja nie fertig. Darum komme ich jetzt mal zum…
Fazit
Innerhalb von 5 Jahren war ich jetzt vier mal in London. Jedes mal für mehrere Tage mit straffem Programm. Ich halte mich meist etwas Abseits von den üblichen Sightseeing Routen, aber ich habe immer jede Menge interessanter, skurriler, historisch bemerkenswerter oder einfach nur unterhaltsamer Orte gefunden. Die Stadt wird einfach nicht langweilig. Und dabei habe ich noch nicht mal mit Kunst oder Theater angefangen…
Leider ist sie so unfassbar absurd teuer, dass man das eigentlich nur als Tourist genießen kann – oder man ist wirklich reich. Und ich meine REICH! Ein Jahreseinkommen von läppischen £100.000,- reicht jedenfalls nicht für eine einigermaßen akzeptable Wohnung.
Aber das wird mich nicht abhalten, dort auch im nächsten Jahr mit meinem Kumpel Geburtstag zu feiern. Ich komme wieder!
Am Samstag brachte mir der Postbote die Eintrittskarten für das Konzert von Orchestral Manoeuvres In The Dark im Februar 2024 in Berlin. Und um die Vorfreude noch ein wenig anzufachen ist heute auch noch die neue OMD Platte bei mir eingetroffen: Bauhaus Staircase.
Der Titel bezieht sich auf ein Gemälde von Oskar Schlemmer aus dem Jahre 1932. Überhaupt habe ich beim Hören das Gefühl keine Schallplatte, sondern eine Zitatsammlung aufgelegt zu haben – sowohl inhaltlich, als auch musikalisch.
OMD war ja schon in den 80ern dafür bekannt, dass sie abwechselnd gar liebliche Melodeien (“Maid of Orleans”, “Secret”, “Forever Live And Die”) und thematisch eher sperrige Werke voller Anspielungen (“Enola Gay”, “Dazzle Ships” etc.) mit teils recht eigenwilligen Soundcollagen veröffentlicht haben.
Ich liebe sie für beides.
Im aktuellen Werk wird man keine schlichten Liebeslieder finden. Dafür in den Songs “Bauhaus Staircase” und “Veruschka” Referenzen und Verweise auf deutsche Künstler. Und in anderen Songs düstere Texte, die Bezug auf den Zustand unserer westlichen Demokratien (“Kleptocracy”), das Anthropozän und sein vermutliches Ende (“Anthropocene” und “Evolution of Species”) nehmen.
Und die Musik? Handwerklich natürlich Profiarbeit, wie man es von einer Gruppe, die es seit 45 Jahren gibt zu Recht erwarten kann. Der Titelsong geht gut vorwärts und ich kann nur empfehlen, dazu das hervorragende Video anzuschauen. Der letzte Titel “Healing” ist schön und melancholisch.
Der Rest der Platte pendelt zwischen routiniertem Songwriting und dreistem Zitat. Etwas musikalische Vorbildung und Humor helfen beim Hören. “Look At You Now” klingt für mich wie gruseliger, deutscher 90er Jahre Schlager. “Slow Train” ist eine freche Interpretation von Alison Goldfrapps “Ooh La La”. Der nächste Song auf der zweiten Seite weist mit dem Synthi-Intro und dem Titel “Don’t Go” sehr direkt auf Yazoo hin und das Intro von “Kleptocracy” scheint mir doch recht deutlich von Depeche Modes “Boy say go!” inspiriert zu sein, aber das ändert sich nach ein paar Sekunden; Der Titel treibt jedenfalls gut vorwärts.
Unter dem Strich nicht das stärkste Album von OMD, aber bei weitem auch nicht fade. Schön zu hören, dass sie immer noch gute Songs schreiben können und Andy McCluskey noch so gut bei Stimme ist.
Ich freue mich schon mächtig auf das Konzert im Februar.
Vom 22. bis zum 24. September fand die Web Engeneering Unconference in Palma de Mallorca statt. Bereits im letzten Jahr bin ich zu dieser Veranstaltung gereist, hatte damals eine ordentliche Portion Skepsis im Gepäck und wurde sehr positiv überrascht (siehe: “Web Engineering Unconference 2022“). Soviel vorneweg: Auch in diesem Jahr hat sich die Teilnahme für mich gelohnt.
Natürlich ist Mallorca stets eine Reise wert aber das Besondere der WEUC liegt nicht nur am Ort, sondern vor allem an der Art der Veranstaltung. Die Teilnehmerzahl ist auf 100 begrenzt. Teilweise kennt man sich schon seit Jahren, es sind aber auch viele neue Gesichter dabei gewesen. Jeder kann ein Thema mitbringen und vorstellen. Daher weiss man im Vorfeld auch nicht, was für Vorträge oder Diskussionsrunden zu erwarten sind. In diesem Jahr hatte ich auch einen Vortrag vorbereitet, den ich erfolgreich gehalten habe – dazu weiter unten mehr.
Da der Teilnehmerkreis mittlerweile sehr international ist, galt das Motto “english only, please!” – und zwar nicht nur für die Vorträge, sondern auch, beim gemeinsamen Essen und Trinken, damit jeder in interessante Gespräche einsteigen kann. Denn davon gab es reichlich.
Socializing
Diese Art Veranstaltung hat immer mehrere Ebenen: Zunächst natürlich die formelle Ebene des Informationsaustauschs in Vorträgen und Diskussionen während des offiziellen Programms.
