TV or not TV?
Letzte Woche ging die Bildröhre in meiner Glotze kaputt. So’n Mist – das gute Stück war doch fast brandneu. Hatte erst knapp neun Jahre auf dem Buckel. Also was nun? Der naheliegende Gedanke ist natürlich, sich ein neues Gerät anzuschaffen, was ich – um das Fazit vorwegzunehmen – nach tagelangem hin- und her auch getan habe. Aber die Entscheidung fiel mir nicht so leicht. Fünf gute Gründe sprachen gegen die Anschaffung:
1.) Ich brauche keine Glotze.
Immerhin hatte ich ja die ersten 12 Jahre in Berlin auch keine. Stimmt zwar, aber andererseits ziehe ich auch nicht mehr wie damals laufend um die Häuser. Ab und an mal ein Filmchen oder ‘ne bekloppte Krimiserie mit meiner Mitbewohnerin bei ‘nem Tässchen Tee anzugucken ist ja nicht verkehrt.
2.) Tolle Technik hilft nicht gegen ödes Programm
“57 channels and nothing on” hat olle Bruce Springsteen ja schon vor Jahren gesungen. Hat sich nix dran geändert. Da hilft auch kein riesen Flachbild-TV mit Dolby-Surround.
3. PAL auf LCD ist gruselig
Seit einiger Zeit gibt ja keine Röhrengeräte mehr zu kaufen. Die Bilder auf den Flachdisplays sehen im Laden ja auch immer super aus – bis man den Verkäufer bittet, einmal auf ein normales, analoges TV-Signal umzuschalten. Klar – die PAL Auflösung ist geringer, aber was da bis vor kurzem angeboten wurde ist meiner Meinung nach Sehnervzersetzend. Indiskutabel! Mittlerweile sind aber auch Geräte erhältlich, die die hochskalierten Bilder einigermaßen erträglich weichrechnen können.
4.) Nerviges Normenchaos.
Früher war bekanntlich alles besser. Naja, zumindest übersichtlicher. Man steckte den Fernseher in die Steckdose und das Koaxkabel in die Antennenbuchse – fertig. Gucke ich mir jetzt die ganzen Flachbildfernseher an, habe ich schon keinen Bock mehr micht mit dem ganzen Technikkram auseinanderzusetzen: HD-Ready, Full HD, USB, HDMI (in verschiedenen Versionen), DVB-T, DVB-C oder auch nicht… Das ist ja mittlerweile genau so eine Zumutung, wie ‘nen Computer zu kaufen. Was mich gleich zum nächsten und wichtigsten Punkt bringt:
5.) TV ist so 20. Jahrhundert…
Bei meinem Besuch in Kalifornien wurde mir mal wieder so richtig vor Augen geführt, daß wir in Deutschland in der mentalen Rezeption der technischen Neuerungen den Amis noch immer um einige Jahre hinterherhinken. Und damit meine ich gar nicht mal die geistigen Dinosaurier aus Politik, Tonträger- und Zeitungsindustrie. Bei denen ist eh Hopfen und Malz verloren. Sondern ich meine mich selbst damit und eigentlich bin ich ja technisch durchaus interessiert. Was war passiert?
Ich habe ja privat bei Freunden in Alameda gewohnt und daher so richtig Alltag mitbekommen. In ihrer ganzen Wohnung ist kein Fernseher mehr zu finden, dafür aber mehrer Computer. Und wenn man abends mal irgendeine Serie sehen möchte (und Claudi ist schon etwas serienvernarrt), wird dazu der “große” Rechner im Wohnzimmer dazu genutzt. Mit dem Browser wird einfach www.hulu.com aufgerufen, ausgewählt, was man sehen möchte und dann läuft das im Vollbildmodus.
Von Hulu hatte ich schon vorher gehört, aber ich konnte es ja in Deutschland leider nicht ausprobieren, weil deutsche IP Adressen vom Anbieter geblockt werden. Von etwas schon einmal gehört zu haben und es selber auszuprobieren sind aber zwei Paar Schuhe. An Hulu haben mich zwei Dinge fasziniert: Daß es einfach funktioniert und daß es einfach funktioniert. Kein blödsinniges Programmschema mehr. Die letzte Folge einer Serie verpasst? Einfach Auswählen, was man sehen möchte wann man es sehen möchte – fertig. Übrigens ist das werbefinanziert, wie Privatfernsehen. Wenn sich sowas erst in Deutschland durchsetzt, dann gute Nacht für das traditionelle Fernsehen.
TV ist tot, Video on demand kommt!
Da bei uns in Deutschland aber bekanntlich die Mühlen langsam mahlen, wird das wohl noch etwas dauern. Und um die Zeit bis dahin zu überbrücken, habe ich mir halt doch noch mal ‘ne Glotze zugelegt. Aber ein günstiges Basismodell. Groß investieren will ich in TV nicht mehr.