Dirk Ollmetzer | Saturday, 5 May 2018 |
Unterwegs
Am 3. Mai spielten die Sleaford Mods in der Columbiahalle in Berlin. Wie kann man diese Musik beschreiben? Ich stufe das als zornigen Elektro Punk aus Nottingham ein, der von zwei Männern in ihren 40ern in einem krassen mittelenglischen Arbeiterdialekt runtergerotzt wird.
Als ich vor zwei oder drei Jahren das erste Video von den beiden gesehen habe, war ich begeistert: Endlich mal wieder richtig Power und Emotion! Etwas, für das eigentlich die Jugendlichen zuständig sein sollten, die aber auf diesem Gebiet momentan leider auf ganzer Linie versagen.
Also Karten besorgt und nichts wie hin. Als ich mich der Columbiahalle näherte war mir klar, dass das Publikum zu großen Teilen schon gehobenen Alters war. Ich lag mit meinen 50 Jahren da gut im Schnitt. Später, als die Halle voll war zeigte sich, dass auch viele dabei waren, die ich eher “um die 30” einschätze.
Sleaford Mods
Klasse ist die Diskrepanz zwischen dem Powerplay von Sänger Jason, den man nur als erstklassige Rampensau bezeichnen kann, und Andrew, der auf der Bühne eigentlich nichts anderes macht, als am Computer die vorbereiteten Tracks zu starten und den Rest des Songs mit Bierflasche in der Hand leicht mitzuwippen.
Meine Begleitung meinte vor Beginn, dass sie mit einem eher kurzen Konzert rechne, da die Show von Jason doch recht intensiv und anstrengend sei. Sie sollte recht behalten – aber das ist egal, weil der Auftritt dafür sehr intensiv und energiegeladen war. Genau so, wie wir es erhofft hatten. Zu Beginn schlurfte Jason auf die Bühne, als wäre er vor exakt 2 Minuten und 30 Sekunden aus dem Bett gefallen, gab dann aber sehr schnell Gas. Später konnten wir uns gerade noch vor dem Pogo tanzenden Pulk vor der Bühne in Sicherheit bringen. Eigentlich ist damit schon alles gesagt:
Es war geil!
Bemerkenswert fand ich aber, dass gleich zwei Vorbands spielten, die mir ebenfalls gut gefielen.
Noseholes
Als Opener spielten die Noseholes, deren Musik zum Glück deutlich besser war, als es der Bandname vermuten ließ. Der Sound aus Gitarre, Bass und und Schlagzeug war gekonnt schräg. Die Sängerin trat im früh-80er Jahre New Romantic Look auf. Ihr Gesang ließ sehr deutlich den Einfluss von Bands wie Siouxsie and the Banshees erkennen. Das Publikum war aufmerksam und nahm die 30 minütige Show wohlwollend auf.
Karies
Als zweite Gruppe trat die deutsche Band KARIES auf. Noch ein echt bescheuerter Name, aber wiederum guter Sound der auf einer klassische Instrumentierung beruhte: zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug. Gleich zu Beginn sorgte der pumpende Bass und die gekonnt und sorgfältig gespielten leichten Disharmonien zwischen den Gitarren für gute Laune. Bereits hier fingen die ersten im Publikum mit Pogo an.
Fazit: Endlich mal wieder ein schönes, energiegeladenes Konzert. Hat Spass gemacht!
Vor kurzem machten die beiden tödlichen Unfälle von “autonomen Autos” Schlagzeilen: Der Volvo SUV von Uber überfuhr eine Radfahrerin ohne zu bremsen und der Tesla fuhr ebenfalls ungebremst in eine Absperrung, wobei der “Fahrer” verstarb.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich (teil-)autonom fahrende Autos für ziemlichen Schwachsinn halte, der nur von den Hauptproblemen mit Autos ablenkt (Flächenverbrauch, Energie- und Ressourcenverbrauch). Aber ich versuche mich davon im Folgenden so wenig wie möglich ablenken zu lassen und sachlich und nüchtern abzuwägen.
Bereits als die Euphorie um autonome Fahrzeuge vor zwei oder drei Jahren richtig Schwung bekam, habe ich gesagt, dass ich nur zwei Arten von Fahrzeugen für akzeptabel halte:
- Der Fahrer hat jederzeit die volle Kontrolle über das Fahrzeug. Er darf die Kontrolle auch nicht an Teilsysteme abgeben. Das war bis vor kurzem weltweit geltendes Recht aufgrund des Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aus dem Jahr 1968.
- Es gibt keinen Fahrer mehr, weil das Fahrzeug in jeder Situation 100% Autonom agiert. Man ist Passagier wie in einem Bus oder Taxi ohne die Möglichkeit, in die Steuerung einzugreifen.
Jede Mischform dazwischen ist in extrem gefährlich. Wenn das Auto dem Fahrer die Routine abnimmt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er genau in dem Moment, in dem die Technik nicht weiter weiß, abgelenkt ist und die Verkehrssituation nicht in Blick hat. Die Reaktionszeit des Menschen, um sich zu orientieren, die Situation zu verstehen und wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen ist unakzeptabel hoch und ein Unfall sehr wahrscheinlich. Die beiden o.g. Unfälle hatten genau dieses Szenario.
Ärgerlich ist, dass das voraussehbar war, weil das Aufmerksamkeitsproblem keine neue Erkenntnis ist, wie ein Blick in Eisenbahnverkehr und Luftfahrt zeigt. Elekrische Lokomotiven haben bereits seit den 30er Jahren Totmannschalter bzw. heutzutage eine Sicherheitsfahrschaltung. Piloten in Verkehrsflugzeugen müssen auch während der Normalfluges per Autopilot ständig kleinere Aufgaben durchführen. Technisch sind die seit langem nicht mehr notwendig, sondern dienen hauptsächlich dazu, dass die Crew konzentriert bleibt. Und wir reden hier von Profis mit Spezialausbildung, Typzulassung und regelmäßigen Gesundheitschecks und Simulatortraining.
Diese Erkenntnis wird ausgerechnet bei Autos völlig ignoriert. Dazu kommt die aus der US-amerikanischen Mentalität erwachsene Hybris, übereilt unfertige Dinge auf die Menschheit loszulassen. In diesem Fall halte ich die ebenso typisch deutsche Behäbigkeit gegenüber Neuerungen, die mich so manches Mal auf die Palme bringt, für angemessener.
Ich denke, dass das Wiener Übereinkommen wieder uneingeschränkt gelten sollte.
Teilautonomes Fahren sollte aus Sicherheitsgründen wieder verboten werden.
Wenn dann in (m.E. etwas fernerer) Zukunft die Systeme so gut sind, dass sie wirklich völlig selbstständig fahren, reicht es den juristischen Begriff des Fahrers zu erweitern.
Am 23. und 24. März fand in Jena das mittlerweile sechste eCommerce Camp statt. Auch bei meinem dritten Besuch, verlief die Veranstaltung im gewohnten Rahmen: Am Vorabend trafen sich viele der Teilnehmer nach der Anreise zum Plausch bei Bier und deftigem Thüringischen Essen in der Gaststätte zur Nöll in der Altstadt. Die eigentliche Veranstaltung fand am Freitag und Samstag Vormittag in der Ernst-Abbe Hochschule in Form einer Unconferenz statt.
Jena – Zeiss neben der Ernst Abbe Hochschule
Nach einem gemeinsamen Frühstück bildete sich die Schlange mit den Teilnehmern, die einen Vortrag oder einen Workshop vorbereitet hatten. Einer nach dem anderen trat auf die Bühne und stellte dem Saal sein Thema vor.
Die Einreichungen wurden thematisch sortiert und auf die Slots verteilt. Am Ende stand ein voller und interessanter Vortragsplan.
