Am 23. und 24. März fand in Jena das mittlerweile sechste eCommerce Camp statt. Auch bei meinem dritten Besuch, verlief die Veranstaltung im gewohnten Rahmen: Am Vorabend trafen sich viele der Teilnehmer nach der Anreise zum Plausch bei Bier und deftigem Thüringischen Essen in der Gaststätte zur Nöll in der Altstadt. Die eigentliche Veranstaltung fand am Freitag und Samstag Vormittag in der Ernst-Abbe Hochschule in Form einer Unconferenz statt.
Jena – Zeiss neben der Ernst Abbe Hochschule
Nach einem gemeinsamen Frühstück bildete sich die Schlange mit den Teilnehmern, die einen Vortrag oder einen Workshop vorbereitet hatten. Einer nach dem anderen trat auf die Bühne und stellte dem Saal sein Thema vor.
Die Einreichungen wurden thematisch sortiert und auf die Slots verteilt. Am Ende stand ein voller und interessanter Vortragsplan.
Unconference Programm
“Da muss der alte Mann jetzt mal selbst ran”
Im Vorjahr hatte mich der Mitveranstalter gefragt, ob ich nicht auch mal ein Thema vorbereiten möchte. In diesem Jahr nahm ich die Arbeit auf mich und habe einen Vortrag vorbereitet. Er ist betitelt “No KISS – we’re doing it wrong” und handelt von Trends in der Softwareentwicklung, die ich für problematisch oder gar falsch halte.
Die Kernthese lautet, dass sich viele Trends etablieren, die Software sehr aufblähen, langsam und angreifbar machen und entgegen der Intention auch nicht für bessere Wartbarkeit und Wiederverwendbarkeit sorgen. Als Beispiele nannte ich u.a. fette Frameworks, unbedachter Einsatz von Libraries, Annotations, ORM, Metasprachen und zu viele Basistechnologien im Setup.
Da ich noch nie bei solch einer Veranstaltung vorne stand, war ich auch etwas nervös. Werde ich einen Hänger haben? Interessiert das Thema überhaupt jemanden? Da mein Vortrag etwas gegen den Entwickler-Mainstream gebürstet war war ich auch gespannt, ob meine Thesen in der Luft zerrissen würden. Zudem hatte ich kaum Zeit, mich seelisch vorzubereiten, weil ich gleich in den ersten Slot nach der Einführungsveranstaltung dran war.
Es stellte sich heraus, das meine Bedenken unbegründet waren. Mein Vortrag war flüssig, es waren ca. 20 Zuhörer im Raum, was für diese Veranstaltung gar nicht mal so wenig ist. Zum Ende des Vortrags kam es nochzu einer kurzen Diskussion über den einen oder anderen Punkt, aber alles in allem erntete ich viel Zuspruch, wie sich auch noch in einigen Gesprächen im Tagesverlauf zeigte.
Ein Teilnehmer meinte, dass er ähnliches in letzter Zeit häufiger gehört habe und die Kritik meist von älteren Entwicklern kämen und ob das Zufall sei. Meiner Meinung nach ist das kein Zufall, sondern es hängt damit zusammen, dass wir älteren Entwickler früher an Maschinen entwickelt habe, die sehr beschränke Ressourcen hatten. Der Rechner war immer zu langsam, hatte stets zu wenig Speicher und die Übertragungsgeschwindigkeit war immer langsam. Daher sind wir es gewohnt, auf Ressourcenverbrauch zu achten. Heutzutage spürt man zunächst keine Ressourcenknappheit. Daher ist es sehr einfach, eine Anwendung aus vorgefertigten Elementen “schnell zusammenzustöpseln”. Dass man ein Problem hat, merkt man erst, wenn unerwartet viel Traffic auf den Server einprasselt, aber dann liegt das Kind bereits im Brunnen.
Gutes Programm, spannende Gespräche
Das gute daran, den ersten Slot zu bekommen ist, dass man sich danach entspannt auf die Vorträge der anderen konzentrieren kann. Für mich aktuell einer der wertvollsten Vorträge war “MySQL Profiling”, den Andreas Ziethen von Scale hielt. Sein Vortrag setzte genau dort an, wo mein Wissen aufhörte. Nach einer Einführung in das Tool zur Auswertung von Datenbank Logfiles wurden einige Auswertungen von echten, aktuellen Problemfällen zusammen mit den Hörern vorgenommen – sozusagen Gruppendebugging.
Kontrovers diskutiert wurden die Vorschläge für eine neue Shoparchitektur, die Marcus Franke und Richard Burkhardt in der Session “E-Commerce Performance neu gedacht! Proof of Concept: Schnelle Webshops ohne Caching”. Der Wunsch, das Caching aus den Shops zu entfernen ist groß und Vorschläge dazu sehr willkommen, wie sich an recht vielen Hörern im Saal zeigte. Der präsentierte Prototyp, der eine Kategorieseite aus einem Datensatz von einer halben Million Artikeln in 0.4 Sekunden zeigte, basierte auf dem Konzept eines Application Servers, wie man ihn aus der Java Welt kennt. Aus dem Publikum kamen jedoch recht gewichtige Gegenargumente: Zweifel, ob PHP für lang laufende Prozesse stabil genug ist, hoher Ressourcenverbrauch und Fragen wie die Objektdaten im Speicher aktuell gehalten werden. Nach meiner Ansicht das stichhaltigste Argument war, dass der Showcase deshalb so schnell sei, weil alles, was einen echten Shop ausbremst (Framework, ungenutzte Features, Konfigurationsmöglichkeiten,…) nicht implementiert ist. Wenn man dasselbe mit plain PHP baut, kommt man vermutlich auf ähnlich schnelle Zeiten.
Zwar ist es nicht schön, wenn einem die eigene Arbeit so zerpflückt wird, aber die Argumente waren plausibel und der Ton kollegial. Ich finde es auf jeden Fall sehr gut, dass die beiden sich nicht nur Gedanken gemacht haben, sondern auch noch viel Zeit in einen Showcase investiert und das Ergebnis zur Debatte gestellt haben.
Ein Herz für Nerds
Das abendliche Unterhaltungsprogramm im Paradies Cafe habe ich in diesem Jahr nicht so ausgekostet, wie 2017. Ich war nicht so richtig in Feierlaune und mir schienen auch die anderen Konferenzteilnehmer in diesem Jahre etwas zurückhaltender. Das war aber nicht unbedingt von Nachteil, weil es der Konzentration am Samstag Vormittag zu Gute kam.
Simon Pearce von SysEleven zeigte, wie man mit Hilfe von Kubernetes und einigen einfachen Konfigurationsdateien in wenigen Minuten ein MySQL Datenbankcluster mit einem Master und drei Slave Nodes bauen kann. Bereits am Vortag hatte er demonstriert, wie ein Setup aus NGINX Webservers so aufgesetzt werden kann, dass bei Bedarf automatisch weitere Serverinstanzen gestartet und bei abnehmender Last wieder gestoppt werden können.
Kurz vor bevor ich zurück nach Berlin fahren wollte, bekam ich in einem sehr interessanten Gespräch nebenbei eine Vorführung eines begeisterten Shopbetreibers in Echtzeitprofiling seines Shops mit Tideways und eine Diskussion über den Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung. Zu meiner Verblüffung erfuhr ich von einem mir bekannten Shop, der mittlerweile völlig auf die Speicherung von personenbezogenen Daten verzichtet. Das Shopsystem selber ist “clean”, so wie ich es von Bankenanwendungen kenne. Ich bin gespannt, ob sich so etwas rumspricht und durchsetzt.