Und dann gibt es die informelle Ebene: Gespräche zwischen den Pausen, sowie beim gemeinsamen Essen und Trinken. Das ist dann irgendwas zwischen vertiefenden fachlichen Gesprächen, Kontaktpflege und auch purem Spass. Einige Teilnehmer sind zum Beispiel zwischendurch kurz in den Hotelpool gesprungen, bevor die Veranstaltung weiterging.
Ein gemeinsames Abendessen, um den ersten Veranstaltungstag ausklingen zu lassen, gehört dazu. Und die Frage “Are we going to the Shamrock afterwards?” ist schon fast ein Running Gag. Diese irische Kneipe mit Livemusik ist nicht weit entfernt und dafür berüchtigt, dass man super bis in die Morgenstunden feiern kann. Da kommt man schnell in die Zwickmühle zwischen Geselligkeit und dem Ruf der Vernunft. Man muss ja am nächsten Morgen einigermaßen fit sein. Ich bin ja schließlich nicht mehr 20. Oder 30. Oder 40… (oh jeh…)
Technische Themen
An zwei Tagen, in drei parallenen Tracks und 11 Timeslots gab es insgesamt 32 Vorträge und Diskussionen. Aus Platzgründen kann ich hier nur einige nennen:
Alexander M. Turek zeigte in seinem Vortrag “How much database abstraction do i need?” die verschiedenen Ebenen von Datenbankabstraktion und wofür sie am besten einsetzbar sind, am Beispiel von Doctrine.
Ludovic Toison (NFQ Asia) sprach in “From DevOutch to DevOps” darüber, wie man durch vereinfachtes GIT-Branching in Verbindung mit Feature Toggles von relativ langsamen Release Zyklen zu Continuous Deployment kommt.
Dennis Heidtmann (ScaleCommerce) präsentierte in “Smoxy – a new shortcut for better TTFB” einen neuen Smart Proxy, der Load-Balancer, Page-Cache und Imageserver mit einer einfachen, übersichtlichen Nutzeroberfläche verbindet. Somit kann man einen Shop oder eine Symfony basierte Webapplikation sehr einfach erheblich beschleunigen – auch ohne Admin.
Es gab noch viele weitere interessante Themen (Sicherheit in Kubernetes Clustern, Data-Pipelines, was man aus Core-Dump aus gecrashten PHP Prozessen lernen kann etc.), die ich hier gar nicht ausführlich behandeln kann.
Das Top-Thema war natürlich Künstliche Intelligenz. Dazu gab es unter anderem eine Präsentation von Bertrand Lee (BrightRaven.ai) und mehrere Diskussionsrunden im Rahmen der Veranstaltung und in den informellen Treffen am Rande.
Im letzten Jahr gab es noch eine Vorführung der Bild-KIs Dall-E und Midjourney für die staunenden Teilnehmer. In diesem Jahr hatten die meisten bereits selbst mit KI herumprobiert. Die Frage war nicht mehr, ob die Technik genutzt werden wird, sondern nur noch darum wann und wofür sie bereits einsatzfähig ist. Relative Einigkeit herrschte in der Ansicht, dass wir Entwickler schon bald sehr viel anders arbeiten werden. Und der Zeithorizont ist sicher nicht 10 Jahre und vermutlich auch nicht mal 5, sondern eher noch kürzer.
Damit gehen interessante Fragen einher: Der Umgang mit “geistigem Eigentum” (das schreibe ich bewusst in Anführungszeichen, weil ich das Konzept schon immer für dumm gehalten habe), natürlich die soziale Frage, denn frei nach Karl-Marx hat derjenige die Macht, der über die Produktionsmittel verfügt. Und während der Entwickler bisher der Produzent (von Code) ist, wird er im neuen Modell nur noch Nutzer von Wissen sein, das andere bereitstellen. Er wird also vom Produzenten zum Kunden degradiert. Weil das bereits viele verstanden haben, ist in der KI momentan enorm viel Bewegung im Open-Source Bereich, weil die Entwickler ihren Vorteil nicht einfach kampflos den Konzernen übergeben wollen.
Nicht-technische Themen
Für eine Entwicklerkonferenz gab es auch in diesem Jahr wieder viele nicht technische Beiträge.
Maria Adler (Yet another Agency) gab Anregungen, wie man besser und zufriedenstellender mit der weit verbreiteten Ticketsoftware Jira arbeiten kann.
Tobias Schlitt (commercetools) gab Beispiele, wie man Zusammenarbeit und Teamgeist fördern kann, wenn es keine Büro mehr gibt und nur noch remote gearbeitet wird. Denn das tun im e-commerce Bereich mittlerweile ziemlich viele Firmen.
Claudia Bender sprach über “Social Engineering, Cyber Security and Cyber Thread Intelligence”. Das Thema hat mich brennend interessiert, lag aber leider parallel zu einem anderen sehr interessantem Track.
Bei der Vorstellung der Themenvorschläge am ersten Tag sagten nämlich zwei Teilnehmer (die ich hier öffentlich nicht explizit nenne), dass sie gerne über Mental-Health-Probleme sprechen würden, falls das jemanden interessiert. Und darauf hoben sich fast von allen Teilnehmern die Hände. Am Ende wurden es sogar zwei Diskussionsrunden an Tag eins und zwei. Mein Eindruck ist, dass unter ITlern Probleme mit Depressionen und ähnlichem noch deutlich häufiger vorkommen als im Bevölkerungsdurchschnitt. Wir sind aber wohl jetzt an einem Punkt, an dem die Menschen zu verstehen beginnen, dass es sich um ernsthafte Krankheiten handelt, die man nicht einfach langfristig verstecken oder ignorieren kann.
