Politische Kampfbegriffe (1) – Raubkopierer
Unter politischen Kampfbegriffen verstehe ich Formulierungen, die Stimmung für oder gegen etwas machen sollen und die bei näherer Betrachtung schlicht falsch sind. Um die Diskussion ein wenig zu versachlichen, sollte man sich wenigstens darüber im Klaren sein, wenn man einen solchen Kampfbegriff nutzt oder mit ihm konfrontiert wird. Mein heutiger Kandidat:
Der Raubkopierer
Angeblich sind wir ja fast alle Raubkopierer, wie uns beim Gang ins Kino oder beim Einlegen einer DVD erzählt wird. Tatsächlich habe ich zwar bereits viele Leute kennengelernt, denen man hin und wieder Urheberrechtsverstöße nachsagen könnte, aber einen Raubkopierer habe ich noch nie gesehen.
Wie kann das sein?
Der Begriff “Raub” ist im §249 des Strafgesetzbuches definiert. Demzufolge handelt es sich beim Raub um eine Kombination von zwei Handlungen: Es muß unter Androhung oder Ausübung von Gewalt eine fremde bewegliche Sache weggenommen werden.
Die Androhung oder Ausübung von Gewalt spielt bei diesem Delikt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals eine Rolle – von einem hahnebüchenen Plot wie in dem Film Operation Swordfish mal abgesehen. Der Begriff “Raub” kommt also nicht in Frage. Wie wäre es denn mit “Diebkopierer“?
Auch hier hilft ein Blick in das Strafgesetzbuch. Der Diebstahl ist in §242 StGB definiert. Hier heißt es:
“Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
Die Frage, ob es sich bei Software, Musik oder Filmen um “bewegliche Sachen” handelt, bejahen wir hier der Einfachheit halber mal. Die Absicht, sich oder Dritten etwas rechtswidrig zuzueigenen dürfte gegeben sein. Jedoch wird beim Kopieren niemand etwas weggenommen, da das Original ja unverändert erhalten bleibt. Somit entfällt auch der Begriff Diebstahl.
Was verbleibt, ist eine unerlaubte Vervielfältigung, somit also ein Urheberrechtsverstoß. Allerdings klingt “Urheberrechtsverletzer” natürlich weniger dramatisch und bedrohlich als “Raubkopierer”.