Die folgende Sendung präsentiert den brandneuen, heissen Scheiss: Computer für Zuhause, eigene Videorecorder und Laser Disc Player, Textinformationen auf dem Fernseher und Videospiele.
Die Aufnahme ist von 1980. Damals war ich 12 und an all dem Kram brennend interessiert. Insbesondere die Szene, in der die neuen Videorecorder (klobige Mechanik, die zig Kilo wog) gezeigt werden, macht einem schmerzlich bewusst, dass das alles nicht einfach nur lange her ist, sondern im letzten Jahrtausend war.
Noch spannender als der leicht amüsierte Rückblick auf alte Technik, ist aber die Frage, wie der Fortschritt der Alltagstechnik uns und unser Zusammenlaben geändert hat. Die BBC hat eine klasse Miniserie darüber produziert, indem sie eine Familie von aus dem Jahr 2009 quasi in das Jahr 1970 katapultiert hat, indem das komplette Haus auf alt getrimmt wurde. Die Eltern hatte noch Kindheitserinnerungen (die manchmal getrogen haben), aber die vier Kinder standen fassunglos in einem Haus nicht nur, ohne Handy, Computer, Video und Mikrowelle sondern mit winzigem Schwarzweissfernseher, Mono-Radio und Wählscheibentelefon,
Sehr spannend, was die Veränderungen mit der Familie machen. Warum sehe ich solche Sendungen eigentlich nie im Deutschen “Qualitäts”fernsehen?
Dirk Ollmetzer | Wednesday, 12 August 2015 | Unterwegs
Hinter mir liegt ein viel zu kurzes langes Wochenende. Den unerträglichen Temperaturen in Berlin am Freitag (38 Grad) bin ich nach Norden entflohen. An der Schleswig Holsteinischen Ostseeküste herrschten dann auch entspannte 24 Grad, was immer noch für einen tollen Tag an den Stränden von Holnis und Glücksburg gereicht hat. Davon abgesehen ist es dort oben einfach immer wieder schön und erholsam.
Nachts hat es geregnet, was in Brandenburg ja schon sei gefühlt einem Jahr nicht mehr passiert ist. Dementsprechend gesünder und saftig grün sieht die Natur dort oben auch aus.
Nachdem ich heute nach der Rückfahrt in Berlin aus dem Auto stieg, traf mich hingegen fast der Schlag – immer noch 34 Grad und das Schlafzimmer hat 29 Grad. Na suuuper… :-/
Was ich hier aber wirklich mal herzallerliebst finde, ist das gelungene Design. Ein Pocket Operator ist ein Musikinstrument, sieht aber aus, wie ein Taschenrechner, dem man das Gehäuse geklaut hat und das Display erinnert grafisch an die lustigen LCD-Spiele aus Nintendos Game and Watch Serie der frühen 80er Jahre. Das Rhytmusgerät zeigt eine Nähmaschine, das Bassgerät ein U-Boot und der Lead-Synth eine Art Fabrik. Total sinnlos, aber lustig.
Klar, das die Dinger (Preis knapp unter €70,-) brutal elektronisch klingen. Hier hat mal jemand mit den Teilen passenderweise “Taschenrechner” von Kraftwerk darauf gejamt.
Die Aufnahme ist Live und wurde nicht nachbearbeitet. Beteiligte Instrumente: Pocket Operator PO-16 Factory, Pocket Operator PO-14 Sub, Pocket Operator PO-12 Rhythm, Stylophone und Korg mini KAOSS PAD 2.
Ich kann Software – Hardware leider nicht. So ein bisschen Arduino oder ähnliches ist ganz nett, aber da springt bei mir der Funke nicht so recht über. Wenn jemand so richtig coole Spielzeuge bauen kann, bin ich dafür um so begeisterter. Elektronik überhaupt zum laufen zu bekommen ist ja schon mal nicht so ganz ohne, aber wenn man dann auch noch seine Projekte so detailverliebt und stylisch zu Ende bringt, werde ich doch ein ganz klein wenig neidisch.
Die drei Disziplinen Elektronik, Software und klassisches Handwerk bringt Simon Jansen ganz hervorragend zusammen. Wo sich normale Leute vielleicht für eine Smartwatch interessieren, baut er sich eine Enigma-Watch. Alleine das Thema ist schräg bis dorthinaus. In dem Video beschreibt er das Projekt mit dem Satz “It works like a normal three rotor Enigma machine”. Wer bis jetzt den Witz noch nicht verstanden hat – die Enigma war die Standard Ver- und Entschlüsselungsmaschine der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
Klar – sowas braucht man natürlich am Handgelenk, insbesondere, wenn sie handwerklich so toll gemacht ist.