Mein Vortrag
Wie eingangs erwähnt, hatte ich In diesem Jahr auch einen Vortrag vorbereitet. Zu Jahresbeginn fragte ich meinen Arbeitgeber, ob ich etwas zu unseren Erfahrungen der letzten Jahre erzählen darf/soll. Ich bekam grünes Licht und keine Vorgaben.
Herausgekommen ist ein Vortrag mit dem Titel “How to modernise a 12 years old web application – and the whole company”. Im Kern ging es darum, dass man ein für die Firma essentielles Softwareprodukt nicht modernisieren kann, ohne die Organisation drumherum und die Arbeitsweisen neu zu strukturieren.
Zu Beginn ist mir ein peinlicher technischer Fehler passiert, der für 5min Verspätung gesorgt hat und zudem habe ich noch nie einen öffentlichen Vortrag in englisch gehalten. Daher war ich ziemlich nervös. Mir wurde aber hinterher versichert, dass davon nichts zu spüren war und ich souverän rüberkam. Ich möchte mich hier nochmal ganz herzlich bei Alexander M. Turek für seine spontane technische Hilfe danken.
Nach meinem Vortrag und dem Ende der Unconference hat die Zeit noch gereicht, um mit Freunden eine gute Stunde das Strandleben zu genießen, bevor wir später in einem hervorragenden Tapas-Restaurant in der Altstadt ein gemeinsames Abendessen zum Abschied genossen.
An alle, die ich hier nicht explizit erwähnt habe: Ich habe jedes einzene Gespräch genossen und mich während der ganzen vier Tage keine Minute gelangweilt. Es gab unheimlich viele, gute Anregungen. Und selbst wenn ich Themen bereits kannte, konnte ich mich doch bestätigt fühlen, dass wir diese Dinge bei uns in der Firma bereits erfolgreich einsetzen.
Dirk Ollmetzer | Wednesday, 16 August 2023 | Gizmos, Umwelt
Ich habe heute endlich mein (ziemlich teures) USB-C Trauma überwunden.
Die USB Stecker und Buchsen sind seit je her so ein Ding. Irgendwie praktisch, aber sie machen auch ständig etwas Ärger. Die Typ A Stecker für Speichersticks, Tastatur, Maus und Co muss man mindestens dreimal umdrehen muss, bevor sie endlich sitzen. Die Ausrichtung ist bei Typ B Stecken recht eindeutig, dafür sind die vor allem an Druckern und NAS Systemen zu findenden Auschlüsse recht klobig. Die fummeligen Mini-USB Stecker für Kameras und mobile Gadgets muss man auch dreimal umdrehen, bevor sie richtig sitzen.
Heute wird ja meist USB-C verbaut. Die kann man endlich nicht mehr falsch rum in die Buchse stecken. Yippieh! Und es läuft alles über die filligranen USB-C Stecker – sogar Netzwerk und Videosignale und man kann darüber auch noch mit richtig viel Strom Telefone und Tablets schnell laden. Super!
Nur – jetzt fing mein USB Trauma erst richtig an, weil die Dinger immer nach einem Dreivierteljahr kaputt gingen. Kontaktprobleme und irgendwann hielten auch die Stecker nicht mehr in der Buchse.
Mein Smartphone als Navi im Auto ging nur noch kurzfristig, weil das Ladekabel immer rausgerutscht ist, Fotos auf den PC per Bluetooth schieben ist schnarchlangsam und irgendwann liess sich das Telefon auch nicht mehr aufladen.
Zwei – ansonsten sehr gute – Smartphones von Huawei hatten das Problem. Also dachte ich, dass Huawei Buchsen einbaut, die schnell ausleiern. Ist ja auch sehr filigran das Zeug. Das kann ja mechsnisch nicht lange halten.
Allerdings – mein Tablet von Samsung zeigte diese Ausfallerscheinung nicht. Im Gegenteil – der Stecker rastet immer noch spürbar ein und alles funktioniert tutti! Mein nächstes Telefon war folgerichtig von Samsung – und das zeigte jetzt nach einem knappen Jahr die selben Ausfallerscheinungen.
HRRGTTNCHML !!!!
Jetzt wollte ich nicht schon wieder ein neues Telefon kaufen und habe stattdessen mal etwas nachgedacht und recherchiert. Der wichtigste Unterschied zwischen meinem Tablet und den Smartphones ist nämlich nicht der Hersteller, sondern dass ich das Smartphone dauernd in der Hosentsche habe. Und da sind viele feine Fussel, die sich in der Buchse festsetzen.
Nun bin ich ja nicht völlig aus Dummsdorf und hatte die Buchsen schon mal gereinigt – dachte ich zumindest. Aber eben nicht richtig. Reinpusten und etwas mit ‘ner kleinen Bürste rumfuhrwerken reicht einfach nicht.
Die Lösung: Zahnstocher
Die haben genau die richtige Dicke für die Buchse, sind spitz, aber aus weichem Holz. Können keinen Kurzschluss auslösen und sind nicht scharf genug um irgedwas kaputt zu kratzen.
Damit bin ich richtig fies und tief in die Ecken gegangen und habe massig Flusen aus der Buchse geholt. Das muss man sich natürlich erst mal trauen. Ich hatte erst Angst, irgendwelche mikroskopisch kleinen Bauteile von der Platine zu hebeln, aber die liegen wohl geschützt hinter der Buchse. Die Behandlung habe ich zunächste bei dem Huawei gemacht (das hatte ich schon als Elektroschrott abgeschrieben). Ergebnis: Der Stecker rastet wieder ein, das Gerät wird richtig aufgeladen. Super!
