In meinem letzte Artikel habe ich mich zu den Hintergründen der bundesweiten Demonstrationen am 4. Juli gegen Motorradfahrverbote. Den Motorradkorso in Berlin bin ich mitgefahren. Zeit für einen Rückblick und einen Blick auf die Reaktionen der Medien.
Der Motorradkorso in Berlin
Sammelpunkt war passenderweise der Platz des 4. Juli in Lichterfelde an der südlichen Stadtgrenze. Alte West-Berliner wissen vielleicht, dass hier früher die McNair Barracks der US Armee waren und sich der Name daher auf den US-Amerikanischen Unabhängigkeitstag bezieht.
Aber genug der Symbolik. Es ist eine ziemlich große asphaltierte Fläche, auf der nach und nach sehr sehr viele Motorräder ansammelten. Chopper, Sportler, Tourer, Naked Bikes – es war alles vertreten. Erfreulich, dass viele Frauen selber fuhren. Die Zeiten der Sozia sind offensichtlich vorbei. Enttäuschend fand ich, dass sich die Jugend ziemlich zurückgehalten hat und ich keinen der einschlägigen Berliner Motorradbloggern gesehen habe. Kuhlewu, Dukein, Toast Riders, Knattercrew – wo wart Ihr?
Zwischendurch ist die Streetbunnycrew rumgegangen (die fahren immer in rosa Häschenkostümen!) und hat Spenden für ein Obdachlosenprojekt in Neukölln gesammelt, während die Motorradstaffel der Berliner Polizei eine Lagebesprechung mit den Fahrern abhielt, die als Blocker mitfuhren um Kreuzungen und Ausfahrten zu sichern.
Der Platz des 4. Juli war zu 2/3 gefüllt, als es losging. Ich habe fast 20 Minuten benötigt, um nach dem Start vom Platz runter zu kommen und ich war bestenfalls in der Mitte des Korso.
Kurz vor der Abfahrt, bin ich mit der Kamera die Längsseite der Platzes abgelaufen, um später die Anzahl der Maschinen zu schätzen. Meine Schätzung (zwischen 1.000 und 2.000 Motorräder) hat sich im Nachgang als ziemlich gut erwiesen. Die Polizei bestätigte später 1.600 Motorräder.
Die Fahrt (siehe Google Maps) ging von Lichterfelde über die Steglitzer Schloßstr., Bundesallee Zoologischer Garten, Ernst Reuter Platz, Straße des 17. Juni bis zum Großen Stern, um dann noch einen Bogen vorbei am Schloss Bellevue und dem Haus der Kulturen der Welt (ehem. Kongresshalle) zu machen und am Platz der Republik am Reichstag, wieder südwärts zur Straße des 17. Juni zu machen, wo wir vor dem Großen Stern anhielten und die Ansprache hörten.
Die komplette Veranstaltung verlief von Anfang bis Ende ruhig und friedlich. Die Stimmung war entspannt, es gab kein unnötiges Hochdrehen der Motoren, keine blöden Stunteinlagen, alle Fahrer waren vorsichtig. Es gab weder aufpeitschende Sprechchöre und es wurde kein Müll hinterlassen. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an die Organisatoren, die Polizei, die Blockerstaffel die Unterstützer und natürlich an die Teilnehmer.
Also alles in allem ein toller Erfolg!
Naja, eigentlich. Aber jetzt komme ich zu dem nicht so schönen Punkt an dem Tag – dem Medienecho.
Die Aktion und die Medien – ein sehr trauriges Bild
Ich hatte sowieso nicht wirklich mit guter Presse gerechnet, aber man kann immer noch enttäuscht werden. Man sollte meinen, dass eine Aktion, die auch für Berliner Demo-Verhältnisse recht groß war, in irgendeiner Weise in den Medien erwähnt wird. Also durchsuchte ich die einschlägigen Berliner Presseorgane, wie Tagesspiegel und Berliner Zeitung, in denen regelmäßig über die Demonstrationen berichtet wird, die Berlin jedes Wochenende lahm legen. Es wurden aufgelistet: Zwei getrennte Veranstaltungen zu Black Life Matters mit zusammen 2000 Menschen und der wöchentliche Autokorso (bestehend aus ca. 25-30 Autos) mit dem uns der Rechts-außen-Veganer Attilla Hildemann beständig “erfreut”.
Aber wahrscheinlich müsste ich eher froh sein. Vermutlich wäre so ein – ich kann es gar nicht anders nennen – “Propagandageschmiere”, das Die Zeit abgesondert hat dabei herausgekommen. Man muss sich als Journalist keine Zeit mehr für Gespräche und Nachfragen zu nehmen. Mann muss sich auch nicht inhaltlich in irgendeiner Weise mit dem Thema beschäftigen oder gar recherchieren. Es reicht ja, wenn man seine geringschätzende Meinung hat und diese dem Volke kundtut. Dennoch bin ich entsetzt, wie man aus dem eigentlich sehr leicht verständlichen Slogan “Gegen Fahrverbote für Motorräder” inhaltlich ein “unbelehrbare Motorradfahrer wollen weiter lärmen” werden kann. Dementsprechend war in den Kommentarspalten regelrechte Progromstimmung. Sachliche Argumente kamen da gar nicht nicht mehr an. Stattdessen wurden Vorschläge unterbreitet, wie “Das Problem kann man doch leicht lösen: mit Rollsplit oder Öl in der Kurve oder einem straff gespannten Stahlseil”.
Aufruf zu Selbstjustiz und Mordanschlägen? Ernsthaft? Und der Kommentar wird nicht sofort gesperrt oder gelöscht?
Übersicht über die deutschlandweiten Proteste
Die Demos fanden bundesweit in vielen Städten statt. Häufig kamen wesentlich mehr Teilnehmer, als erwartet. Im ruhigen und bevölkerungsschwachen Emsland rechnete man mit max. 1.000 Teilnehmern, aber es kamen 5 mal so viele!
Eines der Fairnis halber vorneweg: Es gab durchaus Medien, die neutral, oder sogar abwägend waren. Allerdings gab es schon eine Tendenz, alles ein wenig herunterzuspielen, zum Beispiel mit der Formulierung wie “bundesweit sind einige tausend Biker…”. Schauen wir mal eben wieviel “einige” sind.
Eine unvollständige Liste mit Zahlen, die meist von der Polizei bestätigt wurden.
Berlin
1.600
Dresden
5.000
Düsseldorf
12.000
Essen
800
Friedrichshafen am Bodensee
8.000
Gifhorn
1.000
Hamburg
4.500
Hannover
1.600
Karlsruhe (Bundesverfassungsgericht)
3.000
Karlsruhe (Neue Messe)
7.500
München
20.000
Oldenburg
2.000
Papenburg
8.500
Schweinfurt
5.000
Schwerin
1.000
Stuttgart
12.000
Wiesbaden
12.000
Gesamt
93.500
Anzahl der Teilnehmer an den bundesweiten Demonstrationen gegen Motorradfahrverbote
Selbst wenn in den Schätzungen ungenau sind: Über 90.000 ist schon mal ‘ne Hausnummer, die alle überrascht hat – selbst die Organisatoren. Wer die Zahlen nicht glauben mag, suche bitte auf Youtube die einschlägigen Videos. Zudem haben 200.000 haben eine Petition gegen Fahrverbote unterzeichnet.
Das ist eigentlich ein Zeichen, dass man es vielleicht mal mit Dialog versuchen sollte. Die meisten Biker sind nämlich durchaus vernünftig. Weshalb auch nicht? Es sind ja ganz normale Bürger: Arzthelferin, Bäcker, Informatiker, Klempner, Zahnarzt, Mechatroniker, Verwaltungsangestellte, Wirtschaftsingenieure – quer durch die Gesellschaft. Und nicht zu vergessen Jugendliche in ländlichen Regionen, die irgendwie zum Ausbildungsplatz, zur Berufsschule oder sonstwohin kommen müssen. Da ist eine kleine 125er der Weg zur selbstbestimmten Fortbewegung.
