Betriebsblindheit
Aus naheliegenden Gründen verfolge ich einige der einschlägigen Blogs der Internetszene “von drüben”. Ehrlich gesagt ist das in den letzten Monaten unglaublich langweilig und öde geworden. Ich habe diesen ganzen Rummel um Microsoft/Yahoo! nicht verstanden. Diese beiden Firmen passen an keiner einzigen Stelle zusammen. Okay, eins haben sie doch gemeinsam: beide haben bereits jetzt einen unüberschaubaren Flickenteppich von Produkten, die nicht richtig zusammenpassen und von denen nur ein kleiner Teil Gewinn abwirft.
Bekanntlich gehen mehr als 2/3 aller Firmenübernahmen schief und diese hier war ganz besonders prädestiniert – ein Top-Kandidat zum Millionenversenken. Alleine schon mal wegen den extrem unterschiedlichen Firmenphilosophien. Ich hätte als gewinnsüchtiger Großaktionär nicht “MERGE!” geschrieen, sondern “FOCUS!”
Eine andere Sache, die mir Überdruss bereitet, ist dieser unglaubliche Hype um Facebook. Ein “social network” – wow, wie un-glaub-lich originell! Sowas gibt es ja auch erst seit geschätzten 25 Jahren. Klar, sie machen ihren Job gut und das schlägt sich auch in hohen Nutzerzahlen nieder. Sie haben es drauf, durch das AAL-Prinzip cool rüberzukommen. Aber von der “world dominance” wie Google sind sie noch Lichtjahre entfernt. Fragt mal nicht die Kids in USA, sondern die durchschnittlichen Nutzer in Deutschland nach Facebook. Ausnahmslos jeder kennt und nutzt Google – Facebook ist außerhalb der Internetszene im Prinzip unbekannt.
Das im Hinterkopf finde ich solche Artikel wie “Facebook Will Be the Mainstream Everything” eigentlich nur noch albern. Ob nun Facebook als erstes dieses oder jenes Feature hatte – wen zum Geier interessiert das? Und wenn sie das ganze Internet assimilieren, sie bekommen doch nicht alle User.
Und warum nicht?
Weil nichts – absolut nichts – von dem ganzen Kram auch nur ansatzweise originell oder einzigartig ist. Es gibt für alles mindestens 100 andere Anbieter und das wird auch so bleiben. Das gilt übrigens so ungefähr für alle Startups, von denen ich seit 2000 Notiz nehme. Es geht immer nur drum, etwas cooler, etwas fokussierter, etwas bequemer zu sein, als die anderen; Denselben Scheiss gleich nochmal neu zu verhökern. Die Zutaten sind immer dieselben, es wird nur ständig alles neu umgerührt. Dieses “Anbieter X hatte Feature Y vor Anbieter Z”-Spielchen ist einfach nur peinlich – gerade wenn man sich in der Szene etwas auskennt.
“Facebook Status Updates were around April 2006, before Twitter. So status updates and feeds were already mainstream before FF and Twitter came to existence.“
Diese Aussage hat wahrlich Niveau – bloß was für eins. Das Valley ist cool, weil da ein ganzer Haufen großer Jungs zusammensitzt und alle immer das nächste tolle Spielzeug haben wollen. Aber diese über-Fokussierung bringt es mit sich, daß die Internet-Szene dort sich vom normalen Internet-Nutzer ungefähr so weit entfernt hat, wie die Wall-Street von jemandem, der ein €1.000,- Dispo braucht.