Auf dem diesjährigen eCommerce Camp in Jena hatte ich einen Vortrag mit dem Titel “No KISS – we’re doing it wrong” gehalten. Darin hatte ich mich kritisch mit aktuellen Trends in der Entwicklung von Webapplikationen auseinandergesetzt. Die Kernthese ist, dass in der Entwicklung der Trend zu Komplexität und Aufgeblähtheit geht. Alles was im Entwickler-Mainstream gerade angesagt ist, macht die Anwendungen fett, träge, angreifbar, schwieriger zu handhaben und aufwändig zu debuggen.
Ich hatte erwartet, mit dem Vortrag auf viel Widerspruch zu stoßen, aber das Feedback war seinerzeit wohlwollend. Das nehme ich nun zum Anlass, eine kleine Artikelserie mit dem Titel “Gegen den Strich” zu diesem Thema zu schreiben.
Über Professionalität
Der Trend zur Komplexität und Fettleibigkeit ist so stark und wird so wenig hinterfragt, dass es mir zur Zeit wirklich die Lust an sogenannter “professioneller” Softwareentwicklung vergällt.
Das betrifft Ebenen – angefangen von der Softwarearchitektur, über Designpatterns, benutzten Tools und Libraries, Entwicklungsmethoden, Deployment und Infrastruktur.
Ich habe gesehen, dass neue Produkte auf abstrakter Ebene eine hervorragende Architektur mitbringen und auf Codeebene derart akademisch aufgebläht sind, dass es mich bei dem Gedanken gruselt, in solch einem Codemoloch unter Zeitdruck Fehler suchen zu müssen.
Ich habe gesehen, dass Software, die bereits seit 10 Jahren erfolgreich eingesetzt wird, so “modernisiert” wurde, dass die alten Designschwächen beibehalten wurden (“wir müssen abwärtskompatibel bleiben”) und mit völlig anderen Architekturansätzen überformt, so dass am Ende weder der alte, noch der neue Ansatz sauber umgesetzt sind.
Ich hatte Diskussionen über den Einsatz von Tools, die ich für den angestrebten Zweck nicht benötigt habe, aber benutzen sollte, weil man das so macht und das angeblich eine saubere Methode sei.
Spätestens da klappt bei mir das Visier runter.
- Ich soll Tools benutzen, obwohl ich sie aktuell nicht brauche?
- Ich soll das “Framework des Tages” nutzen, weil das gerade der heisse Scheiss ist?
- Ich soll Software immer weiter abstrahieren, bis überhaupt nicht mehr erkennbar ist, an welcher Stelle eigentlich was gerade passiert?
Sorry Babe, ich bin nicht der Meinung, dass so etwas professionell ist.
Professionell ist, mit möglichst geringem Mitteleinsatz das Maximum an Output zu erzielen.
Professionell ist, Dinge so klar zu gliedern, dass im Fehlerfall sehr schnell die Ursache gefunden und behoben werden kann.
Professionell ist, Designs und Abläufe in sich stimmig zu entwerfen.
Professionell ist, unnötige Abhängigkeiten zu vermeiden
Professionell ist, Werkzeuge und Verfahren darauf zu überprüfen, ob sie die Abläufe verbessern, das Setup vereinfachen, Abhängigkeiten reduzieren und den Mitteleinsatz zu verringern oder den Output zu vergrößern.
Vom Anecken bei anderen Entwicklern
Ich wurde vor einiger Zeit gefragt, was ich von Symfony als Framework halte und der Fragende war sehr erstaunt, als er von mir die offensichtlich unerwartete Antwort bekam “sehr wenig”. Noch schlimmer: Die Frage, welches Framework gut fände habe ich mit “gar keines” beantwortet. Und mit meiner Gegenfrage, warum er denn überhaupt ein Framework nutzen möchte und nicht lieber auf wenige, gut ausgesuchte Libraries setzt konnte er letztlich gar nichts anfangen.
Ich konnte regelrecht sehen, wie in seinem Kopf die Schublade “Kleiner Hobbyentwickler” aufging und ich dort reingestopft wurde.
Gegen Gedankenlosigkeit und Dogmen
Natürlich ist nicht alles schlecht und es gibt tatsächlich sehr sinnvolle “Best Practices”.
Auf der Suche nach einem einheitlichen Codingstil gab es vor 15 Jahren erbitterte Grabenkäpfe mit Schwerverletzten. Heute stellt man seine IDE einfach auf “PSR-“/PSR-4” ein und fertig.
Es macht auch wenig Sinn, lang darüber zu diskutieren, wie eine REST Schnittstelle funktioniert und der Einsatz des MVC-Patterns bei normalen Webanwendungen sehe auch ich als gesetzt an.
Was mich wirklich stört, ist nicht das einzelne Tool, sondern das Herangehen.
Wer Symfony nehmen will, soll es tun. Wer mit LESS, SASS, Grunt oder sonstigen Tools arbeiten möchte, soll es tun. Wer mit Jenkins seine Container für automatisierte Tests bauen will, der soll es tun.
Aber er sollte vorher ergebnisoffen prüfen, ob der Zusatzaufwand gerechtfertigt ist und man die Aufgaben nicht auch auf ganz andere, möglicherweise wesentlich schlankere Art lösen kann.
Diese Abwägung findet momentan einfach nicht statt. Die Diskussionen sind sehr einseitig und von Dogmen durchsetzt. Das kommt daher, dass man allen Ernstes Jobtitel wie “Software-Evangelist” schafft.
So etwas tut auf Dauer keiner Branche gut.
In meinen letzten beiden Artikeln habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie ich selbst so langsam vom Benzin loskommen kann, ohne auf die eigenständige motorisierte Fortbewegung zu verzichten. Das hat mir von einem Bekannten die Einladung eingebracht, ich könne mal seinen Tesla ausprobieren. Wenn wir es schaffen, uns auf einen Termin zu einigen, werde ich das auch sehr gerne mal machen. Aber auch wenn mich das Auto faszinieren sollte, liegt es leider deutlich außerhalb meiner finanziellen Reichweite. Deshalb gehe ich das Ganze mal von der anderen Seite an: Nicht ganz oben, sondern ganz unten auf der Mobilitätsskala.
Am 6. Mai habe ich im Artikel “Weg vom Benzin (Teil 1) – alleine durch die Stadt” die Testfahrt auf einem elektrischen Moped beschrieben. Nach einigem Hin und Her hatte ich mich dazu entschlossen, mir so ein Gefährt zuzulegen. Das ging nicht ganz so spontan wie gedacht, da diese Maschinen momentan offensichtlich wie geschnitten Brot verkauft werden (“Ich habe gerade alle verkauft, aber der nächste Container kommt in vier Wochen…”). Aber jetzt ist es so weit.
Seit gestern habe ich jetzt eine Super Soco TS 1200 R. Das ist ein etwas anderes Modell, als ich zuerst gefahren bin, aber die Unterschiede sind nicht gravierend. Die Soco TC hatte 3 KW Höchstleistung und die Soco TS nur 2,4 KW, aber da ich ohnehin nur alleine auf dem Bock sitzen werde, macht das vom Fahrgefühl kaum einen Unterschied. Größer sind die Unterschiede im Styling: Die TC machte einen gediegeneren Eindruck mit leichten Retro Einschlägen, was sich neben der Sitzbank auch in der zurückhaltenden Farbskala zeigt. Die TS sieht flotter aus und ist in fetzigeren Farben erhältlich. Dem genialen matt-orange konnte ich nicht widerstehen, und so habe ich nun auf dem Hof neben meinem schwarzen Auto noch dieses schicke Gefährt stehen.