Sonderfall München
Aber man kann natürlich auch “harte Kante” fahren, wie es die Stadt München versucht hat. Sie haben die Demo nämlich schlicht verboten. Und das sogar mehrfach. Zunächst auf der Theresienwiese, wo jährlich das Kollektivgelage namens Oktoberfest abgehalten wird. Die absolut hahnebüchene Begründung war “Coronagefahr”. Ja klar. Bei Bikern, die in Kombi neben ihrer Maschine auf einem riesigen Festplatz stehen. Sehr einleuchtend.
Daraufhin hat der Veranstalter gesagt: “Gut, dann fahren wir eben im polizeibegleiteten Konvoi einmal um den Ring”. Exakt in dem Augenblick, in dem die Gerichte in München schließen (Freitag 15:00) bekommt der Veranstalter wiederum ein Verbot zugestellt, wegen “zu erwartender Gefährdung und Verkehrsbehinderung”.
Nun ja, das ist demokratisch extrem zweifelhaft. Kann man natürlich machen, wenn man nicht weiß, was der Streisand-Effekt ist. Die bayerischen Biker sind total auf der Palme gewesen, aber alle haben sich gesagt “Na gut, wenn die Demo verboten wurde, kann sie natürlich nicht stattfinden. Ist in Ordnung. Also was mache ich denn nun am Samstag? Vielleicht einen kurzen Einkauf in der City, oder ich treffe mich mit ein paar Kumpels bei Mc Donald oder einer Eisdiele…”
Also fuhren zigtausend Motorräder gleichzeitig in die Stadt. Ja mein Gott, kann man ja nicht ahnen, wie viele Leute zufällig dieselbe Idee hatten. Muss ja ‘ne tolle Eisdiele sein… Das Ergebnis war ein komplett verstopfter Innenring. Die Polizei wurde dorthin beordert und die Beamten sagten “Es ist keine Demo und kein Korso. Wir können ja dem einzelnen nicht verbieten, in die Stadt zu fahren. Wir passen nun auf, dass nichts passiert”.
Daraufhin sind natürlich die Verantwortlichen in der Stadt an die Decke gegangen und haben gleich die Medien in Stellung gebracht. BR und Merkur haben Gift und Galle gespuckt. Jetzt sind die Biker erst recht die Bösen.
Die zweifelhaften Handlung der Stadtverwaltung, die eine absolute harmlose Demo auf einem Festplatz hätte haben können, aber unbedingt einen auf “Ich bin hier der Landvogt” machen musste, wurde mit keinem Satz erwähnt.
Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet der Bundesverkehrsminister (CSU) darauf hinweisen musste, dass es gesetzliche Regelung gibt, und diese bitte erst mal anzuwenden seien. Wahre Worte, aber leider hat Herr Scheuer ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem – bei allen im Lande.
Und wie jetzt weiter?
Wenn man es sportlich sehen will, hat jetzt jede Seite erst mal kurz die Muskeln spielen lassen. Auf die Machtdemonstration von ca. 100 vorwiegend süddeutschen Gemeinden folgte die Demonstration von fast 100.000 Motorradfahrern, die gezeigt haben, an welcher Stelle ihre Akzeptanz endet.
Jetzt wäre es an der Zeit, die Diskussion in gesittete Bahnen zu lenken und sinnvolle und wirksame Maßnahmen zur Lärmreduzierung auf den Weg zu bringen. Keiner hat das Recht, anderen mit extremen Lärm zu belästigen, aber es hat auch niemand das Recht, anderen prinzipiell die Durchfahrt zu verweigern. In diesem Sinne ist einer der besten Kommentare von Carsten Knop in der FAZ unter dem Titel “Verboten, verboten, verboten” zu finden, der für genau diesen Weg wirbt und auf ein immer weiter um sich greifendes Gesellschaftliches Problem aufmerksam macht. Ich zitiere:
“Warum finden es derzeit so viele Menschen gut, wenn Dinge verboten werden sollen? Und warum gerät dabei der juristische Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus dem Blick? […] Das kann man alles gut finden, bis das nächste Verbot die eigenen Interessen trifft.”
Am 4.7.2020 werden Bundesweit mehrere Demos gegen die Einführung von Fahrverboten für Motorräder stattfinden. Eine davon auch in Berlin (Treffpunkt Platz des 4. Juli um 12:00). Ich werde dabei sein und vermutlich auch einen Bericht schreiben.
Vorher möchte ich Euch kurz erklären, worum es geht und weshalb ich die Proteste unterstütze.
Worum geht es?
Der Bundesrat hat am 15, Mai eine Entschließung zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm an die Bundesregierung gestellt. In dieser Entschließung sind eine Reihe von Maßnahmen aufgeführt, für die die Bundesregierung eine gesetzliche Grundlage schaffen soll – bis hin zum Wochenendfahrverbot für Motorräder.
Was spricht dafür?
Die Initiative geht auf von den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein Westfalen aus. Dort eskaliert bereits seit längerem ein Konflikt um Motorradlärm in Gegenden, wie Schwarzwald und Eifel.
Diese normalerweise eher ruhigen Gegenden sind beliebte Ausflugsziele am Wochenende und wegen der landschaftlich schönen und kurvigen Strecken auch bei Motorradfahrern sehr beliebt. Unter den Motorradfahrern gibt es natürlich auch einige schwarze Schafe, die zu laut, zu schnell und zu Risikoreich fahren. Gerade bei schönem Wetter am Wochenende steigt dort also die Lärmbelastung und das Unfallrisiko stark an. Der Wunsch nach Sicherheit und weniger Lärm ist also gut begründet und das stellen die meisten Motorradfahrer auch gar nicht in Abrede.
Was spricht dagegen?
So berechtigt das Anliegen ist – der Forderungskatalog selbst ist an vielen Stellen juristisch und technisch problematisch und undurchdacht.
1. Forderung nach Reglungen, die bereits Gesetz sind. Ein Beispiel: Die Nutzung nicht zugelassener Auspuffanlagen, oder Manipulationen, wie die Entfernung des DB-Killers aus den Endschalldämpfern führen bereits heute zum Erlöschen der Betriebserlaubnis, zur sofortigen Stilllegung des Motorrades und zu empfindlichen Strafen, wie z.B. der Berliner Motorradblogger Kawaque feststellen durfte (siehe das Video “Warum mein Motorrad beschlagnahmt wurde“). Im Wiederholungsfall drohen Führerscheinentzug und MPU (“Idiotentest”). Die Strafen sind also hart genug – aber offensichtlich wird nicht genügend kontrolliert. Da nützt auch kein neues Gesetz.
2. Einführung einer “Sippenhaft” für Motorradfahrer. Die meisten Motorradfahrer halten sich an Regeln. Alleine schon deshalb, weil ihr Leben daran hängt. Natürlich gibt es einige “Knallchargen” und die sind auch durchaus nicht sehr beliebt in der Szene. Bei der Extremmaßnahme “Fahrverbot für alle Motorräder am Wochenende” stellt sich die Frage, wieso alle, die ordentlich fahren, für die wenigen Rowdies mit bestraft werden sollen? Auch hier würde es reichen, die Kontrolldichte zu erhöhen und ggf. neue Massnahmen wie “Lärmblitzer” einzusetzen.
3. Verletzung der Gleichbehandlung Gerade der problematische Ausflugsverkehr an den bekannten Hotspots besteht ja nicht nur aus Motorrädern, sondern auch gerne aus hochpreisigen Autos, die ebenfalls extrem laut werden können (AMG Mercedes, Audi R8 etc.).
Hier möchte ich auf den den Bericht “Konzertierte Kontrolle gegen Motorradraser” der nicht unbedingt Motorradfreundlichen Stuttgarter Zeitung vom 28. Juni hinweisen. An einem neuralgischen Punkt hatte die Polizei eine “Raserfalle” aus zwei kurz hintereinander aufgestellten Kontrollen eingerichtet um die Motorradfahrer, die zu laut und zu schnell sind zu erwischen. Tatsächlich fuhren jedoch alle Motorräder gesetzeskonform. Erwischt wurden getunte Autos.
Das zeigt das Problem: Motorräder bekommen generelles Fahrverbot und die anderen Brüllbüchsen dürfen weiter fahren? So einfach geht es also nicht. Auch hier helfen in erster Linie vor allem häufigere Kontrollen aller Verkehrsteilnehmer.