Fazit
Dieses spontane Gespräch am Rand zeigt auf, was diese Veranstaltung in meinen Augen so wertvoll macht: Der spontane, offene und ehrliche Austausch über Probleme und Lösungen. Ich hoffe sehr, dass diese Veranstaltung auch in den nächsten Jahren fortgeführt wird.
Ich verdiene mein Geld seit 20 Jahren im Bereich eCommerce. Hauptsächlich dadurch, dass ich Onlineshops entwickele. Und jetzt kommt der Witz:
Ich kaufe selber fast nie online ein. Ich hasse es.
Dafür gibt es Gründe:
Einerseits die unfassbare Datenschnüffelei durch das Onlinemarketing und die totale Nachverfolgbarkeit meiner Interessen und Geldflüsse. Gut – damit oute ich mich als Dinosaurier aus dem letzten Jahrhundert, der noch an das Konzept von Privatsphäre glaubt. Ich verwirrter alter Mann. Aber lassen wir den Punkt einfach mal außen vor.
Das wirklich Killerkriterium gegen Onlineshopping ist für mich, dass es zu umständlich, nervenaufreibend und zeitfressend ist.
Nanu?
Soll nicht gerade der Vorteil von Onlineshopping sein, dass es so fürchterlich spontan, praktisch und zeitsparend ist?
Was die Shops selbst betrifft, stimmt das mittlerweile auch. Es haben sich bestimmte Standards durchgesetzt und die Benutzbarkeit ist in der Regel recht gut.
Das Problem ist die Logistik. Ich kann mir nichts nach Hause bestellen, weil ich in der Regel nicht zu Hause bin, wenn der Paketdienst kommt. Das bedeutet, dass ich mir Dinge ins Büro liefern lassen muss, was in den meisten Firmen aus gutem Grund nicht gerne gesehen wird.
Oder ich muss mir die Lieferung aus den verwegensten Teilen der Stadt zusammensuchen, weil irgendwo ein obskures Geschäft so freundlich war, die Lieferung anzunehmen. Leider haben diese Geschäfte meist recht eigenwillige Öffnungszeiten. Jetzt habe ich dasselbe Problem: Dieser Laden hat vermutlich nur dann geöffnet, wenn ich im Büro sitze.
Wenn ich Mittags ausnahmsweise mal in die DHL Filliale im nächsten Shopping Center gehe, steht da schon eine 50m lange Schlange von Frauen, die ihre Zalando Retouren abgeben wollen.
Im Moment kommt für mich der Online-Einkauf nur in folgenden Fällen in Frage:
- Digitale Einkäufe. Auswählen, bezahlen, runterladen, fertig.
- Flugtickets direkt bei der Airline
- Spezialprodukte, die in der eigenen Gegend nicht zu haben sind.
Ein komplettes No-Go hingegen in folgenden Fällen:
- Kleidung, Schuhe und andere Dinge, die ich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mal umtauschen muss.
- Waren des täglichen Bedarf, die ich überall auf dem Heimweg bekomme – insbesondere Essen.
- Komplette Reisen. Unfassbar schlechte Websites, totales Chaos bei Sortiment und Preisen.
Bevor ich es vergesse – bei den Reiseportalen kommt noch der Nagativpunkt “heftige Verarsche” hinzu. Beispiele:
- Ich sehe das selbe Hotel bei drei verschiedenen Anbietern für drei verschiedene Preise. Dann kehre ich zum ersten Anbieter zurück und der Preis ist um 100,- gestiegen – in zwei Minuten. Wie bitte?
- Ich möchte mit einer Freundin verreisen. Sie surft bei sich zuhause auf ihrem Mac durch die Angebote, ich bei mir zu Hause auch und wir chatten derweil. Sie findet ein gutes Angebot, und schickt mir den Link und ich bekomme einen anderen Text und einen anderen Preis angezeigt. Ach so…?
- Ich gebe im Filter genau an, in welchem Zeitraum die Reise liegen darf (7 Tage in der Zeitspanne von X bis y). Als Ergebnis eine Liste von 100 Angeboten,die zu 2/3 außerhalb dieses Zeitraums liegen. Hallo Mc Fly – irgendjemand zu Hause?
- Ich finde ein passendes Angebot und will es buchen – plötzlich heißt es “Wir können nicht garantieren, dass das Angebot zum Angegebenen Zeitpunkt für den genannten Preis verfügbar ist. Zur verbindlichen Reservierung hier klicken”. Euch habe Sie doch wohl ins Gehirn…
Das letzte Mal habe ich 2011 versucht eine Reise online zu buchen und dabei sind mir alle o.g. Dinge passiert. Insgesamt habe ich zwei Abende ergebnislos am Rechner verbracht. Danach hatte ich die Nase voll und die Reise war in 30 min im Reisebüro gebucht. Sie war nicht teuer, das Hotel in Ordnung, die Lage super. Klasse Urlaub. Seitdem buche ich nur noch im Reisebüro.
Vor ein paar Wochen bin ich 50 geworden und habe ein Buch geschenkt bekommen: “The friendly orange glow” von Brian Dear mit dem Untertitel “The untold story of the PLATO System and the dawn of cyberculture”. Es thematisiert PLATO – ein Computersystem von früher. Nach Maßstäben der Computerhistorie sogar von noch früher. Quasi von der digitalen Frühantike.
The friendly orange glow
Was hatte es mit dem PLATO System auf sich?
Dazu kurz ein Rückblick auf meine Jugend.
Für mich fing die Digitalisierung der Gesellschaft ungefähr 1980 an. Damals hatte in der Bevölkerung fast niemand etwas mit Computern zu tun gehabt und plötzlich gab es überall Homecomputer und kurze Zeit später Personal Computer zu kaufen. Ich habe mich Hals über Kopf in das Thema gestürzt, bin um 1990 das erste Mal Online gegangen und habe noch vor dem Internet in den Mailboxen (oder BBS) Foren, Chats, E-Mail und Online Spiele kennengelernt. Damit habe ich mich lange zu den Online Pionieren gezählt.
Damit lag ich allerdings ganz schön falsch!
Zunächst fand ich heraus, dass das erste BBS bereits 1978 von Ward Christensen entwickelt und in Betrieb genommen wurde. Etwas später habe ich gelernt, dass das Internet nicht etwas mit dem World Wide Web 1991 begann, sondern seine Wurzeln bis in die 1960er Jahre zurückreichen und dass der erste Computer mit grafischer Benutzeroberfläche nicht etwas die Apple Lisa von 1983 war, sondern der XEROX Alto von 1973.
Und dann bin ich über ein Bild von gestolpert, auf dem ein Terminal mit orangefarbenem Gas-Plasma Touch Display zu sehen war, auf dem eine einfache Art 3D Shooter zu sehen war. Und darunter stand “PLATO IV Terminal (ca. 1975)”.
Wie bitte? 1975?
Zu dem Zeitpunkt liefen viele Computer noch mit Lochkarten und wurden über Fernschreiber oder Textterminals bedient, und dann so etwas? Um das zu verdeutlichen: Hier ist ein Bild vom PLATO V Terminal, das sich nicht sehr vom VI unterscheidet:
PLATO V Terminal By Mtnman79 [1] [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
PLATO war ein Computersystem, das in den 60er Jahren an der Univerity of Illinois für die Lehre konzipiert war und tatsächlich bis Ende der 80er Jahre für Onlinekurse genutzt wurde. Es lief auf den seinerzeit schnellsten Computern der Welt und ging stets an die Grenzen des damals technisch machbaren.
Über das Buch
Das Buch beschäftigt sich aber nicht so sehr mit der Technik, sondern mit den Menschen dahinter. Es stellt und beantwortet die folgenden Fragen:
Was hat sie zur Entwicklung dieses brillianten Meilensteins der Computergeschichte motiviert und wie sind sie vorgegangen?