Super Soco TS 1200R
Da ich die Maschine erst seit zwei Tagen besitze, kann ich nur meine ersten Eindrücke wiedergeben. Diese basieren auf 40 Km Berliner Stadtverkehr bei sommerlichen 27 Grad.
Geschwindigkeit
Auch wenn die Soco recht flott aussieht – sie ist letztlich nur ein Moped, das max. 45 Km/h schnell sein darf. Daher habe ich die richtig großen mehrspurigen Straßen auf denen real eher so 60 Km/h gefahren wird gemieden und mir andere Wege über Nebenstrassen gesucht. Dafür muss ich mir aber erst mal meine “Berliner Straßenkarte im Kopf” neu erfahren. Das wird sicher noch ein paar Wochen dauern.
Damals mit meiner Honda NSR 50 waren Autofahrer beim Ampelstart so manches mal genervt, weil ich nicht schnell genug vom Fleck kam. Das ist mit der Soco gottseidank nicht mehr so. Es hat nie jemand gedrängelt, meist war ich auf den ersten 100 – 200 m sogar schneller. Die Beschleunigung von der Ampel weg ist also trotz nur 2,4 KW Leistung ausreichend und geht linear bis 47 Km/h auf dem Digitaltacho stehen. Bei guter Laune auch mal 50 Km/h, aber ich denke, der Tacho geht etwas vor. Auch die negative Verzögerung funktioniert gut. Die beiden Scheibenbremsen sind gut dosierbar und packen kräftig zu. Eine Vollbremsung habe ich noch nicht ausprobiert.
Fahrgefühl und Komfort
Obwohl die Soco viel kleiner, als ein richtiges Motorrad ist, kann ich mit meinen ca. 1,90m gut sitzen ohne mich zusammenfalten zu müssen. Die Sitzbank könnte etwas breiter und das Fahrwerk dürft gerne etwas geschmeidiger sein. Das Berliner Kopfsteinpflaster ist schon etwas gemein. Auf einem ganz besonders fiesen Abschnitt der Kurfürstenstr. konnte ich nur knapp über Schrittgeschwindigkeit fahren. Ansonsten ist das Fahrwerk der nur knapp 80Kg leichten TS 1200 völlig problemlos.
Alle Bedienelemente liegen gut zu Hand und machen einen qualitativen Eindruck. Im Gegensatz zu einem normalen Mockick ist die Bedienung viel einfacher. Kein Chocke am Vergaser, keine Fußhebel, keine Kupplung am linken Lenker, sondern die Hinterradbremse. Mit dem Funkschlüssel die Alarmanlage ausschalten und den Startknopf auf der Tankattrappe drücken. Das Display macht dann kurz einen Selbsttest, während ein Stadtsound wie beim Handy ertönt und man kann losfahren. Meine anfängliche Skepsis zum digitalen Armaturenbrett scheint unbegründet. Obwohl es nicht entspiegelt ist, war es sowohl bei direkter praller Sonne, als auch bei einer Fahrt durch einen Tunnel jederzeit gut ablesbar.

Schlüssel und Puck für die Alarmanlage
Das Fahren geht denkbar unspektakulär ab. Einfach am “Gasgriff” drehen und das Maschinchen wird lautlos ohne Unterbrechung schneller bis die Höchstgeschwindigkeit erreicht ist. Weil der Bosch-Motor direkt in der Hinterradnabe sitzt, hört man nicht einmal ein Summen, wie man es von manchen Elektrorollern kennt. Anfangs war ich über das Verhalten der Motorsteuerung etwas irritiert: Nicht alleine die Stellung des “Gasgriffs” entscheidet darüber, ob “Strom” gegeben wird, sondern auch die Lastsituation. So hatte ich ein paar mal bei ca. 40 Km/h das Gefühl, dass die Maschine nicht richtig auf meine rechte Hand reagiert. Aber wenn man das Prinzip verstanden hat, ist alles tutti.
Sozialverträglichkeit
Weil die Maschine nahezu geräuschlos ist, muss man mehr auf Fußgänger und Radfahrer aufpassen, die sich häufig nur auf das Gehör verlassen. Andererseits habe ich viele wohlwollende Blicke und sogar Lächeln geerntet (in BERLIN!!!), wenn ich an der Ampel oder am Zebrastreifen Fußgänger durchgelassen habe. Das wäre mir auf einem knatternden und stinkenden Zweitakter wohl kaum passiert. Zudem haben mich mehrere Leute nach Detail zu der Maschine gefragt. Das Interesse an Elektromobilität scheint groß zu sein. Die häufigste Frage war – wie zu erwarten – nach der Reichweite.
Reichweite
Der Akku ist neu und benötigt vermutlich erst einmal ein paar Ladezyklen, bevor ich da wirklich belastbare Zahlen habe. Auf der Homepage von Soco stehen 160km. Das gilt aber nur wenn man mit zwei Akkus fährt und vermutlich bei konstant 15 Km/h. Ich nur einen Akku und fahre im Berliner Verkehr. Mit 80 Km sollte ich also nicht rechnen. Der Händler meinte, dass je nach Fahrweise zwischen 50 und 60 Km realistisch seien. Das scheint sich zu bestätigen. Gestern Abend hatte ich 30km zurückgelegt und der angezeigte Akkustand lag bei 42%.

Digitaltacho
Man kann das Ladegerät direkt an die Soco stecken, wenn man eine Garage mit Stromanschluss hat. Diese Luxus ist mir nicht vergönnt, also habe ich abends den Akku herausgenommen, den 12 Kg schweren Block in das vierte Obergeschoss gewuchtet und in der Küche wieder aufgeladen. Das Ladegerät hat einen recht lauten Lüfter, wird dafür aber kaum warm. Beim ersten Mal roch das Gerät etwas chemisch nach neuer Elektronik. Eine volle Ladung soll ca. 5 Stunden dauern. Nach vier Stunden war die Kontrollampe am Ladegerät wieder grün, aber der Akku zeigte nach dem Wiedereinbau nur 90% an. Vielleicht war das Ladegerät etwas optimistisch? Mal sehen, wie sich das nach 5-10 Ladezyklen verhält.