Unconference Programm
“Da muss der alte Mann jetzt mal selbst ran”
Im Vorjahr hatte mich der Mitveranstalter gefragt, ob ich nicht auch mal ein Thema vorbereiten möchte. In diesem Jahr nahm ich die Arbeit auf mich und habe einen Vortrag vorbereitet. Er ist betitelt “No KISS – we’re doing it wrong” und handelt von Trends in der Softwareentwicklung, die ich für problematisch oder gar falsch halte.
Die Kernthese lautet, dass sich viele Trends etablieren, die Software sehr aufblähen, langsam und angreifbar machen und entgegen der Intention auch nicht für bessere Wartbarkeit und Wiederverwendbarkeit sorgen. Als Beispiele nannte ich u.a. fette Frameworks, unbedachter Einsatz von Libraries, Annotations, ORM, Metasprachen und zu viele Basistechnologien im Setup.
Da ich noch nie bei solch einer Veranstaltung vorne stand, war ich auch etwas nervös. Werde ich einen Hänger haben? Interessiert das Thema überhaupt jemanden? Da mein Vortrag etwas gegen den Entwickler-Mainstream gebürstet war war ich auch gespannt, ob meine Thesen in der Luft zerrissen würden. Zudem hatte ich kaum Zeit, mich seelisch vorzubereiten, weil ich gleich in den ersten Slot nach der Einführungsveranstaltung dran war.
Es stellte sich heraus, das meine Bedenken unbegründet waren. Mein Vortrag war flüssig, es waren ca. 20 Zuhörer im Raum, was für diese Veranstaltung gar nicht mal so wenig ist. Zum Ende des Vortrags kam es nochzu einer kurzen Diskussion über den einen oder anderen Punkt, aber alles in allem erntete ich viel Zuspruch, wie sich auch noch in einigen Gesprächen im Tagesverlauf zeigte.
Ein Teilnehmer meinte, dass er ähnliches in letzter Zeit häufiger gehört habe und die Kritik meist von älteren Entwicklern kämen und ob das Zufall sei. Meiner Meinung nach ist das kein Zufall, sondern es hängt damit zusammen, dass wir älteren Entwickler früher an Maschinen entwickelt habe, die sehr beschränke Ressourcen hatten. Der Rechner war immer zu langsam, hatte stets zu wenig Speicher und die Übertragungsgeschwindigkeit war immer langsam. Daher sind wir es gewohnt, auf Ressourcenverbrauch zu achten. Heutzutage spürt man zunächst keine Ressourcenknappheit. Daher ist es sehr einfach, eine Anwendung aus vorgefertigten Elementen “schnell zusammenzustöpseln”. Dass man ein Problem hat, merkt man erst, wenn unerwartet viel Traffic auf den Server einprasselt, aber dann liegt das Kind bereits im Brunnen.
Gutes Programm, spannende Gespräche
Das gute daran, den ersten Slot zu bekommen ist, dass man sich danach entspannt auf die Vorträge der anderen konzentrieren kann. Für mich aktuell einer der wertvollsten Vorträge war “MySQL Profiling”, den Andreas Ziethen von Scale hielt. Sein Vortrag setzte genau dort an, wo mein Wissen aufhörte. Nach einer Einführung in das Tool zur Auswertung von Datenbank Logfiles wurden einige Auswertungen von echten, aktuellen Problemfällen zusammen mit den Hörern vorgenommen – sozusagen Gruppendebugging.
Kontrovers diskutiert wurden die Vorschläge für eine neue Shoparchitektur, die Marcus Franke und Richard Burkhardt in der Session “E-Commerce Performance neu gedacht! Proof of Concept: Schnelle Webshops ohne Caching”. Der Wunsch, das Caching aus den Shops zu entfernen ist groß und Vorschläge dazu sehr willkommen, wie sich an recht vielen Hörern im Saal zeigte. Der präsentierte Prototyp, der eine Kategorieseite aus einem Datensatz von einer halben Million Artikeln in 0.4 Sekunden zeigte, basierte auf dem Konzept eines Application Servers, wie man ihn aus der Java Welt kennt. Aus dem Publikum kamen jedoch recht gewichtige Gegenargumente: Zweifel, ob PHP für lang laufende Prozesse stabil genug ist, hoher Ressourcenverbrauch und Fragen wie die Objektdaten im Speicher aktuell gehalten werden. Nach meiner Ansicht das stichhaltigste Argument war, dass der Showcase deshalb so schnell sei, weil alles, was einen echten Shop ausbremst (Framework, ungenutzte Features, Konfigurationsmöglichkeiten,…) nicht implementiert ist. Wenn man dasselbe mit plain PHP baut, kommt man vermutlich auf ähnlich schnelle Zeiten.
Zwar ist es nicht schön, wenn einem die eigene Arbeit so zerpflückt wird, aber die Argumente waren plausibel und der Ton kollegial. Ich finde es auf jeden Fall sehr gut, dass die beiden sich nicht nur Gedanken gemacht haben, sondern auch noch viel Zeit in einen Showcase investiert und das Ergebnis zur Debatte gestellt haben.
Ein Herz für Nerds
Das abendliche Unterhaltungsprogramm im Paradies Cafe habe ich in diesem Jahr nicht so ausgekostet, wie 2017. Ich war nicht so richtig in Feierlaune und mir schienen auch die anderen Konferenzteilnehmer in diesem Jahre etwas zurückhaltender. Das war aber nicht unbedingt von Nachteil, weil es der Konzentration am Samstag Vormittag zu Gute kam.
Simon Pearce von SysEleven zeigte, wie man mit Hilfe von Kubernetes und einigen einfachen Konfigurationsdateien in wenigen Minuten ein MySQL Datenbankcluster mit einem Master und drei Slave Nodes bauen kann. Bereits am Vortag hatte er demonstriert, wie ein Setup aus NGINX Webservers so aufgesetzt werden kann, dass bei Bedarf automatisch weitere Serverinstanzen gestartet und bei abnehmender Last wieder gestoppt werden können.
Kurz vor bevor ich zurück nach Berlin fahren wollte, bekam ich in einem sehr interessanten Gespräch nebenbei eine Vorführung eines begeisterten Shopbetreibers in Echtzeitprofiling seines Shops mit Tideways und eine Diskussion über den Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung. Zu meiner Verblüffung erfuhr ich von einem mir bekannten Shop, der mittlerweile völlig auf die Speicherung von personenbezogenen Daten verzichtet. Das Shopsystem selber ist “clean”, so wie ich es von Bankenanwendungen kenne. Ich bin gespannt, ob sich so etwas rumspricht und durchsetzt.
Fazit
Dieses spontane Gespräch am Rand zeigt auf, was diese Veranstaltung in meinen Augen so wertvoll macht: Der spontane, offene und ehrliche Austausch über Probleme und Lösungen. Ich hoffe sehr, dass diese Veranstaltung auch in den nächsten Jahren fortgeführt wird.
Am gestrigen Samstag besuchte ich das IMSTA FESTA Berlin 2017, das in den Räumen der SAE in Berlin Kreuzberg stattfand.
Hmm, “Bahnhof”?
Es drehte sich alles um Musikproduktion.
IMSTA Festa Berlin
Das SAE Institute ist eine private Bildungseinrichtung, die seit 40 Jahren in vielen Ländern Kurse rund um Musik- und Medienproduktion anbietet. IMSTA ist die International Music Software Trade Association. Offensichtlich sind auch einige der Berliner Musiksoftwarehersteller dort Mitglied und so fand der Event nun auch in Berlin statt. Ich wusste nicht so genau, was mich erwartet, aber da man sich zwar registrieren musste, aber der Eintritt frei war machte ich mich auf den Weg nach Kreuzberg.
Zunächst wuselte ich wie die anderen Besucher durch die Räume der SAE und schaute mal hier und mal dort rein. Die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Speicher in der Cuvrystr. auf zwei Geschossen sind noch neu. Alles ist modern. Interessant fand ich den Grundriss im Musikbereich im oberen Stockwerk. Dort gab es keine rechten Winkel und keine parallel laufenden Wände um Schallreflexionen zu minimieren. Es gab kleine und mittlere Übungsräume, in denen Workshops und Vorführungen stattfanden und natürlich auch ein vollwertiges Tonstudio.