Wieso wollte man computerunterstützte Lehre fördern, zu einer Zeit als selbst Taschenrechner noch Science Fiction waren?
Wie konnte es geschehen, dass minderjährige Hacker die millionenteure Technik nutzen konnten, um Multiuser-Onlinespiele zu programmieren und zu spielen?
Wieso hat niemand erkannt, dass auf diesem System die Zukunft der Online Zusammenarbeit mit Chats, Mails und Foren entwickelt wurde?
Was führte nach dem technischen Höhenflug zu dem unrühmlichen Niedergang ab Mitte der 80er Jahre?
Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen und mir dabei Zeit gelassen. Ich habe viel gelernt – insbesondere, dass es auch schon vor über 40 Jahren “Digital Natives” gab, die sich die digitalen Werkzeuge angeeignet und abseits vom eigentlichen Einsatzzweck eigene Nutzungen und Umgangsformen entwickelt haben.
Absolut lesenswert!
Neulich haben wir in der Firma festgestellt, dass erstaunlich viele von uns musizieren. Ein Kollege spielt in einer Punkband, eine Kollegin spielt Ukulele, eine andere erzählte von ihrem Setup aus einem alten Synthesizer und eine Drummaschine. Mehrere Kollegen – einer davon ich – bauen ab und zu mal ein paar elektronische Tracks.
Immer war die Frage “…und wo kann man Deine Sachen hören?“.
Ich habe bisher einigen Freunden eine CD gebrannt oder einen USB-Stick kopiert. Nach einigen Überlegen habe ich mich nun dafür entschieden, meine Musik auf meiner eigenen Website zu veröffentlichen. Das mache ich in der traditionellen Form von “Alben”. Mein Rechner ist voll von musikalischen Fragmenten und Versatzstücken. Immer wenn eines dieser Teile die Form eines Songs annimmt, den ich auch mehrfach hintereinander hören mag, kommt der zum nächsten Album. Ich bilde mir ein, dass die Lieder von Album zu Album etwas besser werden, aber das muss jeder Hörer für sich entscheiden. Vier Alben gibt es bis jetzt:
Raw Fragments – 10 Stücke von 2009/2010. Meine ersten Gehversuche. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es sich um “richtige Lieder” handelt, sondern eher um kurze Soundschnipsel, daher der Name.
Furthermore – 5 Stücke von 2011/2012, die sich stilistisch an die ersten anlehnen, also immer noch eher experimentell sind.
Red Green – 11 Stücke aus dem Jahr 2016. Hier hatte ich das erste mal das Gefühl “richtige” Lieder produziert zu haben.
Four Seventeen – 10 Stücke aus dem Jahr 2017. Hört sie Euch doch einfach mal an:
Am gestrigen Samstag besuchte ich das IMSTA FESTA Berlin 2017, das in den Räumen der SAE in Berlin Kreuzberg stattfand.
Hmm, “Bahnhof”?
Es drehte sich alles um Musikproduktion.
IMSTA Festa Berlin
Das SAE Institute ist eine private Bildungseinrichtung, die seit 40 Jahren in vielen Ländern Kurse rund um Musik- und Medienproduktion anbietet. IMSTA ist die International Music Software Trade Association. Offensichtlich sind auch einige der Berliner Musiksoftwarehersteller dort Mitglied und so fand der Event nun auch in Berlin statt. Ich wusste nicht so genau, was mich erwartet, aber da man sich zwar registrieren musste, aber der Eintritt frei war machte ich mich auf den Weg nach Kreuzberg.
Zunächst wuselte ich wie die anderen Besucher durch die Räume der SAE und schaute mal hier und mal dort rein. Die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Speicher in der Cuvrystr. auf zwei Geschossen sind noch neu. Alles ist modern. Interessant fand ich den Grundriss im Musikbereich im oberen Stockwerk. Dort gab es keine rechten Winkel und keine parallel laufenden Wände um Schallreflexionen zu minimieren. Es gab kleine und mittlere Übungsräume, in denen Workshops und Vorführungen stattfanden und natürlich auch ein vollwertiges Tonstudio.
Danach habe ich die Showrooms der Hersteller abgeklappert.
Hard- und Software
Akai hatte seine aktuelle MPC Hardware am Start. Mit dieser Art Instrument werde ich aber irgendwie nicht warm. Mir liegt die Bedienung und Arbeitsweise nicht.
Arturia hatte auch etwas Hardware aufgebaut. Das kompakte Keylab49 Masterkeyboard hat ein schönes Design, ist recht leicht und ziemlich preiswert. Da ich aber stolzer und zufiedener Besitzer eines Keylab88 mit gewichteter “Klavier” Tastatur bin, habe ich dafür keinen Bedarf. Nachdem ich etwas an dem winzigen Analogsynthesizer MicroBrute und etwas länger an dem ebenfalls analogen Drumcomputer DrumBrute herumgeschraubt hatte, vertiefte ich mich für längere Zeit in den Soundsphären des großen Analogsynthesizers MatrixBrute. Im Gegensatz zu den anderen Instrumenten hing der an Lautsprechern. Da mich in der Zeit fünf Leute angesprochen haben und mich für einen Arturia Mitarbeiter hielten, kann mein Geklimper nicht so schlecht gewesen sein. Ein sehr schönes Instrument. Klingt gut, fühlt sich gut an und macht Spaß.
Neben Hardware gab es natürlich auch viel Software zu sehen. Die Berliner Szene war mit Native Instruments (die sitzen ungefähr drei Häuser weiter), U-HE und Bitwig gut vertreten. Ableton konnte ich hingegen nicht entdecken, obwohl sie auch IMSTA Mitglied sind. Steinberg aus Hamburg waren auch dabei, wie Hersteller aus anderen Ländern, wie z.B. Image Line mit FL Studio (A.K.A Fruity Loops).
Mein Interesse galt aber vornehmlich Bitwig. Diese Software nutze ich selber gerne und ich finde das Team nett. Am Stand wurde ich sogar wiedererkannt (“Du warst doch auch auf der Party damals in Neukölln, oder?”). Nice! Leider hat mir das letzte Update auf 2.2 mein Audio Setup zerschossen und dazu hatte ich einen kleinen Schnack. Mal sehen, ob wir die Ursache finden.
Workshops
Den ganzen Nachmittag hindurch gab es Song Reviews und diverse Workshops. Die drei, die ich besucht habe, waren interessant.
Bitwig gab einen einstündigen Überblick in das User Interface ihrer Software. Obwohl ich das System seit zwei Jahren nutze, habe ich einige neue Dinge erfahren.
Im Mischraum des Tonstudios gab der Produzent Sonus030 einen Einblick in FL Studio. Ich habe ihm offen gesagt, dass das HipHop Genre nicht so meins ist, und ich Bitwig als Audio Workstation verwende, aber gerne mal sehen würde, wie er daran geht, einen Track zu bauen. Und so gab er mir Einblick in seine Arbeitsweise anhand eines Songs, den er mit anderen Musikern Tags zuvor aufgenommen hatte. Interessanterweise unterscheidet sich das gar nicht so sehr davon, wie ich arbeite, abgesehen davon, dass er mehr Audiomaterial verwendet und ich mehr über die Keys einspiele. Netter Kerl und der fertige Song hat mir dann übrigens sogar gut gefallen.