4. Forderungen die Sicherheitsprobleme aufwerfen. Es wird gefordert, dass Motorräder vorne ein Kennzeichen haben müssen. So etwas gab es früher bereits und wurde aus gutem Grund abgeschafft: Die Verletzungsgefahr bei einem Unfall durch ein dünnes Stück Blech im vorderen Bereich des Motorrades ist extrem hoch. Daher werden Kennzeichen am Heck angebracht.
Eine ebenfalls hochgefährliche Maßnahme sind Geschwindigkeitsbeschränkungen nur für Motorräder. Diese führen regelmäßig zu extrem dicht auffahrenden und drängelnden Autos, was für die Motorradfahrer lebensgefährlich sein kann.
5. Sonstiges Das ist nur eine kleine Auswahl an Problemen. Der Maßnahmenkatalog beinhaltet noch weitere juristisch und technisch heikle Punkte. So wie er dort steht, kann man ihn eigentlich nur ablehnen.
Soll also alles bleiben wie es ist?
Nein. Die Reduzierung der Lärmbelästigung und die Erhöhung der Verkehrssicherheit sind berechtigte Anliegen. Der Erhalt der individuellen Bewegungsfreiheit von immerhin 4,5 Millionen allerdings auch.
Was wir benötigen, sind sinnvolle und gut umsetzbare Maßnahmen.
Mehr Kontrollen anstatt schlechter Gesetze
Zunächst hilft es sicher, wenn die Einhaltung bestehender Gesetze und Vorschriften einfach besser kontrolliert und durchgesetzt wird, anstatt handwerklich schlechte Gesetze durchzudrücken. Davon haben wir in Deutschland schon mehr als genug.
Tricksereien bei Zulassungsverfahren verbieten
Es gibt aber auch das Problem, dass manche neu zugelassen Maschinen in den letzten Jahren im Schnitt real immer lauter geworden sind, obwohl die schärferen Grenzwerte auf dem Papier eingehalten werden. Das ist auf Tricksereien, wie Klappenauspuffanlagen zurückzuführen, die im Messzyklus die Maschine leise machen – und jenseits davon auf “Durchzug” schalten. Solche Tricksereien kennt man ja schon von den Deutschen Autoherstellern bei Abgaswerten. Gegen so einen Mist muss der Gesetzgeber ohne Frage vorgehen.
Sensibilisierung und Problembewusstsein
Außerdem müssen die Motorradfahrer und auch die Hersteller sensibler für das Thema werden. Mir ist bei der Suche nach einem neuen Motorrad aufgefallen, dass man sämtliche technische Daten der Maschinen von der Fahrwerksgeometrie bis zur Zündfolge der Zylinder nachlesen kann, aber niemand – wirklich kein einziger Hersteller – die Lautstärke der Maschine in die Datenblätter mit aufnimmt? Für mich war zu hohe Lautstärke tatsächlich ein K.O.-Kriterium (siehe “Probefahrt Suzuki GSX-S 750“).
Nicht zuletzt hat jeder Fahrer das Problem ein Stück weit selbst in der (Gas)Hand. Direkt am Ortsausgangsschild die Maschine aufzudrehen ist nicht sehr nett. Es ist ja nicht immer böser Wille, sondern häufig einfach nur Gedankenlosigkeit. Einige Gemeinden haben mit elektronischen Hinweistafeln zur Erinnerung, die auf die Lautstärke hinweisen gute Erfahrungen gemacht.
Wenn dieser Vorstoß etwas Gutes hat, dann, dass das Thema Lautstärke in der Motorradcommunity angekommen ist. Einige sind (wie immer in Gruppen) bockig und unbelehrbar, die meisten haben aber Verständnis. Einige versuchen sogar aktiv etwas zum Besseren zu wenden, wie zum Beispiel der Blogger DucStyle, der das Gefühl hatte, dass seine 20 Jahre alte Ducati Monster lauter als erlaubt war. Er hat daraufhin nachgemessen und den Endschalldämpfer leiser gemacht (“Vorbereitung Schalldämpfer neu dämmen + Infos zur Lautstärke“).
Mein Schlussplädoyer
Bestehende Vorschriften besser durchsetzen, gesetzliche Schlupflöcher schließen und das Problembewusstsein stärken. Dann funktioniert es auch mit dem Nachbarn.
Es wäre superschade, wenn ein tolles Verkehrsmittel, das erheblich weniger Umweltschädlich, als Autos ist und dazu noch richtig Spass macht, durch Borniertheit auf allen Seiten kaputt gemacht wird.
Dirk Ollmetzer | Saturday, 11 April 2020 | Umwelt, Unterwegs
Der blöde Coronavirus nervt alle – mich auch. Zumal ich schon eine Woche länger in der Bude hocke, als der Rest. Am 12.03. bin ich krank geworden und zu Hause geblieben. Als ich wieder gesund war, wurde Deutschland geschlossen. Und in der ganzen Zeit ist wie zum Hohn draußen tolles Frühlingswetter. Fünf Wochen und kein Ende in Sicht. Boah ey!!!
Na gut – hilft ja nix. Immerhin habe ich noch meine Arbeit und die Aussicht, dass das so bleibt ist ganz gut. So hat man tagsüber etwas zu tun und dreht nicht so schnell am Rad.
Etwas irritiert war ich von den Meldungen in den Medien, dass die Berliner angeblich so diszipliniert seien und der Verkehr stark abgenommen habe. Wenn ich in der Mittagspause eine kleine Runde um den Block gegangen bin um mir die Beine zu vertreten und den Kreislauf etwas in Gang zu bringen, sind mir stets Massen von Menschen in meinem Viertel aufgefallen. Der Park Friedrichshain platzt vor Joggern. Spazierengehen macht dort zur Zeit so viel Spaß wie ein Picknick auf dem Rasen eines Fußballplatzes während eines Spiels. Es ist sehr sehr unentspannt!
Und der Verkehr? Zumindest bei mir in der Danziger Straße ist er kaum weniger geworden – nur die Straßenbahn fährt fast leer durch die Gegend. Also habe ich mich gefragt:
“Wo zum Geier soll Berlin denn leer sein? Hier jedenfalls nicht!”
Am Freitagmorgen hatte ich endgültig Lagerkoller und habe mich für eine kleine Runde auf mein Motorrad gesetzt. Das ist zwar nicht verboten, aber auch nicht gerade ratsam. In der Szene wird von unnötigen Fahrten gerade dringend abgeraten.
Aber ich musste mal raus, weil ich kurz vorm Platzen war. Und siehe da – ich habe das leere Berlin gesehen. Es ist dort, wo es sonst von Touristen und Bürodrohnen nur so wimmelt – in Mitte! Also genau dort, wo man als Berliner eigentlich nie hingeht, wenn man nicht unbedingt muss.
Der Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor – fast vollständig leer. Genauso wie Unter den Linden und der Lustgarten. Die sechsspurige Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und großem Stern: 1,8km durch den Tiergarten habe ich mir mit einem(!) Auto geteilt, das 800m hinter mir fuhr. Der Tiergarten selbst war im Vergleich zu “meinem” Park auch recht leer.
Den Potsdamer Platz hatte ich fast für mich alleine. Hat schon ein wenig von Endzeitstimmung gehabt.
Ähnlich sah es am Flughafen Tegel aus. Er wird aus strategischen Gründen offengehalten, obwohl es momentan kaum Flüge gibt. Ich bin hingefahren um zu sehen, wie viele Flugzeuge dort abgestellt sind. Nun- es sieht nicht wie in Amsterdam, Zürich oder Glasgow aus, wo die Maschinen teilweise sogar auf den Startbahnen abgestellt sind. Alle Gates sind belegt und die Triebwerke der Maschinen abgedeckt.
Ansonsten herrscht Leere. Ein älteres Paar fährt kam auf Fahrrädern zum Terminal um mal zu gucken, ein paar Busfahrer von der BVG sonnten sich am Busterminal, bevor sie zur Rücktour starteten. Der Flughafen wird auch jetzt noch von der BVG angefahren. Im Gebäude nur ein paar gelangweilte Techniker und Grenzschutzpolizisten. Das Flughafengebäude ist offen und kann / darf betreten werden, aber es ist alles geschlossen.
