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Soziale Netzwerke vs. Real Life

Während der letzten paar Tage hatte ich einige nette Treffen im RL (Real Life = echtes Leben). Ich habe nicht nur nette Menschen wiedergesehen, sondern mir wurde auch der Kopf betreffend der Internetnutzung von “echten Menschen” mal wieder gerade gerückt.

1. Junge, urbane, mobile, netzaffine Erwachsene

Interessant war zum Beispiel ein gemütliches Treffen, das ein ehemaliger Kommilitone anlässlich seines Geburtstages initiiert hatte. Er hat einige Zeit im Ausland gearbeitet und uns einige Fotos gezeigt. Und ich meine “richtige” Fotos – Papierabzüge!

Noch erstaunlicher fand ich, daß von den mehr als 10 Personen am Tisch während des gesammten Abends niemand getwittert, sein iPhone gezückt, oder auch nur das Handy angefasst hat, obwohl alle genau in der “relevanten Zielgruppe” waren: zwischen 25 und 35 und netzaffin. Sowas hatte ich schon lange nicht mehr.

Wir hatten zudem ein sehr interessantes Gespräch über Social Networks. Das Treffen kam überhaupt nur zustande, weil die Einladung auf Facebook verschickt wurde. Das bedeutet, daß jeder der anwesenden dort einen Account hat, einige schon recht lange, andere noch nicht so lange. Alle fanden das Tool sehr nützlich, aber dabei kam die Sprache auf Probleme, daß offensichtlich immer mehr Leute haben:

Wie kann ich vernetzt sein, und trotzdem anonym bleiben?
Ich möchte zwar meinen Freunden hin- und wieder Lebenszeichen zukommen lassen, aber nicht gleich 1000 verschiedenen Marketingabteilungen zum Frass vorgeworfen werden. Mindestens eine Person am Tisch benutzt in Social Networks nur Pseudonyme und falsche Angaben. Leider hilft das nicht, weil die Person nicht nur an seinem Profil, sondern an seinen Kontakten und der Intesität der Kommunikation mit den verschiedenen Kontakten mit einer enorm hohen Wahrscheinlichkeit identifiziert werden kann.

Wie trenne ich Freunde und berufliche Kontakte?
Man redet mit guten Freunden bekanntlich anders und über andere Themen, als mit losen Bekanntschaften und nochmal anders als mit beruflichen Kontakten. Die Trennung von Beruf und Privatshäre aufrechtzuerhalten wird heutzutage immer schwieriger. Auf Seiten der Firmen fehlt ofmals jegliche Akzeptanz. Vor Jahren hatte ich bereits eine intensive Diskussion mit einem Vorgesetzten, weil ich ihm meine private Handynummer nicht geben wollte. Diese Grenze ‘privat’ hat er einfach nicht verstanden oder war nicht bereit, sie zu akzeptieren. Heutzutage kommen ähnliche Probleme in Social Networks. Wer bei XING oder LinkedIn ist, der ist das aus beruflichen Gründen und wird sich dementsprechend präsentieren. Bei Facebook sieht die Sache anders aus. Hier steht der private Aspekt im Vordergrund.

Was macht man aber nun, wenn der Vorgesetzte ein Freundschaftanfrage schreibt? Wenn man wirklich befreundet ist – kein großes Problem. Wenn man aber nicht wirklich befreundet ist, stört seine Anwesenheit allerdings die offene Kommunikation mit Freunden. Man kann sich nicht mehr so ungezwungen unterhalten. Und falls man es doch macht und es deshalb zu Reibereien kommt? Kann man dann den Vorgesetzten virtuell vor die Tür setzen?

Klare Sache: Wer auf meiner Party rumnervt und danebenbenimmt, wird erst angezählt und dann vor die Tür gesetzt. In der realen Welt wird das leicht verstanden. Wenn ich das mit beruflichen Kontakten mache, sind Konflikte wahrscheinlich. Die einzige Möglichkeit, solche Konflikte zu vermeiden ist m.E. die strikte Trennung von beruflichen und privaten Kontakten. Blöde nur, daß es so viele Überschneidungen gibt. Wie geht man damit nun um?

Auch diese Fragen fanden wir leider keine befriedigende Antwort, aber ich finde es interessant, daß sich viele dieser Probleme bewusst sind.

2. Erwachsene “in den besten Jahren”

Ich fuhr zum meinem ersten Klassentreffen – 10. Klasse Abschlussjahrgang 1984. Das Treffen war ein Erfolg und tatsächlich kamen auch die meisten von meinen ehemaligen Mitschülern. Organisiert wurde das Ganze überwiegend per E-Mail. Bis auf drei Ausnahmen würde ich die meisten als nicht so firm im Umgang mit Computern und Internet bezeichnen. Zwar nutzen die Anwesenden Computer für Office, E-Mail und ein bischen WWW, aber bereits die Frage, wie denn jetzt die (digital aufgenommenen) Bilder verteilt werden sollen, machte viele ratlos. Webdienste wie Flickr, Picasa und Co waren den meisten unbekannt. Facebook oder andere Social Networks ebenso. Kennt keiner – braucht keiner. Ging ja auch alles so.

Die Erkenntnis

Vor ein paar Tagen fragte mich ein ehemaliger Kollege auf Facebook “aus meine Schulklasse ist auch niemand bei Facebook. Ich frage mich nur gerade wer hier in nem Biotop lebt. Die oder Wir?“.

Ich denke, zur Zeit sind das immer noch wir. Da stellt sich mir die Frage, wie relevant die ganzen Social Media Dienste in unserer gesamten Gesellschaft eigentlich wirklich sind und ob “wir” die Wirkung nicht – zumindest gegenwärtig – einfach völlig überschätzen. Nur so ein Gedanke.