Danach dasselbe mit dem Samsung – läuft!
Wunderbar. Ich hatte nämlich so langsam keine Lust mehr, neue Telefone zu kaufen. Geld gespart und die Umwelt geschützt.
Wenn Ihr das nachmachen wollt: Zahnstocher aus Holz! Auch keinen Fall irgendwas aus Metall. Das kann das Telefon kurzschliessen. Bestenfalls geht es dann kaputt, schlimmstenfalls auch der Akku.
Letztes Wochenende fand in Berlin das Pure & Crafted Festival statt. Ich weiss gar nicht so genau, was das so ganz genau sein soll. Irgendwas mit Musik, hip und angesagt sein, Urban Streetstyle, Skateboards und Custom Motorrädern und so was. Das fand sogar halbwegs bei mir in der Nähe statt, aber ich bin nicht hingegangen.
Was sich jetzt als etwas schade herausgestellt hat. Haupsponsor scheint BMW Motorrad gewesen zu sein. Was passt, weil BMW die meisten seiner Motorräder in Berlin Spandau baut. Die kommen nämlich gar nicht aus Bayern :-)
Das alleine wäre für mich natürlich noch kein Grund gewesen, aber BMW hat dort der internationalen Fachpresse sein neues Elektromotorrad vorgestellt: Die CE 02.
Ich hatte erst vor vier Wochen, die Gelegenheit, die CE 04 zu fahren. Das ist ein Elektro Motorroller, der auf mich einen guten und vor allem praxistauglichen Eindruck gemacht hat (siehe “Das leiseste Motorradfestival der Welt: Reload.Land“). Und er ist mit einem Einstiegspreis von €13.000,- zwar ziemlich teuer, aber nicht mehr völlig unbezahlbar. Insbesondere, wenn man ihn mit anderen Großrollern der 400ccm Klasse vergleicht.
Jetzt kommt also die CE 02 (naja, ab der 2024er Saison). Die ist sowohl leistungs- als auch preismäßig deutlich unterhalb des CE 04 positioniert. Und es kein Roller, sondern… tja – was eigentlich genau? BMW nennt es “eParkourer”, was ich für ziemlichen Kokolores halte. Am Besten schaut man mal kurz die Bilder* an.
Egal, was die Presseabteilung von BMW zusammenschreibt – mein erster Gedanke war:
“Geil – endlich gibt es die Honda Monkey in elektrisch!”
Es ist ein Moped – bzw. eine kleine “125er” mit knubbeligen 16″ Reifen. Es wird nämlich zwei Versionen geben: Eine Version mit 4kW und 45km/h Höchstgeschwindigkeit für Führerscheine AM, bzw. B und eine Version mit 11kW und 95km/h Höchstgeschwindigkeit für Führerscheine A1 und B mit der 196 Erweiterung.
Wenn man genau hinsieht, merkt man, dass BMW ordentlich in das Teileregal gegriffen hat. Sowohl die komplette Hinterradaufhängung mit Mono-Federbei und Zahnriemenantrieb, als auch die Gabel vorne scheinen vom CE 04 Roller zu stammen. Der Rahmen ist sehr viel kürzer und natürlich sind Motor, Akku und die Elektronik anders. Das sorgt für vergleichsweise günstige Preise (dazu komme ich gleich) und das Ergebnis finde ich frisch und niedlich.
Das ist jetzt schon das zweite Elektro-Zweirad von BMW, das fast genauso aussieht, wie die ursprünglichen Skizzen der Designer. Die trauen sich was und ich finde das gut.
Verkalte alte Männer hassen das!
Ich habe einige Videos gesehen. Was da teilweise in den Kommentaren los war, ist einfach nur noch traurig. Sehr viel ätzendes, völlig unsachliches Genörgel “Katastrophe”, “sinnbefreit”, “wenn das die Zukunft ist, dann lasst mich sterben”, “Klappstuhl aus dem Baumarkt”, “E-Bike Schrott”, “Moped für die letzte Generation” und so. Tiefpunkt war “Ohne Worte…. Amtssprache ist immer noch deutsch”. Ja klar – auf einem internationalen Presseevent…
Was ist denn da los?
Bloß weil man XY Chromosomen hat und vielleicht nicht mehr der jüngste, muss man doch nicht automatisch flexibel wie ein Basaltblock sein und verkalten Scheiss labern, oder?
Natürlich spricht weder das Design, noch das Konzept jeden an. Soll es ja auch nicht. Man kann ja auch sachliche Kritik anbringen: “95 km/h ist zu wenig für die Autobahn”, “Für meine 400km Touren taugt das nicht”, “welcher 16 Jährige kann sich denn €8.500,- leisten” oder wenigstens “mir ist das nix”. Alles valide.
Nur – ich bin ziemlich sicher, dass das viele eben doch interessant finden. Vielleicht gerade Menschen, die herkömmliche Motorräder nicht mögen oder das als lustiges Zweitfahrzeug für kurze Strecken sehen.
Und ob €8.500,- viel sind, ist relativ. Klar gibt es Akkumotorräder aus China günstiger – aber nur etwas und meist haben die kein ABS. Natürlich bekommt man auch 125er Verbrenner neu für €3.500,- nur hat man dann eben eine laute, vergleichweise lahme Rappelkiste. Auf der anderen Seite haben verblüffend wenige Menschen Probleme, ein Pedelec für €5.000,- zu kaufen.