Fast schon normal wirkt dagegen der Heimcomputer “Orwell”, den Jensen auf der Basis des 6502 Prozessors gebaut hat. Die Elektronik ist selbstentworfen, das Betriebssystem ist selber programmiert und das Gehäuse ist selbstverständlich ebenfalls selbst gebaut – aus Metall und Eichenholz! Genau so hätte ein ambitioniertes Projekt auch schon 1977 aussehen können. Auch hier überzeugt wieder die Qualität im Detail – bis zum geätzten Messing Typenschild.
Dirk Ollmetzer | Thursday, 11 June 2015 | Misc, Unterwegs
Nerds sind nach allgemeiner Lesart Leute die sich so gut mit Computern auskennen, dass sie für normale Menschen etwas spleenig erscheinen. Ich finde, dass das irgendwie auch für Menschen anderer Fachrichtungen gelten sollte. Neulich bin ich zum Beispiel über die Bezeichnung Kaffee-Nerd gestolpert.
Heute war ich bei den Blumen-Nerds. Genauer gesagt habe ich die Weltmeisterschaft der Floristen, den Fleurop-Interflora World Cup Berlin 2015 besucht, der vom 11. bis 13. Juni 2015 in Berlin stattfindet. Als jemand der Blumen eher beiläufig zur Kenntnis nimmt (“hmmm, sieht ganz hübsch aus – wie heisst die Pflanze nochmal?“), fand ich die Ankündigung zunächst recht kurios, aber ich war auch neugierig. Und so habe ich mich trotz Heuschnupfen in die Arena in Treptow begeben.
Fleurop Interflora World Cup in der Arena
Eine charmante Mitarbeiterin von Fleurop gab mir eine ausführliche Einführung in die Blumen-Szene und erzählte einiges über Hintergründe und Ziele der Veranstaltung.
Der World Cup besteht aus mehreren Einzelwettbewerben. Als thematische Klammer dienen die Besonderheiten des Austragungsortes Berlin (Mauer durchbrechen, Freiheit, Aufbruch,…). Der zweistündige Wettbewerb, von dem die Bilder stammen, lief unter dem Motto “100 Prozent persönlich”.
Von der etwas naiven Vorstellung, dass es hier um Blumengebinde für den Wohnzimmertisch geht, habe ich mich gleich nach betreten der Halle verabschiedet. Man denkt hier in etwas größeren Dimensionen.
Schlicht
Ich gebe zu, dass ich einen schlichten Geschmack habe, was Blumen angeht; einfach und natürlich finde ich reizvoller als üppig und extravagant. So sagte mir der Beitrag aus Schweden zu und irgendwie fand ich ihn auch “schwedisch”.
Schweden
Auch der Beitrag von Weißrussland hat mich ästhetisch angesprochen. Die Bilder habe ich übrigens alle noch ziemlich zu Anfang aufgenommen. Daher sind die Gestecke noch etwas kahl. Die Idee ist aber immer schon gut zu erkennen.
Weißrussland
Den Beitrag aus Griechenland fand ich wegen seiner Natürlichkeit hübsch.
Griechenland
Extravagant
Der Wettbewerb hatte aber aus meiner Sicht auch seine kuriosen Seiten. Als Gerüst oder Unterlage für die Gestecke und Gebinde dienen eigentlich immer irgendwelche organische Materialien, wie Holz. Gerne in Form von Treibholz. Manche denken da aber auch etwas ausgefallener.
Estland - Knochen als Grundlage
USA - Blumenampel aus Hörnern
Auch wenn das zunächst etwas befremdlich erscheint, kann das Gesamtarrangement im Ergebnis dennoch ansprechend werden.
Estland - Blumenmauer
USA
Üppig
Natürlich gab es auch Beiträge aus der Rubrik edel und üppig, wie den der Schweiz
Schweiz
In dieser Hinsicht eher etwas enttäuschend fand ich Beiträge der Länder, die eine üppige, tropische Vegetation haben, wie Brasilien und Malaysia. Vielleicht war das auch einfach eine Anti-Haltung. Wer dort massenweise Orchideen sehen will, geht einfach in den Wald?
Besucher
Die Arena war gut mit Besuchern aus aller Welt gefüllt. Nicht nur Europäer, wie es zu erwarten war, sondern auch Amerikaner, und Asiaten waren überraschend zahlreich vertreten. Überall wurde genau zugesehen und fotografiert, so dass kaum ein Durchkommen war.
