BANG! November
Seit gestern bin ich für einen mehrtägigen Besuch in Hannover. Ich bin hier aufgewachsen, aber schon vor 25 Jahren weggezogen. Seit fast 20 Jahren komme ich nur noch sporadisch hierher. Meist in Eile schnell mal die Familie abklappern und wieder weg.
Die Stadt hat ‘nen schlechten Ruf, aber so ganz kann ich das eigentlich nicht nachvollziehen. Klar ist hier weniger los als zum Beispiel in Berlin oder Hamburg. Niemand kommt für einen kurzen Städtetrip hier her – ausser Messebesucher. Dafür ist man jederzeit in 5 Min. im Grünen, der Verkehr funktioniert und die Leute sind nicht so überdreht.
Ich übernachte bei meiner Schwester in Ricklingen. Nicht weit weg haben wir damals in den 80ern gewohnt. Ich gehe durch die Strassen. Die Häuser sind viel kleiner als daheim im Prenzlauer Berg. Die Seitenstrassen haben vier mehr grün. Die Läden und Kneipen sind überhaupt nicht hip und die Menschen sehen auch total normal aus. Nicht so fürchterliche “Junge, erfolgreiche deutsche Famile”-Klone, die einem einen Spaziergang durch den Friedrichshain zur Pest machen und das Gefühl geben, in einem weissen Mittelstandsghetto zu leben.
Stattdessen hier und da mal ein Harz4-Opfer, dort mal ein, zwei Ausländer aber dann auch wieder nette junge Familien. Irgendwie scheint mir das ‘ne gesundere Mischung zu sein.
Es hat sich hier nicht richtig viel verändert. Hier und da ein anderer Laden, ein neues Haus und neue Hochbahnsteige auf der Hauptstrasse. Ich irgendwie ‘nen Flashback, der Himmel ist grau und es nieselt.
BANG! Novembergefühl obwohl erst Oktober ist.
Mein Soundtrack dazu: Anne Clark. Passt von der Zeit und dem Gefühl perfekt.
Alles ist irgendwie so vertraut. Und trotzdem so weit weg. Ich habe das Gefühl, ich laufe durch meinen eigenen Film. Könnte ich hier leben? Keine Ahnung. Könnte ich es in Hamburg? Ich weiss nicht recht. Kann ich es noch in Berlin? Zweifel.
Da fällt mir ein Satz ein, der galube ich von Tom Wolfe stammt:
Man kann nie wieder zurück
Aber wohin dann? Und was tun? Und… noch viel mehr Fragen. Ich sollte mich freuen, liebe Menschen zu treffen, die ich viel zu selten sehe. Das tue ich auch und trotzdem bin ich so ratlos und schiebe gerade den Blues.
Der Herbst hat mich gerade so richtig fies erwischt.