Im Studio
So richtig überrascht war ich dann von dem Vortrag über Modular Sythesizer. Ich bin völlig ahnungslos in den Raum, in dem Wohnzimmeratmosphäre herrschte. Ein Teil des Publikums saß auf Stühlen, der Rest fläzte entspannt auf 70er Jahre Sitzsäcken. Ich sitze in Reihe zwei. Vorne stand ein modulares Synthesizerrack von Doepfer und ein Keyboard und davor saß ein netter Herr aus den USA in seinen 60ern mit Karohemd und Ecco Schuhen, die Haare zum Zopf zusammengebunden. Er fing mit seinen Erklärungen ganz vorne an: Was ist ein Oszillator, wie klingt ein Sinus, wie sind die Obertöne einer Dreieckswelle usw.
Modular Synthesizer 101
Parallel zur Erklärung hat er immer alles sofort gezeigt, am Gerät zusammengesteckt und eingestellt. Als er dann zum Thema Rauschen und Filtertypen kam, musste er ein wenig am Rack suchen und einmal kam der Kommentar, dass etwas anders, als bei seinem Moog funktionieren würde. Er hat sich artig bei Döpfer bedankt, dass sie ihm das Rack zur Verfügung gestellt haben und gemeint, dass er noch nie vorher an einem Eurorack System gearbeitet hat. 10 Sekunden später hat er dann aber die Einstellung so geändert, dass es weitergehen konnte. Zweifellos ein Profi.
Und was für ein Profi er tatsächlich ist, dämmerte mir im zweiten Teil des Vortrags. Irgendwann fing er dann an so typische 80er Jahre Songs anzuspielen, unser geneigtes Ohr auf einen bestimmten Klang zu lenken und dann zu erzählen, wie der produziert wurde. Hier ein Oberheim OB-8, hier zwei gestackte Prophet 5, hier ein Moog Modular etc…
Okay – der kennt sich aus, dachte ich mir.
Dann spielte er den Anfang von Michael Jacksons “Bad” und sagte, wir sollen auf diesen hohen Sound im 16tel Takt hören (“tschackatschackatschackatschacka”). Dann erklärte er, wie er diesen Sound hinbekommen hat.
Ähm wie jetzt ???
Gleich danach dasselbe Spiel mit Linonel Ritchies “Hello” und nochmal mit einem Song aus Flashdance. Und so ging das ‘ne ganze Weile weiter.
Was zum… Wer ist dieser Kerl?
“Der Kerl” war Michael Boddicker. Eine Sythesizer-Koryphäe aus der Musikszene von L.A., der nicht nur Filmmusik komponiert und produziert, sondern so ungefähr schon mit allen Stars zusammegearbeitet hat: Quincy Jones, Whitney Houston, Diana Ross, Neil Diamond,…
Und ich bin so ungefähr aus Versehen in den Vortrag gegangen. Wahnsinn!
Das sind dann so die Augenblicke, in denen ich total glücklich bin, in Berlin zu leben, obwohl mir die Stadt manchmal unfassbar auf die Senkel geht.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 8 October 2017 |
Gizmos,
Retro
Auch in diesem Jahr fand wieder das Vintage Computing Festival Berlin statt. Im Gegensatz zu dem vergangenen Jahren (siehe 2014, 2015 und 2016) wurde die Veranstaltung nicht mehr in der Humbuldt Universität, sondern im Deutschen Technikmuseum am Gleisdreieck abgehalten. Veranstaltugsort war nicht das Hauptgebäude, sondern die Räume am Ende der Ladestrasse auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs. Besucher des VCFB hatten auch freien Eintritt in der Dauerausstellung „Das Netz – Menschen, Kabel, Datenströme“. Den Wechsel halte ich für gelungen, weil die Ausstellung nunmehr räumlich luftiger und großzügiger ausfällt (1400qm statt 700qm).
Deutsches Technikmuseum – Ladestrasse
Die Veranstaltung in Zusammenarbeit von Humbold Universität, dem Berliner Hackerspace AFRA mit Unterstützung des CCC Berlin war war auch in den vergangenen Jahren bereits auf hohem Niveau. Da das Technikmuseum in diesem Jahr nicht nur die Räume stellt, sondern auch Personal – insbesondere Ordner – fühlt sich das ganze aber nun noch professioneller an.
Die Schwerpunkte der Veranstaltung waren auch diesmal wieder Vorträge, ein Games-Bereich und natürlich die oft recht besonderen Exponate der privaten Aussteller.
Besucher
Mit 2100 Besuchern ist das VCFB nochmals deutlich größer, als in den vergangenen Jahren. Zudem schien es mir so, dass die Besucher nun gezielt kommen, während in der HU manche Besucher eher „aus Versehen“ in die Ausstellung kamen, weil sie ohnehin gerade in Berlin Mitte spzieren gingen.
Zumindest bei den Besuchern war der Frauenanteil erfreulich hoch. Sehr schön fand ich die vielen Kinder, die sich unvoreigenommen an die teilweise über 30 Jahre alten Systeme gesetzt haben. Computerspiele funktionieren immer – auch mit Pixelgrafik. Selbst eine Pong-Konsole aus Mitte der 70er war fast durchgehend belegt. So lernt der Nachwuchs, dass Computer mehr bedeutet, als Windows und Apple.
Für die Kinder gab es neben den Bereich klassischer Videospiele auch zwei Möglichkeiten selbst aktiv zu werden: Einen Workshop um „Zahnbürstenroboter“ zu basteln und einen Lötworkshop.
Ausstellung
Die Ausstellung bot sowohl einen großen Umfang, als auch eine sehr interessante Spannbreite.
Es gab verschiedene Exponate an denen man mechanisches Rechnen erleben konnte – von klassischen Tischrechnern, über eine Curta bis zu einem für Lehrzwecke neu entwickelten elektromechanischen Mini-Rechner.
Mechanisches Rechnen – Curta
Selbstgebaute Rechner waren ebenfalls ein Thema: In der ehemaligen DDR war das häufig die einzige Möglichkeit überhaupt an einen Rechner zu kommen. Im Westen stand eher der Erkenntnisgewinn im Vordergrund. Zwei Brüder führten ihren im Jahr 1974 selbst entwickelten Rechner vor. Er nutzt keinen Microprozessor, sondern die 12-Bit CPU ist aus TTL Bausteinen selbst gebaut – mit selbst entwickeltem Befehlssatz. Sehr beeindruckend!
Selbstbaurechner von 1974
Daneben stand ein Exemplar des NDR-Klein Computers. Ein Modulares System aus den 80er Jahren, das mit unterschiedlichen Microprozessoren bestückt werden konnte. Einige verschiedene 70er Jahre Single Board Computer waren ebenfalls zu sehen.
Natürlich gab es auch wieder eine schöne Auswahl an Heimcomputern zu sehen, mit einem Schwerpunkt auf Atari Rechnern, aber auch Apple war gut vertreten. Daneben gab es weitere Klassiker, wie TRS-80 Model 1, diverse Spectrum Modelle, Amstrad/Schneider, MSX.
Optisch eindrucksvoller waren die Racks mit Rechnern von Digital Equipment. Die PDP-8/e auf der linken Seite war an ein VT-05 Videoterminal angeschlossen, die lab8/e auf der rechten Seite wurde über einen Teletype Model 33 Fernschreiber bedient.
Rechner von DEC
Zum ersten Mal konnte ich ein Frontpanel einer IBM System/360 in Verbindung mit einer Kugekopfschreibmaschine in Aktion sehen. Der Originalrechner wurde leider verschrottet, aber auf der Rückseite des Panels steckte ein kleines FPGA Board, das den Rechner originalgetreu nachbildete.
