Retrospect: die ideale Shopsoftware
Am Freitag schrieb ich mir mein Missvergnügen an Magento von der Seele (“Mein Leben als Softwaredissident“). Dann las ich einen Artikel auf Kassenzone.de den Alexander Graf bewusst provokativ mit dem Satz “Das beste Shopsystem ist zur Zeit Shopware” begann und in dem er Magento disste. Interessant daran sind aber vor allem, die ausufernden Kommentare.
Als Replik auf den Artikel erschien auf ecomPunk der Artikel “Roman’s Rants: Shop System Wars“. Der zentrale Satz darin lautet:
“You know what? It doesn’t bloody matter which software you use, it’s just a fucking tool!”
Genau. Bloss kein Glaubenskrieg. In den letzten 15 Jahren war ich an so einigen Online Shop Projekten beteiligt und stiess dabei stets auf die Frage:
Was ist die ideale Shopsoftware?
HA! Ideal unter welchen Voraussetzungen? ecomPunk meint, daß die zentralen Fragen sind: Unterstützt das Tool effizient Dein Geschäftsmodell und war kostet der ganze Kram?
Das würde ich glatt unterschreiben. Ich spielte in Gedanken die Onlineshops durch, die ich in den letzten 15 Jahren gebaut hatte. Die Spannbreite war recht beachtlich. Sowohl bezüglich des Artikelsortiments, der kaufmännischen Anforderungen, der Systemumgebungen, der verwendeten Techniken und des Traffics. Die Shops waren unter anderem für:
- Computer und Zubehör
- Mobilfunkzubehör
- Handyverträge eines der grossen deutschen Netzbetreibers
- Merchandisingartikel
- Finanzdienstleistungen
- Bekleidung
Jedes Projekt hatte dabei spezielle Herausforderungen. Mal war es ein sehr heterogenes Artikelsortiment, mal extrem marketinggetriebenes Vorgehen, das tägliche Umbauten erforderte, mal die Kombination verschiedener Layouts, Sprachen und Währungen, mal ein sehr komplexes Systemumfeld und mal der schiere zu bewältigende Traffic.
Die verwendete Technik reicht von ein paar Zeilen PERL mit CSV Dateien, über PHP/MySQL-basierte System bis hin zu Enterprise Lösungen auf der Basis von Java/Oracle. In keinen zwei Projekten kam die gleiche Basistechnologie zum Einsatz. So unterschiedlich die Anforderungen und die zur Lösung eingesetzte Technik auch war – einige zentrale Erkenntnisse bestätigen sich immer wieder:
- Man möchte zunächst Software, die so flexibel wie möglich ist. Das Marketing träumt davon, alles ohne Programmierer machen zu können, sobald das System einmal steht. Das führt zu einer Shortlist mit den üblichen Standardsystemen.
- Standardsysteme versuchen alle denkbaren Szenarien abzudecken und sind daher prinzipiell schwergewichtig bzw. aufgeblasen.
- Egal was das System kann – das Marketing will es immer etwas Anderes haben. Vorzugsweise etwas, das mit den vorhandenen Datenstrukturen nicht geht. “Und die Aktion startet übrigens morgen Mittag…”
- Der “wiederverwendbare Code” ist häufig so allgemein gehalten und verschachtelt, daß das Anpassen länger dauert, als schlanken “Wegwerfcode” zu bauen.
- Shops sind nach durchschnittlich zwei Jahren so verbastelt, dass die Codebasis komplett erneuert werden muss.
- Große Shops (also nicht der kleine Spezialversender, der seine Pakete noch selber zu DHL bringt) brauchen meist kein Shop-Backend. Sie sind direkt an Warenwirtschaft, Finanzbuchhaltung und PIM angeschlossen.
- Aussagen wie “Mit PHP schafft man den Traffic nicht” sind Blödsinn. Es kommt letztlich auf die Systemarchitektur an. Was Flickr und Facebook antreibt, sollte auch für Deinen Laden reichen. Ich habe vor 20 Jahren mal die weisen Worte gelesen “Ein schlechter Algorithmus ist in jeder Programmiersprache langsam”.
…to be continued…