Ökonomie des Nachrichtenwesens
Der Erfolg des Internets stellt ja bekanntlich die gesammte Medienindustrie auf den Kopf. Der Strukturwandel hat vor ungefähr 10 Jahren begonnen und in den letzten Jahren so richtig an Fahrt gewonnen. Verlierer sind im Prinzip alle bisher dominierenden Medienformate. Zuerst hat es die Musikindustrie erwischt und aktuell geraten die Zeitungsverlage in ernsthafte Schwierigkeiten. Danach wird es vermutlich für Fernsehsender und ggf sogar Buchverlage eng.
Diesen Niedergang haben alle Versuche der Contentindustrie, ihre potentielle Kunden zu kriminalisieren nicht aufhalten können. Dafür gibt es gute Gründe. Denn die Triebfeder des Wandels ist nicht die Niedertracht des Konsumenten oder genereller kultureller Niedergang, wie sich einige Kommentatoren nicht entblöden zu behaupten.
Die wahre Ursache sind ökonomische Verschiebungen, die im Wesentlichen aus den nahezu bei Null liegenden Transaktionskosten im Internet basieren. Wenn immer weniger Menschen Tonträger kaufen und stattdessen die Musik lieber im Netz saugen hat das wenig bis gar nicht mit “Kommunistischer Einstellung” zu tun, sondern ist das erzkapitalistische Prinzip, Kosten für Einkauf zu minimieren. Brutal für die Betroffenen, aber wahr. Die Erkenntnis spiegelt sich zwar in der öffentlich geführten Debatte kaum wieder, ist aber bei den kompetenteren Managern mittlerweile angekommen. Alleine, was tun mit der Erkenntnis? Wie lässt sich denn nun in der Zukunft mit Nachrichten Geld verdienen?
Interessanterweise habe ich auf Netzwertig.com gleich zwei Artikel gefunden, die sich mit der Frage beschäftigen, und die scheinbar zu zwei genau entgegengesetzten Ergebnissen kommen. In “Warum Bezahlinhalte nicht funktionieren” erklärt Marcel Weiss, weshalb es geradezu Selbstmord für ein Nachrichtenportal wäre, wenn sie Ihre Inhalte nur für zahlungswillige Kunden zugänglich machen würden. In der Internetökonomie, in der es vor allem darum geht möglichst viel Aufmerksamkeit zu akkumulieren, ist es geradezu dämlich, potentielle Interessenten auszuschließen. Damit beschneidet man nur die eigene Relevanz.
Nur fünf Tage später kommt Andreas Göldi in seinem Artikel “Was werden die Newsmedien der Zukunft kosten?” aber auf der Grundlage seiner Betrachtung von Kosten und Preisbildung zu dem gegenteiligen Ergebnis:
“Die aktuelle Situation in der Medienbranche ist eine Anomalie, die nicht langfristig aufrechtzuerhalten ist. […] Ja, die Preise für Informationen werden sehr viel geringer sein als in der Vergangenheit. Aber ab einem gewissen Punkt werden wir uns daran gewöhnen müssen, für hochwertige News wieder zu bezahlen.“
Ich denke, daß beide Artikel stimmen. Die Zeiten der Quersubventionierung von Onlineangeboten durch Druckerzeugnisse werden sicherlich bald der Vergangenheit angehören. Genauso ist klar, daß es auch weiterhin eine Nachfrage nach hochwertigen Nachrichten jenseits von DPA-Recycling geben wird. Nur ist für mich noch nicht ganz ausgemacht, wer letztlich für die Kosten der Nachrichtenbeschaffung aufkommen wird: der Kunde oder der Werbetreibende.
Bei Printerzeugnissen galt ja die Fausregel, daß der Verkaufspreis die Kosten für Druck und Vertrieb deckt. Kosten für Inhalt und Gewinnmarge wurden durch Werbung finanziert. Die hohen Kosten für Druck und Vertrieb entfallen bei Onlinemedien und werden durch die vergleichsweise vernachlässigbaren Hostingkosten ersetzt. Damit ist also der Verkaufspreis obsolet. Letztlich geht es also darum, die Einnahmen durch Werbung so hoch zu setzen, daß sie wie bisher die Kosten für Inhalt und den Gewinn decken.
Ich gehe davon aus, daß das langfristig auch gelingt – aber nur einigen wenigen großen Verlagen. Daneben wird es (wie auch schon jetzt) sicherlich viele kleine Special Interest Publikationen geben und massenweise Hobbypublikationen, die nicht notwendigerweise schlecht sein werden. Und auch in zukünftigen Medien wird höchstwahrscheinlich – wie jetzt im Zeitschriftenmarkt – das 80/15/5-Prinzip gelten: 80% Müll, 15% ganz okay, 5% richtig gut.