Zynische Ostergrüße – oder warum ein paar Tote auch etwas Gutes haben können
Okay, ich gebe zu, daß die Überschrift sehr provokant ist. Ich versuche hier mal eben ‘politisch’ (wer ab hier Zynismus findet, darf ihn gerne behalten) auf die Nachrichten der letzten Tage zu reagieren – und ich meine nicht die über die katholische Kirche. Die jüngsten Ereignisse in Afghanistan – der Überfall auf die Bundeswehr in Kunduz und die irrtümliche Tötung der verbündeten afghanischen Soldaten haben durchaus auch eine positive Seite:
Es wird so langsam auch dem letzten Michel deutlich, daß sich Deutschland im Krieg befindet.
Als jemand, der in der alten Bundesrepublik aufgewachsen ist, stand für mich jederzeit ausser Diskussion, daß wir unsere Armee nur einsetzen, wenn wir oder einer unserer Verbündeten angegriffen werden. Punkt! Das war jahrzehnte lang gesellschaftlicher Konsens und Staatsdoktrin.
Nach der Wiedervereinigung wurde diese Selbstverständlichkeit Stück für Stück aufgeweicht und in Frage gestellt. Es würde viel schwüles und hirnbefreites Geschawafel über ‘internationale Verantwortung’ und ‘unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt’ verbreitet. Unsere Soldaten sind in vielen sogenannten “Friedensmissionen” auf der Welt unterwegs, aber niemals im Krieg. Wir sind ja schließlich alle gegen Krieg, nicht wahr?
Was mich an diesen Dingen stört ist nicht nur die Tatsache an sich. Bitte nicht falsch verstehen – manche Einsätze haben meines Erachtens nach durchaus ihre Berechtigung. Wenn unsere Marine auf Piratenjagd vor Somalia geht, finde ich das gut. Wir sind eine Handelsnation und es ist für uns wichtig, daß die Handelsrouten einigermaßen sicher zu befahren sind. Andere Einsätze, wie seinerzeit im ehemaligen Jugoslawien oder eben in Afghanistan sind – sehr vorsichtig gesagt – eher zweifelhaft.
Was mich aber wirklich auf die Palme bringt, ist, daß diese Kampfeinsätze aufgrund des politischen Neusprech in der Öffentlichkeit nur sehr am Rande wahrgenommen werden. Wie kann man jahrelang die Truppen zu potentiell gefählichen Einsätzen um die Welt schicken und dabei so tun, als ob sie bloss Schokolade verteilen und armen Kriegsflüchtlingen Unterkünfte und Wasserleitungen bauen?
Und dann sterben plötzlich Menschen.
Großes Theater: Ach was! “Wer konnte damit rechnen?” “Was ist da schiefgelaufen?” “Wie konnte das passieren?”
Na was denn jetzt? Wasch mich, aber mach mich nicht nass?
Entweder wir “spielen mit” oder eben nicht. Wenn ich Truppen rund um die Welt schicke, ist doch wohl sonnenklar, daß dabei eventuell auch geschossen wird. Und wenn geschossen wird, wird eben auch gestorben. So einfach ist das. Willkommen in der Wirklichkeit. Wer findet, daß das ein notwendiger Preis (für was auch immer) ist, muss auch dazu stehen und sich rechtfertigen und ggf. auch dafür geharnischte Kritik gefallen lassen. Und wer das nicht will, muss unsere Truppen nach Hause holen.
Frohe Ostern!