Ich sehe, dass die Sur-Ron Ultra Bee für €7.500,- zumindest in halbwegs ähnlichen Sphären liegt. Und für mich wären eher folgende Fragen wichtig: “macht es Spass?”, “kann ich das problemlos aufladen?”, “bekomme ich Ersatzteile?”
Ich stelle mich jedenfalls schon mal für eine Probefahrt an…
*) Die Bilder habe ich von der BMW-Website, aber ich hoffe, dass das ausnahmsweise mal in Ordnung ist, wenn ich mich mit dem Produkt auseinandersetze. Falls nicht, liebe Rechtsabteilung von BMW: kurze Nachricht und ich lösche den Artikel.
Den Satz mit ungläubigem Blick habe ich mir neulich auf dem Weg ins Büro eingefangen. Wer mir auf Facebook folgt, kennt die Geschichte bereits. Für mich war das Anstoß zu diesem Artikel. Ich hätte ihn auch so betiteln können:
Von Fahrrädern auf der Autobahn, Händen auf dem Asphalt und meiner Allergie gegen den Begriff “Verkehrswende”.
Am ersten Juni Wochenende habe ich in Berlin an zwei interessanten Veranstaltungen zum Thema “Verkehr” teilgenommen. Samstag habe ich das Festival für elektrische Motorräder Reload.Land besucht, mich informiert und Probefahrten unternommen. Darüber habe ich bereits den Artikel “Das leiseste Motorradfestival der Welt: Reload.Land” geschrieben.
Von Fahrrädern auf der Autobahn
Am Sonntag Morgen habe ich mich auf mein Fahrrad geschwungen und bin bei der ADFC Sternfahrt mitgefahren. Das ist eine seit mehreren Jahren stattfindende, angemeldete Demonstration, bei der sichere Infrastruktur für Radfahrer gefordert wird. Die Forderung halte ich für sehr vernünftig, habe aber noch nie an der Sternfahrt teilgenommen.
Ich habe immer nur am Rande mitbekommen, dass das kein guter Tag ist, um sich ins Auto zu setzen und einen Sonntagsausflug zu machen. Auf 20 verschiedenen Strecken mit insgesamt 1000 km Länge fuhren die Demonstranten aus allen Himmelsrichtungen zum Großen Stern im Tiergarten in der Mitte Berlins. Ein Teil (8,5 km) der Strecke führt auch über den südlichen Stadtautobahnring A100 und über die Avus A115 (11,5 km). Ich hatte mich immer gefragt, weshalb denn nun ausgerechnet über die Autobahn gefahren werden muss.
Jetzt weiß ich es.
Zum Einen natürlich wegen der Symbolik und zum anderen werden am Dreieck Funkturm alle Routen zusammengeführt und 50.000 Radfahrer brauchen Platz.
Viel Platz!
So viel Platz, dass selbst die sehr breiten Berliner Hauptstrassen zu eng sind. Lediglich die Stadtautobahn und die Ost-West Achse Bismarckstr. / Straße des 17. Juni sind breit genug für diese Massen. Und trotzdem kam es immer wieder zu Staus. Auf der Autobahn 15 Minuten im Stau zu stehen ist nichts ungewöhnliches. Auf der Autobahn mit dem Fahrrad 15 Minuten im Stau zu stehen, allerdings sehr wohl.
Ich fühle mich generell unwohl in Menschenmassen, aber die Veranstaltung war ruhig, friedlich, super organisiert. Die Polizei sperrte die Straßen mit ihren Einsatzwagen und Motorrädern. Und auch die Fahrradstaffel war dabei. Es gab Gott sei Dank nur wenige Leute, die mit lauter Musik unterwegs waren. Und wenn, war es kein Problem, Abstand zu gewinnen. Natürlich hat ein Scherzkeks genau in dem Augenblick “Autobahn” von Kraftwerk (1974) gespielt, als wir in Tempelhof auf die A100 aufgefahren sind. Das Stück dauerte mit 22 Minuten ungefähr so lang, wie die Fahrt von der Auffahrt Tempelhofer Damm bis zur Abfahrt Messe am Dreieck Funkturm.
Wer war dabei? Alle!
Was die Sache angenehm genmacht hat: Es waren alle da. Jede Altersklasse, jedes Geschlecht, Szenetypen, Familien mit Kindern, Rentner auf Torenrädern, Sportler auf Rennrädern, Jugendliche auf Mountain Bikes, die Wheelies machten, Rocker auf vermutlich selbstgebauten Chopper-Fahrrädern im Harley-Stil, Typen auf allen möglichen Arten von Lastenfahrrädern und, und, und. Ein totaler Querschnitt durch die Gesellschaft auf jeder denkbaren Art von Fahrrädern.
Mein Fazit: Das ist eine ganz coole Demo, die bereits optisch klar macht, worum es geht: Es gibt massenweise Radfahrer, die einfach mehr Platz brauchen, als sie jetzt bekommen. Außerdem hatte ich einfach eine gute Zeit und bei bestem Wetter eine nette und sichere 35 km Runde durch die Stadt.
Von Händen auf dem Asphalt
Am darauf folgenden Montag Morgen bin ich zum Büro gefahren – natürlich mit dem Fahrrad. Bei der Annäherung an die Kreuzung Frankfurter Allee / Warschauer Str. sah ich, wie ein quergestellter Bereitschaftswagen der Polizei die Fahrbahn blockiert und daneben eine Person auf der Fahrbahn saß, neben der ein Polizist kniete. Und ich dachte sofort “Oh nein, bitte keinen Unfall mit Fußgänger oder Radfahrer”.
