Endlich mal elektrisch – mit dem Jeep Avenger
Ich bin kürzlich das erste Mal mit einem Elektroauto gefahren. Tatsächlich jetzt erst, obwohl ich schon 2007 in mehreren Blog Artikeln das absehbare Ende des Verbrennungsmotors prognostiziert habe und bereits mehrere elektrische Motorräder zur Probe gefahren bin (“Das leiseste Motorradfestival der Welt: Reload.Land“).
Mein aktuelles Auto hatte ich 2016 gekauft. Die Elektroautos die es damals gab, taugten entweder nicht für meine Einsatzzwecke oder hießen Tesla und lagen sehr deutlich über meiner finanziellen Schmerzgrenze. Darum hatte ich mir einen (gebrauchten) Mercedes gekauft und gesagt: Das ist mein letzter Verbrenner. Der hält so lange, bis E-Autos in meinem Budget und Nutzungsspektrum sind.
Damals noch nicht passend – und jetzt?
Über die Feiertage war ich an der Ostsee in der Nähe von Flensburg. Ich bin in regelmäßigen Abständen dort oben in der Gegend zum Ausspannen. Insgesamt bin ich diesmal 1.100 km gefahren und habe dabei ca. 100 l Benzin verfeuert.
Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Ladeinfrastruktur gut genug ist, damit ich mich nicht nur gerade eben so von Ladesäule zu Ladesäule durchhangeln kann, sondern ausreichend Flexibilität in der Reiseplanung möglich ist. Also ist es jetzt an der Zeit, dass ich mir E-Autos genauer ansehe.
Endlich mal elektrisch – die Plattform von Stellantis
Und so kam es, dass ich endlich das erste Mal ein E-Auto zur Probe gefahren bin. Der Jeep Avenger nutzt dieselbe Elektroplatform wie auch etliche andere Modelle von Stellantis. Das sind zum Beispiel Peugeot e208, Opel Corsa-e, Opel Astra-e, Peugeot e2008, Opel Mokka-e, Citroen e-C4 und Fiat 600e und vermutlich noch ein paar andere.
Die genannten Fahrzeuge sind von den technischen Werten identisch: 115 kW (156 PS), 51 kW/h Akku, Ladeleistung 11 kW an AC, 100 kW an DC. Das klingt im Elektroauto-Land nicht beeindruckend, aber es ist ganz gut, die ersten Eindrücke in der Brot- und Butter Klasse zu machen. Diese Fahrzeuge sind ja auch noch teuer genug, aber dazu komme ich noch.
Im Geschäft standen ein Jeep Avenger und ein Fiat 600e direkt nebeneinander. Verblüffend, dass beide gleich groß sind, obwohl der rundlich, niedliche Fiat eher wie ein Kleinwagen wirkt und der kantige Jeep – nun ja – eben wie ein Jeep. Die Innenräume sind auch gleich groß und die Bedienelemente weitgehend identisch. Ich gehe davon aus, dass die beiden sich auch beim Fahren sehr ähnlich anfühlen. Gefahren bin ich wie gesagt den Jeep Avenger.
Bedienbarkeit: Klasse!
Im Gegensatz zu der sehr unkonventionellen und gewöhnungsbedürftigen Bedienung bei Tesla ist man bei Stellantis pragmatischer: Für alles was während der Fahrt blind bedient werden muss (Licht, Scheibenwischer, Fenster, Klima, Laustärke vom Radio, …) gibt es Knöpfe in guter Haptik. Alles was ich als Fahrer ständig im Blick haben muss wird auf einem blendfreien Multifunktionsdisplay angezeigt. Das ist genau dort, wo der Tacho hingehört – direkt vor den Fahrer. Leider keine Selbstverständlichkeit heutzutage. Alles in allem kann man einsteigen und ohne Umgewöhnung losfahren.
Der ganze Rest (Fahrzeueinstellungen, Navi, Entertainment) findet sich auf einem 10,2″ großen Touch Display in der Mitte. Es reagiert zügig und man kommt nach kurzer Zeit zurecht. Spielereien, die einem bei der Bordelektronik vielleicht fehlen, kann man über das Smartphone per Apple Car Play oder Android Auto nachrüsten.
Für mich ist das die beste Kombination aus konventioneller und moderner Bedienung. Exakt so möchte ich es haben. 100 Punkte dafür!