Soco Akku und Ladegerät
Zwischenfazit
Ich glaube, dass der Kauf kein Fehler war, weil das Fahren mit der Soco einfach viel Spass macht. In den nächsten Wochen werde ich auf dem Weg zur Arbeit mehr Erfahrung sammeln – insbesondere zur Reichweite und dann nochmals darüber berichten.
Weg vom Benzin. Bloss wie? In der letzten Woche hatte ich die Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche (teil-)eletrische Fahrzeuge auszuprobieren: Ein Elektromokick (siehe vorheriger Artikel) und einen Kombi mit Hybridantrieb.
So sinnvoll ein kleines praktisches Zweirad für die Stadt ist – manchmal benötigt man ja doch ein Auto. Ein reines Elektroauto kommt für mich zur Zeit noch nicht in Frage und einen normalen Verbrenner möchte ich mir nicht nochmal kaufen. Da bleibt eigentlich nur der Hybridantrieb übrig.
Meine erste Probefahrt mit einem Hybridauto liegt fast 10 Jahre zurück. Den Honda Insight fand ich 2009 nicht passend für mich und danach hatte ich das Thema erst einmal zur Seite gelegt. Aufgrund der aktuellen Abgasdiskussion wollte ich mich aber über den aktuellen Stand der Technik informieren und ein aktuelles Modell zur Probe fahren.
Das Angebot von bezahlbaren Hybridfahrzeugen in Deutschland ist ziemlich übersichtlich. Da seit längerem jedes zweite Taxi in Berlin ein Toyota Prius ist, gehe ich davon aus, dass die Technik langlebig und günstig im Unterhalt ist. Toyota baut den Prius sei nunmehr 20 Jahren – und genauso lange empfinge ich den Wagen als optische Beleidigung.
Toyota Auris Touring Hybrid – Der sparsame Raumgleiter
Toyota baut diesen Antrieb aber auch in zwei andere Fahrzeugtypen ein: In das Kompakt-SUV C-HR und in den normalen Auris. Ich habe mich dazu entschieden, das “normale” Auto zur Probe zu fahren und bekam einen Auris Touring Hybrid zur Verfügung. Der Kombi ist mit seinen fast 4,60 Außenlänge eigentlich nicht mehr der Kompaktklasse zuzurechnen. Der Platz war absolut ausreichend – nur sollte man mit 1,90 nicht hinter einem anderen 1,90 Menschen sitzen.

Toyota Auris – Raumgleiter von vorne

Toyota Auris – Raumgleiter von hinten
Design und Platzangebot
Das Äußere des Wagens gefällt mir im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen des Herstellers sogar recht gut. Es hat was von einem Raumgleiter ohne mit Extravaganzen zu nerven. Das passt auch zum Fahrgefühl, aber dazu später mehr. Der Innenraum ist sehr konservativ. Gut so, weil man nichts lange suchen muss. Einsteigen, Lenkrad, Sitz und Spiegel einstellen, Startknopf drücken (Keyless-Go) und los geht es. Man kann ganz normal fahren, ohne irgendwelche Besonderheiten beachten zu müssen. Die Ausstattung war gut. Alles was das Autofahren angenehm macht war an Bord: Von Lederlenkrad bis Rückfahrkamera. Der Preis des Testwagens lag bei ca. €28.000,-
Der erste Eindruck
Ungewöhnlich ist, dass es beim Starten kein Motorgeräusch gibt. Also den Fuß auf die Bremse, das niedliche Wählhebelchen auf “D” stellen und sanft auf das Gaspedal treten. Lautlos rolle ich vom Hof und durch die Seitenstraße mit Tempo 30. Erst als ich auf die Hauptstraße einbiege und stärker beschleunigen muss, meldet sich Benzinmotor dezent zu Wort.
Die Materialien sind in Ordnung, die Verarbeitung gut. nichts wackelt oder klappert während der Fahrt. Alle Bedienelemente, die zum eigentlichen Fahren notwendig sind liegen dort wo man sie erwartet. Umso ärgerlicher ist der unnötige Ausrutscher in der Mittelkonsole: Das spiegelnde Touch-Display. Schlimm genug, dass Elemente, die man blind bedienen können muss, wie die Lautstärke der Musikwiedergabe zum Blick auf das Display nötigen – man erkennt dort ggf. nicht mal etwas, weil das Display höllisch spiegelt. Ein dicker Minuspunkt für dieses Sicherheitsrisiko.

Murks in der Mittelkonsole
Die Fahrtstrecke
Meine Probefahrt ging durch den Berliner Stadtverkehr, über die Landstraße zum Berliner Autobahnring und ein paar Ausfahrten weiter wieder zurück in die City. Insgesamt waren das ca. 50Km, die ich mit einem kleinen Zwischenstop bei einem Drive-In in zwei Etappen fuhr. Die erste Hälfte der Fahrt war mit einem Kaltstart. Die zweite Hälfte der Strecke startete ich mit warmen Motor. Das ist insofern wichtig, weil der Verbrauchszähler nach jedem Start zurückgesetzt wird.
Der Verbrauch
Toyota gibt den Verbrauch mit 3,5 bis 4 Liter an. Ich denke bei mir so “Lächerlich! So ein großes Auto. Wir liegen bestimmt mindestens zwischen 5 und 6 Liter und das wäre noch gut”. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese Werte realistisch sein könnten. Als ich mit kaltem Motor losgefahren bin, lag der Verbrauch bis kurz vor der Autobahn bei 4,8 bis 5 Litern trotz teilweise etwas zähem Verkehr. Auf der Rückfahrt mit warmen Motor lagen wir kurzzeitig sogar bei nur 3,3 Liter(!). Als ich wieder beim Händler angekommen bin, zeigte der Durchschnittsverbrauch 3,7 Liter an. Bei durchgängig laufender Klimaanlage!
Das sind fast 10 Liter weniger, als bei meinem angeblich “Blue Efficiency” Mercedes.
Okay – ich bin beeindruckt!

