tiny little gizmos

Mobile – Einfach unseriös?

Ich hatte soeben einen kleinen Chat auf ICQ mit einem langjährigen Bekannten darüber, was wir beide denn gerade so tun. Als ich ihm das Thema meiner Diplomarbeit nannte, meinte er recht schnell, das das alles an ihm vorbeigeht. Zugegeben, das geht vielen so.

Schlimm daran finde ich, daß das Thema “mobile” für ihn generell negativ besetzt ist. Dabei ist er kein dröger Technikverweigerer, sondern selbst Entwickler. Er schreibt momentan ein ziemlich effizientes AJAX-Framework. Der Grund für seine Abneigung ist die Klingeltonbranche, insbesondere die Werbung, das Geschäftsgebaren einiger Firmen und die Produkte an sich. Er formulierte das (freundlicher als es gemeint war) so: “kostenintensive Spielerei ohne Nährwert”.

Die Erfahrung habe ich schon öfter gemacht. Als ich auf der Suche nach Autoren für einen handybasierten Kurzgeschichtenservice war, erntete ich ziemliche Skepsis. Ich wollte Autoren einfach eine zusätzliche, neue Publikationsplattform bieten. Die anvisierte Zielgruppe: Erwachsene mit Interesse am Lesen. Die angesprochenen Autoren waren jedoch alles andere als begeistert – sie hatten Angst um ihr Image, wenn ihre Geschichten auf dem Handy erscheinen. Einer sagte mir direkt ins Gesicht, daß er “diese ganze Abzocke mit den Handies” ohnehin am liebsten verbieten würde. Anmerkung: Der Mann hat Kinder mit Handies…

Das extrem negative Image der Klingeltonbranche färbt auf den ganzen (potentiellen) Markt ab und hemmt die Entwicklung. Weil das Image mies ist, und aus Angst, aus Versehen teure Abos zu bestellen, die man schwer wieder los wird, will niemand mobile Dienste nutzen. Aber auch die Netzbetreiber kommen bei der Beurteilung durch ihre Kunden nicht gut weg. Horst Evers brachte dies in einem Sketch auf den Punkt: Wer auf einer Party lästigen Smalltalk effektiv beenden will, solle einfach behaupten, er wäre “Telefontarifdesigner”. Das Gegenüber wird sich so schnell es geht abwenden und ein anderes Opfer suchen.

Weil die Abneigung gegen das Medium so stark ist, werden kaum sinnvolle und seriöse Dienste entwickelt. Ohne sinnvolle Serviceangebote wird sich die Meinung zu dem Medium kaum ändern. Wenn das Image so schlecht ist – wie können sich seriöse mobile Anwendungen durchsetzen?

Sie werden sich durchsetzen, aber langsam. Ein kurzer Blick zurück:
Vor fast 25 Jahren kaufte ich meinen ersten Computer. In den 80er Jahren besaß ich klassische Geräte wie den “ZX81”, den “ZX Spectrum” oder den “C64”. Für Viele aus meiner Generation eröffneten sich mit der neuen Technik neue Horizonte und wir schauen heute gerne mit verklärtem Blick auf “die goldene Zeit der Heimcomputer” zurück.

Ich kann mich jedoch auch noch sehr gut an die Vorurteile erinnern, die für lange, lange Zeit mit diesem Hobby verbunden waren. “Computer sind schlecht”. Sie degradieren Menschen zu Zahlen und dienen der Unterdrückung des Individuums. Sie steuern Atomraketen und andere High-Tech Waffen. Computer zerstören Arbeitplätze. Alles schlecht, alles “bäh”. Computer waren nichts für normale Menschen. Wer sich dennoch freiwillig mit diesen wiederwärtigen Kisten auseinandersetzte, konnte nicht ganz klar im Kopf sein. Programmieren war nur etwas für häßliche, dicke, unsportliche und verpickelte Jungs mit sozialer Dysfunktionalität und sexuellen Störungen.

Heute nutzen über 60 Prozent der Deutschen das Internet. Es kann also nicht alles so schlecht sein.
Der langsame Sinneswandel wurde durch immer neue, sinnvolle Anwendungen erzielt. Erst schreiben (Wordstar) und rechnen (Visicalc), hier und dort eine kleine Datenbank (dBase II), später einfacher Computersatz (Desk Top Publishing), Kommunikation per E-Mail und letzlich die ganze Spannbreite an Multimedia – Grafik, Musik, Video.

Der Schlüssel: Sinnvolle Anwendungen! Eine nach der anderen. Anwendungen mit Mehrwert für Erwachsene.

“Jaja Du Schlaumeier. Und was soll das sein?” höre ich schon. Gemach, wir arbeiten dran.