IBM System/360 Model 30
Das teilweise oder komplette Ersetzen von originaler Hardware durch moderne Rechneremulationen oder FPGA Nachbauten scheint ein Trend zu werden, wie verschiedene Exponate zeigten. Angesichts des nun bereits mehrjährigen Versuchs, die PDP-11/34 des Hackerspaces AFRA wieder in Betrieb zu nehmen ist das ein verständlicher Weg.
Ebenso gab es aus heutiger Sicht exotische Bürocomputer (8Bit Commodore, 32 Bit Risc Workstation, HP-Grafikworkstations,…) und alternative Betriebssysteme (OS/2, BeOS, GEOS, …) zu sehen.
Interessant fand ich noch die Kollektion verschiedener Handheldsysteme, die die Evolution bis zu aktuellen Smartphones zeigte. Ich konnte neben einem mir unbekannten Z-80 basierten PDA von Amstrad auch das erste Mal einen Apple Newton ausprobieren. Mein Fazit: Die Handschrifterkennung des Amstrad ist langsam und unbrauchbar, die des Newton schneller und genauso unbrauchbar. Den Palmpilot brauchte ich nicht auszuprobieren, da ich selber einmal ein Modell III besessen habe.
Handhelds
Vorträge
Ich habe mir in diesem Jahr lediglich zwei Vorträge angehört, weil man dank des Videoteams des Chaos Computer Clubs alles auch nachträglich im Netz ansehen kann (https://media.ccc.de/c/vcfb2017).
Wolfgang Stief erweitertete auch dieses Jahr seine Vortragsreihe über Seymour Cray und seine Rolle im Supercomputing. Nach den Vorträgen “Wie das Supercomputing auf die Welt kam” aus dem Jahr 2015 und “Defining Supercomputing — Seymour Cray und die CDC 6600” aus dem Jahr 2016, ging es thematisch weiter in die 70er Jahre mit dem Thema “Cray-1, Ikone des Supercomputing – Wie die Maschine zur Welt kam, und was danach passierte“.
Eine kleine Anekdote: Als ich ihn nach dem Vortrag auf die CRAY-2 hinwies, die keine 30m von dem Vortragsraum entfernt steht, zeigte sich Wolfgang Stief überrascht. Ich hatte mich schon gewundert, weshalb er in seinem Vortrag darauf hingewiesen hatte.
Cray 2 im Deutschen Technikmuseum
Den anderen Vortrag, den ich mir angehört habe, hielt Rolf-Dieter Klein, der leider kurzfristig verhindert war, aber per Skype hinzugeschaltet wurde. Er stellte die Entwicklung des bereits genannten NDR-Klein Computers vor, der Anfang der 80er Jahre in einer 26-teiligen Fernsehserie vorgestellt wurde um dem Publikum die Grundlagen des Computing nahezubringen.
Fazit
Das vierte Vintage Computing Festival Berlin war wieder sehr interessant und anregend. Der neue Veranstaltumgsort ermöglicht es, die Spannbreite historischer Rechentechnik einem breiteren Publikum nahezubringen. Zudem ist es eine hervorragende Ergänzung zu den anderen Artefakten des Museums, die in der Regel nicht operativ betrieben werden und so den Charakter der historischer Rechentechnik nicht so gut transportieren können. Insofern hoffe ich, dass sich das Deutsche Techniskmuseum dazu entschliessen kann, seine Räume auch für das VCFB 2018 zur Verfügung zu stellen.
In Berlin findet parallel zur Bundestagswahl auch ein Volksentscheid zum möglichen Weiterbetrieb des Flughafens Tegel (TXL) statt. Ich habe meine Stimme bereits vor über einer Woche per Briefwahl abgegeben und möchte mich jetzt mal bekennen:
Ich habe dafür gestimmt, den Flughafen Tegel weiterhin offen zu halten.
Bäng!
Bevor jetzt mit faulen Tomaten oder Eiern nach mir geworfen wird, bitte ich darum, meine Argumente anzuhören.
Ich bin nämlich eigentlich dafür, ihn zu schließen, glaube aber, dass das in der jetzigen Situation nicht richtig wäre.
Was mich an der ganzen Diskussion pro und contra Tegel stört, ist die Oberflächlichkeit der Diskussion. Wer gegen TXL ist, wohnt in der Einflugschneise und will seine Ruhe haben und wer für TXL ist, ist ein Nostalgiker, der zu faul ist, nach Schönefeld zu fahren. Meine Stimmabgabe lässt sich also ganz einfach erklären:
Ich bin halt so ein Pfeffersack, der im Prenzlauer Berg wohnt, viel fliegt und es toll findet, dass der Flughafen nicht so weit weg ist.
Das stimmt zwar – ist aber irrelevant.
Die Fahrzeit nach Tegel und nach Schönefeld (bzw dann BER) ist beinahe identisch. Vom Fluglärm bekomme ich nur dann etwas mit, wenn in Richtung Osten gestartet wird, aber dass man nicht in Ruhe am Weissensee oder in Pankow spazieren gehen kann (geschweige denn dort wohnen) finde ich auch nicht so klasse.
Worum geht es mir also dann?
Der Hintergrund meiner Entscheidung liegt ca. 25 Jahre zurück. Damals habe ich Stadt- und Regionalplanung an der TU-Berlin studiert. Kurz nach dem Fall der Mauer war in Berlin alles zusammengebrochen. Der Osten sowieso, aber auch die hoch subventionierten Betriebe im Westteil wurden geschlossen. Die Zukunft völlig offen. Welche Rolle sollte und könnte die Stadt in Zukunft spielen? Welche Anforderungen würden sich daraus ergeben? Es gab jede Menge Meinungen, die in alle möglichen Richtungen gingen, aber in zwei Punkten herrschte relative Einigkeit:
- Die Zeiten, in denen in Berlin eine nennenwerte Industrieproduktion hatte, sind endgültig vorbei
- Egal welche Rolle Berlin zukünftig spielen würde – Eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur wäre in jedem Fall nötig
Vor diesem Hintergrund haben wir an der TU eine Luftverkehrsplanung erstellt. Zu diesem Zeitpunkt dienten Tegel, Tempelhof und Schönefeld der Zivilluftfahrt. Die Zahlen von 1993 als Ausgangsbasis unseres Konzeptes waren:
Flughafen |
Startbahnen |
Flugbewegungen |
Passagiere |
Tegel (TXL) |
2 |
90.000 |
7 Mio. |
Schönefeld (SXF) |
2 |
31.300 |
1,6 Mio |
Tempelhof (THF) |
2 |
54.000 |
1,1 Mio |
Die Randbedingungen der Überlegungen waren weiterhin:
Keine weitere militärische Nutzung der Flughäfen. Die Russen waren bereits abgezogen, die Franzosen hatten Tegel verlassen, die Amerikaner waren gerade dabei Tempelhof Air Force Base zu räumen und der britische Militärflugplatz Gatow wurde gerade geschlossen.
Berlin würde wieder Regierungssitz werden und daher auch einen Regierungsflughafen benötigen.
Aufgrund des witschaftlichen Zusammenbruchs Berlins wurde kurzfristig nicht mit einem starken Wachstum der Verkehrszahlen gerechnet. Mittel- und langfristig wurde jedoch ein sehr hohes Verkehrswachstum prognostiziert.
Unklar war dabei der Anteil an Luftfracht, die Entwicklung der Privat- und Geschäftsfliegerei und die Frage, ob Berlin mittelfristig wieder zu einem Hub werden würde. Die Optionen sollte auf jeden Fall offen gehalten werden.
Es galt nun, die Hauptfaktoren Ausbaufähigkeit, Lärmschutz, Naturschutz, Anbindung, externe Infrastrukturkosten abzuwägen.