Wie oft habe ich mich hier schon durch die Menschenmassen gewühlt und nun sieht man hier maximal 20 Leute innerhalb einer halben Stunde. Ein sehr sehr eigenartiges Gefühl.
Immerhin – ich bin mal aus meiner Bude raus gekommen. Nach dieser Mini-Tour war ich wieder etwas entspannter und kann so hoffentlich die nächsten paar Tage zu Hause ertragen. Bis die Seuchenmaßnahmen wieder heruntergefahren werden, wird es ja vermutlich noch etwas dauern. :-(
Dirk Ollmetzer | Tuesday, 3 March 2020 | Misc, Unterwegs
Letzte Woche war ich für ein paar Tage in London. Zwei Dinge waren diesmal neu: Erstens war war das mein erster Besuch in London seit dem Austritt des United Kingdom aus der EU. Zweitens war ich diesmal kein “Voll-Tourist”, weil ich einen Freund besucht habe.
Von ersterem habe ich nicht allzu viel mitbekommen. Wie bereits seit über tausend Jahren bezahlt man dort weiterhin mit dem Pfund. Ebenfalls wie bereits vor dem Brexit musste man mit Ausweis oder Reisepass reisen, da das Vereinigte Königreich sich nie dem Schengen Abkommen angeschlossen hatte. Ein Visum ist zumindest für einen einfachen Besuch nicht nötig. Ich hoffe, das bleibt auch so. Man muss es ja nicht auf die Spitze treiben.
So weit also alles, wie bereits bekannt.
Einen anderen Charakter hat die Reise für mich aber dadurch bekommen, dass ich einen Freund besucht habe, der seit kurzem in London arbeitet. Also habe ich nicht in einem Hotel in der Innenstadt übernachtet, sondern in seinem Mini-Appartement in West Hampstead. Das fühlt sich mit seinen typischen zweigeschossigen Reihen- und Doppelhäusern und der Hauptstraße mit den kleinen Geschäften dann schon wie in einer Kleinstadt an – bloß dass diese “Kleinstadt” zig Kilometer in jede Himmelsrichtung geht.
Mein Freund hat mich am Dienstag vom Flughafen Heathrow abgeholt und wir sind zunächst per Bus zu seiner Bude gefahren, damit ich meine Sachen dort ablegen kann. Ich hatte mich in London bisher immer mit der U-Bahn fortbewegt. Mit dem Bus dauert es zwar länger, aber man bekommt ein ganz anderes Gefühl für die Struktur der Stadt. Wie die Orte zusammenhängen, welche Gebäude und Geschäfte dort sind, wer vermutlich dort wohnt (mit viel oder wenig Geld, eher britische oder eher ausländische Bewohner usw.). Das waren neue Eindrücke mich.
Ein weiterer Vorteil der Busse: Sie sind mit pauschal 1,50 wirklich günstig und fahren in kurzen Abständen in fast jeden Winkel der Stadt. So bin ich “aus Versehen” an interessanten Ecken der Stadt vorbeigekommen – zum Beispiel an den Abbey Road Studios. Umweltschonend sind die Busse dank Hybridantrieb ebenfalls. Die meiste Zeit fahren sie elektrisch. Trotzdem – wenn man es eilig hat kommt man um die Bahn nicht herum. Ich habe am Mittwochnachmittag vom Piccadilly Circus nach Cricklewood (Luftlinie ca. 8Km) mit dem Bus weit über eine Stunde benötigt. Tags drauf vom Shard am Bahnhof London Bridge (10km Luftlinie) nur 40 Minuten.
Sightseeing
Mein Freund arbeitet seit knapp drei Monaten in London und war seit dem mit Arbeiten, Wohnungssuche, Arbeiten, Sonderschichten und Arbeiten beschäftigt – hat also von der Stadt bisher kaum etwas gesehen.
Dagegen hatte sich bereits meine Mutter brennend für London interessiert und das hat ein wenig auf mich abgefärbt. Daher kenne ich auch die eine oder andere Annekdote, geschichtliche Eckdaten und Orte abseits der üblichen Touristenrouten und habe ich den “Reiseleiter” gespielt.
Den ersten Abend haben wir zum Teil im Bike Shed Motorcycle Club verbracht. Ein wirklich netter Treffpunkt für die Custom Motorrad Szene mit Restaurant, Bar/Lounge, Barber und Shop für stilsichere Motorrad Klamotten. Es gibt eine Bike Garage für Gäste und es stehen mehrere interessante Maschinen verteilt im Laden. Das Ganze findet sich etwas versteckt in den Bögen des Bahnviaduktes in der Old Street in Shoreditch.
Den halben Mittwoch haben wir in Camden verbracht. Ein Bummel über den Camden Market auf dem ich auch bereits mit meiner Schwester war, durch Camden Town, am Regent’s Canal entlang bis zur Wellington Road.
Dann musste mein Freund leider zur Arbeit und ich habe mich in die City begeben um eine TARDIS zu kaufen, die ich jemandem als Mitbringsel versprochen hatte. Es stellte sich zu meiner Verblüffung als relativ schwierig heraus, Dr. Who Merchandise zu finden. Zauberstäbe (Harry Potter) gab es überall, aber eine Raum-Zeitmaschine fand ich nur noch als Restposten bei Hamleys in der Regent Street. In diesem erstklassigen Spielzeuggeschäft war ich vor genau 40 Jahren mit meiner Mutter gewesen. Das fiel mir ein als ich das Geschäft wieder verlassen hatte. Dann dachte ich daran, dass sie seit 5 Jahren tot ist und bin sentimental geworden. Ein Spaziergang um den St. James’s Park entlang an der Royal Society, dem Institute of Contemporary Arts, den Horse Guards und dem Buckingham Palace hat mich wieder etwas beruhigt bevor ich zurück zum Appartement fuhr.
Der Donnerstag Morgen überraschte uns mit Schneefall und so haben wir zunächst nach Indoor Aktivitäten gesucht. Eine Besonderheit, die ich mir seit langem ansehen wollte war das Postmuseum. Dort kann man unter anderem die 2003 außer Dienst gestellte Mail Rail besichtigen: Ein komplexes Mini-U-Bahn System zum Transport von Briefen, das sich mit einer Netzlänge von 35Km von der Paddington Station im Westen bis zum Eastern District Post Office in Whitechapel unter der City hindurchzieht und insgesamt 8 Bahnhöfe und Umladepunkte unter wichtigen Postämtern hat.
Die Tunnel liegen durchschnittlich in 20m Tiefe und wurden mit derselben Technik, wie die Tube errichtet. Sie sind aber wesentlich enger. Die Züge fuhren automatisch auf 610mm Schmalspur. Mer Information gibt es hier. Zwischen Tube und Mail Rail gibt es keine Verbindung.
Im Mount Pleasant Mail Centre kann man teile des Streckennetzes mit speziell angefertigten Mini-Zügen als Besucher befahren. Man darf allerdings weder zu groß, noch zu dick sein und unter Platzangst sollte man auch nicht leiden, weil die Züge und Tunnel wirklich extrem eng sind. Die Präsentation ist sehr gelungen. Ein echter Tipp für Technikinteressierte.
Nach dem Besuch des Postmuseums wurde das Wetter freundlich. Daher liefen wir zu einem weiteren Ort, der mich als halber Stadtplaner interessierte: Zum Barbican. Dieser riesige Gebäudekomplex aus dem 70er Jahren ist im Brutalismus Stil gebaut worden und beherbergt neben über 2000 Wohnungen viele Einrichtungen für Kunst, Kultur, Musik und Theater.
Das Barbican weist alles auf, was den Brutalismus ausmacht: Quadratkilometerweise Sichtbeton, Punkthochhäuser, Überbauung von Straßen, höhergelegte Fußgängerbereiche, mehrgeschossig aufgeständerte Zeilenbauten, Abschottung zur Stadt, verwinkelte Durchgänge und Treppen.
