tiny little gizmos

Prenzlauer Berg

Ich lebe seit 1987 in Berlin. Zunächst in Zehlendorf und seit 1991 in Prenzlauer Berg. Als ich herzog waren 25% der Wohnungen baufällig. Das bedeutet verschimmelt, ohne Fenster oder Türen. Ich habe sogar Wohnungen gesehen, in denen ganze Räume keinen Fussboden mehr hatten. Ich konnte direkt in die darunterliegende Wohnung sehen. Was noch vermietet wurde war größtenteils sub-Standard. Der Hausputz – sofern noch vorhanden – zeigte Einschusslöcher aus dem 2. Weltkrieg und die Balkone waren wegen Einsturzgefahr abgerissen. Ofmals hatten die Wohnungen Aussentoiletten, selten ein Bad und fast immer Öfen.

Prenzlauer Berg stank fürchertlich. Zu den Öfen kamen regelmäßig schwelende Mülltonnen (Keine heisse Asche einfüllen!) und die Armee aus Trabbis, Wartburgs, Barkas und was sonst noch so an Ost-Fahrzeugen die Luft verpestete.

Die Strassen waren grau und bei 9 von 10 Ladengeschäften waren seit Jahrzehnten die Rolläden geschlossen.

2010

Alle Häuser sind saniert – und zwar sehr aufwändig. Alle Freiflächen sind entweder Kinderspielplätze oder mit “hochwertigen Eigentumswohnungen” zugebaut. Es ist gerade Sommer, aber selbst im Winter hält sich der Gestank in Grenzen. Es gibt Fernwärme. Keine Öfen und keine kokelnden Mülltonnen mehr am Strassenrand.

Und natürlich auch keine Trabbis mehr. An der Strassenecke stehen dafür jetzt zwei Jaguar XK8 (einer davon als Cabrio) und ein brauner Rolls Royce Silver Shadow. 90% der vielen Motorroller sind original Vespa. Natürlich neuwertig.

Die letzte Heavy-Metal-Kneipe hat zugemacht. Dort befindet sich nun ein Buchladen. Ein neuer Buchladen im Jahr 2010!

Ein skuriles Detail fiel mir auf – es scheint mittlerweile Thementage in meinem Kiez zu geben. Vor einiger Zeit war das der “Zwillingskinderwagentag”. Auf meinem Weg von der Hans-Otto-Str. zur Marienburger Str. kamen mir nacheinander 5 Mütter mit Zwillingskinderwagen entgegen.

Heute ist “Spanier-Tag”. Eben sprach jedes zweite Paar, das an mir vorbei ging, spanisch. Es wäre mir völlig neu, daß hier viele Spanier wohnen, aber wer weiss.

Geschlossene Läden gibt es kaum noch. Es ist Mittwoch Mittag und die zahlreichen Cafés im Kiez sind alle sehr gut besucht. Die Menschen, die hier leben, sind alle jung, gut situiert und haben Geschmack. Ich komme mir vor, wie in Pleasantville.

Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Szene von 1991 oder die von 2010 unwirklicher vorkommt.