Insgesamt habe ich hier eine Veranstaltung erlebt, die (zumindest aus meiner Sicht) mal so ganz anders ist. Dem Motto “Die Welt braucht Blumen” kann ich nur zustimmen. Sie sieht dann schöner aus und riecht viel besser (auch wenn meine Nase von dem Blütenstaub juckt) ;-)
Das verlängerte Wochende habe ich zu einer recht spontanen Fahrt in den hohen Norden genutzt. Das Wetter war mir hold; Zwar recht frisch, aber mit erstaunlich viel Sonne. Ideal zum Spazierengehen und Seele baumeln lassen.
Holnis Strand mit Blick auf die Aussenförde
Den Anfang machte am Freitag ein Spaziergang um die Halbinsel Holnis bei Glücksburg. Vom Ortsteil Drei, am Strand entlang bis zur Spitze, vorbei an der Klippe und der alten Ziegelei. Ab dem 1. Mai ist offiziell die Badesaison eröffnet, aber bei 11 Grad gab es nur ein paar Camper und Spaziergänger.
Niedliche Galloway Kälber auf Holnis
Den “Tag des Fischbrötchens” habe ich zu einem Spaziergang bei Maasholm an der Mündung der Schlei genutzt. Zwar habe ich mir den Fisch verkniffen, aber es gab in dem malerischen Örtchen auch eine nette kleine Bäckerei mit leckeren Torten.
Maasholm Hafen
Maasholm Kirche
Mit der Überschrift wollte ich übrigens keinesfalls die Menschen im Norden herabsetzen (Tünnlüüd sind “komische Leute”). Im Gegenteil – mir sagt der Menschenschlag mit seinem trockenen Humor ja sehr zu. Tünnlüüd ist der Name einer kleinen Gasse in Maasholm, wie ein Ausschnitt aus der Karte am Hafen zeigt.
Tüünlüüd - wohnen bei den 'komischen Leuten'
Nach einem so schönen, viel zu kurzem langen Wochenende habe ich eigentlich keine Lust fünf Stunden auf der Autobahn zu verbringen um wieder in das laute Berlin mit seiner schlechten Luft und den Sauftouristen zurückzufahren, aber “wat mutt, dat mutt”.
Dirk Ollmetzer | Tuesday, 21 April 2015 | Unterwegs
Letzte Woche war ich für ein paar Tage in Rom. Bevor ich einen Roman über einen tollen Kurzurlaub schreibe, versuche ich mal die Reise in einem Satz zusammenzufassen:
Rom haut einen total um.
Man ist ja als deutscher Bildungsbürger vorbereitet. Wir alle lieben Pizza und Cappuccino und haben Asterix gelesen, nicht wahr? ;-)
Die Bilder vom Kolosseum, Petersplatz, Fontana di Trevi, der Spanischen Treppe und dem Verkehrschaos mit den Motorrollern hat man schon tausend Mal gesehen. Sie sind quasi ins kollektive Gedächtnis gebrannt.
Und es stimmt auch alles. Es sieht wirklich genauso aus. Rom ist laut, überfüllt, leicht chaotisch, sehr charmant, wahnsinnig malerisch, mit antiken Ruinen und nicht ganz so antiken Gebäuden durchsetzt, von Touristenmassen zu Tode geliebt. Daher waren die paar Tage genauso, wie erwartet.
Und doch auch anders. Denn ich war verblüfft, wie intensiv der Eindruck ist, wenn man selber vor Ort ist.
Dieses Gefühl, wenn man im Pantheon steht, die nach oben offene Kuppel ansieht, den prachtvollen Raum auf sich wirken lässt und sich plötzlich bewusst wird, dass das Gebäude fast 1900 Jahre alt ist.
Pantheon - Kuppel
Das Staunen, wenn man im Kolosseum in die Runde schaut und sich vorstellt, wie dort vor fast 2000 Jahren High-Tech Veranstaltungen (die Arena hatte eine aufwändige Bühnentechnik mit Unterkellerung, Falltüren und Aufzügen) vor bis zu 50.000 Besuchern abliefen.