Danach habe ich die Showrooms der Hersteller abgeklappert.
Hard- und Software
Akai hatte seine aktuelle MPC Hardware am Start. Mit dieser Art Instrument werde ich aber irgendwie nicht warm. Mir liegt die Bedienung und Arbeitsweise nicht.
Arturia hatte auch etwas Hardware aufgebaut. Das kompakte Keylab49 Masterkeyboard hat ein schönes Design, ist recht leicht und ziemlich preiswert. Da ich aber stolzer und zufiedener Besitzer eines Keylab88 mit gewichteter “Klavier” Tastatur bin, habe ich dafür keinen Bedarf. Nachdem ich etwas an dem winzigen Analogsynthesizer MicroBrute und etwas länger an dem ebenfalls analogen Drumcomputer DrumBrute herumgeschraubt hatte, vertiefte ich mich für längere Zeit in den Soundsphären des großen Analogsynthesizers MatrixBrute. Im Gegensatz zu den anderen Instrumenten hing der an Lautsprechern. Da mich in der Zeit fünf Leute angesprochen haben und mich für einen Arturia Mitarbeiter hielten, kann mein Geklimper nicht so schlecht gewesen sein. Ein sehr schönes Instrument. Klingt gut, fühlt sich gut an und macht Spaß.
Neben Hardware gab es natürlich auch viel Software zu sehen. Die Berliner Szene war mit Native Instruments (die sitzen ungefähr drei Häuser weiter), U-HE und Bitwig gut vertreten. Ableton konnte ich hingegen nicht entdecken, obwohl sie auch IMSTA Mitglied sind. Steinberg aus Hamburg waren auch dabei, wie Hersteller aus anderen Ländern, wie z.B. Image Line mit FL Studio (A.K.A Fruity Loops).
Mein Interesse galt aber vornehmlich Bitwig. Diese Software nutze ich selber gerne und ich finde das Team nett. Am Stand wurde ich sogar wiedererkannt (“Du warst doch auch auf der Party damals in Neukölln, oder?”). Nice! Leider hat mir das letzte Update auf 2.2 mein Audio Setup zerschossen und dazu hatte ich einen kleinen Schnack. Mal sehen, ob wir die Ursache finden.
Workshops
Den ganzen Nachmittag hindurch gab es Song Reviews und diverse Workshops. Die drei, die ich besucht habe, waren interessant.
Bitwig gab einen einstündigen Überblick in das User Interface ihrer Software. Obwohl ich das System seit zwei Jahren nutze, habe ich einige neue Dinge erfahren.
Im Mischraum des Tonstudios gab der Produzent Sonus030 einen Einblick in FL Studio. Ich habe ihm offen gesagt, dass das HipHop Genre nicht so meins ist, und ich Bitwig als Audio Workstation verwende, aber gerne mal sehen würde, wie er daran geht, einen Track zu bauen. Und so gab er mir Einblick in seine Arbeitsweise anhand eines Songs, den er mit anderen Musikern Tags zuvor aufgenommen hatte. Interessanterweise unterscheidet sich das gar nicht so sehr davon, wie ich arbeite, abgesehen davon, dass er mehr Audiomaterial verwendet und ich mehr über die Keys einspiele. Netter Kerl und der fertige Song hat mir dann übrigens sogar gut gefallen.
Im Studio
So richtig überrascht war ich dann von dem Vortrag über Modular Sythesizer. Ich bin völlig ahnungslos in den Raum, in dem Wohnzimmeratmosphäre herrschte. Ein Teil des Publikums saß auf Stühlen, der Rest fläzte entspannt auf 70er Jahre Sitzsäcken. Ich sitze in Reihe zwei. Vorne stand ein modulares Synthesizerrack von Doepfer und ein Keyboard und davor saß ein netter Herr aus den USA in seinen 60ern mit Karohemd und Ecco Schuhen, die Haare zum Zopf zusammengebunden. Er fing mit seinen Erklärungen ganz vorne an: Was ist ein Oszillator, wie klingt ein Sinus, wie sind die Obertöne einer Dreieckswelle usw.
Modular Synthesizer 101
Parallel zur Erklärung hat er immer alles sofort gezeigt, am Gerät zusammengesteckt und eingestellt. Als er dann zum Thema Rauschen und Filtertypen kam, musste er ein wenig am Rack suchen und einmal kam der Kommentar, dass etwas anders, als bei seinem Moog funktionieren würde. Er hat sich artig bei Döpfer bedankt, dass sie ihm das Rack zur Verfügung gestellt haben und gemeint, dass er noch nie vorher an einem Eurorack System gearbeitet hat. 10 Sekunden später hat er dann aber die Einstellung so geändert, dass es weitergehen konnte. Zweifellos ein Profi.
Und was für ein Profi er tatsächlich ist, dämmerte mir im zweiten Teil des Vortrags. Irgendwann fing er dann an so typische 80er Jahre Songs anzuspielen, unser geneigtes Ohr auf einen bestimmten Klang zu lenken und dann zu erzählen, wie der produziert wurde. Hier ein Oberheim OB-8, hier zwei gestackte Prophet 5, hier ein Moog Modular etc…
Okay – der kennt sich aus, dachte ich mir.
Dann spielte er den Anfang von Michael Jacksons “Bad” und sagte, wir sollen auf diesen hohen Sound im 16tel Takt hören (“tschackatschackatschackatschacka”). Dann erklärte er, wie er diesen Sound hinbekommen hat.
Ähm wie jetzt ???
Gleich danach dasselbe Spiel mit Linonel Ritchies “Hello” und nochmal mit einem Song aus Flashdance. Und so ging das ‘ne ganze Weile weiter.
Was zum… Wer ist dieser Kerl?
“Der Kerl” war Michael Boddicker. Eine Sythesizer-Koryphäe aus der Musikszene von L.A., der nicht nur Filmmusik komponiert und produziert, sondern so ungefähr schon mit allen Stars zusammegearbeitet hat: Quincy Jones, Whitney Houston, Diana Ross, Neil Diamond,…
Und ich bin so ungefähr aus Versehen in den Vortrag gegangen. Wahnsinn!
Das sind dann so die Augenblicke, in denen ich total glücklich bin, in Berlin zu leben, obwohl mir die Stadt manchmal unfassbar auf die Senkel geht.
Ich hatte Sehnsucht nach Sonne und Kultur – da liegt eine Reise nach Italien auf der Hand. Meine Wahl fiel auf Venedig. Irgendwie scheint jeder außer mir schon einmal dort gewesen zu sein und das wollte ich ändern. Ich war neugierig auf die Geschichte, Kultur, Architektur und den Städtebau. Andererseits hatte ich Bedenken wegen der Touristenmassen, Angst vor Nepp und stinkenden Kanälen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Wenn ich Folgenden von Venedig rede, meine ich den für Touristen interessanten historischen Teil in der Lagune (Stadtteile San Marco, San Polo, Cannaregio, Dorsoduro, Castello und Giudecca) und nicht die Industriestadt auf dem Festland mit der Petrochemie.
Ich hatte Glück und der kaum eineinhalb Stunden dauernde Flug verlief ruhig und wolkenfrei. Das ermöglichte mir tolle Blicke auf München, Innsbruck und die Alpen, sowie auf die Lagune und Venedig im Landeanflug. Auf dem Flughafen habe ich sofort ein 72 Stunden Ticket von ACTV mit Flughafentransfer gekauft (€ 46,-) und los ging es mit der Buslinie 5 über die 3,6 Km lange Brücke zum Piazzale Roma in der Lagune. Und dann steht man im Gewusel am Canal Grande und versucht herauszubekommen, wo denn nun Vaporetto (Quasi der Wasserbus) Line 1 anlegt.
