Communities – Freiheit von den Datenkäfigen
Neulich las ich von einer Person, deren Firma sehr viel Geld in Communityportale gesteckt hat, die Meinung, daß der Community-hype seinen Höhepunkt erreicht haben dürfte und es nunmehr zu einem Verdrängungswettbewerb kommen wird, den nur ein, oder zwei große Communities überstehen werden.
Aua aua aua!
Das klingt mir ganz böse nach alten Denkmusterns aus dem Industriezeitalter. Stichwort: Economy of scale. Diese Art Herrschaften betrachtet ihre sogenannten Communities als Datenkäfige, in die sie soviele Legehühner (= Benutzerprofile) wie möglich quetschen möchte, um dann in irgendeiner Form Mehrwert abzuschöpfen. Diese Denkweise hat meines Erachtens soviel Zukunft, wie Fernsehen – nämlich kaum eine.
In meiner Diplomarbeit vertrete ich die These, daß die meisten Communities, die diesen Namen wirklich verdienen, eher klein sind. Das Wort Community wird meist als Gemeinschaft übersetzt, bedeutet aber vor allem auch “Gemeinde”. Wenn Gemeinden zu groß werden, geht der persönliche Kontakt untereinander verloren. Das Individuum kann einfach nicht mit tausenden Anderen echten Austausch betreiben. Communities skalieren nicht gut.
MySpace und Konsorten sind keine Communities. Es sind riesige Rummelplätze. Grell, häufig geschmacklos, mit viel Musik und Getümmel, voller unbekannter Leute und nicht immer ganz ungefährlich. Das kann auch nett sein, ist aber keine Community. Manchmal gehe ich gerne auf den Rummel, aber ich lade auch gerne einmal Freunde zum Kaffeetrinken zu mir ein, gehe mit anderen in die Kneipe, treffe ehemalige Kollegen zu Meinungsaustausch, kümmere mich um meine Familie und mache noch 1000 andere Sachen.
Man ist nicht in einer Megacommunity, sondern in -zig sehr überschaubaren Communities. Diese ändern sich auch mit der Zeit. Man möchte auch manchmal unter sich sein, und nicht jeden hineinlassen. So erfolgreich Flirt- und Baggercommunities auch sind – das ist eben nur eine Facette. Daher fand ich das Interview, das der elektrische Reporter mit Marc Canter (Gründer von Macromedia) geführt hat, sehr interessant.
Link: sevenload.com
Ich möchte Herrn Canter nur in einem Detail korrigieren. Es sagt “Es wird zehntausende dezentrale Netzwerke geben”. Die gibt es bereits, und zwar von Anbeginn. Sie sind allerdings für die Herrn mit den Dollarzeichen in den Augen stets unsichtbar geblieben, weil sie sich den Verwertung widersetzen.
Hoffentlich bleibt das auch so.