Das war es Gott sei Dank nicht. Es klebten sich mal wieder Leute von der “letzten Generation” auf dem Asphalt fest. Zum X-ten Mal. Es war eine von wer weiß wievielen Aktionen, die seit Wochen massiv den Berufsverkehr (auf den Fahrbahnen) behinderte. Als ich vorsichtig über die gesperrte Kreuzung fuhr kam einer aus der Truppe mit Flyern in der Hand und stahlendem Gesicht auf mich zu. Als ich anhielt und nicht etwa den Flyer nahm, sondern reichlich genervt fragte, wann sie gedenken mit dem Mist wieder aufzuhören blickte ich in ein verwirrtes Gesicht und hörte den Satz “…aber wieso? Du bist doch auch mit dem Rad unterwegs?”
Ich hatte irgendwie keine Lust auf eine Diskussion, sondern wollte nur ins Büro. Möglicherweise war das falsch. Was ich vielleicht hätte sagen sollen:
“Ja, ich fahre mit dem Rad ins Büro. Aber nicht weil ich ein guter Mensch bin, sondern weil ich ein privilegierter Mensch bin.”
Ich wohne nur fünf Kilometer vom Büro entfernt. Das kann ich mir nur leisten, weil ich einen 25 Jahre alten Mietvertrag habe. Das Büro hat eine abschlossene Tiefgarage in der ich mein Rad an massive Stahlbügel anschließen kann. Wir haben hundert, weil 1/3 der Tiefgarage für Fahrräder reserviert ist. Welches Büro hat das schon? Für mich ist das Fahrrad einfach am praktischsten. Gefolgt von Motorrad, ÖPNV und erst ganz zum Schluss das Auto. Natürlich nehme ich da das Fahrrad.
Aber das war in meinem Leben auch schon mal deutlich anders. Damals, als es in Berlin nahezu unmöglich war, an vernünftig bezahlte Arbeit zu kommen, habe ich es mir nicht ganz freiwillig ausgesucht, 300km zu pendeln. Mehrere Male Hamburg, mal Hannover und die Krönung (im negativen Sinn) war es, mit dem Flugzeug nach Zürich zu pendeln.
Und weil ich das hinter mir habe, bin ich mir meines Standortprivilegs absolut bewußt. Ich verstehe, dass es andere eventuell nicht so gut getroffen haben. Junge Familien, die sich in der Stadt keine Wohnung mehr leisten können und an dem notorisch unzuverlässigen ÖPNV verzweifeln. Selbst innerhalb von Berlin kann man so ungünstige Wege zwischen zwei Orten haben, dass man das mit den Öffentlichen einfach nicht machen will. Die Stadt ist immerhin 900 qkm groß und hat mehr als 30 km Durchmesser.
Meine Allergie gegen den Begriff “Verkehrswende”
Dieses Nichtverstehen des “Aktivisten” ist leider typisch. Und es ist einer der Gründe meiner Allergie gegen den Begriff der Verkehrwende. Das scheint für die meisten einfach zu bedeuten “Die Autos müssen alle aus der Stadt raus und wir fahren Fahrrad”.
Natürlich ist es besser, wenn ich eine Fahrt mit dem Fahrrad mache, anstelle mich für die paar km ins Auto zu setzen. Aber diese extrem verkürzte Aussage halte ich für viel zu platt. Wenn das alles wäre, müsste die vorbildliche Fahrradnation Niederlande ja spürbar weniger CO2 Emissionen haben, als Deutschland. Schauen wir mal, was das Umweltbundesamt für das Jahr 2020 dazu sagt.
Deutschland: 8,8t CO2 pro Kopf Niederlande: 9,4t CO2 pro Kopf
“Aber die fahren doch alle Fahrrad????” Hmm, reicht wohl nicht.
Offensichtlich sind die Dinge doch etwas komplizierter. Es geht um Strukturen, auf die der Einzelne nur sehr begrenzt Einfluss hat. Es geht also darum, diese Strukturen zu ändern. Bessere Radinfrastruktur gehört dazu. Aber die rosa Elefanten im Raum, über die niemand redet sind Flächennutzung, Bodenmarkt und Arbeitsmarkt. Und weil der Artikel schon recht lang ist, höre ich an dieser Stelle auf und schreibe meine Bedenken in eine Folgeartikel. In der Hoffnung, dass das für die Eine oder den Anderen ein “Cliffhanger” ist.
Aufgrund der guten Resonanz im letzten Jahr, fand auch in diesem Jahr wieder das Reload.Land Festival für Elektromotorräder statt. Veranstaltet von Mitgliedern des Craftwerk in Berlin Lichtenberg. Das ist ein Treffpunkt für Motorradbegeisterte, Selbsthilfewerkstatt und ein Veranstaltungsort.
Über die erste Veranstaltung im letzten Jahr hatte ich den Artikel “Viele Zweiräder mit Stromantrieb” geschrieben. Ich bin damals das erste Mal elektrisch angetrieben Zweirräder gefahren, die schneller als 45 km/h sind und war begeistert.
Während die Veranstaltung 2022 noch ein etwas improvisierter Testballon war, ist in diesem Jahr alles ein wenig professioneller. Von den kostenlosen Eintrittskarten, über eine schön präsentierte Ausstellung von Custom Elektro Bikes bis hin zu den Ausstellern.
Wer war da – oder auch nicht?