Kolosseum
Unter dem Begriff Therme habe ich mir immer eine relativ normale Badeanstalt vorgestellt – aber nicht ein Gebäude von über 11 Hektar Grundfäche, mit riesigen Kreuzgewölben das über 20m hoch ist. Die Ausstattung (wir reden vom Jahr 240 n.Ch.) mit Kalt- und Warmwasserbecken, Fussbodenheizung, Sport- und Versammlungsräumen, Bibliothek, Friseur und sonstigen Dienstleistungen ist eines aktuellen Wellnessbetriebes ebenbürtig. Selbst die Ruinen sind noch immer imposant.
Therme auf dem Palatin
Selbst für mich als altem Atheisten ist der Besuch des Vatikan (habe es wegen der Massen leider nicht bis in den Petersdom geschfft) irgendwie etwas besonderes.
Petersplatz auf dem Vatikan
Mir war völlig neu, dass Rom noch eine fast vollständige Stadtmauer aus dem 3. Jahrhundert aufweist. Und das Gebiet, das die fast 19km lange Mauer umfasst, ist für eine alte Stadt einfach gigantisch.
Porta Pinciana
Und das tollste ist, dass sich diese ganzen Anlagen einfach mitten im Zentrum der Stadt befinden. Man läuft eine belebte Strasse runter und plötzlich stehen da irgendwelche Brösel rum.
Largo di Torre Argentina
Viele interessante Bauten und Anlagen entstammen nicht nur der Antike, sondern auch der Renaissance und Barockzeit. Wirklich moderne Gebäude finden sich in der Innenstadt kaum. Auch das hatte ich nicht erwartet.
Piazza Navona
Ein paar ganz subjektive Tipps für Rom Interessierte:
Hotels: Nehmt die Anzahl der Sterne und teilt sie durch zwei, damit die Einstufung realistisch wird. Die Hotels sind eigentlich nur zu ertragen wenn man morgens sofort loszieht und Abends todmüde zurückkommt.
Frühstück im mitteleuropäischen Sinne gibt es nicht. Auch nicht, wenn es in der Buchung enthalten ist. Kauft Euch am Vorabend ein Panini und etwas Aufschnitt in einem Supermarkt, schmiert morgens ein Brot und seht zu, dass Ihr unterwegs dazu einen guten Cappuccino bekommt. Das ist nicht schwierig und mit ca. €1,50 sogar ziemlich günstig.
Vergesst Sightseeing Busse. Rom heißt zu Fuß laufen. Viel laufen. Wenn man den ganzen Tag unterwegs ist kommen da leicht 10-20km zusammen. Und ein bisschen rauf und runter geht es außerdem. Also bequeme Klamotten, gute Schuhe und eine große Flasche Wasser mitnehmen.
Der Römische Verkehr ist berüchtigt. Erstens ist Rom eine Stadt mit über 3 mio. Einwohnern und zweitens ist es eben Südeuropa. Wobei mir die Autofahrer vergleichsweise zahm vorkamen. Die halten sogar meistens bei Rot. Davon darf man bei den Motorrollern nicht unbedingt ausgehen. Die fahren wirklich wie die Henker!
Motorroller, Motorroller, Motorroller...
Gutes Essen ist an jeder Ecke zu bekommen. Und wenn man mal ein paar Meter in eine Seitenstrasse geht, auch recht wohlfeil. Für zwei Pizzen, einen halben Liter Hauswein, eine Flasche Wasser, ein Tiramisu und zwei Espresso habe ich nie mehr als €30,- bezahlt – und es war lecker!!!
Die Pizzeria am Ende der Sackgasse
Genug geklugscheissert: Hier sind noch ein paar Fotos:
Ich habe schon genug alte Computer. Wirklich! Noch mehr sind nicht sinnvoll in meiner kleinen Wohnung. Aber heute ist recht spontan doch noch ein Amiga 500 dazugekommen. Dem guten Stück drohte das Ende in einem Recyclinghof. Diesen Frevel konnte ich nicht zulassen und habe dem Schätzchen Asyl gewährt. Vorhin habe ich einen randvollen Umzugskarton in die Hand gedrückt bekommen. Neben dem Rechner, befand sich darin noch ein Commodore 1084S Monitor, Zweitfloppy und noch ein bischen Kleinkram. Alles funktioniert hervorragend!
Amiga 500 mit Zubehör
Lustigerweise habe ich überhaupt keine Erfahrung mit dem Amiga, obwohl er zu den meistverkauften Rechnern überhaupt zählt.
Meine ersten Computer waren noch 8-Bit Maschinchen, wie Sinclair ZX81, Sinclair Spectrum und der geniale Commodore 64. Danach bin ich gleich auf den (DOS) PC gewechselt. Die 16 Bit Heimcomputer sind an mir vorübergegangen.
