Retro Events in Berlin
Während der letzten Tage gab es einige schöne, kleine Treffen in Berlin mit Retro-Schwerpunkt. Leider musste ich aus terminlichen Gründen auf ein Highlight verzichten: Den Workshop “Racing the Beam…“, bei dem am Samstag an der Humboldt Universität eine Einführung in die Programmierung der seeligen Atari VCS (bzw. Atari 2600) Telespiels gegeben wurde. Sehr ärgerlich, denn darauf hatte ich mich schon länger gefreut.
Am Donnerstag gab es aber bereits einen netten Abend in einem Hackerspace, bei dem an einem Commodore 64 gezockt wurde. Spiele des Abends waren unter anderem Maniac Mansion, ein Galaxian Clone, Great Giana Sisters und Matrix. Etwas bedrohlich ist, dass immer mehr Disketten aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr lesbar sind. Da nützt die bestgepflegte Hardware nichts. Hoffentlich sind die Wechselplatten der PDP11 langlebiger…
Am Freitag fand an der Humboldt Universität die Veranstaltung “Game Circuits – Operative Computerspielanalyse” statt, die im Wesentlichen eine Ergebnispräsentation eines Workshops des Studiengangs Medienwissenschaften ist. Die Studentinnen (tatsächlich überwiegend Damen) haben sich mit der Technik der Konsolen der 3. und 4. Generation auseinandergesetzt. Bis auf eine Ausnahme war die Original Hardware aufgebaut und es konnte gezockt werden.
Eine meiner absoluten Lieblingskonsolen war 1982 das CBS ColecoVision, weil man darauf Donkey Kong in Automatenqualität spielen konnte – was ich an diesem Abend natürlich tat.
Von Atari waren gleich zwei Konsolen aufgebaut, die ich beide noch nie im Original gesehen hatte.
Auf dem Atari 7800 spielte ich eine Runde Asteroids. Das System, das 1986 in Europa auf den Markt kam, hatte ich damals kaum wahrgenommen. Entweder hatte man einen Computer, oder ein Videospiel von Nintendo oder Sega.
Das ungeheuer grosse Atari 5200 aus dem Jahr 1982 kam in Europa nicht auf den Markt. An diesem Abend war es mein heimlicher Favorit, was vor allem an dem genialen Trackball lag, der bei den Spielen Missile Command und Centipede für Original Spielhallenfeeling sorgte.
Es hatte schon etwas Besonderes, wenn man sich ein Videospiel, das man als 11jähriger gerne gehabt hätte, 35 Jahre später von einer charmanten jungen Studentin erklären und vorführen zu lassen. Die Rede ist von Dracula auf dem 1979 erschienenen Mattel IntelliVision. Das erste Spiel, bei dem man die Spielfiguren eindeutig erkennen konnte. Die Spielsteuerung ist zwar etwas zäh, aber Charme hat die Software immer noch. Wir spielten auch noch eine Runde Astrosmash gegeneinander. Hier war die Steuerung recht geschmeidig und ich konnte in dem kleinen Turnier sogar einen Preis gewinnen (Kinderschokolade). Leider gab es diese Konsole nur als Emulation, da die Original Hardware zwei Tage zuvor kaputt ging und erst repariert werden muss.
Weiterhin gab es an diesem Abend noch Nintendo SNES, SNK NeoGeo, NEC TurboGrafx-16 (alias PC-Engine), MB Vectrex und Sega MegaDrive zu bestaunen und zu bespielen.
Es geht noch älter!
Nicht ganz zum Thema passend (weil zu alt) war auch eine RCA Studio II Konsole aus dem Jahr 1977 zu bespielen. Die Spiele waren allerdings selbst für die damalige Zeit schon etwas mager und nur in Schwarz/Weiß Grafik.
Nach der Veranstaltung zog sich eine kleine Gruppe in das Signallabor zurück um sich einem wirklich kostbaren Gerät zu widmen: Einer Originalverpackten Magnavox Odyssey von 1972. Das erste verkaufte Videospielsystem überhaupt. Ich hatte das Gerät zwar bereits als Austellungsstück gesehen, aber hier gab es zum ersten Mal die Gelegenheit zum Anfassen und Ausprobieren.
Die Überraschung begann schon beim Auspacken: Zuerst bekommt man nämlich neben sechs Spielmodulen tonnenweise Zubehör zu sehen: Bunte Bildschirmfolien in zwei Grössen, Karten, Spielgeld und so weiter.
Darunter dann endlich das Prachstück in absolut einwandfreiem Zustand ohne Gilb am Gehäuse. Nur das Netzteil ist nicht mehr Original.
Nachdem das Schätzchen ausgepackt und angeschlossen war, wurde sogleich eine Runde Pong gespielt. Dabei merkt man, dass das Gerät noch nicht Mikroprozessorgesteuert ist, sondern zum grossen Teil aus Analogelektronik besteht. Die sehr dicken Kabel an den Controllern verleiteten jemand zu der scherzhaften Vermutung, dass die Konsole nicht elektrisch sondern “noch mit Hydraulik” gesteuert wird.
Abgesehen von der extrem groben Schwarz/Weiß “Grafik” sind aus heutiger Sicht viele Eigenarten etwas irritierend:
- Man kann nicht gegen die Maschine spielen, da überhaupt keine geeignete Steuerelektronik vorhanden ist.
- Die Maschine zählt auch keine Punkte. Das müssen die Spieler schon selber machen
- Das System prüft nicht einmal die Einhaltung der Spielregeln. Ob man bei dem Spiel “Skifahren” auf der Piste bleibt, muss man ebenfalls selbst entscheiden.
Eigentlich ist die Odyssey somit gar kein “richtiges” Videospiel, sondern ein Gesellschaftsspiel, von dem zufällig ein Teil am Fernseher stattfindet. Verblüffende Erkenntnis!