Am “unteren Ende” waren die E-Bike Hersteller Urban Drivestyle und Super 73 leider nicht mehr dabei. Dafür kam am “oberen Ende” ordentlich was dazu. BMW zeigte seinen erfolgreichen Elektroroller CE04, Harley Davidson brachte seine LiveWire Modelle mit (leider nur zum Angucken und Probesitzen) und Energica kam mit seiner ganzen Produktpalette vorbei und bot geführte Touren an. Brekr aus den Niederlanden und RGNT aus Schweden und Zero aus den USA waren auch wieder vor Ort, dafür fehlte Cake aus Schweden.
Besonders gefreut habe ich mich, daß Sur-Ron anwesend war und ein paar schöne Stücke mitbrachte und auch der direkte Konkurrent Talaria zeigte ein neues Modell.
Neben dem lockeren Herumschlendern und Strom schnacken, konnte man natürlich auch wieder viele Maschinen zur Probe fahren. Im letzten Jahr hatte ich das E-Moped von Brekr, A1 Bikes von BlackTea Cake und Ovaobike, sowie die FX/E und die SR/S von Zero gefahren.
In diesem Jahr hatte ich mich auf BMW, Harley Davidson Livewire und Energica gefreut. Aus der Fahrt mit der Livewire wurde leider nichts. Sowohl die bekannte S1 als auch die neue S2 Del Mar waren nur zum Angucken und Probesitzen vor Ort. Schade. In meinen Augen eine vertane Chance. Dafür fand ich die drei Fahrten, die ich machen konnte umso spannender.
Probefahrt Nr. 1: BMW CE04
Ich hatte mich vor ewigen Zeiten bei BMW zu einer Probefahrt des Elektro-Großrollers CE04 angemeldet. Dazu kam es aber nie, weil das Modell stets ausverkauft war. Umso erfreuter war ich, dass BMW nicht nur anwesend war, sondern auch gleich etliche CE04 mitgebracht hat.
Das Design spaltet: Entweder man findet es völlig unmöglich oder man mag das futuristische. Ich neige zu letzterem. Eine Mischung aus Star Wars und Akira ist für ein modernes Elektrofahrzeug eigentlich genau richtig.
Erster Eindruck nach der Annäherung: Solide bis zum geht nicht mehr. Bester deutscher Maschinenbau und auch die Elektronik inklusive hochauflösendem entspiegeltem Display machte einen guten Eindruck und funktionierte tadellos.
Ich musste mich den ersten Kilometer an die Sitzposition gewöhnen. Da ich noch nie einen Chopper oder Großroller gefahren bin, fand ich die Haltung tief zu sitzen und die Füße weit nach vorne zu stellen sehr eigenwillig. Und die Maschine ist breit. Man muss man die Beine schon recht weit spreizen. Daher könnte es für kleinere Menschen trotz des tiefen Sitzes unerwartet schwierig werden, die Füße auf den Boden zu bekommen. Dazu kommt der wirklich lange Radstand und das recht hohe Gewicht. Ein Wunder an Wendigkeit ist der CE04 also nicht.
Dafür liegt er satt auf Straße, lässt sich trotz der kleinen Räder nicht von Spurrillen irritieren. Beschleunigung ist wie bei allen Elektrofahrzeugen mehr als ausreichend. Genauso klasse ist die Rekuperation. Bei halbwegs ziviler Fahrweise braucht man die Bremse kaum. Lieber die Bewegungsenergie wieder zurück in den Akku.
Der CE04 ist durch sein Gepäckfach (das ruhig etwas größer sein könnte) und die Typ2 Ladebuchse alltagstauglich. Kein Wunder, dass er sich gut verkauft. Der Basispreis von €12.000,- ist für ein so brauchbares Elektrofahrzeug akzeptabel. Auch große Verbrenner Roller kratzen gerne mal an der 10.000er Marke. Aber BMW wäre nicht BMW, wenn es nicht eine lange Aufpreisliste geben würde…
Mein Fazit: Ich bin nicht spontanverliebt, aber der CE04 ist ein gutes, interessantes Fahrzeug. Alltagstauglich, spritzig, super verarbeitet. Zwar teurer als ein Verbrenner, aber nicht mehr doppelt oder dreifach so teuer. Für die Eine oder den anderen bestimmt eine Überlegung wert. Probiert es mal aus. Macht Spass!
Probefahrt Nr. 2: Energica EsseEsse9
Im letzten Jahr hatte ich die Zero SR/F als Benchmark für Motorräder bezeichnet. Umso mehr habe ich mich auf das vergleichbar positionierte Modell vom italienischen Hersteller Energica gefreut. Und die Vorfreude war berechtigt. Denn wenn Italiener im Fahrzeugbau so richtig Herzblut (und Geld) investieren, ist das Ergebnis eigentlich immer extrem geil! Die Maschinen sahen alle bis ins Detail scharf aus. Auch die Qualitätsanmutung ist super.
Natürlich darf es auch kleinere Extravaganzen geben. Die Lösung Fahrmodi (inkl. Rückwärtsgang!) über den Killswitch zu lösen fand ich jetzt nicht so überzeugend. Das hat einen Kollegen bei der Probefahrt auch für 3min. zum Stehen gebracht. Die Probefahrt war nämlich in Gruppe mit einem jungen italienischen Energica Mitarbeiter als Guide. Er fuhr teilweise dort, wo es technisch machbar war etwas – hmmmm – engagiert. Sagen wir mal so: Ich war ganz froh, einen Helm zu tragen und ein italienisches Kennzeichen am Fahrzeug zu haben.