Erster Eindruck: Blick vom Piazzale Roma auf den Canal Grande
Nur wenige Minuten später kommt das Boot und es geht los…
…ungefähr 200m weit. Dann gibt es die nächste Haltestelle auf der anderen Kanalseite. Und so geht es im Zickzack ungefähr 20 Minuten weiter, bis wir unter der Rialtobrücke durchfahren und ich am nächsten Anleger aussteige. Dann noch etwa 200m durch eine schmale Gasse zum Hotel und eingecheckt. Bis dahin wurde ich bereits mit den verschiedensten Eindrücken überflutet:
- Mein Gott, das sieht ja wirklich alles genauso aus, wie im Film!
- Die Kanäle riechen überhaupt nicht unangenehm.
- 28 Grad Lufttemperatur, stechende Sonne und überall Wasser – das macht das Klima etwas anstrengend.
- Herrjeh, ist das ein Gewusel auf dem Wasser!
- Au weia! Ist das ein Gedränge in den Gassen!
Canal Grande von Dorsoduro aus gesehen
Später fiel mir noch auf
- Das Hotel ist gut, sehr sauber und es gibt zu meiner freudigen Überraschung ein anständiges Frühstück.
- Die Zikaden in den Bäumen sind ganz schön laut.
- Die Gondeln sind zwar unfassbar kitschig (und teuer). Aber es ist schon elegant, wie sie lautlos durch das Wasser gleiten.
Gondoliere in grandi quantità
Vom Gepäck befreit führt mich mein erster Weg direkt zum Markusplatz. Das sind nur 200m halbwegs geradeaus und das Hauptziel der meisten Besucher. Der Weg ist aber nicht nur kurz, sondern auch extrem schmal. An der breitesten Stelle vielleicht 2,5m und an der schmalsten kaum 1,5m. Trotzdem ist es einer der beiden Hauptwege zwischen Rialtobrücke und Markusplatz. Dementsprechend drängen die Menschen hier durch.
Wahnsinn!
Markusplatz am Abend
Den Markusplatz hat vermutlich jeder schon einmal auf Bildern gesehen: Die langen Arkaden, Der große Campanile, die Basilika mit ihren unglaublichen Marmorverzierungen und natürlich der Dogenpalast. Obwohl der Platz mit 180m x 80m ziemlich groß (für venezianische Verhältnisse geradezu riesig) ist, erdrückt einen doch die schiere Masse an Touristen. Also schnell die üblichen Beweisbilder gemacht und weiter geht es (Ich bin abends noch einmal wiedergekommen – immer noch viele Menschen, aber man hat endlich etwas mehr Platz).
Ich lasse mich durch Gassen über Brücken und Plätze in Richtung Accademia treiben. Schnell merke ich: Man kann die Kamera in eine beliebige Richtung halten und abdrücken – das Fotomotiv ist immer malerisch bis zum geht nicht mehr. Das werde ich in den nächsten vier Tagen auch extrem häufig machen. Tatsächlich habe ich 860 Aufnahmen gemacht und nur ganz wenige sind Ausschuss.
Campo San Moisè
Calle Dose da Ponte
Canal Grande von der Ponte dell’ Accademia
Das frühe Aufstehen, die Anreise, das unglaubliche Gewusel in den Gassen und nicht zuletzt der Temperatursprung um 10 Grad fordern schnell ihren Tribut. Meine Kondition lässt zu wünschen übrig und ich beschließe, dass ich ich Venedig nicht gleich am ersten Tag komplett erkunden muss. Am Anleger Accademia nehme ich ohne großen Vorsatz das nächste Vaporetto. Es ist wieder die Nummer 1. Da ich gerade ganz bequem sitze, fahre ich bis zur Endhaltestelle Lido mit. Der Lido ist eine 12Km lange, schmale Insel, die die Lagune von der Adria trennt. Hier ist die Bebauung völlig anders. Der Hauptort hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem mondänen Badeort entwickelt. Hier geht es luftiger und ruhiger zu und ich bleibe bis zum frühen Abend am Strand sitzen, um auf die Adria zu gucken und mich auszuruhen.
Tag zwei fängt mit einem guten Frühstück an (holla!) und danach geht es gleich zum Arsenale um die Biennale anzusehen (davon berichte ich getrennt im Artikel “Venedig – Kunstbiennale 2017“). Nachdem ich Nachmittags das Ausstellungsgelände verlassen habe bin ich wiederum ziemlich geschafft und kann eine etwas längere Bootsfahrt gebrauchen. Ich beschließe, den Anleger an der kleinen Insel St. Pietro di Castello zu nehmen und lande in einer verschlafenen Ecke von Venedig. Keine Sehenswürdigkeiten, keine Touristen, dafür einige Einheimische. Schau an – das gibt es auch noch. Wie beruhigend!
Einfache Wohnhäuser in Castello
Die Fahrt ging an der Nordseite Venedigs entlang. So konnte ich einen Blick auf die Friedhofsinsel San Michele werfen, mich davon überzeugen, dass es in dieser historischen Stadt ein sehr modernes Krankenhaus mit Hubschrauberlandeplatz und Notaufnahme (natürlich per Boot) gibt. Der Blick auf die Häuser des Stadtteils Cannaregio zeigt, dass auch dort “richtige Menschen” leben. Gut zu wissen, dass es sich trotz der Touristenmassen doch noch um eine richtige Stadt handelt.
Fondamenta Cannaregio
Am Anleger Tre Archi steige ich aus und laufe in glühender Sonne den Fondamenta Cannaregio hinunter. Mein Ziel ist das jüdische Viertel. Hätte ich nicht vor einiger Zeit einen längeren Bericht über die Historie des Ghetto gesehen, wäre ich vermutlich achtlos vorbeigegangen. Beim ersten Laden an dessen Türrahmen mir ein kleiner, zylinderförmiger, schief angebrachter Behälter auffiel, bog ich in den nächsten torartigen Durchgang links ab.
Und schon war ich mittendrin im Calle Ghetto Vecchio zwischen koscheren Lebensmittelläden und Synagogen, die man nur erkennt, wenn man weiß wo sie sind.
Campo del Ghetto Nuovo
Zudem befindet sich hier einer der schönsten Plätze Venedigs: Der Campo del Ghetto Nuovo. Er ist groß und lebendig. Kaum Touristen, dafür viele einheimische und spielende Kinder. Leider scheint es auch nötig zu sein, hier ein Häuschen hinzustellen, in dem mehrere bewaffnete Polizisten die friedliche Szene bewachen. Das ist bei uns in Berlin an Stellen, die für das jüdische Leben wichtig sind ja auch nicht anders. Aber irgendwie empfinde ich es als Schande, dass so etwas heutzutage in Europa nötig ist.
Abends bin ich dann noch etwas am Rialto und in San Marco umher gelaufen und habe bei einem leckeren Eis die Szenerie genossen.
Canal Grande von der Rialto Brücke aus gesehen
Nächtlicher Blick auf San Giorgio Maggiore
Am nächsten Tag habe ich mich wiederum zur Biennale begeben (diesmal in den Giardini) und am Nachmittag den Stadtteil St. Elena angesehen. Keine expliziten Sehenswürdigkeiten, dafür wieder normale Einwohner, breitere Strassen und sogar ein Park. Dort hinten kann man es aushalten.
Wohnstrasse für richtige Menschen
Am letzten Tag bin im Stadtteil Dorsoduro, südlich der Accademia gewesen. Noch recht touristisch – unter anderem ist dort die Peggy Guggenheim Collection und diverse andere Palazzi mit Kunst, aber es ist nicht ganz so überlaufen wie San Marco. Hier bin ich den (das, die?) Fondamente Zattere al Ponto Lungo entlagflaniert. Der Blick schweifte über das Wasser in Richtung des Stadtteils Guidecca. Dort hinüber kommt man wirklich nur noch mit dem Boot, weil es keine Brücke über die breite Fahrrinne zum Hafen von Venedig gibt.