Neben der schieren Größe faszinierte mich vor allem der gute Zustand der Anlage. Alles im Originalzustand. Nichts war kaputt oder sichtbar geflickt, kein Balkon hatte eine Satellitenschüssel. In keiner der zahlreichen Ecken, Treppen und Durchgänge roch es nach Urin, nirgendwo lungerten zwielichtige Gestalten herum und nirgendwo war Graffiti. Nicht etwa, dass es entfernt worden wäre – es war nie Graffiti auf den jungfräulichen Betonwänden.
Stattdessen gab es ruhige Innenhöfe mit Gras, Bäumen, Wasser und einigen Besuchern, die sich im Windschatten der Hochhäuser sonnten. Die ganze Szene wirkte, wie direkt vom Reißbrett der Planer aus den 60er Jahren. Ich fragte mich, weshalb genau diese Anlage von den üblichen Verwüstungen verschont geblieben ist.
Direkt neben dem Barbican liegt das Museum of London, das halb über einen Kreisverkehr gebaut wurde. Abgesehen von der aktuellen Sonderausstellung “London Calling” über The Clash liefert das Museum einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Stadt von vorgeschichtlicher Zeit über die Zeit der Römer, des Mittelalters bis zur großen Pest und dem großen Feuer. Der zweite Teil der Ausstellung beginnt mit der Renaissence und reicht über die Viktorianische Zeit bis zur Gegenwart.
Der Eintritt ist kostenlos. Die Ausstellung so sehr umfangreich und liebevoll gestaltet, dass ich mich im Anschluss zu einer Spende entschlossen habe. Kurz vor dem Ausgang hat uns ein junger Mitarbeiter gefragt, ob wir an einer Umfrage zu einem Teil der Ausstellung teilnehmen würden, was wir taten. Im Anschluss ergab sich noch ein recht spannendes Gespräch über London, Berlin, Stadtplanung und Geschichte in dessen Verlauf wir die beiden Gründe für den hervorragenden Zustand des Barbican erfahren haben. Erstens ist die zentrale Lage sehr begehrt – dementsprechend wohlhabende Klientel wohnt dort. Zudem gehört dieser Bereich von London aufgrund der höchsten Terrorwarnstufe zu den bestüberwachten Gebieten des Vereinigten Königreiches, für das zudem eine eigene Polizeieinheit abgestellt wurde. Und das nicht erst seit 2001. Ich erwähnte, dass ich mich noch an die IRA Anschläge aus den 70er und 80er Jahren erinnerte, was mit Nicken erwidert wurde.
Den Rest des Nachmittags schlenderten wir durch die City. Die St. Pauls Cathedral konnten wir leider nicht besichtigen. Wer kann schon damit rechnen, dass dort ein Gottesdienst abgehalten wird? ;-)
Der Abschluss war ein Spaziergang durch Southwark zum Bahnhof London Bridge, wo wir durch die Massen der Büroangestellten, die gerade aus den Hochhäusern in die Underground strömten mitgerissen wurden. Die Tube haben wir in Kilburn verlassen um dort noch einmal zusammen essen zu gehen.
Leider war mein Aufenthalt damit schon wieder beendet, aber ich habe ja jetzt einen guten Grund, wieder nach London zu reisen. Mir wird auch für das nächste Mal sicher das eine oder andere einfallen.
Am Wochenende vom 7. bis 9. Februar fanden wieder die Berliner Motorrad Tage in den Hallen der Station am Gleisdreieck statt. Trotz Sturmwarnung für den späten Sonntag Nachmittag haben Sonne und 12 Grad viele Besucher dazu veranlasst hat, selber mit dem Motorrad anzureisen.
Leider fehlten auch diesmal wieder Honda, Harley Davidson, Royal Enfield und Zero. Schade. Dennoch war das Angebot an interessanten Motorrädern wieder groß. Auch diesmal gab es beim Probesitzen für mich die eine oder andere Überraschung und ich habe mich tatsächlich auch für mehrere Probefahrten angemeldet.
Von Suzuki werde ich hoffentlich am 10 Mai beim Motorradgottesdienst in Friedrichswalde die eine oder andere Maschine zur Probe fahren. Auch wenn es seit Jahren keine echten Neuheiten mehr von der Firma gibt: die Vierzylinder sind ja immer noch echte Sahnestücke.
Von Triumph finde ich die komplette Modellpalette klasse. Egal welches Modell – stilsicher bis zur letzten Schraube. Optisch spricht mich zwar die Klassik Linie am meisten an, am Ende habe ich mich aber für eine Probefahrt auf der neuen Street Triple RS angemeldet. Ich bin einfach auf diesen legendären Dreizylinder gespannt. Und auch diese Maschine glänzt mit wunderschönen Detaillösungen und einem extrem gelungenen Finish.
Ich bin eigentlich kein Fan von BMW – weder bei Autos, noch bei Motorrädern: Zuviel Klimbim und Schnickschnack. Aber da BMW die meisten Motorräder in Berlin baut, gebe ich dem Stand einen Heimatbonus und schau mal drüber. Etwas unerwartet und überraschend war, dass ich die neue BMW F900XR nicht uninteressant fand. Nicht so ein überladener Riesenklumpen, wie die große GS 1250, sondern ein Tourensportler mit super Sitzposition. Probefahrt folgt.
Wenn sich die Gelegenheit schon mal bietet, nimmt man auch gerne auf Maschinen Platz, die nicht unbedingt dem eigenen Beuteschema entsprechen (zum Beispiel Sportler). Dabei hatte ich auch die eine oder andere Überraschung:
Mit ihrer Bikini-Verkleidung liegt die APRILIA Tuono V4 Factory irgendwo zwischen Supersportler und Nakedbike. Die 175PS aus dem 1100ccm V4 Motor verheißen Wahnsinn. Dafür sitzt man verblüffend zivil auf der zierlichen Maschine. Material, Design und Verarbeitung sind über jeden Zweifel erhaben. Auch wenn das definitiv nichts für mich ist – ein wunderschönes Stück italienischen High-End Maschinenbaus für €20.000,-
Bei Ducati hatte ich letztes Jahr auf einigen Scrambler Modelle zur Probe gesessen und war etwas ernüchtert. In diesem Jahr habe ich ein Modell anvisiert, dass ich zwar optisch schön finde, das mich mit dem Namen “Supersport” jedoch eher abgeschreckt hat.
Nun – der Name ist etwas irreführend. Die Ducati Supersport sieht mit ihrer Verkleidung zwar recht sportlich aus und ist mit dem 937ccm großen und 110PS leistenden Motor auch sicherlich kein Schwächling, aber zur echten Supersportlerin Panigale V4S mit sage und schreibe 214 PS fehlt dann doch noch so einiges. Die ausgestellte Maschine gab mit den montierten Seitenkoffern dann auch den richtigen Hinweis: Sie ist ein Sporttourer – für Singles. Die Sitzposition ist zwar schon etwas nach vorne gebeugt, aber noch sehr zivil. Fun Fact: Es gibt sie auch mit 48PS für A2 Führerscheininhaber.
Elektroantrieb kam ein wenig zu kurz. Zero fehlte und da Harley Davidson ebenfalls nicht vertreten war, gab es auch keine Livewire zu sehen. Aber Energica war mit einem Stand vertreten. Die Italiener zeigten verschiedene Modelle. Auf der Energica Eva konnte ich dann auch Platz nehmen. Sie sieht aus, wie ein normales, kräftiges Motorrad. Und das ist sie auch. 145PS, krasse 200Nm Drehmoment. Natürlich hat sie weder Kupplung, noch Schaltung, was sich zunächst etwas seltsam anfühlt. Leider hat sie noch einige der typischen Nachteile von Elektrofahrzeugen: Hoher Preis, hohes Gewicht und geringe Reichweite. Je nach Modell und Ausstattung liegen die Energica Modelle zwischen €24.000 und €30.000,-. Das Gewicht von ca. 260Kg merkt man schon, sobald man die Maschine etwas ankippt. Immerhin hat sie einen Rückwärtsgang, der beim Rangieren helfen kann. Die Reichweite ist mit “bis zu 200km” angegeben. Laut mehreren Berichten sollen ca. 130km realistisch sein. Immerhin verfügt die Maschine über eine Typ 2 Ladebuchse und kann daher an Ladesäulen für E-Autos in ca. 20min voll geladen werden.