Zu Beginn der Planungen war zunächst alles denkbar. Die Extrempositionen waren der Weiterbetrieb aller bestehenden Flughäfen oder die Schließung aller Flughäfen und Neubau weit im Süden (Sperenberg) oder weit im Norden (Prignitz mit Transrapidanschluss von Berlin und Hamburg).
Nach sehr lebhaften, aber sachlich gut begründeten Diskussionen entschieden wir uns damals für folgende Variante:
Aus Gründen des Lärmschutzes und aufgrund von Sicherheitsbedenken sollte Tempelhof geschlossen werden.
Schönefeld sollte aufgrund seiner guten Erreichbarkeit zum einzigen Flughafen für die Verkehrsfliegerei ausgebaut werden. Um die angestrebte hohe Kapazität zu erhalten, mussten die beiden Startbahnen einen größeren Mindestabstand erhalten. Zudem lag die damalige Nordbahn zu dicht an Bohnsdorf. Unser Vorschlag war, die damalige Nordbahn zu schliessen, die Südbahn zur neuen Nordbahn zu machen und südlich davon den neuen Flughafen zu bauen und südlich davon eine neue Start- und Landebahn.
Das entspricht ziemlich genau dem späteren offiziellen Konzept des BER. So wurde er auch gebaut.
Für Tegel hatten wir vorgesehen, Verkehrsfliegerei dort nicht weiterzuführen, ihn aber als Regierungsflughafen, sowie als Standort für die Privat- und Geschäftsfliegerei weiter zu betreiben. Dadurch hätte man eine saubere Trennung von der Verkehrsfliegerei erreicht, die Kapazität in Schönefeld würde nicht durch Kleinflugzeuge beeinträchtigt, die Berliner würden erheblich weniger Fluglärm als bisher ausgesetzt sein.
Diese Überlegung finde ich auch noch immer richtig. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der BER noch immer nicht eröffnet ist, aber bereits jetzt zu wenig Kapazität aufweist. Es geht dabei ja nicht nur um die Terminals, sondern vor allem um die Slots. Der BER hat nur zwei Startbahnen. Hierüber die normale Verkehrsfliegerei plus Regierungsfliegerei plus General Aviation abzuwickeln halte ich mittelfristig für unrealistisch.
|
Startbahnen |
Flugbewegungen |
Passagiere |
1993 TXL, SXF, THF |
6 |
175.000 |
9,7 Mio |
2016 TXL, SXF |
3 |
282.000 |
32,9 Mio |
Zukünftig BER |
2 |
426.000 max. |
27 Mio, 50 Mio max. |
Ein Flughafen reicht für eine Stadt, wie Berlin nicht aus. Zwei sind genau richtig.
Paris hat 3, London gar 5 Flughäfen. Oder wir bauen solche Monster wie Chicago O’Hare oder Atlanta Hartsfield, was ich aber in Deutschland für unrealistisch halte.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 10 September 2017 |
Gizmos,
Misc
Ich bin zwar kein richtiger Kaffee-Nerd, aber ich lege schon Wert auf eine schöne, schmackhafte Tasse. Im Zweifelsfall ziehe ich einen gut gemachten Filterkaffee einem lieblosen Espresso vor, aber seit ich um 2000 herum in Zürich gearbeitet habe, gibt es bei mir zu Hause eine Espressomaschine.
Damals hatte ich mir eine nette kleine Siebträgermaschine von Krups gekauft, die nach ein paar Jahren den Geist aufgegeben hatte und von mir durch einen Jura Vollautomaten ersetzt wurde.
Das war ein Fehler. Die Maschine, die mich damals immerhin €750,- gekostet hatte machte nur am Anfang schmackhaften Kaffee. Trotz regelmäßiger Reinigung wurde der Kaffee irgendwann etwas muffig. Nach zweieinhalb Jahren ging die Maschine dann kaputt. Ich habe sie für €150,- reparieren lassen und nach weiteren 5 Monaten ging sie wieder kaputt. Das war dann für mich das Zeichen, nur noch Siebträgermaschinen nutzen zu wollen. So einfach wie möglich.
Gesagt – getan. Ich kaufte mir eine klassische kleine Saeco Aroma, die zu dem Zeitpunkt bereits 20 Jahre gebaut wurde.
Saeco Aroma
Ich mag diese Maschine, obwohl sie durchaus ein paar unschöne Eigenschaften hat. Bei der Pflege des sehr robusten Metallgehäuses muss man aufpassen, weil es extrem scharfkantig ist. Zudem passen nur sehr kleine Tassen unter den Siebträger. Auf die Durchlaufmenge des Wassers muss man selber aufpassen und richtige Kaffee-Nerds bemängeln das Druckventil im Siebträger. Aber am Ende zählt, was unten rauskommt – nämlich leckerer Kaffee und die Maschine sieht auch ganz knuffig aus.
Leider hat sie sich vor ein paar Tagen nach sieben Jahren Betrieb ebenfalls verbschiedet. Während der Zubereitung eines Kaffees gab es einen lauten Knall und statt Kaffee aus dem Siebträger lief heißes Wasser aus dem Gehäuse.
Also mal wieder Zeit für eine Neuanschaffung. Ich hätte mir durchaus dasselbe Modell noch einmal gekauft, aber nach über 25 Jahren Produktionszeit wurde die Maschine aus dem Programm genommen. Schade.
Nach zwei Tagen Recherche habe ich mich nun für eine De Longhi Dedica EC685(Hier gibt es Infos zum Vorgänger EC680) entschieden. Die Maschine gibt es in mehrere Farben. Ich fand das gedeckte rot als Farbtupfer in meiner weiß/grauen Küche ganz schick. Überhaupt ist das schmale Design der Dedica schon recht speziell. Nach etwa Überlegung kam ich dann darauf, woran es mich erinnerte; An eine Ständerbohmaschine :-D .
De Longhi Dedica
Die Bedienung ist etwas weniger rudimentär, als bei der Aroma, weil man Wasserhärte, Kaffeetemperatur und Durchlaufmenge einstellen muss, allerdings waren die Voreinstellungen für mich richtig. Ein paar Kleinigkeitene finde funktional nicht so gut:
- Die Maschine ist so schmal, dass man keine zwei Espressotassen nebeneinander stellen kann. Man muss die zwei Kaffee wirklich nacheinander zubereiten.
- Beim Festziehen des Siebträgers muss man die Maschine festhalten, weil sie nicht so schwer ist. Ich habe das instinktiv vorne gemacht und bin dabei an die Knöpfe gekommen und habe damit den Brühvorgang zu früh gestartet. Das scheint jedem so zu gehen, der die Maschine das erste Mal nutzt.
- Der Dampfhahn ist direkt über dem Milchschäumer angebracht. Ich hätte es beim ersten Mal fast geschafft, mich an dem Dampf zu verbrühen.
- Einige Gehäuseteile bestehen aus verchromten Plastik. Sieht etwas billig aus und die Frage ist, ob die Beschichtung in 5 Jahren noch komplett ist. War das nötig?
- Der Netzschalter ist im Fuss so unscheinbar angebracht (im Foto gleich neben der Dampfdüse), dass man gerne übersieht, die Maschine wieder auszuschalten.
Nach etwas Nörgelei will ich aber vor allem auf die positiven Seiten hinweisen:
- Die Dedica ist ein echter Hingucker in de Küche
- Es passen auch größere Tassen unter den Siebträger, wenn man die Tropfschalte entfernt (darunter ist noch eine weitere sehr flache Schale).
- Die Maschine ist extrem schnell auf Betriebstemperatur
- Der Kaffee ist lecker. Richtig lecker. Und genau darum geht es ja letztlich.