Zurück zum Flughafen ging es dann direkt mit dem Boot über die Lagune. Sobald das Boot von Alilaguna aus den Kanälen der Stadt heraus und in der offenen Lagune war, hieß es Vollgas. Ein bisschen Wellen muss man da schon vertragen. Aber ehrlich – wie geil ist des denn, mit dem Boot direkt in den Flughafen zu fahren?
Bootsanleger am Flughafen
Leider war mein Besuch damit bereits wieder beendet. Der Rückflug war ordentlich verspätet und ich bekam auf Facebook den Rat, ein Boot mitzubringen, weil in Berlin gerade die Strassen wegen Dauerregen überschwemmt sind.
Ich sehe es lieber so: Einige Dinge, die mich interessieren, habe ich noch nicht gesehen und somit einen Grund noch einmal wiederzukommen. Zum Abschluss noch ein paar Gedanken, die ich während des Besuchs hatte:
Größe und Entfernungen
Größe, Entfernung und Zeit nimmt man in Venedig einfach komplett anders wahr, als in normalen Städten. Die Lagunenstadt misst ca. 4,5 Km in Ost/West und 2,7 Km in Nord/Süd Richtung. Aber die Gassen sind selbst für südeuropäische Verhältnisse unfassbar eng und verwinkelt. Gassen von kaum 1,5m Breite sind nicht ungewöhnlich. Zudem sind zwar überall Kanäle aber längst nicht überall Brücken, wo man sie braucht. Das führt zu Situationen, in denen man für eine Entfernung von ein paar Hundert Metern Luftline lieber in das Vaporetto steigt, anstatt sich durch das enge und mit Touristen überfüllte Labyrinth zu drücken.
Tourismus – Fluch und Segen
Tatsächlich wird die Stadt von der Menge der Touristen schier erdrückt: Es sollen ca. 30 Millionen pro Jahr sein. In einer Stadt, die nur ca. 60.000 Einwohner hat. Im Gegensatz zu Rom, das ebenfalls von etlichen Millionen Besuchern jährlich heimgesucht wird, hat Venedig (in der Lagune) kaum noch andere wirtschaftliche Funktion, außer dem Tourismus.
Andererseits wäre diese historisch bedeutende Stadt ohne die Besucher vermutlich schon weitgehend zerfallen und verlassen. Das Leben dort ist erheblich anstrengender und teurer als auf dem Festland. Das fängt mit der Ver- und Entsorgung an und endet beim aufwändigen Erhalt der historischen Bausubstanz noch lange nicht. Es gibt nur sehr wenige Läden für den normalen Einkauf. Jede Lieferung muss zunächst auf ein Boot umgeladen werden, dann eventuell noch mal auf den Handkarren und durch die Gassen und über die Brücken mit ihren Stufen geschoben werden. Egal ob es das Päckchen von Amazon ist, die Lieferung für den Supermarkt oder die Müllabfuhr. Das dauert, und ist aufwändige und schwere Handarbeit.
Lieferboot von DHL
In der letzten Juniwoche habe ich die schöne Stadt Venedig besucht. Das hatte einen Grund und einen Anlass.
Der Grund: Ich war noch nie dort und war neugierig auf die Besonderheit der Stadt.
Der Anlass: Die Kunstbiennale (L’Esposizione Internazionale d’Arte, La Biennale di Venezia).
In diesem Artikel geht es nur um letzteres. Ich hatte mir am Dienstagmorgen ein 48 Stunden Ticket gekauft. Das ist mit €30,- nur unwesentlich teurer als das Tagesticket zu €25,- und bequemer, da man ausreichend Zeit für beide Teile der Biennale hat. Dienstag habe ich die Ausstellung im Arsenale angesehen und am Mittwoch die Pavillons in den Giardini.
Arsenale
Teile des Geländes der ehemaligen Marinewerft und Flottenbasis der Venezianischen Republik werden seit 1999 für die Biennale genutzt. Der Ort hat neben seiner geschichtlichen Bedeutung jede Menge Charme.
Wassertor Ingresso di Terra des Arsenale (erbaut 1574)
Meine Tour begann am Eingang in der Campiello Tana und führte zunächst durch die hohen und langen Hallen am südlichen Ende des Geländes. Bald hatte ich meine ersten Eindrücke zusammen:
- Was ist das denn? Eine Öko-Textil-Schamanenausstellung? Halt die Axt!
- Generell zu viel Wolle, zu viel zerschnittene Bücher, zuviel Video.
- “lives and works in Berlin” scheint eine wichtige Voraussetzung zur Teilnahme zu sein. Jedenfalls habe ich das gefühlt an jedem zweiten Werk über den jeweiligen Künstler gleich welcher Nationalität gelesen. Muss das so sein? Von den Berliner Künstlern, die ich kenne, war jedenfalls niemand dabei.
- Der Ort ist trotzdem genial
Hallen am Südende des Arsenale (Seilerei von 1443)
Schöne Deckenkonstruktion
Zwischen den Gebäuden im Südosten des Geländes
Ungefähr bis zur Mitte der Ausstellung war ich alles andere als begeistert von der Kunst. Ich sah dann allerdings doch noch Arbeiten, die mich richtig ansprachen:
Der türkische Beitrag von Cevdet Erek zeigte eine raumfüllende, begehbare Installation aus Gerüstteilen, Holzbohlen, Rampen und Maschendrahzäunen, auf deren höchstem Punkt aus einem Feld mehrerer Flachlautsprechen leise Geräusche und Sprachfetzen kommen. Die Wirkung ist beklemmend. Ein subtiler, aber sehr wirkungsvoller Hinweis auf die aktuelle Situation.
Der italienische Beitrag ist ebenfalls beklemmend, aber eher das Gegenteil von subtil. Man hat den Eindruck durch ein Biotechnologie Labor zu gehen, in dem Lebewesen hergestellt werden sollen. Die riesige Installation zeigt Tanks, Gussformen für Körper, Eine Anlage mit verschiedenen Brutzellen und eine Kryogene Anlage zum Einfrieren. Die Herstellung scheint aber nicht recht zu funktionieren, da überall defekte Körper und Teile von Körpern herumliegen.
Eine weitere Großinstallation belegte ebenfalls eine komplette Halle. Man ging in sehr schwachem Licht unter einer flachen, raumgroßen Gerüstinstallation hindurch um am Ende eine Treppe hinauf, die breit wie eine Tribüne ist. Von dort kann man auf das Gerüst von oben sehen. Jedoch alles was in dem beinahe dunklen Raum zu sehen ist, ist die Deckenkonstruktion und ihr Spiegelbild. Der Effekt ist verblüffend, weil das Gehirn den optischen Eindruck zunächst nicht mit dem erlebten Raum zusammenbringen kann.
Der Beitrag “Life in the folds” von Carlos Amorales aus Mexiko war ebenfalls spannend. Es läuft ein Film, der in einer Art Scherenschnitt-Puppenspiel eine düstere, märchenartige Geschichte erzählt – die einer Flucht. Der Film hat teilweise Untertitel. Diese sind aber nicht lesbar, da sie in einer Art moderner Keilschrift verfasst sind. Zu der Ausstellung kann man eine Zeitung mitnehmen, die ebenfalls in dieser Schrift gedruckt ist. Im Raum stehen Tische, auf denen diese Schriftzeichen als Keramikstücke herumliegen. An der Wand sind Grafiken und “Keilschrift-Noten” zu sehen. Alles ist in sterilem Schwarz/Weiß gehalten.
Arsenale Gaggiandre (1573)
Den Abschluss des ersten Tages auf der Biennale war für mich dann ein Cappuccino im Giardini delle Vergini am Ende des Arsenale. Dort konnte ich der brennenden Sonne im Schatten der Bäume entgehen und entspannen.