Ich habe die Triumph Rocket III zum ersten mal live gesehen und war platt. Die Maschine ist ein Monster. Ein Dreizylindermotor mit 2,5 Liter Hubraum. 300Kg. Drehmoment wie ein kleiner Traktor. Völlig sinnbefreit, aber lustig. Würde ich nie fahren – aber aufsitzen musste ich aus Neugier doch mal. “Gelandet” bin ich in einem englischen Clubsofa. Unfassbar bequem. Zum Ohrensessel am Kamin fehlt da nicht mehr viel.
Am Stand von Yamaha habe ich auf drei Modellen Probe gesessen. (Sorry für die blöden Bildausschnitte – der Stand war sehr eng und voll.)
Zunächst habe ich auf der Yamaha MT 09 SP Platz genommen. Das Naked Bike ist mit einem kraftvollen Dreizylindermotor und Öhlins Fahrwerk für nur €10.300 fast schon ein Schnäppchen. Leider zwingt sie einen mit dem breiten Lenker in eine sehr seltsame Sitzposition, irgendwo zwischen Sportler und Enduro.
Sehr viel angenehmer war die Sitzposition auf der Yamaha Tracer 900 GT, die denselben Dreizylindermotor hat, aber als Tourenmotorrad ausgelegt ist. Man sitzt dort höher, aufrechter und recht bequem.
Noch aufrechter, aber nicht ganz so bequem ist die Yamaha Ténéré 700. Die vielgelobte Neuheit aus 2019 huldigt dem Prinzip “weniger ist mehr” und ist weniger für den Toureneinsatz, sondern eher für Abstecher ins Gelände gedacht. Durch die langen Federwege ist sie sehr hoch. Es ist die erste Maschine auf der ich die Knie nicht anwinkeln muss, wenn ich die Füße auf den Boden stelle. Nichts für kleine Menschen!
…und sonst so?
Ansonsten gab es wieder alles Mögliche rund um das Motorradfahren: Klamotten jeglicher Art, Schuhe und Stiefel, Helme, Handschuhe èn Masse. Polizei und Bundeswehr waren vertreten, Stände an denen Fahrsicherheitstrainings angeboten wurden und andere, mit Touristischen Angeboten für Motorradfahrer. Clubs stellten sich vor, Motorsport verschiedenster Art (Speedway, Dragster, Kindercross, usw.).
Ich habe herumgeschaut, ob ich Leute aus der Berliner Moto-Vlogger Szene erkenne. Die “jungen Wilden” wie Dukein oder Kawaque habe ich nicht gesehen, aber Pepe Lila. Sie war allerdings im Gespräch und daher habe ich sie nicht angesprochen.
Als ich dann Nachmittags wieder aus der Station rauskam und das Wetter noch immer freundlich war, musste ich natürlich noch eine kleine Runde fahren. Nachdem ich an diesem Tag so viele interessante und hübsche Maschinen gesehen und angefasst habe – meine Suzi gefällt mir noch immer. Auch wenn ich die eine oder andere Probefahrt im Frühjahr machen werde, glaube ich nicht, dass ich sie so schnell eintauschen werde.
Von jemandem, der sich Journalist nennt, erwarte ich ein paar Dinge. Am wichtigsten sind mir, dass er/sie zwischen Bericht und Kommentar unterscheiden kann. Ein Bericht hat möglichst neutral die Situation zu beschreiben und die Einordnung und Wertung kommt dann bitte in den Kommentar. So hat man das ja auch schon in der Schule gelernt (hoffe ich). Zudem erwarte ich zumindest etwas Gespür für Sprache.
Stattdessen bekommt immer häufiger nur noch platte Meinungen, schlecht recherchierte Inhalte, sprachliche Schlampereien und irreführende Überschriften. Am “liebsten” sind mit die Belehrungen darüber, was man nicht mehr sagen und schreiben darf. Eine Zeitlang war auf Zeit alle paar Tage ein neuer Artikel zu lesen, dessen Titel mit “Hort endlich auf …” begann. In der Regel konnte man das Geschreibsel unter “mimimi…” zusammenfassen.
Es hängt mir so zum Hals raus.
Das Problem dabei ist, dass dieser minderwertige Mist nicht mehr nur im lokalen Käseblatt steht, sondern in Publikationen, die ich früher mal als seriös angesehen habe (Spiegel, Zeit,…). Ich werde mich jetzt mal in lockerer Folge über solche Machwerke berichten.
Aktueller “Qualitätsjournalismus” vom Tagesspiegel:
Dort schreibt Stefan Jacobs, wie seiner Meinung nach Polizeimeldungen Autounfälle verharmlosen. Dabei stört er sich an gebräuchlichen Standardformulierungen wie “… konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen”.
Für Jacobs ist diese Formulierung verharmlosend. In den genannten Beispielen wurden Fußgänger angefahren. Das ist zweifellos tragisch, aber was bitte ist an der Formulierung falsch?
Der Fahrer konnte nicht mehr bremsen. Ist doch logisch. Hätte er es noch gekonnt, wäre kein Unfall passiert. Neutraler kann man den Sachverhalt doch nicht darstellen. Wohlgemerkt – es geht hier um Polizeiberichte!
Weiter stört er sich daran, dass bei einem anderen Unfall der Fahrer bei der Ausfahrt einen Fußgänger angefahren hat, dass der Fußgänger “übersehen” wurde.
Wieder die Frage: Was ist falsch an dem Wort? Ich möchte doch schwer hoffen, dass der Fußgänger nicht angefahren wurde, obwohl er wahrgenommen wurde.
Jacobs versteigt sich hier zu der Formulierung „Übersehen“ meint eigentlich „missachten“.
Spätestens hier zeigt er, dass er entweder kein Sprachgefühl, mangelhaftes Verständnis für Inhalte oder schlicht eine Agenda hat. Darauf komme ich gleich zurück.
Was er schreibt ist inhaltlich natürlich Quatsch. Zwischen Übersehen und missachten liegen Welten. Wenn man etwas übersieht, hat man es nicht gesehen oder wahrgenommen (dazwischen liegt auch nochmal eine deutliche Unterscheidung). Wenn man hingegen etwas missachtet, hat man es gesehen und wahrgenommen, aber z.B. die Situation falsch verstanden (Klassisch: Vorfahrtsschild nicht gesehen.
Offensichtlich hat er dazu den Polizeisprecher Cablitz gesprochen, der ihm die Formulierungen erklärt hat. Sie müssen so neutral wie möglich beschreiben, was passiert ist und dürfen auf keinen Fall bereits die mögliche Schuldfrage behandeln. Wer schon mal in einen Unfall verwickelt war, weiß auch weshalb: Die Schuldfrage wird im Anschluss juristisch geklärt.
Die Polizei macht das also genau richtig!
Das hat Jacobs entweder nicht verstanden, oder er will es nicht gelten lassen. Etwas herablassend gibt er zu, dass die “Darstellung der Polizei kein böser Wille” sei, “sondern die gedankenlose Dokumentation der Perspektive, die Polizeibeamten mit Berufserfahrung aus dem Streifenwagen die vertrauteste ist.”
Harter Tobak. Das muss man erst mal setzen lassen.
Daraus, dass die Beamten völlig korrekt um eine größtmögliche Neutralität bemüht sind genau das Gegenteil zu machen, ist schon ein ziemlicher Stunt und in meinen Augen mindestens unseriös.
Das führt mich zurück zu der Frage, was für diesen Artikel ursächlich ist.
Mangelndes Sprachgefühl, inhaltliches Nichtverstehen oder fehlende Einsicht in die juristischen Gründe für die Formulierungen können spätestens nach dem Gespräch mit der Polizei nicht der Grund sein, weshalb dieser Artikel geschrieben wurde.
Nein, der Herr hat eine Agenda.
Er schreibt ständig zu den tödlichen Unfällen in Berlin. Ja, es sind zu viele. Ja, es müsste mehr gemacht werden. Aber ich erwarte Sachlichkeit und keine Stimmungsmache. Stattdessen lese ich Überschriften wie: “Über 80 Prozent kommen ungestraft davon – Warum Fahrerflucht in Berlin nur selten angeklagt wird “, ” Tod einer Radfahrerin in Berlin – Willkür und Symbolik statt echter Konsequenzen “, ” Abbiegender Lkw überfährt Radfahrerin – Wut und Trauer bei Mahnwache in Kreuzberg ” und ” Weihnachten ohne Constantin – Eine Mutter trauert um ihren Sohn, der vom Lkw überrollt wurde”.