Andererseits: Als wir in einer 30er Zone mit fünf italienischen Sportmotorrädern an einem Biergarten vorbeifuhren und kaum zu hören waren, gab es schon einige erstaunte Gesichter. Im Vergleich zu einer fahrtechnisch ebenbürtigen Ducati sehr leise, aber im Vergleich zu einer Zero deutlich lauter. Dafür sorgt der Antrieb, der die Umwelt wissen lässt, dass hier mechanisch etwas passiert. Aber ich denke, dass das ein guter Kompromiss ist. Noch gehört zu werden, aber nicht rumzunerven ist eigentlich genau das, was man haben will.
Leistungsmäßig ist das hier Oberklasse: 80 kW und satte 207 Nm Drehmoment. Von 0 auf 100 in 3 Sekunden. Noch Fragen?
Andersherum von 100 auf 0 ist dank fetter Brembo Bremsen ebenfalls kein Problem. Das Fahrwerk ist auch über jeden Zweifel erhaben und bietet durchaus mehr Komfort, als erwartet. Vermutlich auch dank des heftigen Gewichts von 260 kg. Die merkt man Gottseidank nur im Stand, bzw beim Rangieren. Selbst sehr langsame Fahrt (Stop and go) ist geschmeidig. Das hat sie mit der Zero gemeinsam.
Das hohe Gewicht liegt zum Teil am Lithium-Polymer Akku mit einer Kapazität von sagenhaften 21,5 kW/h. Das ist so viel, wie vor wenigen Jahren die ersten E-Autos hatten. Und er ist serienmäßig schnelladefähig. Per DC können 6,7 km/min nachgeladen werden. 200 km fahren, 30 Minuten Pause für Toilette, Kaffee, Auflockern und dann weiterfahren ist also völlig realistisch. Einer aus der Gruppe fuhr privat eine Zero und war verblüfft, dass wir auf der Tour nur 2% der Akkuladung verfahren haben.
Mein Fazit: Ich habe ein neues Traummotorrad. Ein Traum wird es aber auch bleiben, bei €25.000,- Einstiegspreis. Puh…
Probefahrt Nr. 3: Sur-Ron Ultra Bee
Dafür habe ich unerwarteterweise einen interessanten, bezahlbaren Kandidaten für Pendeln im urbanen Bereich gefunden: Die Sur-Ron Ultra Bee.
Sur-Ron ist seit Jahren mit seinen Off-Roadern Firefly (siehe mein Fahrberich “Der Ritt auf dem Glühwürmchen“) und der Storm Bee gut im Geschäft. Es gibt mittlerweile auch unfassbar viele Zubehör- und Tuningteile.
Genau zwischen die kleine Firefly und die ausgewachsene Storm Bee haben sie jetzt die UltraBee platziert. Ich konnte das zulassungfähige A1 Motorrad mit Geländebereifung auf dem Geländeparcour testen. Das sehr schmale und leichte (86 kg!) Motorrad ist natürlich extrem handlich und wendig und bügelt grobe Unebenheiten einfach aus. Mit den 6 kW Dauer- und 12,5 kW Höchstleistung kommt sie zwar nur auf 90 km/h Spitze, aber ist in flotten 2,5 Sekunden von 0 auf 50. Das macht Spass! Mit Strassenreifen in der Stadt bestimmt auch.
Und der Akku? Er hat 4 kW/h (72 V, 55 Ah) Kapazität. Man kann ihn herausnehmen, aber bei über 20 kg Gewicht wird man das wohl lieber lassen. Dafür kann man das Ladegerät unter dem Sitz mitnehmen und mit einem Typ2 Adapter sogar an AC Ladesäulen klemmen. Sur-Ron gibt eine maximale Reichweite von 120 km an, aber das ist m.E. völlig unrealistisch. Ich bin seinerzeit mit 1,7 kW/h ca. 40 km weit gekommen – im Stadtverkehr. Ich tippe also auf ca. 80 km in der Stadt. Der Spass kostet €7.500,-
Customizing
Die Motorradszene liebt das customizing, das von leichten Anpassungen bis zu komplett Um- und Neuaufbauten geht. Ich habe an meiner Suzuki ein kurzes Heck, LED Lauflichtblinker und einstellbare, rot eloxierte Kupplungs- und Bremshebel. Das sind eher sehr dezente Anpassungen. Da sieht man im Craftwerk ganz andere Dinge.
Und wenn man Verbrenner Motorräder umbauen kann, geht das mit elektrischen natürlich erst recht. Viele Exemplare wurden in einer liebevoll gestalteten Ausstellung gezeigt. Hier nur ein kleiner Ausschnitt.
Silent Ride
Am Abend des ersten Tages wurde eine gemeinsame Ausfahrt durch Berlin durchgeführt – natürlich ausschließlich mit Elektrofahrzeugen (auch ein elektrischer VW Käfer Umbau war dabei). Ich habe mit das ganze vom Straßenrand aus angesehen. Es ist schon ziemlich speziell, wenn eine Horde von 50 Motorrädern an einem vorbeifährt und das akustisch im normalen Straßenlärm völlig untergeht.
Fazit
Klasse Veranstaltung. Ich hoffe, das wird zu einer Dauereinrichtung. Im letzten Jahr hatte ich noch gefragt “Die Zukunft ist elektrisch – aber ist es die Gegenwart auch schon?” Bei aller Freude und Faszination für die Fahrzeuge schreckte doch immer noch die eingeschränkte Praxistauglichkeit und der Preis der Fahrzeuge. Der Preis bleibt ein Thema, aber bei der Praxistauglichkeit ist der Fortschritt in nur einem Jahr schon deutlich spürbar. Vor dem Ende des Benzinzeitalters muss man als Zweiradfahrer jedenfalls keine Angst haben.