tiny little gizmos

Die Wahl, die Jugend, die Grünen, die Medien

Der Schock über die Ergebnisse der Europawahl am letzten Wochenende sitzt bei vielen tief – auch bei mir.

Was mich aber fast noch sprachloser macht, sind die hilflosen und inhaltlich mangelhaften Erklärungsversuche auf die Frage:

Weshalb haben so viele junge Leute rechts gewählt?

Ich kontere mal mit einer provokannten Gegenfrage:

Ja, warum denn eigentlich nicht?
Sie machen es, weil sie es können und weil sie es wollen.

Der Schock wäre eine gute Gelegenheit, die eigenen Vorurteile und Standpunkte zu hinterfragen. Ein Beispiel:

Jahrelang wurde propagiert, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken.
Diese Forderung kam überwiegend aus der grünen und linken Ecke.
Das unausgesprochene Kalkül dahinter ist die Stärkung der eigenen politischen Positionen. Konservativismus wurde als alt und männlich gesehen und die Jugend sei automatisch grün und links.
Die offiziell ausgesprochene Begründung war bessere politische Beteiligung der Jugend, immer verbunden mit dem Hinweis, mit 16 sei man auf jeden Fall geistig reif genug.

Nichts davon hat mir jemals eingeleuchtet.

Das fängt schon mal damit an, daß hier das Prinzip der Volljährigkeit nicht verstanden wurde.
Zugegeben ist 18 Jahre eine halbwegs willkürliche Grenze. Nur weshalb man einerseits mit 16 nicht voll verantwortlich für sein eigenes Handeln in Hinsicht auf Geschäfte, Sexualität und Straftaten sein soll,
aber auf der anderen Seite genügend geistige Reife für politische Entscheidungen haben soll, erscheint mir einfach nur unlogisch und inkonsequent.

Jetzt, wo sich herausgestellt hat, dass das politische Kalkül “Jugend = links” nicht aufgegangen ist, wird die zuvor attestierte geistige Reife auch gleich wieder in Frage gestellt, indem über den verwerflichen Einfluss von Tik-Tok Videos geschwafelt wird.
Spiegel titelt sogar “Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, wie extrem rechts die AfD ist“.

Also irgendwas stimmt hier im Weltbild nicht.
Entweder sind junge Leute doch nicht so geistig reif, oder…
oder…

Schon mal in Erwägung gezogen, dass sie es doch sind und genau das wollen, was sie wählen?

Es hat keinen Sinn, ständig von “Brandmauern gegen rechts” zu fantasieren, die es ehrlich gesagt niemals gab. Es ist völlig unlogisch, Jugendliche automatisch mit politisch links zu assoziieren.

Jugendliche machen sich zuerst mal sorgen, welchen Platz in der Gesellschaft sie einnehmen können.

Wenn sie, wie wir damals in den 80ern in Westdeutschland den Eindruck haben, der Staat ist stockkonservativ und versperrt ihnen alle Wege, werden sie sich eher nach links wenden und versuchen freiheitlicher zu werden.

Heutzutage ist die Ausgangslage aber eine völlig andere.
Der Mainstream ist extrem liberal geworden. Jeder macht, was er will. Strukturen sind zwar noch vorhanden, funktionieren aber nicht mehr, während gleichzeitig jede Form von Autorität in Frage gestellt und herausgefordert wird.
Kontrollverlust auf allen Ebenen.

Nicht nur Alte, sondern auch viele Jugendliche fühlen sich damit überfordert.
Viele haben den Wunsch nach mehr Struktur und Sicherheit.

Das sind genau die Beweggründe, die meinem Großvater 1929 in die NSDAP haben eintreten lassen. Er sagte mir damals ehrlich “Ich wollte, dass das Chaos [der Weimarer Republik] aufhört und da waren Leute, die Struktur und Disziplin versprachen.”

Möglicherweise denken heute auch wieder viele so.

Ich habe die Wahrheit auch nicht, aber die akademische Innenstadtblase, aus der die meisten Medienschaffenden kommen, sollte mal die eigenen Moralvorstellungen und Hybris zurückstellen, um sich mit mal mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Immer nur die eigenen Vorurteile widerzukäuen bringt keinen Erkenntnisgewinn.