Und die Artikel sind genauso, wie es die Überschriften nahelegen – emotional und parteiisch. Es wird eine “Autos und LKW raus aus der Stadt” gefordert.
Ich finde es ehrlich gesagt widerlich, wie Tod und Leiden hier für eine politische Agenda missbraucht werden. Propaganda ist hier fehl am Platz. Niemand möchte einen anderen Menschen totfahren. Dass es hier dennoch ständig passiert hat Gründe. Die muss man nüchtern untersuchen und dann abstellen.
Kleiner Denkhinweis: Fast alle in letzter Zeit gestorbenen Radfahrer sind durch Rechtsabbieger überfahren worden. Wenn man sich die neuralgischen Kreuzungen ansieht versteht man auch schnell wie es dazu kommt: Rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge fahren links von geradeausfahrenden Radfahrern. Das ist immer eine gefährliche Situation. Es gibt zwei Lösungsmöglichkeiten, die je nach örtlicher Gegebenheit helfen können: Verschwenken der Fahrbahnen, damit die Rechtsabbieger rechts vom geradeaus fahrenden Verkehr zum Stehen kommen oder zeitlich getrennte Grünphasen für Abbieger.
Und es werden auch immer mehr Kreuzungen entsprechend umgebaut. Ja, das könnte gerne noch schneller gehen, aber es mitnichten so, dass hier nichts passieren würde. Ich würde übrigens gerne mal einen Artikel darüber lesen, an welchen Stellen die Umbauten bereits Erfolge gebracht haben.
Ehrlich gesagt verstehe ich diese blöde Diskussion um Tempolimits auf Autobahnen nicht. Macht die Richtgeschwindigkeit von 130 Km/h zur Höchstgeschwindigkeit und gut ist.
Mit 130 kommt man auf einen guten Schnitt, das Auto verbraucht nicht soviel und der Verkehr fließt viel entspannter. Und es ist trotzdem nicht so schnarchlahm wie damals die unsäglichen 100 durch die DDR, wo man ständig gegen das Einschlafen kämpfen musste.
Ich habe zur Zeit ein ziemlich schnelles Auto. Einer der Gründe für den Kauf war, dass ich den Stress leid war, den man mit weniger stark motorisierten Fahrzeugen auf der Autobahn hat: Zu schnell für die rechte Spur und zu langsam für die Linke. Wenn 130 eingeführt wird, kann man endlich wieder abrüsten und entspannt vernünftige Autos fahren, wie z.B. den Toyota Hybrid oder ein Elektroauto. Das senkt dann den Verbrauch auch abseits der Autobahn.
Das ist kein modisches Gequatsche. Diese Meinung hatte ich schon lange bevor irgendjemand etwas von Tesla gehört hat und die deutschen Automanager noch schwafelten, dass sie auch in 35 Jahren noch Autos mit Benzin- und Dieselmotoren verkaufen würden. In einem Artikel vom 12 März 2007 schrieb ich in diesem Blog:
“Ich würde gerne auch in 25 Jahren noch Auto fahren können. Das wird aber vermutlich nur gehen, wenn die Autos bis dahin anders geworden sind. Ich meine WIRKLICH ANDERS! Es geht hier nicht um 20% weniger Benzinverbrauch und Euro 9 Abgasnorm. Das ist alles Kokolores. Ich rede von Autos, die (in welcher Form auch immer) völlig mit regenerativen Energien angetrieben werden.”
Ich hab damals auch schon Probleme vorhergesagt, in die die deutsche Automobilindustrie durch ihre tranige Selbstzufriedenheit jetzt hinein schlittert.
“Wo sind die umweltschonenden Antriebe für das Jahr 2010/2011? […] Die Zeit wird knapp. Sowas schüttelt man sich nicht aus dem Ärmel und der Markt ändert sich rasch. […] Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, 2011 einen Elektro-Roadster von Samsung zu fahren…”
Gut, ich habe mich um 10 Jahre vertan und Samsung baut keine Autos, sondern “nur” die Akkuzellen dafür, aber dass so ein Umbruch kommen würde war absolut absehbar.
P.S.: Tempolimit ja bitte. Aber nicht so einen Schmarrn einführen, wie “intelligente situationsabhängige Tempolimits”. Die Dinger sind die Pest, weil man die Anzeigen nie nachvollziehen kann.
Ich hatte auf der A2 schon mehrfach Beinahe-Auffahrunfälle, weil jemand kurz vor einem Blitzer eine völlig unnötige Vollbremsung aus 140 Km/h gemacht hat. Man konnte förmlich die Denkblase über dem Auto sehen: “Ähhh, was stand da vorne auf dem letzten Schild???”
130 überall und jederzeit – dann weiß man stets Bescheid.
Der 36C3 ist zu Ende. Ich bin wieder in Berlin. Und zwar schon etwas länger, denn ich bin zwei Tage früher abgereist. Ausschlaggebend waren dafür zwei Gründe: gesundheitliche Beeinträchtigungen und politisches Unwohlsein meinerseits.
Ich gehe nun schon seit fast 20 Jahren hin- und wieder auf Veranstaltungen des CCC und meistens war ich begeistert oder zumindest positiv angeregt. Diesmal ging mir das politische Grundrauschen ganz gehörig auf den Senkel. Ich habe bemerkt, dass ich mit dem Eindruck nicht alleine bin und ich befürchte, dass der Club damit so langsam ein echtes Problem bekommt. Und das wäre fatal, weil ich ihn für eine wichtige Institution in Deutschland halte.
Immer noch wichtig und klasse
Aber bevor ich zu meiner Kritik komme, möchte ich sagen, dass ich die Veranstaltung eigentlich immer noch wichtig und klasse finde.
Wichtig, weil immer wieder Dinge für die breite Öffentlichkeit aufgedeckt werden, die andere gerne unter den Teppich kehren würden. In diesem Jahr zum Beispiel die Probleme mit der elektronischen Patientenakte oder die letzten Verschlimmbesserungen im elektronischen Zahlungsverkehr.
Wichtig für die Leute, die schon ein bisschen was von der Technik verstehen und sich für die neuesten Erkenntnisse zu Sicherheitsproblemen in Hardware, Software und Dienstleistungen interessieren.
Wichtig auch, weil man dort ganz entspannt mit Szenegrößen in Kontakt kommen kann.
Klasse, weil die ganze Veranstaltung im Prinzip ein einziges großes, entspanntes Happening ist. Mit bunten Lichtern, tonnenweise Nerd-Humor, schrägen Basteleien und Loungemusik.
Auch die Retro-Ecke war zu meiner Freude gut bestückt. Zwei schrankgroße DEC PDP-8 Rechner aus den frühen 70ern waren zu sehen – mit TELEX– und Videoterminals. Es wurde Datenübertragung per Modem über analoge Telefonvermittlungsanlagen gezeigt. Unter anderem war ein Mailboxsystem in Betrieb.
Nicht zuletzt gab es mehrere BTX Terminals aus den 80er Jahren zu bestaunen, die im Betrieb waren. Per Reverse Engineering und mittels noch vorhandener Originaldaten konnte der Betrieb gezeigt werden, obwohl der BTX Service bereits 2007 eingestellt wurde. Es gab Originalinhalte von 1984 zu sehen, darunter den BTX-Hack mit dem der CCC vor 35 Jahren bekannt wurde.
Nicht so klasse
So weit so schön. Aber das Übermaß an politischer “Rotlichtbestrahlung”, wie es früher im Osten hieß ging mir gehörig auf den Zeiger. Zumal der Club hier so langsam den Fokus verliert.
Früher ging es um technische Fragen und darum welche Bedeutung die Technik für die Gesellschaft hat. Dabei war der CCC schon immer politisch links, aber staatstragend. Also Einsatz für den Erhalt von Bürgerrechten etc. Es ist kein Zufall, dass der Club bereits mehrfach vom Bundesverfassungericht als Gutachter angefragt wurde und das auch mit Bravour gemeistert hat.
