tiny little gizmos

Sowas kommt von sowas

Jetzt isses passiert: Die Iren haben “nein” zum sogenannten EU-Reformvertrag gesagt.

Die Politiker sind empört: Was erdreisten sich die paar Leute (5 Mio von 400 Mio) diesen historischen Prozess einfach auszubremsen? Unsachliche und irreführende Kampagnen zweifelhafter EU-Gegener und undankbare Iren; jahrzehntelang hat die EU deren Wirtschaft hochgepeppelt und jetzt sowas. Ungeachtet dessen muss der Prozess weitergehen, …

Au Mann!

Das alles geht doch am Kern der Frage vorbei – nämlich “was soll das eigentlich alles?”

Die Tatsache, daß sich Irland durch die EU-Unterstützung von einem verarmten Agrarland zu einer wohlhabenden Dienstleistungsgesellschaft entwickeln konnte, hat doch nichts mit dieser Abstimmung zu tun. Schließlich ist das Volk nicht einfach gekauft worden. Aber mit so einer Sichtweise haben viele Politiker offensichtlich Probleme.

Richtig ist, daß die Argumente der Vertragsgegener z.T. unsachlich oder sogar bewußt irreführend waren. Gleiches kann man allerdings auch über die Pro-Argumente sagen.

Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, wurde dieses Vertragswerk nur dort problemlos angenommen, wo der Politikklüngel unter sich geblieben ist. Überall wo das Volk entschieden ha, ist der Vertrag abgelehnt worden. So zu tun, als hätten lediglich 5 Mio Iren die EU ausgebremst ist einfach unredlich. Ich gehe davon aus, daß fast die gesamte EU ähnlich abgestimmt hätte – wenn sie überhaupt gefragt worden wäre. Genauso unredlich ist die Unterstellung, die Neinsager wären gegen Europa.

Ich glaube daß die überwältigende Mehrheit der Europäer für Europa ist. Die Frage ist nur: Was für eins?

Ein Europa, welches Bürokraten und Konzernvertreter in Brüssel unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammenzimmern entspricht einfach nicht den Interessen des Volkes (bzw. der europäischen Völker) und wird daher schon aus Prinzip abgelehnt werden. Ein ständiges “Weiter so” ist einfach nicht möglich. Genau solche Prozesse sind es doch, die die Bevölkerung gegen die EU (nicht zu verwechseln mit Europa) aufbringen: Das Volk entweder nicht fragen oder ignorieren, wenn einem die Entscheidungen nicht passen.

Wenn der europäische Einigungsprozess wirklich fortgesetzt werden soll, wäre es sinnvoll zunächst innezuhalten und mal eine offene Diskussion mit der Bevölkerung geführt werden würde, wie sie sich denn die zukünftige Europäische Union vorstellen und wünschen. Dabei wird es dann auch mal ungemütlich Fragen geben, wie z.B. “Wo hört Europa eigentlich auf?”. Die ständige Expansion der EU kann ja nicht unbegrenzt fortgesetzt werden.

Nach dem 2. Weltkrieg hatten die Völker einfach einen unglaublichen Friedenswillen und wollten sicherstellen, daß solch ein Massenmorden in Europa nicht nochmal passiert. Das war das große Leitmotiv, daß auch vom Volk getragen wurde, wenn es in Detailfragen haarig wurde. Solch eine Leitidee fehlt heutzutage leider. Aber gerade deshalb muss der Prozess der Willensbildung im Volk wieder die Grundlage für die Entwicklung der EU werden, so wie es zu Beginn war. Und auf dieser Grundlage muss dann die neue Struktur der EU hergestellt werden. Dann wird sich sicherlich auch eine größere Akzeptanz der Bevölkerung erreichen lassen, auch wenn sich nicht alle Wünsche 1:1 umsetzen lassen.

Ich bin absolut für ein geeintes Europa. Aber ich bin gegen Gleichmacherei. Es ist doch gerade der Reiz dieses Kontinents, daß es hier vergleichsweise bunt und unterschiedlich zugeht. Ich will nicht überall genau dieselben Sachen, Lebensmittel, Läden und Lebensweisen vorfinden. Wenn ich zum Beispiel die EU und USA vergleiche ist nicht wiklich die Frage, wo ich mich wohler fühle (sorry Marco ;-) ).

Ich möchte, daß es hier friedlich und bunt zugeht. Ein Europa in dem jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Ein Europa das zusammenhält und gemeinsam weise Entscheidungen der Daseinsvorsorge trifft (z.B. Sicherung der Ressourcen ohne Kriegseinsätze), ein Europa, daß gute Beziehungen zu allen wichtigen Weltregionen unterhält.

An einem Europa dessen einziger Sinn ein großer, gleichförmiger Binnenmarkt ist, in dem Grundsatzentscheidungen hinter verschlossenen Türen ausgeklüngelt werden und demokratische Prozesse nur als Behinderung gesehen werden, habe ich einfach kein Interesse.