Innenraum
Der Innenraum ist ansehnlich und konventionell gestaltet. Alle Hebel und Schalter liegen dort, wo ich sie erwartet habe. Die Bedienung ist gut und weitestgehend intuitiv. Auch wenn viele Tester über Hartplastik meckern – ich fand die Haptik gut. Ist halt nicht Oberklasse. Sehr gut, dass auf spiegelnde “Klavierlack” Oberflächen verzichtet wurde, die schnell schäbig aussehen und darüberhinaus auch noch blenden können. Ablagen sind ausreichend vorhanden.
Das Lenkrad ist ausreichend verstellbar und fasst sich gut an. Die Sitze sind fest und bequem, aber die Sitzfläche könnte gerne etwas länger sein. Da bin ich aber auch vom meinem (sehr viel teureren) Mercedes verwöhnt. Die Sitzposition konnte ich für meine 1,88 m gut einstellen. Die Sitzposition ist etwas höher, als in herkömmlichen Autos, aber man schwebt nicht völlig über den Dingen.
Auf der Rückbank geht es eher eng zu und der Kofferraum ist ausreichend aber nicht allzu groß. Da macht sich bemerkbar, dass es sich um ein Kompaktmodell handelt. Ungefähr so groß wie ein Golf 3. Damals hat das den meisten Deutschen genügt und mir würde das heute auch reichen.
Der Wagen ist aufgrund seiner kantigen Form recht übersichtlich. Eine Rückfahrkamera ist vorhanden, aber man kommt auch ohne gut klar.
Die Probefahrt
Die Probefahrt war eine einigermaßen spontane Aktion und Ich hatte leider nicht allzuviel Zeit. Daher kann ich nur meine ersten Eindrücke schildern und zu Landstrasse und Autobahn nichts sagen. Die Autobahn ist ja ohnehin nicht so die Stärke von Elektrofahrzeugen.
Gefahren bin ich in der Stadt bei Berufsverkehr. Das bedeutet Gedrängel auf der Ausfallstraße, Stop-and-Go, Nebenstraßen mit Kopfsteinpflaster, ein- und ausparken und so was.
Die Lenkung ist sehr leichtgängig. In der Stadt toll, ich könnte mir aber vorstellen, daß man auf Landstraße und Autobahn bei Seitenwind häufiger korrigieren muss. Das war jedenfalls bei meinen früheren Peugeots so, die ähnlich abgestimmt waren. Mein Mercedes liegt da auch bei 150 km/h wie ein Brett auf der Straße, aber das ist auch genau sein Metier.
Wo der Jeep aber locker mithalten kann ist der Komfort. Mein Mercedes ist mit 1,7 Tonnen Gewicht, knapp 190 PS und feiner Achtgang-Automatik schon sehr komfortabel und (außer bei Kickdown) auch sehr ruhig. Da liegt die Meßlatte schon recht hoch, aber der 1,5 t schwere Jeep toppt das deutlich. Gefahren bin ich auch aufgrund des Verkehrs ausschließlich im eco-Modus. Damit geht er zwar zügig, aber die Hölle bricht nicht los. Motorgeräusch ist nicht vorhanden und es gibt natürlich auch keine Schaltpunkte. Ein Tritt auf das Strompedal und der Wagen zieht völlig unaufgeregt und gleichmäßig los.
So hat man aber natürlich auch keine Rückmeldung mehr über die Geschwindigkeit. Wie früher nach Gehör und Gefühl fahren geht nicht. Der Blick auf den Tacho ist Pflicht.
Wenn man im Modus “D” auf das Bremspedal tritt, wird rekuperiert und damit Energie zurück in den Akkus geladen – und zwar ziemlich viel. Die echten Bremsen greifen verblüffend spät ein. Der Übergang ist spürbar, aber nicht störend. Mit vorausschauendem Fahren kommt man fast ohne “richtiges” Bremsen aus.
Das Auto ist sehr komfortabel gefedert. In Kombination mit dem Akkubedingt hohen Gewicht ist auch schlechtes Kopfsteinpflaster sehr erträglich. Die Verarbeitung ist gut – nicht klappert.
Mein Gesamteindruck: Mehr Komfort geht kaum.