Giardini
Vor 1999 wurde die Biennale ausschließlich in den Giardini ausgetragen. Den Gedanken, im Schatten von großen Bäumen zu wandeln, hatte bei 28 Grad und stechendem Sonnenschein etwas schönes. Das Ambiente in der Parkanlage, die in den Stadtteilen Castello und St. Elena liegt, unterscheidet sich erheblich von dem der Ausstellung im naheliegenden Arsenale.
Mitten zwischen den großen Bäumen stehen 28 feste Pavillions verschiedener Staaten. Diese sind in völlig unterschiedlichen Architekturstilen gehalten und stammen aus unterschiedliche Zeiten. Die ersten Pavillons wurden 1907 errichtet, der sehr schöne und schlichte Schweizer Pavillon stammt von 1952 und der extrem filigrane Skandinavische Pavillon aus dem Jahr 1962.
Eingang zu den Giardini
Viele Staaten, die keinen Pavillion auf dem Gelände erbaut haben, stellen in verschiedenen Räumlichkeiten im Stadtgebiet aus. So bin ich bereits am Montag Nachmittag bei einem ersten Stadtrundgang über die Ausstellung von Aserbaidschan am Campo Santo Stefano aufmerksam geworden.
Aserbaidschan “Pavillon” in der Stadt
Das ist verständlich, weil der Platz in den Giardini nun mal begrenzt ist, aber leider auch etwas undankbar. Man läuft als Biennale-Besucher vermutlich nicht auch noch die komplette Stadt ab, um jeden Länderbeitrag zu sehen. Und die zigtausend “normalen” Touristen wissen eventuell gar nicht, was das soll.
Aber zurück in die Gärten.
Biennale Zentralpavillon
Wie bereits am Vortag fand ich die Architektur interessant, aber meine Begeisterung für die Kunst hielt sich in Grenzen. Gleich zu Beginn kam ich am Deutschen Pavillon vorbei und mich überkam sogar massives Unwohlsein.
Deutscher Pavillon mit langer Warteschlange
Das Gebäude selbst wurde 1938 umgebaut – was man ihm deutlich ansieht. Als ob der Pavillon von Albert Speer persönlich verbrochen wäre (er war es tatsächlich nicht) steht auch noch “Germania” (wie die geplante Hauptstadt des “1000 jährigen Reiches”) über allem. Vorne patrouillieren zwei massive Dobermann Weibchen. Aus dem inneren dröhnen schwere, depressive Töne, gegen die Wagners Ritt der Walküren wie leichtfüßiger Samba wirkt.
Mein erster Eindruck: Nazi-Geisterbahn – bloß weg.
Jedoch – nachdem ich den Rest der Ausstellung gesehen hatte, verstand ich, weshalb der Beitrag von Anne Imhoff den Hauptpreis für den besten Beitrag gewonnen hat; Eben genau weil er so starke Gefühle auslöst.
Russischer Pavillon
Im russischen Pavillon aus dem Jahr 1914 wurden verschiedene Werke gezeigt, die sich ebenfalls mit der Vergangenheit und der Gegenwart des Landes befassen. Eine rundum Video-Projektion und eine Installation spielten mit der ruhmreichen(?) Vergangenheit der UDSSR. Ein weitere Beitrag war dafür im hier und jetzt. Menschliche Körper, die in weissen Kuben feststeckten symbolisieren die automatische Kategorieiserung, die Computer anhand von Social Media Profilen. Den kompletten Körper konnte man nur sehen, wenn man ein Tablet mit einer entsprechenden Augumented Reality-App davor hielt.
Der Pavillon von Griechenland wird mir schon deshalb in Erinnerung bleiben, weil er Zuflucht vor einem heftigen Gewitter bot, dass sich in dem extrem schwülen Klima am Mittwoch Nachmittag entlud. Deshalb bin ich auch leider nicht dazu gekommen, das Gebäude zu fotografieren.
Ich verbrachte eine gute dreiviertel Stunde in dem Gebäude. Das fiel umso leichter, weil es eine wirklich sehr gute Installation enthielt. Man geht eine Treppe nach oben und kann dort von einem Rundgang in ein dunkles Labyrinth sehen. Es sind in Abständen Monitore installiert, die die Vorbereitung eines offensichtlich wichtigen wissenschaftlichen Experimentes zeigen. Das Ambiente in den Filmen wirkt grau-bräunlich und erinnert im Stil an die späten 60er Jahre. Nach dem Rundgang geht es hinunter in das Labyrinth – das wohl die Durchführung des Experimentes selber symbolisieren soll. Hier kann man an einigen passende Soundschnipsel hören. Den Abschluss bildet eine Leinwand, auf der ein Komitee über den Ausgang des Experimentes berät. Offensichtlich hat es möglich gefährliche Nebenwirkungen gegeben und man diskutiert, wie damit umzugehen sei. An der Diskussion sind neben dem Professor und seinen Assistenten auch der Institutsleiter, der für die Finanzierung des Institutes und die von Charlotte Rampling gespielte graue Eminenz von außen (politisch?) beteiligt. Wenn man lange genug sitzenbleibt, bemerkt man, dass sich die Diskussion im Kreis dreht und nie aufhört.
Neben dem griechischen, dem russischen und dem deutschen Beitrag vor allem das Café im Gedächtnis. Als ich es betrat war ich spontan begeistert. Eine Einrichtung im konsequenten 80er Jahre Memphis-Stil, was zu einer Ausstellung über Ettore Sottsass passen würde, die gleichzeitig in Venedig stattfand. Später erfuhr ich dann, dass das Café von Tobias Rehberger zur Biennale 2009 gestaltet wurde und er von der Jury dafür mit einem goldenen Löwen als bester Künstler ausgezeichnet wurde.
80er Jahre Design Cafeteria
Fazit
Dafür, dass die Biennale eine der wichtigsten Kunstausstellungen weltweit sein soll, fand ich sie in Gänze überraschend fade. Dennoch bereue ich den Besuch auf keinen Fall. Immerhin habe ich einige Werke gesehen, die ich interessant fand. Dass diese fast immer einen düsteren Aspekt hatten (sowohl in der Aussage als auch rein optisch) mag an mir liegen. Wäre ich ausschließlich für die Biennale nach Venedig gereist, dann wäre ich etwas enttäuscht. Das Gesamtpaket aus Venedig und der Biennale hat mich aber sehr angeregt und gefallen.
Eigentlich wollte ich ja diesmal gar nichts schreiben (*zwinker*), aber Lars Jankowfsky hat sich mit den aufmunternden Worten von mir verabschiedet “Du schreibst doch hoffentlich wieder etwas in Deinen Blog”. Na, dann will ich mich mal nicht so zieren… ;-)
Ich wollte nichts schreiben, weil ich in diesem Jahr nicht ganz bei der Sache war – wortwörtlich. Es war aus zeitlichen Gründen für mich bis zum Vorabend leider nicht ganz klar, ob ich überhaupt teilnehmen kann. Tatsächlich musste ich sowohl am Donnerstag, als auch Freitag für ein paar Stunden ins Büro. So habe ich leider nur zwei halbe Tage auf der Konferenz verbringen können.
Es hat sich trotzdem gelohnt.
Wie auch schon im letzten Jahr fand der auf eCommerce spezialisierte Ableger der großen Hamburger code.talks Konferenz im Kino in der Berliner Kulturbrauerei statt. Die angekündigten Themen lasen sich spannend. Mal abgesehen davon, dass ich ohnehin nur zwei halbe Tage zur Verfügung hatte, bestand hier wieder das Luxusproblem, dass stets mehrere interessante Vorträge parallel stattfanden. Die Vorträge, die ich sehen konnte waren durchwegs gut und informativ.