Bestwert 3,3l. Am Ende blieb es unter 4l
Das Fahrgefühl
Der Wagen lässt sich sehr angenehm fahren. Die Lenkung ist recht leichtgängig, aber präzise. Das Fahrwerk straff aber dennoch komfortabel. Dank Automatik gleitet man entspannt durch Stop-and-go. Der Charakter des Wagens beruhigt und verführt zu ruhigem mitschwimmen im städtischen Gewusel. Das trägt sicher seinen Anteil zu dem extrem geringen Verbrauch bei. Der Auris ist gut verarbeitet, komfortabel und meist so leise, dass man nur Wind und Abrollgeräusche hört – außer man muss mal stärker beschleunigen.
Der Motor ist mit einem stufenlosen Getriebe gekoppelt. Sobald man Leistung abruft, dreht der Motor hoch und das Geräusch passt einfach nicht zur gefühlten Beschleunigung. Das ist zwar Gewöhnungssache, aber es irritiert. Schlimmer ist jedoch, dass dann nicht allzuviel passiert.
Der Antrieb ist mit 136 PS angegeben, was für ein Fahrzeug dieser Größe knapp ausreichen würde, aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Verbrennungsmotor alleine hat nämlich nur 99 PS. In der Stadt und bis Landstraßentempo schiebt der Elektromotor ordentlich mit und spielt seinen Drehmomentvorteil aus, aber auf der Autobahn geht dem Wagen schnell die Puste aus.
Er kommt zwar maximal auf 175Km/h, aber ab 120 passiert nicht mehr viel. Auf dem fast leeren Berliner Ring kam ich bis 160, aber das war sehr zäh. Wenn man viel auf der Autobahn im Berufsverkehr unterwegs ist und nur die Wahl hat mit 90 hinter Lastwagen zu hängen oder mit 160 von Kleintransportern gejagt zu werden, ist das sehr unangenehm. Zudem steigt dort natürlich auch der Benzinverbrauch rapide an.
Das Fazit
Der Auris Hybrid ist ein richtig gutes Auto – solange man nur selten Autobahn fährt. Er ist das genaue Gegenteil von meinem aktuellen Auto. Der Mercedes ist chic, aber unpraktisch und in der Stadt ein absoluter Säufer. Dafür fühlt er sich aber auf der Autobahn pudelwohl. Entspanntes Schnellfahren zu relativ moderatem Verbrauch ist sein Ding.
Der Toyota ist das totale Vernunftauto, dass sich angenehm fährt. Die Verbrauchswerte empfinde ich als sensationell. Nur die Autobahnfahrt ist weder lustig noch günstig.
Ich plädiere dafür, in Deutschland endlich flächendeckend Tempo 120 auf Autobahnen einzuführen – aus Gründen der Verkehrssicherheit und damit man sich endlich guten Gewissens solch ein tolles Vernunftauto zulegen kann.
Da solch ein Tempolimit in Deutschland genausowenig zu erwarten ist, wie sinnvolle Waffengesetze in den USA kann ich nur warten, bis Toyota in der nächsten Version dem Benzinmotor etwas mehr Rumms spendiert.
Weg vom Benzin. Bloss wie?
Die teils schon hysterisch geführte Diskussion um Dieselabgase und Elektroautos finde ich nervig. Schon seit längerem ist klar, dass der klassische Verbrennungsmotor am Ende ist. Ebenso klar ist aber auch, dass die Übergangsphase auf eine neue Technik etwas dauern wird und wir am Ende auch einen anderen Umgang mit Mobilität haben werden.
Elektroantrieb ist toll, kann aber zur Zeit noch nicht alle Bedürfnisse abdecken. Schwerlastverkehr und lange Strecken sind nicht sein Ding. Da kann die Hybridtechnik als Brückentechnologie sinnvoll sein. Aber im innerstädtischen Verkehr ist der Elektroantrieb eigentlich schon heute einsatzbereit.
In der letzten Woche hatte ich die Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche (teil-)eletrische Fahrzeuge auszuprobieren: Ein Elektromokick und einen Kombi mit Hybridantrieb.
Das elektrische Mokick Soco TC
Vor ca. 20 Jahren hatte ich schon einmal ein Mokick: eine Honda NSR 50. Ich habe sie sehr gerne gefahren und zwar über das ganze Jahr, außer bei Schnee und Eis. In der Stadt ist das die schnellste Möglichkeit, mittellange Strecken zurückzulegen und man hat auch nur selten Parkplatzstress. Man benötigt keinen Motorradführerschein und es genügt eine günstige Versicherung. Obwohl diese Fahrzeuge in der Stadt super praktisch sind, fand ich seit längerem den Geräuschpegel und die Abgasfahne der 50er Zweitakter nervig und unzeitgemäß und habe das Thema für mich zu den Akten gelegt.
Seit ca. drei Jahren sind im Berliner Stadtverkehr immer mehr elektrische Leihroller von Emmy oder Coup unterwegs. Leise und offensichtlich sehr flink. Das hat mein Interesse wieder geweckt. Mit einem sauberen Elektroantrieb sind das eigentlich die idealen Stadtfahrzeuge. Die relativ geringe Reichweite ist da kaum relevant. Wichtig bei der Auswahl eines entsprechenden Fahrzeugs wären für mich:
- Stabiles Fahrverhalten und ein kräftiger Antrieb, damit man möglichst zügig auf die erlaubten 45Km/h kommt. Ansonsten ist man ein Verkehrshindernis und wird häufig übel geschnitten.
- Der Akku muss herausnehmbar sein, damit man ihn in der Wohnung laden kann. Auf der Straße und im Hof habe ich ja keine Steckdose. Verlässliche 50 Km Reichweite wären auch gut.
- Ich muss gut, bequem und sicher sitzen können.
- Ein annehmbares Design wäre auch gut.
- Gesicherte Ersatzteilversorgung.
Am 1. Mai habe ich den Brückentag und das gute Wetter genutzt, um einen Händler aufzusuchen, der sich auf kleine Elektrofahrzeuge spezialisiert hat: Scooterhelden in Berlin Schöneberg. Den Laden gibt es schon ein paar Jahre und sie haben ein vergleichsweise breites Angebot.
Als ich im Laden meine Kriterien aufzählte, fiel mein Blick auf zwei kleine, fast baugleiche Motorräder von Soco. Die etwas flotter gestylte Super SOCO TS-1200 mit 2,4KW in sagenhaftem matt-metallic-Orange und eines etwas mehr Retro-Charme versprühende Super SOCO TC in schwarz mit 3KW.

Klassisch und modern – SOCO TC von der Seite
Das Probesitzen auf der Soco TC zeigte, dass mir das kleine Maschinchen wie angegossen passt. Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick, aber danach habe ich keinen Roller in dem Laden eines weiteren Blickes gewürdigt. Die Formalitäten für die Probefahrt waren schnell erledigt. Der 12Kg Akku wurde eingesetzt, ich erhielt eine kleine Einweisung und los ging es durch Schönebergs Seitenstraßen. Ich bin immerhin 20 Jahre nicht mehr gefahren. Da sollte man es etwas vorsichtig angehen lassen.