Als Besonderheit muss ich noch das etwas schräge Blinkergeräusch nennen. Es klingt wie ein Schlagzeug mit Standard 120 bpm Disco-Beat: Bassdrum, Snare, Bassdrum, Snare, …
Je nach persönlicher Stimmung lustig oder nervig. Auf jeden Fall doof, wenn man gleichzeitig Musik hört.
Assistenzsysteme, Sonderfunktionen, Nacktmassage, …
Ganz kurz – der Kram interessiert mich nicht. Es war ziemlich viel Zeug eingebaut. Elektrische Sitzheizung, Totwinkelwarner und elektrische Heckklappe habe ich bemerkt, kann aber sehr gut ohne leben. Wen das im Detail interessiert, der schaut am Besten bei Jeep nach.
Verbrauch, Ladeleistung, …
Dazu kann ich auch nur auf Tests verweisen. Geladen kann mit 11 kW an AC und mit 100 kW an DC. Mir wurde zwischenduch mal ein Verbrauch von 23 kW/h pro 100 km angezeigt, aber davon mag bei Kurzstrecke recht viel auf Heizung/Sitzheizung gehen. Das Ganze bei 5 Grad Außentemperatur und es war trocken. Jens, vom Youtubekanal Move Electric hat im Sommer in der Stadt 12,3 kW/h und bei 130 km/h auf der Autobahn mit Klimaanlage (30 Grad) 19,2 kW/h verbraucht. Ähnliches habe ich von anderen Testern gehört und gelesen
Im Gegensatz zur ersten Version verbraucht die aktuellen Version der Stellantis-Platform deutlich weniger, sie lädt schneller und man kommt deutlich weiter. Das würde meinen Mindestanforderungen genügen. Klar – mehr wäre nett, aber kostet auch erheblich mehr Geld. Und chinesische Autos zum gleichen Preis können es auch nicht besser.
Zeit für ein kurzes Fazit.
Was ist dieses Auto nicht?
- Der Jeep Avenger ist nicht die Spur sportlich.
- Und er ist nicht schnell. Bei 150 km/h wird abgeriegelt.
- Und geräumig ist es auch nicht. Er wirkt groß, ist aber tatsächlich ein Kompaktwagen.
- Und er ist kein Jeep. Kein Allradantrieb, mit 20 cm Bodenfreiheit gerade mal Schlechtwegetauglich und mangels Anhängerkupplung kann man auch den Pferdeanhäger nicht vom Gestüt ziehen.
Was ist diese Auto?
- Es ist extrem entspannt. Selbst im Vergleich zu meinem Mercedes ist der Komfortlevel hier noch mal deutlich höher.
- Es ist kompakt und übersichtlich. Mit nur 4,08 m verliert die Suche nach Parklücken ihren Schrecken.
- Der Jeep ist Schick, obwohl er ein SUV ist. Ich finde das Design wirklich total gelungen. Sowohl außen, wie auch innen.
- Er ist komplett ausgestattet. Mir fällt wirklich nichts ein, was hier fehlen würde.
Wäre das ein Auto für mich?
Ich mag keine SUV. Wirklich nicht. Diese ganzen Dickschiffe sind meist hässlich, klobig und mir schon aufgrund der Masse unsympathisch. Den kleinen Jeep finde ich aber schick. Der ist schön kompakt, ein rollendes Sofa. Super ausgestattet, fährt toll. Sehr sympathisches Fahrzeug. Kann ich mir vorstellen.
Und der Preis?
Tja, Elektrofahrzeuge und Geld…
Mein Testfahrzeug hat mit Komplettausstattung laut Liste von Dezember über €44.000,- gekostet. Das wäre mir deutlich zuviel. Aber mit der bereits weitgehend kompletten Grundausstattung liegt der Avenger unter €40.000. Und nach dem Wegfall der E-Auto Förderung wird der Markt ohnehin gerade neu ausgehandelt und vermutlich deutlich nach unten korrigiert. Mal schauen, wo wir im März sind…
“…aber als Verbrenner kostet der 10.000 weniger!”
Das stimmt zwar – aber dann hat man weniger Ausstattung und einen Downsizing Benzin Motor mit Handschaltung. Mal ganz abgesehen vom Umweltaspekt – das ist vom Geräusch und Komfortlevel mindestens eineinhalb Wagenklassen niedriger. Darauf hätte ich keine Lust mehr.