Am Nachmittag des 02.07.2017 fand in der Toskanahalle in Berlin Weissensee die Finissage der Ausstellung “Computerbögen” statt. Daran war ich mit meiner Installation “Instructions to a 6510 for Sound” beteiligt.
Es handelt sich um eine Installation aus 32 Blatt Tabellierpapier mit kommentiertem Assemblercode, Lautsprecher und einem Einplatinenrechner, der programmgesteuert im 5 Minuten Intervall drei Musikstücke abspielt.
Installation im Überblick
Detail: Raspberry Pi und Erläuterung
Detail Ausdruck
Über das Werk:
Das Werk hat mehrere Interpretationsebenen.
Der Name der Installation weist auf die einfachsten Interpretationsebene hin. Es ist Musik zu hören, die mittels einer Software erzeugt wurde. Auf den 32 Blatt Papier sind Anweisungen für einen MOS6510 Prozessor zu sehen um diese Musik zu erzeugen.
Eine andere Interpretationsebene ist das Spiel mit Zeit. Artefakte aus den 80er Jahren, die im Jahr 2017 genutzt werden.
Die zugrunde liegende Software (Sound-Monitor von Chris Hülsbeck) stammt aus dem Jahr 1986. Sie ist für den Commodore 64 programmiert, einem Heimcomputer aus dem Jahr 1982.
Das verwendete Tabellierpapier erinnert aber an typische Computerausdrucke aus den 70er und 80er Jahren. Die Schrifttype stammt von einem Epson Nadeldrucker aus dem Jahr 1980.
Der Ausdruck zeigt eine kommentiert Interpretation des Assemblercodes von Dirk Ollmetzer aus dem Jahre 2017.
Die abgespielte Musik stammt von Dirk Ollmetzer aus dem Jahr 2014 und 2017.
Nicht zuletzt ist die Installation auch ein Spiel mit Authentizität.
Die Software, um die es in diesem Werk geht, ist in ihm selber nicht vorhanden. Der Ton kommt von einem kleinen Einplatinenrechner aus dem Jahr 2016, der drei vorgefertigte MP3 Sounddateien abspielt. Diese wurden zwar mit dem Soundmonitor erzeugt, jedoch nicht auf einem echten Commodore 64, sondern auf einer Softwareemulation des Commodore 64, die auf einem aktuellen PC lief.
Auf dem Ausdruck ist auch nicht der Maschinencode selbst zu sehen, sondern eine für den kundigen Menschen lesbare Form (6502 Assemblercode) mit Kommentaren und Sprungmarken, anhand der die Funktion der Software nachvollzogen werden kann.
Der scheinbar alte Computerausdruck wurde mittels einer Textverarbeitung und einer speziellen Schrifttype zunächst auf normales A4 Papier ausgedruckt und anschließend mit modernen Kopierern auf das Tabellierpapier vergrößert kopiert.
Nichts ist so, wie es zunächst scheint. Alles ist echt, aber nichts authentisch.
Ich hatte Sehnsucht nach Sonne und Kultur – da liegt eine Reise nach Italien auf der Hand. Meine Wahl fiel auf Venedig. Irgendwie scheint jeder außer mir schon einmal dort gewesen zu sein und das wollte ich ändern. Ich war neugierig auf die Geschichte, Kultur, Architektur und den Städtebau. Andererseits hatte ich Bedenken wegen der Touristenmassen, Angst vor Nepp und stinkenden Kanälen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Wenn ich Folgenden von Venedig rede, meine ich den für Touristen interessanten historischen Teil in der Lagune (Stadtteile San Marco, San Polo, Cannaregio, Dorsoduro, Castello und Giudecca) und nicht die Industriestadt auf dem Festland mit der Petrochemie.
Ich hatte Glück und der kaum eineinhalb Stunden dauernde Flug verlief ruhig und wolkenfrei. Das ermöglichte mir tolle Blicke auf München, Innsbruck und die Alpen, sowie auf die Lagune und Venedig im Landeanflug. Auf dem Flughafen habe ich sofort ein 72 Stunden Ticket von ACTV mit Flughafentransfer gekauft (€ 46,-) und los ging es mit der Buslinie 5 über die 3,6 Km lange Brücke zum Piazzale Roma in der Lagune. Und dann steht man im Gewusel am Canal Grande und versucht herauszubekommen, wo denn nun Vaporetto (Quasi der Wasserbus) Line 1 anlegt.
Erster Eindruck: Blick vom Piazzale Roma auf den Canal Grande
Nur wenige Minuten später kommt das Boot und es geht los…
…ungefähr 200m weit. Dann gibt es die nächste Haltestelle auf der anderen Kanalseite. Und so geht es im Zickzack ungefähr 20 Minuten weiter, bis wir unter der Rialtobrücke durchfahren und ich am nächsten Anleger aussteige. Dann noch etwa 200m durch eine schmale Gasse zum Hotel und eingecheckt. Bis dahin wurde ich bereits mit den verschiedensten Eindrücken überflutet:
- Mein Gott, das sieht ja wirklich alles genauso aus, wie im Film!
- Die Kanäle riechen überhaupt nicht unangenehm.
- 28 Grad Lufttemperatur, stechende Sonne und überall Wasser – das macht das Klima etwas anstrengend.
- Herrjeh, ist das ein Gewusel auf dem Wasser!
- Au weia! Ist das ein Gedränge in den Gassen!
Canal Grande von Dorsoduro aus gesehen
Später fiel mir noch auf
- Das Hotel ist gut, sehr sauber und es gibt zu meiner freudigen Überraschung ein anständiges Frühstück.
- Die Zikaden in den Bäumen sind ganz schön laut.
- Die Gondeln sind zwar unfassbar kitschig (und teuer). Aber es ist schon elegant, wie sie lautlos durch das Wasser gleiten.
Gondoliere in grandi quantità
Vom Gepäck befreit führt mich mein erster Weg direkt zum Markusplatz. Das sind nur 200m halbwegs geradeaus und das Hauptziel der meisten Besucher. Der Weg ist aber nicht nur kurz, sondern auch extrem schmal. An der breitesten Stelle vielleicht 2,5m und an der schmalsten kaum 1,5m. Trotzdem ist es einer der beiden Hauptwege zwischen Rialtobrücke und Markusplatz. Dementsprechend drängen die Menschen hier durch.
Wahnsinn!
Markusplatz am Abend
Den Markusplatz hat vermutlich jeder schon einmal auf Bildern gesehen: Die langen Arkaden, Der große Campanile, die Basilika mit ihren unglaublichen Marmorverzierungen und natürlich der Dogenpalast. Obwohl der Platz mit 180m x 80m ziemlich groß (für venezianische Verhältnisse geradezu riesig) ist, erdrückt einen doch die schiere Masse an Touristen. Also schnell die üblichen Beweisbilder gemacht und weiter geht es (Ich bin abends noch einmal wiedergekommen – immer noch viele Menschen, aber man hat endlich etwas mehr Platz).
Ich lasse mich durch Gassen über Brücken und Plätze in Richtung Accademia treiben. Schnell merke ich: Man kann die Kamera in eine beliebige Richtung halten und abdrücken – das Fotomotiv ist immer malerisch bis zum geht nicht mehr. Das werde ich in den nächsten vier Tagen auch extrem häufig machen. Tatsächlich habe ich 860 Aufnahmen gemacht und nur ganz wenige sind Ausschuss.