Schön und schmal – SOCO TC von hinten
Die Soco TC verfügt über Keyless Go. Der Schlüssel in der Tasche genügt, Startknopf drücken und das System fährt hoch. Die Bedienung ist sehr einfach, da es ohne Kupplung und Schaltung auch keine Fußhebel gibt. Nur Gasgriff und zwei Bremshebel wie am Fahrrad. Man kann drei Fahrstufen einstellen, was m.E. nicht nötigt ist.

SOCO TC von vorne
Die Soco zieht mit ihren 3KW für ein Mokick gut los. Der Nabenmotor von Bosch im Hinterrad entwickelt aus dem Stand sagenhafte 130Nm Drehmoment. Das waren mal gute Werte für einen Kleinwagen! Reserven hat die Maschine ausreichend. Ohne Drosselung sollen bis zu 70 Km/h drin sein – was in Deutschland natürlich nicht erlaubt ist.
Das Fahrverhalten ist ruckfrei, sicher, stabil und handlich. Es ist schon toll, wenn man am “Gasgriff” dreht, die kleine Maschine schnell Fahrt aufnimmt und man nichts hört außer dem Wind am Helm. Da die Maschine nahezu lautlos fährt, muss man aber verstärkt auf Fußgänger und Radfahrer achten, die einen akustisch nicht wahrgenommen haben. Gut, dass auch die Bremsen kräftig und gut dosierbar sind.
Die kleine Tour hat mir unheimlich Spaß gemacht. Der Preis ist mit €3300,- absolut angemessen.
Da es mittlerweile einen europäischen Importeur gibt, soll die Ersatzteilversorgung der natürlich auch China stammenden SOCO gesichert sein. Für die Akkus setzt der Hersteller Zellen von Panasonic und anderen Markenherstellern ein. Die Reichweite liegt bei offiziell 80 km, realistisch sollen 50-60 km sein. Wem das nicht ausreicht, der kann auch einen zweiten Akku einbauen.
Dirk Ollmetzer | Saturday, 5 May 2018 |
Unterwegs
Am 3. Mai spielten die Sleaford Mods in der Columbiahalle in Berlin. Wie kann man diese Musik beschreiben? Ich stufe das als zornigen Elektro Punk aus Nottingham ein, der von zwei Männern in ihren 40ern in einem krassen mittelenglischen Arbeiterdialekt runtergerotzt wird.
Als ich vor zwei oder drei Jahren das erste Video von den beiden gesehen habe, war ich begeistert: Endlich mal wieder richtig Power und Emotion! Etwas, für das eigentlich die Jugendlichen zuständig sein sollten, die aber auf diesem Gebiet momentan leider auf ganzer Linie versagen.
Also Karten besorgt und nichts wie hin. Als ich mich der Columbiahalle näherte war mir klar, dass das Publikum zu großen Teilen schon gehobenen Alters war. Ich lag mit meinen 50 Jahren da gut im Schnitt. Später, als die Halle voll war zeigte sich, dass auch viele dabei waren, die ich eher “um die 30” einschätze.

Sleaford Mods
Klasse ist die Diskrepanz zwischen dem Powerplay von Sänger Jason, den man nur als erstklassige Rampensau bezeichnen kann, und Andrew, der auf der Bühne eigentlich nichts anderes macht, als am Computer die vorbereiteten Tracks zu starten und den Rest des Songs mit Bierflasche in der Hand leicht mitzuwippen.
Meine Begleitung meinte vor Beginn, dass sie mit einem eher kurzen Konzert rechne, da die Show von Jason doch recht intensiv und anstrengend sei. Sie sollte recht behalten – aber das ist egal, weil der Auftritt dafür sehr intensiv und energiegeladen war. Genau so, wie wir es erhofft hatten. Zu Beginn schlurfte Jason auf die Bühne, als wäre er vor exakt 2 Minuten und 30 Sekunden aus dem Bett gefallen, gab dann aber sehr schnell Gas. Später konnten wir uns gerade noch vor dem Pogo tanzenden Pulk vor der Bühne in Sicherheit bringen. Eigentlich ist damit schon alles gesagt:
Es war geil!
Bemerkenswert fand ich aber, dass gleich zwei Vorbands spielten, die mir ebenfalls gut gefielen.

Noseholes
Als Opener spielten die Noseholes, deren Musik zum Glück deutlich besser war, als es der Bandname vermuten ließ. Der Sound aus Gitarre, Bass und und Schlagzeug war gekonnt schräg. Die Sängerin trat im früh-80er Jahre New Romantic Look auf. Ihr Gesang ließ sehr deutlich den Einfluss von Bands wie Siouxsie and the Banshees erkennen. Das Publikum war aufmerksam und nahm die 30 minütige Show wohlwollend auf.

