Runter kommen, überlegen, abwägen
In den letzten Tagen ist in Klein Bloggershausen ja mal wieder die Sau “neues Urheberrecht” durchs Dorf getrieben worden: Den verbalen Ausbruch von Sven Regner neulich in einem Radiointerview fand ich zwar einerseits verständlich, aber dennoch in seiner Undifferenziertheit auch etwas neben der Kappe – oder sagen wir mal: in der Sache wenig zweckdienlich. Dasselbe muss ich aber auch über sehr viele Reaktionen darauf sagen. Insgesamt kann ich da nur den Kopf schütteln über so einige Statements auf beiden Seiten und habe mir mal jeglichen Kommentar dazu verkniffen.
Johnny Haeusler hat sich hingegen geäussert. Er liess sich dafür etwas Zeit und schrieb dafür nun einen – wie ich finde – angenehm ausgewogenen Artikel zum Problemfeld Urheberrecht und neue Medien. In seinem Artikel “Get the balance right” beklagt er einerseits nicht zu Unrecht die Starrköpfigkeit der Wortführer in beiden Lagern. Gleichzeitig erkennt man sein eigenes Ringen um einen ausgewogenen Standpunkt. Kein Wunder – denn einerseits war und ist er ein Musiker, der das alte Verwertungssystem noch kennengelernt hat und andererseits ist er seit Jahren im Bereich “neue Medien” (wie lange sind die eigentlich neu?) in verschiedenster Form aktiv.
Es geht nicht nur um Geld – es geht auch um Respekt
Ich kann dieses Ringen durchaus nachvollziehen. Als Künstler hat man den Wunsch durch seine Werke Anerkennung zu bekommen und natürlich auch Einnahmen. Sven Regner hat sich nicht nur darüber aufgeregt, dass ihm Einnahmen entgehen, sondern auch über die dahinter stehende Respektlosigkeit gegenüber seiner Leistung. Und da gebe ich ihm völlig recht. Interessanterweise ist das ein Punkt, der in dem Geprolle vieler Blogs (á la “wer ist denn überhaupt Sven Regner”) fast komplett ignoriert wird.
Einerseits – und andererseits
Ich habe im Laufe meiner 44 Jahre etliche Zig-Tausend für Unterhaltungsmedien in jeglicher Form ausgegeben und hoffe, dass ein angemessener Teil davon die Urheber erreicht hat. Ich erkenne die Leistung anderer an, so wie ich erwarte, dass meine Leistung anerkannt wird – auch finanziell.
Ich möchte nicht, dass ein Foto, dass ich gemacht habe plötzlich von jemand anderem in einem Zusammenhang gezeigt wird, der meinen eigenen Werten und Vorstellungen zuwiderläuft. Daher akzeptiere auch das Urheberpersönlichkeitsrecht – das es im angelsächsischen Raum überigens nicht gibt.
Andererseits sind nun einmal Aufzeichnungen (Musik, Filme, Bücher) mittlerweile vom Datenträger gelöst – quasi entstofflicht. Die physikalische Kopplung von Nutzungsrechten an einen Datenträger ist somit nicht mehr möglich. Ich möchte die Musik, die ich – nein, nicht “gekauft”, sondern für meinen privaten Gebrauch lizensiert habe – auf dem für mich geeigenetsten Gerät abspielen können. Den Respekt verlange ich von der Industrie. Ich kann ja auch nicht mehr bestimmen, was hinterher mit dem Geld geschieht, das vorher mir gehört hat.
Die alten Geschäftsmodelle funktionieren einfach nicht mehr. Das ist Fakt. Ob man das eher gut oder schlecht findet hängt vom Standpunkt ab. Es wird neue, andere Geschäftsmodelle geben müssen. Immerhin war ja auch früher nicht alles gut für die Künstler. Stichworte Knebelverträge, Total-buy-out, GEMA Veträge und so weiter.
Bei allem Verständnis für die schwierige Lage bin ich einfach aber auch nicht bereit, die Antworten der Verwerterindustrie auf die neue Situation zu akzeptieren:
- Abmahnwahn bei Privatnutzern
- Knebelung und Entmündigung der Nutzer durch DRM (Digital Rights Management)
- Einführung der Totalüberwachung des Internet Verkehrs
- alle möglichen weiteren Kontrollen und Repressionen – you name it.
Ferner sollte dringend die beständige Ausweitung des sogenannten “Geistigen Eigentums” auf Kosten der Allgemeinheit begrenzt werden. Ein besonders übles Beispiel ist m.E. das geplante Presse-Leistungsschutzrecht, das das gesellschaftlich wichtige Zitatrecht zum Teil aushebelt.
Leistung soll honoriert werden – aber nicht jeder Rülpser hat genügend Schöpfungshöhe
Auch die Extreme zeitliche Ausweitung der Leistungsschutzrechte auf mittlerweile 70-Jahre nach dem Tod des Künstlers ist weit jenseits von Gut und Böse.
Ich bekomme ja auch nicht das Gehalt von meinen Grosseltern weitergezahlt.
Newton sagte “Wir blicken weit, weil wir auf den Schultern von Giganten stehen”. Das gilt für Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, für jeden Bereich des Menschlichen Seins.
Fast niemals wird etwas vollständig Neues erfunden. Alle bedienen sich aus dem allgemein zugänglichen Pool von Ideen, ändern hier und dort etwas, kombinieren Dinge neu, interpretieren anders. So funktioniert nun mal Kultur. Irgendwann – nach einer angemessenen Frist – muss man auch seine eigenen Werke der Allgemeinheit zurückgeben.
Zusammenfassung des bisher Gesagten.
Die Dinge sind komplex.