Campo San Moisè
Calle Dose da Ponte
Canal Grande von der Ponte dell’ Accademia
Das frühe Aufstehen, die Anreise, das unglaubliche Gewusel in den Gassen und nicht zuletzt der Temperatursprung um 10 Grad fordern schnell ihren Tribut. Meine Kondition lässt zu wünschen übrig und ich beschließe, dass ich ich Venedig nicht gleich am ersten Tag komplett erkunden muss. Am Anleger Accademia nehme ich ohne großen Vorsatz das nächste Vaporetto. Es ist wieder die Nummer 1. Da ich gerade ganz bequem sitze, fahre ich bis zur Endhaltestelle Lido mit. Der Lido ist eine 12Km lange, schmale Insel, die die Lagune von der Adria trennt. Hier ist die Bebauung völlig anders. Der Hauptort hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem mondänen Badeort entwickelt. Hier geht es luftiger und ruhiger zu und ich bleibe bis zum frühen Abend am Strand sitzen, um auf die Adria zu gucken und mich auszuruhen.
Tag zwei fängt mit einem guten Frühstück an (holla!) und danach geht es gleich zum Arsenale um die Biennale anzusehen (davon berichte ich getrennt im Artikel “Venedig – Kunstbiennale 2017“). Nachdem ich Nachmittags das Ausstellungsgelände verlassen habe bin ich wiederum ziemlich geschafft und kann eine etwas längere Bootsfahrt gebrauchen. Ich beschließe, den Anleger an der kleinen Insel St. Pietro di Castello zu nehmen und lande in einer verschlafenen Ecke von Venedig. Keine Sehenswürdigkeiten, keine Touristen, dafür einige Einheimische. Schau an – das gibt es auch noch. Wie beruhigend!
Einfache Wohnhäuser in Castello
Die Fahrt ging an der Nordseite Venedigs entlang. So konnte ich einen Blick auf die Friedhofsinsel San Michele werfen, mich davon überzeugen, dass es in dieser historischen Stadt ein sehr modernes Krankenhaus mit Hubschrauberlandeplatz und Notaufnahme (natürlich per Boot) gibt. Der Blick auf die Häuser des Stadtteils Cannaregio zeigt, dass auch dort “richtige Menschen” leben. Gut zu wissen, dass es sich trotz der Touristenmassen doch noch um eine richtige Stadt handelt.
Fondamenta Cannaregio
Am Anleger Tre Archi steige ich aus und laufe in glühender Sonne den Fondamenta Cannaregio hinunter. Mein Ziel ist das jüdische Viertel. Hätte ich nicht vor einiger Zeit einen längeren Bericht über die Historie des Ghetto gesehen, wäre ich vermutlich achtlos vorbeigegangen. Beim ersten Laden an dessen Türrahmen mir ein kleiner, zylinderförmiger, schief angebrachter Behälter auffiel, bog ich in den nächsten torartigen Durchgang links ab.
Und schon war ich mittendrin im Calle Ghetto Vecchio zwischen koscheren Lebensmittelläden und Synagogen, die man nur erkennt, wenn man weiß wo sie sind.
Campo del Ghetto Nuovo
Zudem befindet sich hier einer der schönsten Plätze Venedigs: Der Campo del Ghetto Nuovo. Er ist groß und lebendig. Kaum Touristen, dafür viele einheimische und spielende Kinder. Leider scheint es auch nötig zu sein, hier ein Häuschen hinzustellen, in dem mehrere bewaffnete Polizisten die friedliche Szene bewachen. Das ist bei uns in Berlin an Stellen, die für das jüdische Leben wichtig sind ja auch nicht anders. Aber irgendwie empfinde ich es als Schande, dass so etwas heutzutage in Europa nötig ist.
Abends bin ich dann noch etwas am Rialto und in San Marco umher gelaufen und habe bei einem leckeren Eis die Szenerie genossen.
Canal Grande von der Rialto Brücke aus gesehen
Nächtlicher Blick auf San Giorgio Maggiore
Am nächsten Tag habe ich mich wiederum zur Biennale begeben (diesmal in den Giardini) und am Nachmittag den Stadtteil St. Elena angesehen. Keine expliziten Sehenswürdigkeiten, dafür wieder normale Einwohner, breitere Strassen und sogar ein Park. Dort hinten kann man es aushalten.
Wohnstrasse für richtige Menschen
Am letzten Tag bin im Stadtteil Dorsoduro, südlich der Accademia gewesen. Noch recht touristisch – unter anderem ist dort die Peggy Guggenheim Collection und diverse andere Palazzi mit Kunst, aber es ist nicht ganz so überlaufen wie San Marco. Hier bin ich den (das, die?) Fondamente Zattere al Ponto Lungo entlagflaniert. Der Blick schweifte über das Wasser in Richtung des Stadtteils Guidecca. Dort hinüber kommt man wirklich nur noch mit dem Boot, weil es keine Brücke über die breite Fahrrinne zum Hafen von Venedig gibt.
Zurück zum Flughafen ging es dann direkt mit dem Boot über die Lagune. Sobald das Boot von Alilaguna aus den Kanälen der Stadt heraus und in der offenen Lagune war, hieß es Vollgas. Ein bisschen Wellen muss man da schon vertragen. Aber ehrlich – wie geil ist des denn, mit dem Boot direkt in den Flughafen zu fahren?
Bootsanleger am Flughafen
Leider war mein Besuch damit bereits wieder beendet. Der Rückflug war ordentlich verspätet und ich bekam auf Facebook den Rat, ein Boot mitzubringen, weil in Berlin gerade die Strassen wegen Dauerregen überschwemmt sind.
Ich sehe es lieber so: Einige Dinge, die mich interessieren, habe ich noch nicht gesehen und somit einen Grund noch einmal wiederzukommen. Zum Abschluss noch ein paar Gedanken, die ich während des Besuchs hatte:
Größe und Entfernungen
Größe, Entfernung und Zeit nimmt man in Venedig einfach komplett anders wahr, als in normalen Städten. Die Lagunenstadt misst ca. 4,5 Km in Ost/West und 2,7 Km in Nord/Süd Richtung. Aber die Gassen sind selbst für südeuropäische Verhältnisse unfassbar eng und verwinkelt. Gassen von kaum 1,5m Breite sind nicht ungewöhnlich. Zudem sind zwar überall Kanäle aber längst nicht überall Brücken, wo man sie braucht. Das führt zu Situationen, in denen man für eine Entfernung von ein paar Hundert Metern Luftline lieber in das Vaporetto steigt, anstatt sich durch das enge und mit Touristen überfüllte Labyrinth zu drücken.
Tourismus – Fluch und Segen
Tatsächlich wird die Stadt von der Menge der Touristen schier erdrückt: Es sollen ca. 30 Millionen pro Jahr sein. In einer Stadt, die nur ca. 60.000 Einwohner hat. Im Gegensatz zu Rom, das ebenfalls von etlichen Millionen Besuchern jährlich heimgesucht wird, hat Venedig (in der Lagune) kaum noch andere wirtschaftliche Funktion, außer dem Tourismus.
Andererseits wäre diese historisch bedeutende Stadt ohne die Besucher vermutlich schon weitgehend zerfallen und verlassen. Das Leben dort ist erheblich anstrengender und teurer als auf dem Festland. Das fängt mit der Ver- und Entsorgung an und endet beim aufwändigen Erhalt der historischen Bausubstanz noch lange nicht. Es gibt nur sehr wenige Läden für den normalen Einkauf. Jede Lieferung muss zunächst auf ein Boot umgeladen werden, dann eventuell noch mal auf den Handkarren und durch die Gassen und über die Brücken mit ihren Stufen geschoben werden. Egal ob es das Päckchen von Amazon ist, die Lieferung für den Supermarkt oder die Müllabfuhr. Das dauert, und ist aufwändige und schwere Handarbeit.
Lieferboot von DHL
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