Karies
Als zweite Gruppe trat die deutsche Band KARIES auf. Noch ein echt bescheuerter Name, aber wiederum guter Sound der auf einer klassische Instrumentierung beruhte: zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug. Gleich zu Beginn sorgte der pumpende Bass und die gekonnt und sorgfältig gespielten leichten Disharmonien zwischen den Gitarren für gute Laune. Bereits hier fingen die ersten im Publikum mit Pogo an.
Fazit: Endlich mal wieder ein schönes, energiegeladenes Konzert. Hat Spass gemacht!
Zum Abschluss des ersten warmen und schönen Wochenende des Jahres möchte ich ein (für mich) bemerkenswertes Jubiläum verkünden:
Dies ist der 1000. Artikel in meinem Blog.
(Wie Kermit sagen würde: “Applaus, Applaus, Applaus!”)
Als ich mit dem Bloggen angefangen hatte, dachte ich, dass ich das drei oder vier Monate lang machen würde. Mein Plan war, begleitend zu meiner Diplomarbeit immer mal wieder den aktuellen Zwischenstand öffentlich zu verkünden (siehe meinen ersten Eintrag “Jetzt geht’s loooos… vom 16. Juli 2006″. Der Subtitel des Blogs ist “tiny little gizmos”, weil mein Diplomthema seinerzeit “Mobile Virtual Communities” waren. Ich vermutete, mich daher viel mit mobilen Endgeräten auseinandersetzen zu müssen. Das war noch vor der Einführung des ersten iPhone und Facebook war in Europa noch kein Thema.
Mein Plan ging nicht auf.
In die Diplomarbeit habe ich soviel Zeit und Energie investiert, dass kaum etwas davon für den Blog übrigblieb. Andererseits habe ich anschließend Gefallen daran gefunden, mich immer mal wieder über das eine oder andere Thema, das mich gerade beschäftigte, zu schreiben.
Für eine Weile wird das sicher auch noch so bleiben.
Vor kurzem machten die beiden tödlichen Unfälle von “autonomen Autos” Schlagzeilen: Der Volvo SUV von Uber überfuhr eine Radfahrerin ohne zu bremsen und der Tesla fuhr ebenfalls ungebremst in eine Absperrung, wobei der “Fahrer” verstarb.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich (teil-)autonom fahrende Autos für ziemlichen Schwachsinn halte, der nur von den Hauptproblemen mit Autos ablenkt (Flächenverbrauch, Energie- und Ressourcenverbrauch). Aber ich versuche mich davon im Folgenden so wenig wie möglich ablenken zu lassen und sachlich und nüchtern abzuwägen.
Bereits als die Euphorie um autonome Fahrzeuge vor zwei oder drei Jahren richtig Schwung bekam, habe ich gesagt, dass ich nur zwei Arten von Fahrzeugen für akzeptabel halte:
- Der Fahrer hat jederzeit die volle Kontrolle über das Fahrzeug. Er darf die Kontrolle auch nicht an Teilsysteme abgeben. Das war bis vor kurzem weltweit geltendes Recht aufgrund des Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aus dem Jahr 1968.
- Es gibt keinen Fahrer mehr, weil das Fahrzeug in jeder Situation 100% Autonom agiert. Man ist Passagier wie in einem Bus oder Taxi ohne die Möglichkeit, in die Steuerung einzugreifen.
Jede Mischform dazwischen ist in extrem gefährlich. Wenn das Auto dem Fahrer die Routine abnimmt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er genau in dem Moment, in dem die Technik nicht weiter weiß, abgelenkt ist und die Verkehrssituation nicht in Blick hat. Die Reaktionszeit des Menschen, um sich zu orientieren, die Situation zu verstehen und wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen ist unakzeptabel hoch und ein Unfall sehr wahrscheinlich. Die beiden o.g. Unfälle hatten genau dieses Szenario.
Ärgerlich ist, dass das voraussehbar war, weil das Aufmerksamkeitsproblem keine neue Erkenntnis ist, wie ein Blick in Eisenbahnverkehr und Luftfahrt zeigt. Elekrische Lokomotiven haben bereits seit den 30er Jahren Totmannschalter bzw. heutzutage eine Sicherheitsfahrschaltung. Piloten in Verkehrsflugzeugen müssen auch während der Normalfluges per Autopilot ständig kleinere Aufgaben durchführen. Technisch sind die seit langem nicht mehr notwendig, sondern dienen hauptsächlich dazu, dass die Crew konzentriert bleibt. Und wir reden hier von Profis mit Spezialausbildung, Typzulassung und regelmäßigen Gesundheitschecks und Simulatortraining.
Diese Erkenntnis wird ausgerechnet bei Autos völlig ignoriert. Dazu kommt die aus der US-amerikanischen Mentalität erwachsene Hybris, übereilt unfertige Dinge auf die Menschheit loszulassen. In diesem Fall halte ich die ebenso typisch deutsche Behäbigkeit gegenüber Neuerungen, die mich so manches Mal auf die Palme bringt, für angemessener.
Ich denke, dass das Wiener Übereinkommen wieder uneingeschränkt gelten sollte.
Teilautonomes Fahren sollte aus Sicherheitsgründen wieder verboten werden.
Wenn dann in (m.E. etwas fernerer) Zukunft die Systeme so gut sind, dass sie wirklich völlig selbstständig fahren, reicht es den juristischen Begriff des Fahrers zu erweitern.
Am 23. und 24. März fand in Jena das mittlerweile sechste eCommerce Camp statt. Auch bei meinem dritten Besuch, verlief die Veranstaltung im gewohnten Rahmen: Am Vorabend trafen sich viele der Teilnehmer nach der Anreise zum Plausch bei Bier und deftigem Thüringischen Essen in der Gaststätte zur Nöll in der Altstadt. Die eigentliche Veranstaltung fand am Freitag und Samstag Vormittag in der Ernst-Abbe Hochschule in Form einer Unconferenz statt.

Jena – Zeiss neben der Ernst Abbe Hochschule
Nach einem gemeinsamen Frühstück bildete sich die Schlange mit den Teilnehmern, die einen Vortrag oder einen Workshop vorbereitet hatten. Einer nach dem anderen trat auf die Bühne und stellte dem Saal sein Thema vor.
Die Einreichungen wurden thematisch sortiert und auf die Slots verteilt. Am Ende stand ein voller und interessanter Vortragsplan.

