Ja, ich habe Angst
Eigentlich wollte ich ja einen Artikel zu der unerträglichen Hetze und Panikmache und Terrorhysterie schreiben. Der ist aber deutlich zu lang geworden. Ich bewundere Menschen, die in einem Satz auf den Punkt kommen. Darum hier das Zitat des Tages:
“Warum sollte ich im echten Leben auf Methoden hereinfallen, die ich schon bei Star Wars als lächerlich primitiv empfunden habe?“
Tom Hartig auf “Wir haben keine Angst“. Sehr schön ist die Illustration dazu.
oder der hier:
“Meine Angst vor einem Terroranschlag ist etwa vergleichbar mit der, von einem rosa Elefanten gefressen zu werden.“
annelinja auf Twitter
Das bringt es schneller auf den Punkt, als mein ursprüngliches Pamphlet.
Ich gebe zu, dass mir die Terrorwarnungen Angst machen. Ich bin sehr besorgt über die Situation in Deutschland und dem Rest der westlichen Welt. Machen wir uns nichts vor – die Lage ist Ernst und wir müssen wachsam sein.
Ich bin besorgt, weil viele Menschen in diesem Land nicht verstehen, was Terror ist und wie er funktioniert. Sie verwechseln Gewalt mit Terror. Gewalt ist aber nur ein Mittel, Terror zu verbreiten. Durch dieses Unwissen lassen sie sich ins Bockshorn jagen bis zum geht-nicht mehr. Zur Erläuterung zitiere ich mal eben Wikipedia:
“Der Terror (lat. terror „Schrecken“) ist die systematische und oftmals willkürlich erscheinende Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, um Menschen gefügig zu machen.”
Wenn also eine Regierung uns ununterbrochen einzureden versucht, dass wir in höchster Alarmbereitschaft sein müssen; Dass wir jederzeit mit Anschlägen rechnen müssen; Dass wir alles (“Da steht ein Koffer rum…”) und jeden (“dieser dunklehäutige Typ dahinten…”) verdächtigen sollten – was zum Geier ist der Sinn des Ganzen?
Als der damalige Tagesthemen Moderator Ulrich Wickert im Herbst 2001 kurz nach den Anschlägen in New York und Washington durch ein Zitat von Arundhati Roy andeutete, dass die Anschläge der muslemischen Terroristen und die Politik von George W. Bush in die selbe Richtung gingen (nämlich die westliche Bevölkerung durch Angst und Schrecken zu verunsichern), brach ein Sturm der Entrüstung los.
Völlig zu unrecht, denn Herr Wickert sprach nur die Wahrheit – und zwar sehr behutsam, wie ich damals fand.
Jeder, dar regelmässig Krimis liest, weiß dass der Böse selten auf Anhieb zu erkennen ist. Einfach auf den nächstbesten Araber an der Ecke zu zeigen, hilft nicht bei der Mörderjagd. Es hilft nur die zähe Suche nach Spuren und die ständige Frage “Wem hilft die Tat?”
Und genau an der letzten Frage scheitert die öffentliche Debatte auf ganzer Linie. Wir brauchen ja gar nicht mehr allzusehr zu spekulieren. Es reicht die einfache Frage, was uns die Terrorhysterie der letzten 10 Jahre gebracht hat.
Kontrolle, Verdächtigungen, Beschneidung von Bürger- und Grundrechten, der Ritt in die Totalüberwachung und immer dreisteres ignorieren von Rechten und Willen der Bevölkerung.
Was hat es uns nicht gebracht?
Mehr Sicherheit.
Wir leben nämlich bereits in einem der sichersten Länder der Welt. Die Gefahr, hierzulande bei einem Terroranschlag zu Schaden zu kommen, ist erheblich geringer, als vom Blitz erschlagen zu werden. Trotzdem haben viele Menschen Angst. Natürlich könnte es hierzulande demnächst einen Terroranschlag geben, das bestreite ich überhaupt nicht. Ehrlich gesagt bin ich eher verblüfft, dass in den letzten Jahren nichts ernsthaftes passiert ist. Ich lebe in Berlin – sicherlich einem der potentiellen Hauptziele – und mir würden auf Anhieb bestimmt mindestens 10-20 Szenarien einfallen, ohne dass ich meine Phantasie gross anstrengen müsste. Gefahr besteht – sie ist aber bei weitem nichts Neues. Ende der 70er Jahre war Terror in Deutschland nicht theoretisch, sondern sehr real. Wie auch in Italien und Großbritanien.
Interessant ist es zu sehen, wie die Briten damals mit dem Terror fertiggeworden sind. Durh die britsche Grundtugend der “stiff upper lip”. Durch Gelassenheit und Beharrlichkeit, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen, die Hintermänner zu jagen und ansonsten keinen Millimeter zurückzuweichen. Weitermachen, den Alltag leben, und sich nicht von der Angst dominieren zu lassen.
Nur so konnte der Terrorismus damals besiegt werden. Wieviel anders ist die heutige Situation? Viel weniger reale Gewalt und viel mehr Angst. Um mich herum sind Gott sei dank sehr viele Menschen, die ihren Kopf nicht nur tragen, damit es nicht in ihren Hals regnet.
Ein Kollege meinte neulich: “Ich glaube der Regierung kein Wort. Das ist doch alles Panikmache, weil die ihre Überwachungsgesetze durchpeitschen wollen”. Oder es fiel der Satz “Eine billige Bombenattrappe für €150,- Materialwert und schon gibt es wieder Millionenaufträge für Nacktscanner und so ‘nen Scheiss. Das perfekte Geschäftsmodell!”
Interessant auch einige Beiträge bei Twitter. Manche retten sich in blanken Zynismus, wie zum Beispiel die Warnung vor Granatäpfeln, der Hinweis, dass der Satz “Ich habe einen Anschlag auf Dich vor” falsch verstanden werden könnte, oder die Meldung, dass ein verdächtiger Joghurtbecher im Kühlschrank gesprengt wurde. Es werden aber durchaus auch schon Befürchtungen laut.
holgi Die Regierung hat so oft “Feuer!” gerufen, dass sie bald gezwungen sein wird, selbst eins zu legen.
Einstueckkaese Das BKA befürchtet also einen Reichstagsbrand. Und der Attentäter steht auch schon fest. Willkommen in der Zeitschleife.
Der Punkt ist: der momentane Terror scheint eher ein Inside-Job zu sein (wie der Terror in Italien in den 70ern) und es sei mal die Frage gestattet, was damit eigentlich bezweckt wird. Die eine oder andere Ahnung habe ich schon. Ich bin nicht religiös, aber möge Gott uns beschützen und ich mit meinen Befürchtungen unrecht haben.