tiny little gizmos

The times – they’re changing…

Die Tonträgerindustrie – bis vor einigen Jahren die Torwächter, die sich fett (mache sagen ‘parasitär’) zwischen Künstlern und Publikum eingerichtet hatten und abkassierten, stehen nun selber vor dem Nichts. Die eigenen Kunden als potentielle Diebe zu beschimpfen und juristisch zu bedrohen war noch nie eine besonders clevere Idee. Nun hat die RIAA nach 26.000 Klageandrohungen in den USA das Problem, daß es tatsächlich zu einer Verhandlung gegen einen angeblichen “Raubkopierer” kommt – und die Chancen gar nicht so gut stehen. Zum einen wegen einer alles andere als wasserdichten Beweislage, zum anderen, weil es sich um ein Schwurgericht handelt und das Vorgehen des Industrieverbandes während der letzten Jahre der Musikindustrie auch das letzte Quentchen Sympathie in der normalen Bevölkerung gekostet hat.

Das eigentliche Problem liegt aber tiefer, ist strukturell und nicht mehr umkehrbar. Die Kontrolle über den Musikmarkt per physikalischer Tonträger und traditioneller Medien, wie Musikzeitschriften und Radio/TV ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die Plattenfirmen, wie es sie in den letzten Jahrzehnten gab, sind schlichtweg überflüssig – und so langsam begreifen sie das auch selber. Das hat übrigens nichts mit Kommunismus, Hippies oder sonstwie linkem Gedankengut zu tun, sondern ist beinharter Kapitalismus: Andere Vertriebs- und Kommunikationswege lassen Grenzkosten sinken und machen Zwischenhändler und Vermittler überflüssig – na und?

Zigtausend Tonträger herzustellen und zu vertreiben ist nicht trivial und verursacht Kosten. Sich die Musik in Datenform aus dem Internet zu ziehen ist hingegen (fast) kostenlos. Der Zwischenhändler wird überflüssig. Was bedeutet das für den Musikmarkt? Werden die Musiker jetzt alle verhungern? Geht die Kultur des Abendlandes zugrunde?

Mitnichten!
Immer mehr Musiker merken, daß ihnen ein Plattenvertrag kaum noch Vorteile verschafft, sondern im Gegenteil die Kontrolle über das eigene Produkt entzieht. Finanziell ist das nur noch für wenige Megastars sinnvoll. Der normale Musiker fährt mittlerweile besser, wenn er seine Musik per Internet verschenkt, direktes Feedback von seinem Publikum bekommt und an Auftritten und Merchandising und Premiumprodukten verdient. Selbst bekannte Künstler, wie Prince, Nine Inch Nails oder Radiahead beginnen damit, ihre Musik zum freien Download bereitzustellen. Wer sich ein wenig für die zugrundeliegenden ökonomischen Mechanismen interessiert, dem sei die Lektüre von Chris Andersons Theorie “TheLongTail” empfohlen.

Ich komme nicht umhin, die Entwicklung eher als Befreiung zu empfinden.

Lesetipps:
Spiegel: Raubkopierer-Klagen kosten Plattenfirmen Millionen
TechCrunch: The Inevitable March of Recorded Music Towards Free
The motley fool: RIAA’s Day in Court Nearly Over
Chris Anderson: TheLongTail
Wikipedia:&nbspThe long tail