Unconference Programm
“Da muss der alte Mann jetzt mal selbst ran”
Im Vorjahr hatte mich der Mitveranstalter gefragt, ob ich nicht auch mal ein Thema vorbereiten möchte. In diesem Jahr nahm ich die Arbeit auf mich und habe einen Vortrag vorbereitet. Er ist betitelt “No KISS – we’re doing it wrong” und handelt von Trends in der Softwareentwicklung, die ich für problematisch oder gar falsch halte.
Die Kernthese lautet, dass sich viele Trends etablieren, die Software sehr aufblähen, langsam und angreifbar machen und entgegen der Intention auch nicht für bessere Wartbarkeit und Wiederverwendbarkeit sorgen. Als Beispiele nannte ich u.a. fette Frameworks, unbedachter Einsatz von Libraries, Annotations, ORM, Metasprachen und zu viele Basistechnologien im Setup.
Da ich noch nie bei solch einer Veranstaltung vorne stand, war ich auch etwas nervös. Werde ich einen Hänger haben? Interessiert das Thema überhaupt jemanden? Da mein Vortrag etwas gegen den Entwickler-Mainstream gebürstet war war ich auch gespannt, ob meine Thesen in der Luft zerrissen würden. Zudem hatte ich kaum Zeit, mich seelisch vorzubereiten, weil ich gleich in den ersten Slot nach der Einführungsveranstaltung dran war.
Es stellte sich heraus, das meine Bedenken unbegründet waren. Mein Vortrag war flüssig, es waren ca. 20 Zuhörer im Raum, was für diese Veranstaltung gar nicht mal so wenig ist. Zum Ende des Vortrags kam es nochzu einer kurzen Diskussion über den einen oder anderen Punkt, aber alles in allem erntete ich viel Zuspruch, wie sich auch noch in einigen Gesprächen im Tagesverlauf zeigte.
Ein Teilnehmer meinte, dass er ähnliches in letzter Zeit häufiger gehört habe und die Kritik meist von älteren Entwicklern kämen und ob das Zufall sei. Meiner Meinung nach ist das kein Zufall, sondern es hängt damit zusammen, dass wir älteren Entwickler früher an Maschinen entwickelt habe, die sehr beschränke Ressourcen hatten. Der Rechner war immer zu langsam, hatte stets zu wenig Speicher und die Übertragungsgeschwindigkeit war immer langsam. Daher sind wir es gewohnt, auf Ressourcenverbrauch zu achten. Heutzutage spürt man zunächst keine Ressourcenknappheit. Daher ist es sehr einfach, eine Anwendung aus vorgefertigten Elementen “schnell zusammenzustöpseln”. Dass man ein Problem hat, merkt man erst, wenn unerwartet viel Traffic auf den Server einprasselt, aber dann liegt das Kind bereits im Brunnen.
Gutes Programm, spannende Gespräche
Das gute daran, den ersten Slot zu bekommen ist, dass man sich danach entspannt auf die Vorträge der anderen konzentrieren kann. Für mich aktuell einer der wertvollsten Vorträge war “MySQL Profiling”, den Andreas Ziethen von Scale hielt. Sein Vortrag setzte genau dort an, wo mein Wissen aufhörte. Nach einer Einführung in das Tool zur Auswertung von Datenbank Logfiles wurden einige Auswertungen von echten, aktuellen Problemfällen zusammen mit den Hörern vorgenommen – sozusagen Gruppendebugging.
Kontrovers diskutiert wurden die Vorschläge für eine neue Shoparchitektur, die Marcus Franke und Richard Burkhardt in der Session “E-Commerce Performance neu gedacht! Proof of Concept: Schnelle Webshops ohne Caching”. Der Wunsch, das Caching aus den Shops zu entfernen ist groß und Vorschläge dazu sehr willkommen, wie sich an recht vielen Hörern im Saal zeigte. Der präsentierte Prototyp, der eine Kategorieseite aus einem Datensatz von einer halben Million Artikeln in 0.4 Sekunden zeigte, basierte auf dem Konzept eines Application Servers, wie man ihn aus der Java Welt kennt. Aus dem Publikum kamen jedoch recht gewichtige Gegenargumente: Zweifel, ob PHP für lang laufende Prozesse stabil genug ist, hoher Ressourcenverbrauch und Fragen wie die Objektdaten im Speicher aktuell gehalten werden. Nach meiner Ansicht das stichhaltigste Argument war, dass der Showcase deshalb so schnell sei, weil alles, was einen echten Shop ausbremst (Framework, ungenutzte Features, Konfigurationsmöglichkeiten,…) nicht implementiert ist. Wenn man dasselbe mit plain PHP baut, kommt man vermutlich auf ähnlich schnelle Zeiten.
Zwar ist es nicht schön, wenn einem die eigene Arbeit so zerpflückt wird, aber die Argumente waren plausibel und der Ton kollegial. Ich finde es auf jeden Fall sehr gut, dass die beiden sich nicht nur Gedanken gemacht haben, sondern auch noch viel Zeit in einen Showcase investiert und das Ergebnis zur Debatte gestellt haben.

Ein Herz für Nerds
Das abendliche Unterhaltungsprogramm im Paradies Cafe habe ich in diesem Jahr nicht so ausgekostet, wie 2017. Ich war nicht so richtig in Feierlaune und mir schienen auch die anderen Konferenzteilnehmer in diesem Jahre etwas zurückhaltender. Das war aber nicht unbedingt von Nachteil, weil es der Konzentration am Samstag Vormittag zu Gute kam.
Simon Pearce von SysEleven zeigte, wie man mit Hilfe von Kubernetes und einigen einfachen Konfigurationsdateien in wenigen Minuten ein MySQL Datenbankcluster mit einem Master und drei Slave Nodes bauen kann. Bereits am Vortag hatte er demonstriert, wie ein Setup aus NGINX Webservers so aufgesetzt werden kann, dass bei Bedarf automatisch weitere Serverinstanzen gestartet und bei abnehmender Last wieder gestoppt werden können.
Kurz vor bevor ich zurück nach Berlin fahren wollte, bekam ich in einem sehr interessanten Gespräch nebenbei eine Vorführung eines begeisterten Shopbetreibers in Echtzeitprofiling seines Shops mit Tideways und eine Diskussion über den Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung. Zu meiner Verblüffung erfuhr ich von einem mir bekannten Shop, der mittlerweile völlig auf die Speicherung von personenbezogenen Daten verzichtet. Das Shopsystem selber ist “clean”, so wie ich es von Bankenanwendungen kenne. Ich bin gespannt, ob sich so etwas rumspricht und durchsetzt.
Fazit
Dieses spontane Gespräch am Rand zeigt auf, was diese Veranstaltung in meinen Augen so wertvoll macht: Der spontane, offene und ehrliche Austausch über Probleme und Lösungen. Ich hoffe sehr, dass diese Veranstaltung auch in den nächsten Jahren fortgeführt wird.
Ich verdiene mein Geld seit 20 Jahren im Bereich eCommerce. Hauptsächlich dadurch, dass ich Onlineshops entwickele. Und jetzt kommt der Witz:
Ich kaufe selber fast nie online ein. Ich hasse es.
Dafür gibt es Gründe:
Einerseits die unfassbare Datenschnüffelei durch das Onlinemarketing und die totale Nachverfolgbarkeit meiner Interessen und Geldflüsse. Gut – damit oute ich mich als Dinosaurier aus dem letzten Jahrhundert, der noch an das Konzept von Privatsphäre glaubt. Ich verwirrter alter Mann. Aber lassen wir den Punkt einfach mal außen vor.
Das wirklich Killerkriterium gegen Onlineshopping ist für mich, dass es zu umständlich, nervenaufreibend und zeitfressend ist.
Nanu?
Soll nicht gerade der Vorteil von Onlineshopping sein, dass es so fürchterlich spontan, praktisch und zeitsparend ist?
Was die Shops selbst betrifft, stimmt das mittlerweile auch. Es haben sich bestimmte Standards durchgesetzt und die Benutzbarkeit ist in der Regel recht gut.
Das Problem ist die Logistik. Ich kann mir nichts nach Hause bestellen, weil ich in der Regel nicht zu Hause bin, wenn der Paketdienst kommt. Das bedeutet, dass ich mir Dinge ins Büro liefern lassen muss, was in den meisten Firmen aus gutem Grund nicht gerne gesehen wird.
Oder ich muss mir die Lieferung aus den verwegensten Teilen der Stadt zusammensuchen, weil irgendwo ein obskures Geschäft so freundlich war, die Lieferung anzunehmen. Leider haben diese Geschäfte meist recht eigenwillige Öffnungszeiten. Jetzt habe ich dasselbe Problem: Dieser Laden hat vermutlich nur dann geöffnet, wenn ich im Büro sitze.
Wenn ich Mittags ausnahmsweise mal in die DHL Filliale im nächsten Shopping Center gehe, steht da schon eine 50m lange Schlange von Frauen, die ihre Zalando Retouren abgeben wollen.
Im Moment kommt für mich der Online-Einkauf nur in folgenden Fällen in Frage:
- Digitale Einkäufe. Auswählen, bezahlen, runterladen, fertig.
- Flugtickets direkt bei der Airline
- Spezialprodukte, die in der eigenen Gegend nicht zu haben sind.
Ein komplettes No-Go hingegen in folgenden Fällen:
- Kleidung, Schuhe und andere Dinge, die ich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mal umtauschen muss.
- Waren des täglichen Bedarf, die ich überall auf dem Heimweg bekomme – insbesondere Essen.
- Komplette Reisen. Unfassbar schlechte Websites, totales Chaos bei Sortiment und Preisen.
Bevor ich es vergesse – bei den Reiseportalen kommt noch der Nagativpunkt “heftige Verarsche” hinzu. Beispiele:
- Ich sehe das selbe Hotel bei drei verschiedenen Anbietern für drei verschiedene Preise. Dann kehre ich zum ersten Anbieter zurück und der Preis ist um 100,- gestiegen – in zwei Minuten. Wie bitte?
- Ich möchte mit einer Freundin verreisen. Sie surft bei sich zuhause auf ihrem Mac durch die Angebote, ich bei mir zu Hause auch und wir chatten derweil. Sie findet ein gutes Angebot, und schickt mir den Link und ich bekomme einen anderen Text und einen anderen Preis angezeigt. Ach so…?
- Ich gebe im Filter genau an, in welchem Zeitraum die Reise liegen darf (7 Tage in der Zeitspanne von X bis y). Als Ergebnis eine Liste von 100 Angeboten,die zu 2/3 außerhalb dieses Zeitraums liegen. Hallo Mc Fly – irgendjemand zu Hause?
- Ich finde ein passendes Angebot und will es buchen – plötzlich heißt es “Wir können nicht garantieren, dass das Angebot zum Angegebenen Zeitpunkt für den genannten Preis verfügbar ist. Zur verbindlichen Reservierung hier klicken”. Euch habe Sie doch wohl ins Gehirn…
Das letzte Mal habe ich 2011 versucht eine Reise online zu buchen und dabei sind mir alle o.g. Dinge passiert. Insgesamt habe ich zwei Abende ergebnislos am Rechner verbracht. Danach hatte ich die Nase voll und die Reise war in 30 min im Reisebüro gebucht. Sie war nicht teuer, das Hotel in Ordnung, die Lage super. Klasse Urlaub. Seitdem buche ich nur noch im Reisebüro.
Vor ein paar Wochen bin ich 50 geworden und habe ein Buch geschenkt bekommen: “The friendly orange glow” von Brian Dear mit dem Untertitel “The untold story of the PLATO System and the dawn of cyberculture”. Es thematisiert PLATO – ein Computersystem von früher. Nach Maßstäben der Computerhistorie sogar von noch früher. Quasi von der digitalen Frühantike.