Jetzt sitze ich also hier und mache mich erst mal mit Kickstart, Workbench und so weiter vertraut. Ich hatte den Amiga bisher nur als guten Spielcomputer auf dem Radar. Jetzt bin ich bin völlig begeistert, wie modern sich das Betriebssytem noch anfühlt. Maus, Fenster, Multitasking, Ram-Disk, und allen Schikanen. Die PCs aus derselben Zeit sind dagegen grobe Dampfmaschinen.
Toll, dass ich das mit 30 Jahren Verspätung bemerke… :-)
Und zur Feier des Tages möchte ich hier noch auf ein sehr schönes Demo hinweisen, das auf der diesjährigen Revision veröffentlich wurde: “on by mercury”. Es belegt Platz 2 im Wettbewerb PC, 64K.
Sehr schöne Musik und Grafik in winzigen 64K Speicher. Enjoy…
Auf dem Weg zur Arbeit bin ich morgens fast verprügelt worden, weil… tja, weil ich die Treppe von der S-Bahn herunterging. Der Vollständigkeit halber: Der Typ war Deutsch, Mitte 30, gut gekleidet mit Mantel und Stockregenschirm, den er mir auf der Treppe absichtlich zwischen die Beine schob, bevor er mir Prügel androhte. Was für ein scheiß Psycho…
Kurz danach werde ich gefragt wo es zum Bundeskriminalamt geht. In Treptow? Ich dachte das ist in Wiesbaden, aber was weiß denn ich…
Den Nachmittag hatte ich frei genommen und wollte zu einem Modellbaufachgeschäft in Reinickendorf – also quer durch Berlin. Ich gehe zur S-Bahn, steige ein – und das Ding fährt in die entgegengesetzte Richtung los. Was zum Geier…? Nächte Station ausgestiegen und die Bahn in die richtige Richtung genommen.
Reinickendorf - verkehrsgünste Lage
Wirklich bemerkenswert fand ich aber, dass ich heute den Halbsatz “…aber er arbeitet” gleich drei mal gehört habe. Jedes mal gingen zwei Frauen an mir vorbei, die sich unterhielten und ich hörte jedes mal dieses Satzfragment. Einmal in Reinickendorf als ich aus dem Geschäft kam (Deutsche, vermutlich Arbeitermilieu), einmal im Wedding in der S-Bahn (Türkinnen, die sich auf Deutsch unterhielten) und einmal im Prenzlauer Berg (Deutsch, Mittelschicht).
Mich würde mal interessieren, wie jeweils die erste Satzhälfte war. “Er verprasst Geld für seine blöden Hobbies, aber er arbeitet.”, “Er säuft und vögelt rum, aber er arbeitet”, “Er trägt rosa Spitzenunterwäsche, aber er arbeitet”. Was auch immer.
Jedenfalls scheint es millieuübergreifend bemerkenswert zu sein, wenn “er arbeitet”.
Vom 12. bis zum 14. März fand das eCommerce Camp 2015 in Jena statt. Im Vorfeld hatten mir Joscha Krug von Marmalade und Marco Steinhäuser von OXID die Teilnahme an der Unconference empfohlen. Die im Vorfeld eingereichten Sessionvorschläge ließen interessantes erwarten, also machte ich mich auf nach Thüringen.
Jenaer Mischung: Tradition und Moderne
Stadtmauer mit Türmen
Jena – die Stadt von Carl Zeiss, Schott, Intershop und meinem Lieblings Web-Comic Zeichner “JoJo Beetlebum” Johannes Kretzschmar. Vor 16 Jahren war ich einmal kurz dort und hatte einen angenehmen Eindruck behalten, der sich wieder bestätigt hat.
Jena ist ein charmantes Städchen im Saaletal mit vielen Studenten. Genau die richtige Mischung aus Tradition und Moderne, aus jung und alt. In den zwei Tagen konnte ich alles locker zu Fuß erledigen. Länger als 10 Minuten braucht man kaum für einen Weg – sehr angenehm. Das Wetter war leider nicht ganz so toll: Tief im Tal hängende Wolken, kleinere Regenschauer und am Freitagabend sogar ein paar Schneeflocken. Aber wir waren ja nicht zum Sonnenbaden gekommen, sondern zum Gedankenaustausch, was auch hervorragend funktioniert hat.