Kulturbrauerei Berlin
Unterhaltsam war der “Stellungskrieg” in der Paneldiskussion zur Entwicklung von eCommerce Plattformen zwischen Kelly Goetsch von Commercetools und Pierluigi Meloni von Oxid eSales pro und contra Microservices. Obwohl ich den Dialog (die anderen Teilnehmer gingen dagegen fast unter) ganz amüsant fand, halte ich ihn inhaltlich nicht für sonderlich nahrhaft. Bereits von den Vorträgen des letzten Jahres habe ich für mich mitgenommen, dass Microservices eine tolle Sache sind – falls man riesige und komplexe Shops (Kategorie Otto, Zalando, Amazon) und sehr große Teams hat die man anders nicht weiter skalieren kann. Am Ende des Tages verlagert man lediglich die Komplexität aus dem Monolithen in die Architektur und fängt sich eine Menge Synchronisationsprobleme ein. Für kleine und mittlere Shop ist das sicherlich nicht geeignet.
Reger Austausch am Abend
Ein richtiges Highlight war der Vortrag “Decrease your conversions – common ways to lock people out” von Stefan Judis. Er navigierte das Publikum durch ein Meer von Fehler, die man bei der Frontendentwicklung machen kann um Leser/Kunden zu verlieren. Angefangen bei dem unverständlicherweise sehr häufigen Fehler völlig fettleibiger mobiler Website (30MB für eine unnütze Startseite), die nicht nur langsam sind, sondern auch das teuer bezahlten Datenvolumen der Kunden in Rekordzeit aurauchen. Massgeblich sind hier neben dem Einsatz von Libraries vor allem nicht optimierte Bilder. Weiter ging es mit nicht mehr ganz so offensichtlichen Fehlern kleiner Schriften, zu geringem Kontrast und Farbwahl, die Farbenblinden die Benutzung unmöglich machen. Den letzten Teil nahmen Gestaltungshinweise ein, die die Nutzung von Seiten mit Screenreadern ermöglichen.
Weniger detailiert war der Vortrag “Learnings from building a marketing data pipeline using Hadoop, Spark, and Airflow” von Tamara Mendt (HelloFresh). Dafür bekam ich hier einen soliden Überblick über die Möglichkeit, Business Intelligence Infrastruktur aufzubauen. Ein Thema, in dem ich mich nicht auskenne, dessen Bedeutung aber sehr schnell steigt. Gerne hätte ich hier noch mehr gehört, aber das war leider schon der letzte Track am Freitag Nachmittag.
Vortrag zu Business Intelligence
Am wertvollsten waren für mich aber die Gespräche, die ich am Rande der Veranstaltungen und am Donnerstag Abend auf der After Party im Kesselhaus führen konnte. Ich möchte mich an der Stelle bei meinen Gesprächspartnern bedanken (in willkürlicher Reihenfolge: Norbert, Sascha, Markus, Alexander, Thomas, Joscha, Jeremy, Lars, das Team von Spryker u.a.).
Gerne nächstes Jahr wieder.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 23 April 2017 |
Unterwegs
Am Gründonnerstag lautete die Wettervorhersage für die Ostseeküste: zwischen 3 und 8 Grad, Sturm, Regen und Graupelschauer. All das trat auch ein, aber das war Gottseidank nicht die ganze Wahrheit. Aufgrund der Wettervorhersage packte ich überwiegend Winterkleidung ein und setzte etwas Hoffnung in die Tatsache, dass die Mecklenburger Ostseeküste im Jahresmittel die meisten Sonnenstunden in Deutschland aufweist.
Die Hinfahrt am Karfreitag startete ich bereits morgens um kurz vor 10 und hatte viel Zeit, weil das Zimmer erst ab 16:00 verfügbar war. In dem dichten Reiseverkehr nach Rostock rollte ich gemächlich und spritsparend bis Wittstock Dort setzte ich dann zu einen kleinen Schlenker nach Schwerin an. Bei einem Spaziergang umschlenderte ich das malerische Schloss und machte in der Altstadt einen Mittagsimbiss.
Schweriner Schloss
Danach ging es weiter nach Norden an Wismar vorbei über nicht allzu stark befahrene Landstraßen bis nach Kühlungsborn. Die Unterkunft lag nicht direkt im Ort, sondern ungefähr 1,2Km vom Strand entfernt, bot aber wegen der erhöhten Lage wie versprochen Meerblick.
Meerblick
Der Ort glänzt durch die typische Bäderarchitektur, eine über 3Km lange Strandpromenade und den sechs Kilometer langen Sandstrand, dessen westliche Hälfte weitestgehend naturbelassen ist. Ein kleines Highlight ist die mit Dampfloks betriebene Schmalspurbahn “Molli”, die während der Saison im Stundentakt zwischen Kühlungsborn über Heiligendamm bis nach Bad Doberan fährt. Die Loks und Waggons sind tip-top gepflegt und sehen aus, als kämen sie direkt von einer Modelleisenbahnanlage.
Naturstrand in Kühlungsborn
Strandpromenade an der Düne
Molli fährt durch Kühlungsborn
Das Wetter war am Karfreitag und Samstag frisch, windig und wechselhaft. Die Regenschauer dauerten nur kurz an und zwischendurch kam immer wieder die Sonne durch. Genau das richtige Wetter, um sich bei ausgiebigen Spaziergängen über Strand und Promenade ordentlich durchpusten zu lassen.
Unerwartet genial wurde das Wetter am Ostersonntag. Zwar ging die Temperatur nochmals ordentlich runter, aber der Wind ließ nach und die Sonne schien mehrere Stunden am Stück. Daher fuhr ich nach Warnemünde, wo der Strand von hunderten Spaziergängern genutzt wurde. Der Ortskern und die Mole an der Warnowmündung waren schon fast etwas überfüllt.
Osterspaziergänger am Strand
Spaziergänger in Warnemünde
Warnemünde
Zurück nach Kühlungsborn konnte ich sogar offen fahren, ohne dass es zu frisch war. Zum Kaffee ging es dann hinauf zum Bastorfer Leuchtturm. Der Turm selbst liegt etwas im Landsinneren und ist nur ca. 20m hoch, aber weil er auf einer fast 80m hohen Anhöhe steht, ist er trotzdem das zweithöchte Leuchtfeuer in Deutschland. Die Sicht war umwerfend. Östlich konnte ich bis Warnemünde schauen, In Richtung Nordwest konnte ich die östliche Spitze von Fehmarn sehen (knapp 40Km entfernt!) und daneben den dänischen Offshore Windpark Rødsand. Vom Turm aus hätte der Blick vermutlich sogar bis zur dänischen Insel Lolland gereicht. Leider kam ich dafür 15 min. zu spät. Der Turm schließt um 16:00.
Leuchtturm Bastorf
Panorama. Links Fehmarn, rechts Warnemünde
Das Wetter am Ostermontag machte hingegen keine gute Laune und so fiel es nicht allzu schwer, das Apartement um 10:00 zu verlassen. Leider mussten sich das ungefähr 80% der Ostseegäste ebenfalls gedacht haben, denn der Rückreiseverkehr war sehr heftig. Als der Rückstau vom Berliner Ring bereits 130km vor Berlin auf der A19 anfing, entschloss ich mich zu einem spontanen Abstecher nach Waren an der Müritz.
Waren an der Müritz
Ein kleiner Rundgang durch den Hafen und die Altstadt. Eine kleine Stärkung mit Brötchen und Kaffee und danach fuhr ich über die Landstraße bis zur A24, Anschlussstelle Herzsprung. Von dort aus ging es letztlich im Schneckentempo (30-60km/h) nach Berlin zurück.
Neukölln, Nerds und Club Sounds in einem alternativen Laden. Gestern Abend haben sich für mich mal wieder alle Berlin-Klischees erfüllt – im positiven Sinne. Anlass war das Bitwig Meetup im Common Ground in der Neuköllner Weisestrasse. Bitwig ist der Berliner Softwarehersteller der Digital Audio Workstation Bitwig Studio, die ich seit eineinhalb Jahren nutze.