The friendly orange glow
Was hatte es mit dem PLATO System auf sich?
Dazu kurz ein Rückblick auf meine Jugend.
Für mich fing die Digitalisierung der Gesellschaft ungefähr 1980 an. Damals hatte in der Bevölkerung fast niemand etwas mit Computern zu tun gehabt und plötzlich gab es überall Homecomputer und kurze Zeit später Personal Computer zu kaufen. Ich habe mich Hals über Kopf in das Thema gestürzt, bin um 1990 das erste Mal Online gegangen und habe noch vor dem Internet in den Mailboxen (oder BBS) Foren, Chats, E-Mail und Online Spiele kennengelernt. Damit habe ich mich lange zu den Online Pionieren gezählt.
Damit lag ich allerdings ganz schön falsch!
Zunächst fand ich heraus, dass das erste BBS bereits 1978 von Ward Christensen entwickelt und in Betrieb genommen wurde. Etwas später habe ich gelernt, dass das Internet nicht etwas mit dem World Wide Web 1991 begann, sondern seine Wurzeln bis in die 1960er Jahre zurückreichen und dass der erste Computer mit grafischer Benutzeroberfläche nicht etwas die Apple Lisa von 1983 war, sondern der XEROX Alto von 1973.
Und dann bin ich über ein Bild von gestolpert, auf dem ein Terminal mit orangefarbenem Gas-Plasma Touch Display zu sehen war, auf dem eine einfache Art 3D Shooter zu sehen war. Und darunter stand “PLATO IV Terminal (ca. 1975)”.
Wie bitte? 1975?
Zu dem Zeitpunkt liefen viele Computer noch mit Lochkarten und wurden über Fernschreiber oder Textterminals bedient, und dann so etwas? Um das zu verdeutlichen: Hier ist ein Bild vom PLATO V Terminal, das sich nicht sehr vom VI unterscheidet:

PLATO V Terminal By Mtnman79 [1] [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
PLATO war ein Computersystem, das in den 60er Jahren an der Univerity of Illinois für die Lehre konzipiert war und tatsächlich bis Ende der 80er Jahre für Onlinekurse genutzt wurde. Es lief auf den seinerzeit schnellsten Computern der Welt und ging stets an die Grenzen des damals technisch machbaren.
Über das Buch
Das Buch beschäftigt sich aber nicht so sehr mit der Technik, sondern mit den Menschen dahinter. Es stellt und beantwortet die folgenden Fragen:
Was hat sie zur Entwicklung dieses brillianten Meilensteins der Computergeschichte motiviert und wie sind sie vorgegangen?
Wieso wollte man computerunterstützte Lehre fördern, zu einer Zeit als selbst Taschenrechner noch Science Fiction waren?
Wie konnte es geschehen, dass minderjährige Hacker die millionenteure Technik nutzen konnten, um Multiuser-Onlinespiele zu programmieren und zu spielen?
Wieso hat niemand erkannt, dass auf diesem System die Zukunft der Online Zusammenarbeit mit Chats, Mails und Foren entwickelt wurde?
Was führte nach dem technischen Höhenflug zu dem unrühmlichen Niedergang ab Mitte der 80er Jahre?
Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen und mir dabei Zeit gelassen. Ich habe viel gelernt – insbesondere, dass es auch schon vor über 40 Jahren “Digital Natives” gab, die sich die digitalen Werkzeuge angeeignet und abseits vom eigentlichen Einsatzzweck eigene Nutzungen und Umgangsformen entwickelt haben.
Absolut lesenswert!
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