Der Rahmen
Am Vorabend erschien bereits ein Großteil der fast 200 Besucher zu einem Get-together in der Altstadtkneipe “Zur Nolle”. Es gab gutes Essen, Freibier und bereits viele interessante Gespräche. Dazu ein etwas Klatsch und Trasch und einige Personalrochaden. Das Ganze fühlte sich ein bißchen wie ein Klassentreffen an.
Durch diese hohle Gasse...
Markt bei Nacht
Der Freitag startete ein wenig mit Verzug in der Ernst-Abbe Fachhochschule, weil das Frühstück verspätet angeliefert wurde und sehr viele Vorschläge für Vorträge eingereicht und vorgestellt wurden. Das schmälerte aber weder die Stimmung, noch die Qualität der Veranstaltung. Es gab vier parallele Tracks und so manches Mal wünschte ich, mich dreizuteilen.
Vier Tracks für Freitag
Zwischen den Sessions
Im Gegensatz zu Veranstaltungen wie der Oxid Commons, ist das Themenspektrum beim eCommerce Camp breiter aufgestellt. Es gab sowohl Sessions “aus dem Maschinenraum”, aber auch die Adlerperspektive auf sich permanent im Wandel befindliche Geschäftsmodelle die ständig neue Anforderungen auch an die Technik bedingen. Hier erwarte ich in nächster Zeit einige Bewegung auf dem Markt. Im Bereich kleinerer Shops macht sich Presta verstärkt daran, Kunden die bisher u.a. XTCommerce einsetzen, für sich zu gewinnen.
Im Bereich großer Online Shops bekommt der eher monolithischen Ansätze herkömmlicher Shopsysteme, wie Shopware, OXID oder Magento bekommen zunehmend Konkurrenz. Es wurde offen über verschiedene Ansätze für eCommerce Architekturen geredet und entsprechende Projekte und Produkte präsentiert.
Technik im Wandel
Für so manches Geschäft mag ein Framework, wie sphere.io die passende Grundlage für eine eigene Lösung sein.
Seit einiger Zeit ist Spryker im Gespräch; Ein auf den Ideen der “Alice and Bob” Architektur von Zalando basierendes eCommerce Enviroment. Es war zu erfahren, dass der Code auf der Zielgeraden sei. Spryker besticht mit einer sehr durchdachten Architektur, verschreckt aber mit einem sehr ambitionierten Lizenzmodell.
Eine Zwischenlösung, die für viele mittelgroße Shops passend sein kann, ist Ongr – ein Framework, das für den Bau individueller, hochperformanter Katalogserver gedacht ist, und als Ergänzung vor herkömmliche Systeme, wie OXID oder Magento gesetzt wird. Simonas Šerlinskas führte das in einer Live-Coding Session vor.
Technisch noch eine Ebene tiefer setzte der Vortrag von Jan Peschke an. Er stellte eine auf OpenStack basierende Infrastrukturlösung vor, die seit ca. einem Jahr bei SysEleven, einem auf Hochlast eCommerce spezialisierten Hostingprovider, entwickelt wird. Das Projekt befindet sich in der Alphaphase und wird bereits mit ausgewählten Kunden eingesetzt. Mit der Lösung lassen sich komplette Infrastruksetups nach Belieben klonen, hoch- und runterfahren. Für mich ist das Highlight, das vollständige Setup eines Rechenzentrums versionieren zu können. So können Deployments künftig nicht mehr nur auf Codeebene, sondern auf Infrastrukturebene durchgeführt werden.
Feine Details
Es gab aber nicht nur die ganz großen Themen, sondern auch erfreulich viele nützliche Details zu erfahren. Florian Gilcher von Asquera erzählte von “Fallen, verpassten Gelegenheiten und schlechten Abkürzungen” beim Einsatz von Elasticsearch. Spannend war, dass viele Praxisprobleme gar nicht technischer, sondern semantischer und linguistischer Natur sind.
Für viele kleine Probleme des eCommerce Alltags wurden nützliche Kleinigkeiten vorgestellt. Marmalade zeigte das Modul YAMM (Yet another Meta Module), mit dem in einem OXID Shop die Einstellungen aller Module in einerm Rutsch gesichert und wiederhergestellt werden können – inklusive der Reihenfolge, in der Klassen überladen werden.
Marmalade zeigte ebenfalls, wie PHP basierte Webapplikationen ohne den Einsatz üblicher komplexer Tools, wie Capistrano mittels Deployer vorgenommen werden können.
Fazit
Jena war auf jeden Fall die Reise Wert. Das Camp bot massenweise guten fachlichen Input und ist von der Größe und Besetzung ideal zur Pflege der fachlichen Kontakte.