Wider die um sich greifende Schlampigkeit
Ahhh, der Artikel spricht mir aus der Seele: “A Call for Revolution Against Beta Culture“. Jesus Diaz schreibt, daß er es einfach leid ist, ständig mit fehlerhaften und halb fertigen Produkten und Diensten hantieren zu müssen. Nie ist etwas fertig, nie funktioniert etwas zu 100%. Ist ja auch egal, kommt ja bald ein Update…
Im Web 2.0 (erinnert sich noch jemand an diesen Begriff?) kokettierte man regelrecht damit, ein Angebot niemals wirklich fertig zu haben. Aber da musste man sich als Nutzer wenigstens nicht selbst drum kümmern, den Dienst am Laufen zu halten – im Gegensatz zum eigenen Computer. Mehrmals täglich ein Update vom Virenscanner, alle paar Wochen etliche -zig Megabyte Betriebssystemupdates. Wenn man ein Programm mal ‘ne Woche nicht benutzt, ist das erste nach dem Start eine Zwangspause, weil wieder ein Sicherheitsupdate heruntergeladen werden muss. Wieso kann man heutzutage eigentlich keinen Computer mehr benutzen, ohne eine Megabit schnelle DSL Leitung zu haben?
Daß man so einen nervtötenden Mist seit längerem bei Computern ertragen muss ist schon schlimm genug, aber es greift eben auch bei allen möglichen technischen Geräten um sich. Alles was irgendwie vernetzt ist (zum Beispiel Handies, MP3-Player) braucht laufend irgendein Update. Aber auch normale Elektrogeräte werden zunehmend so konstruiert, daß sie nicht so funktionieren, wie es zu erwarten wäre.
Das ging auch alles mal anders. Diaz schreibt, daß der Telefunken(!) Videorekorder von seinen Eltern aus den 70ern immer noch funktioniert. Auch der ebenso alte Braun-Wecker läuft noch immer ohne Upgrade. Selbst die alten Homecomputer (Apple II und ZX Spectrum) funktionieren heutzutage noch.
Was sind die Ursachen? Zeitdruck und Schlampigkeit bei der Entwicklung und das Verlangen der Konsumenten alle vier Wochen das neueste Gadget haben zu müssen. Letzten Endes ist es aber der Konsument, der sich das Gefallen lässt. Vielleicht liegt es auch einfach an der totalen Resignation – ist ja egal was man kauft; Funktioniert eh nicht richtig. An Tagen, die ich mit der Bändigung zickiger Technik vergeudet habe kam mir jedenfalls immer häufiger der Gedanke, daß ich mich in absehbarer Zeit in eine Holzhütte im Wald zurückziehen möchte. So eine ganz einfache mit Ziehbrunnen und gemauertem Holzofen.