Man feierte das Firmenjubiläum, den Release von Version 2.0 und den Start des Beta-Test-Programms von Version 2.1. und ich war neugierig auf die Menschen hinter der Software. Der Veranstaltungsort ist ein Ladengeschäft, dessen Sinn und Zweck sich nicht im Vorbeigehen erschließt, aber definitiv einen sehr hohen Nerd-Faktor hat. Common Ground ist ein Laden für etwas ungewöhnliche Musikelektronik, eine Bar und ein Hackerspace in einem.
Eingang Common Ground
Einrichtungstipp: Modulare Wandsynthesizer
Gleich neben dem Eingang war ein Tisch mit einiger Hardware aufgebaut: Zwei Rechner, auf denen Bitwig lief, ein analoger Drumsynthesizer, ein LinnStrument. Das Setup sorgte für den Sound und war stets umlagert. Eine Party, auf der der stundenlang durchlaufende Club-Track live von den Gästen gemacht wird, hat was. Es klang übrigens fast niemals irgendwas daneben, obwohl stets mehrere Leute gleichzeitig an den Reglern waren!
Aktive Gäste schrauben schräge Sounds
Ich habe mich erst mal ein Bier und eines von den unglaublich leckeren belegten Broten geschnappt und mich im Laden umgeschaut. Nach einiger Zeit kam ich dann auch mit den Leuten von Bitwig ins Gespräch. Sehr sympathische Menschen. Zu meiner nicht geringen Verblüffung habe ich erfahren, dass die ganze Firma zur Zeit nur aus neun(!) Leuten besteht. Da ziehe ich den Hut vor der Leistung, diese klasse Software zu entwickeln.
Einer der großen Vorzüge der Software ist für mich, dass sie auch auf Linux läuft. Nachdem ich die Bedienung auf einem Riesigen Microsoft Surface Touchscreen gesehen habe, komme ich allerdings etwas ins Grübeln. Das hat definitiv Charme. Weiterhin konnte ich mir ansehen, wie das Zusammenspiel der Software mit analogen Klangerzeugern funktioniert. Das interessierte mich brennend, weil ich mit der Anschaffung entsprechender Teile liebäugele.
Einziger kleiner Knackpunkt war die fast vollständige Abwesenheit weiblicher Gäste. Für Musikelektronik interessieren sich wohl leider immer noch fast ausschliesslich männliche, nerdartige Menschen. Dennoch war es ein sehr schöner Abend. Nette Leute, astreine Sounds und spannende Technik. Ich wünsche Bitwig weiterhin viel Erfolg mit ihrer feinen Software.
Mitte März fand zum mittlerweile fünften Mal das eCommerce Camp in Jena statt. Eine Veranstaltung, die ich sehr mag, weil man sich dort im beinahe familiären Rahmen offen über Tücken und Fallstricke des eCommerce-Alltags austauschen kann. Die Vorträge sind techniklastig, ehrlich und in der Regel frei von Marketing-Geschwurbel.
Jenaer Türme
Jena ist eine sehr charmante kleine Universitätsstadt, die ich immer gerne besuche. Auf die diesjährige Veranstaltung schaue ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Daher habe ich mir mit diesem Artikel auch eine Woche Zeit gelassen.
Etwas Schatten
Weniger schön war, dass ich das Socialising etwas übertrieben habe und am Samstagmorgen erst um 6:30 im Hotel ankam. Der Rest des Tages blieb daher im Rückblick etwas nebulös. Ich habe deshalb einen Vortrag über das alternative Shop Frontend Lizard & Pumpkins verpasst, auf den ich mit Spannung gewartet hatte und eine eigene Umfrage zu Tools, die ich vorbereitet hatte, fiel ebenfalls aus.
Zwei Vorträge, die ich am Freitag gehört hatte, waren ebenfalls eher mau, weil mir des Sinn der vorgestellten Projekte eher zweifelhaft erschien. Da hätte ich aus dem reichhaltigen Angebot besser andere Vorträge wählen sollen.
Viel Licht
Ganz hervorragend waren aber wieder die Gespräche, die ich führen konnte. Das fing bereits am Donnerstag Abend an, als sich die Teilnehmer zum Warm-up in der Gaststätte zur Noll in der Altstadt trafen und ging am Freitag während der Veranstaltung und später im Paradiescafe nahtlos weiter.
Jena – Zur Noll
Natürlich gab es auch wieder spannende und lustige Vorträge, bei denen man lernen konnte. Das unausgesprochene Motto könnte lauten:
“Scheitern – aber so richtig”.
Den Auftakt machte Thomas Lohner mit dem Vortrag “Dein Shop wurde gehackt und Du hast es nicht gemerkt“. Er erzählte von einem Projekt, bei dem im Rahmen einer Performanceoptimierung zunächst nur eine kleine Ungereimtheit auffiel. Das Ergebnis nach einer umfangreichen Analyse war:
Der Shop enthielt 500 infizierte PHP Dateien auf dem Server, über 20 unterschiedliche PHP-Shells und Windows Trojaner, die in Produktbildern versteckt waren. Anhand der Backups wurde klar, dass der ursprüngliche Einbruch mehr als drei Monate zurück lag und niemandem aufgefallen war.
Im weiteren Verlauf des Vortrags widmete sich Thomas der Frage, wie man so eine Infizierung erkennt, was zu tun ist, wenn der Fall eingetreten ist, wie man sein System besser absichert und überwacht. Nach den Vortrag hatten viele Teilnehmer ein etwas flaues Gefühl im Magen, sind aber sicherlich sehr viel aufmerksamer geworden. Ich selbst habe in der folgenden Woche bei zwei Projekten potentielle Schwachstellen gefunden und behoben.
Vortrag – Shop Security
Der Vortrag von Fabian Blechschmidt hatte einen etwas universelleren Ansatz: “Fucking up Projects“. Er zählte gefühlte hundert Möglichkeiten auf, wie man ein Projekt in Grund und Boden reiten kann. Bei Stichworten wie “das ist final”, “wir brauchen nur einen Konfigurator” oder “customer driven development” gab es viel Heiterkeit im Raum.
Mein Eindruck, war, dass die Teilnehmer von den vielen aufgezählten Möglichkeiten etwas grundlegend falsch zu machen ca. 1/3 bereits selber ausprobiert haben, 1/3 bekannt und 1/3 neu war. Viele Teilnehmer hatten auch weitere Vorschläge. Mein Beitrag “drei Tage vor Livegang die Domainstrategie wechseln” wurde mit einem anerkennenden “Sehr gut! Was da alles dranhängt…” goutiert.
Fuckup – “gute” Tipps en Masse
Der Vortrag “Github is from Venus, Excel is from Mars” von Roman Zenner hatte kommunikative Missverständnisse zwischen Anforderern und Entwicklern, die auf unterschiedlichen Sichtweisen beruhen, zum Thema. Als ein Grundproblem identifizierte er, dass Entwickler nach Konvergenz und generischen Lösungen suchen und typische Anforderer nach Divergenz und Individualisierung streben. Im Verlauf glitt der Vortrag immer mehr in eine Diskussion mit Fallbeispielen aus der Praxis ab. Das macht deutlich, wie wichtig dieses Thema die Anwesenden war.
Architektur nicht mehr im Fokus
Jenseits der Vorträge hatte ich den Eindruck, dass Architekturthemen wieder etwas in den Hintergrund gerückt sind. Während 2015 Frameworks ein heisses Thema waren und 2016 Microservices diskutiert wurden, hörte ich in dieses Jahr nur in den privaten Gesprächen den Wunsch nach modularen Systemen. Die Unzufriedenheit mit Monolithen ist immer noch da, aber die Komplexität der großen Würfe möchte man sich auch nicht antun.
Mein Fazit
Abgesehen von meinem selbstverschuldeten Ausfall war das eCommerce Camp Jena auch in diesem Jahr wieder anregend. Man kommt mit neuen Ideen und Sichtweisen nach Hause und hat sich wieder mit der Entwicklercommunity synchronisiert. Ich komme gerne wieder zum “Klassentreffen”.
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