Heute thematisiert man globale Menschenrechte / Feminismus / Seenotrettung, Rettung der Welt, you name it… Wichtige Themen – Wer sich entsprechend engagieren möchte, kann und soll das ja tun, aber in meinen Augen ist der CCC absolut der falsche Rahmen dafür. Damit verliert der Club seinen Fokus, verhebt sich inhaltlich auch und zumindest die beiden Vorträge, die ich gehört habe (einen zu Feminismus, einen zur Seenotrettung) fand ich einseitig und unausgegoren.
Na gut, es muss einem ja nicht alles gefallen. Aber als ich ein großes Transparent der Antifa in der Haupthalle gesehen habe und einige kleinere Aufrufe, Straftaten zu begehen (weil man sich moralisch im Recht fühlt) ist bei mit die Klappe gefallen. So etwas geht einfach gar nicht!
Ich habe in den frühen 90er Jahren ehrenamtlich in einem Berliner Jugendclub mitgearbeitet, der in bestimmten Kreisen als “Zeckenburg” bezeichnet wurde. Wir hatten damals regelmäßig Angriffe von Rechtsradikalen. Als dann die Antifa ankam, um uns ihre “Hilfe” anzubieten, haben wir dankend aber sehr bestimmt abgelehnt. Diese Haltung hat sich im Laufe der Zeit als goldrichtig herausgestellt.
Auch wenn mir nicht alles gefällt – mit “links” kann ich umgehen. Genauso mit “konservativ”, obwohl mir dort erst recht nicht alles gefällt. Was ich aber niemals tolerieren werde sind Radikale – weder links, noch rechts, noch religiös, noch sonst was.
Der CCC bekommt da meines Erachtens gerade ein Problem, an dem er dringend arbeiten muss, falls er nicht das in 35 Jahren hart erarbeitete Renommee, sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in der Fachwelt verlieren will. Oder er macht konsequenterweise das, was Apple seinerzeit vorgemacht hat: Er streicht das Wort “Computer”.
Jahresende 2019: Ich bin beim 36C3, dem 36. Jahreskongress des Chaos Computer Clubs. Der letzte Congress, den ich besucht habe war der 33C3, der noch im Hamburger Congress Centrum stattfand. In diesem Jahr bin ich das erst Mal in Leipzig dabei.
Der Ort ist anders, die Stadt ist anders und das Gefühl auch. Das beginnt bereits bei der Anreise. Das CCH steht mitten in Hamburg am Dammtor. In Leipzig ist der Kongress auf dem Messegelände am Stadtrand. Die meisten Besucher kamen morgens mit der knüppeldicke vollen Strassenbahn an, die Gott sei dank im 5min Takt fährt. Die Benutzung ist für Kongressteilnehmer frei. Dennoch ist der erste Eindruck ziemlich ähnlich zu einem normalen Messebesuch. Die Logistik um die heranströmenden Massen am Eingang abzufertigen war übrigens ganz hervorragend!
Im Hamburger Congress Centrum waren die Assemblies, Kuschelecken und Special Interest Stände labyrintisch auf den vielen verschachtelten Ebenen des Gebäudes verteilt. In Leipzig werden die Messehallen genutzt und daher findet fast alles auf einer Ebene statt. Vorteil: Es ist mehr Platz. Nachteil: Zu viele Leute fahren mit Kickboards zwischen den Menschenmengen durch. Das nervt.
Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Die Organistation ist extrem professionell und das Programm mal wieder hochkarätig.
Gleich der erste Vortrag den ich gesehen habe, beschäftigte sich mit der unerwartet schwierigen Aufgabe, eine Hardware herzustellen, die nachweisbar ohne Backdoors ist.
Der Vortragende ist eine Koryphäe auf dem Gebite: Andrew “Bunnie” Huang zeigte tiefe Einblicke in die Supply Chain, Hardware Produktion, und bekannte Angriffe, mit denen unerwünschte Hardware in Produkte eingeschleust und versteckt werden kann. Er zeigte auch den teilweise extrem hohen Aufwand, der betrieben werden muss, um diese Manipulationen zu finden. Jedes hergestellte Boards zu röntgen reicht jedenfalls nicht aus.
Damit der Vortrag nicht zu theoretisch ist, zeigte “Bunnie”, wie mit den vorgetstellten Prinzipien ein mobile Messenger entwickelt wurde und noch wird, der nachweislich ohne Backdoors funktioniert. Detail zu dem Projekt können sind hier zu finden: https://betrusted.io/. Das Gerät sieht in etwas wie ein 20 Jahre alter Blackberry aus – aber das hat seinen Sinn.
Für jeden Hardwareteil erklärte er, weshalb es so ist wie es ist. Es hat also einen tieferen Sinn, dass ein S/W anstelle eines Farbdisplays verwendet wird, und eine physikalische anstelle einer Soaftwaretastatur verbaut ist. Der Inhalt seines Vortrages steht auf seinem Blog im Artikel “Can We Build Trustable Hardware?” unter https://www.bunniestudios.com/blog/?p=5706 .
Um es zusammenzufassen: Neben der Kontrolle der Komponenten, der Toolchain ist die Frage, wie jeder einzelne Schritt, jede Komponente und letztendlich jedes einzelne Gerät verifiziert werden kann. Das geht am Besten durch gezielte Reduktion der Komplexität.
Mein Fazit: Vereinfachung und Reduktion aus Sicherheitsgründen
Danach habe ich “The Ultimate Acorn Archimedes Talk” gesehen, in dem die Entwicklung des ersten RISC Homecomputers durch die britische Firma Acorn in den 80er Jahren beschrieben wurde. Es ging technisch ans Eingamchte: Die Besonderheiten der verschiedenen Hardwareversionen, des Betriebssystems und wieso die Design-Entscheidungen so und nicht anders getroffen wurden.
Am Ende war es eine Effizienzfrage. Wie bekommt man für möglichst wenig Entwicklungsaufwand und Produktionskosten die meiste Leistung. Die Antwort liegt in klarem, möglichst einfachem Design.
Mein Fazit: Vereinfachung und Reduktion aus Performance und Budgetgründen
Was damals gemacht wurde ist für uns heute übrigens hochrelevant, weil die Prozessoren, die heutzutage unsere Smartphones antreiben auf der damals entwickelten RISC Platform basieren. Aus dem Computerhersteller Acorn wurde der Prozessorhersteller ARM.
Beim Schlendern durch die Hallen fand ich ein laufendes Prototyp Board des Commander X16 – einem neuen 8 Bit Computer, den David Murray – bekannt durch seinen Youtube Kanal “The 8-Bit Guy” initiiert hat. Davor saß Michael Steil, der auf früheren Kongressen mit seinen Vorträgen “The ultimate C64 Talk” und “The ultimate Gameboy Talk” tiefe Einblicke in die Besonderheiten der beiden Hardwareplattformen vermittelt hat. Er unterstützt Murray bei der Entwicklung (https://www.pagetable.com/?p=1373) und hat mir im Laufe des Gesprächs nahegelegt, den X-16 Emulator auszuprobieren, da bereits einige Leute Software für den neuen Computer schreiben, obwohl dieser noch gar nicht zu Ende entwickelt ist.
Mein Fazit: Vereinfachung und Reduktion aus – hmm – Spass. Und aus Freude, etwas schönes und sinnvolles zu erschaffen.
Daneben stand übrigens auch noch ein MEGA65 – der Nachbau eines Computers, den Commodore in den 80er Jahren als Nachfolger des Commodore64 vorgesehn, aber nie zu Ende entwickelt hatte. Vom Commodore 65 existieren nur einige wenige Vorserien-Prototypen.
Und das ist ja auch der faszinierende Spirit des Kongresses. Dass hier Leute zusammenkommen, die massenweise interessanten Kram machen und Spass haben. Der Kongress ist nicht nur Kongress, sondern auch treffen von Bastlern und nicht zuletzt auch so eine Art Festival, was besonders am Abend deutlich wird. Überall steht cooles Zeug rum, alles blinkt, manches macht Töne und es gibt wie jedes Jahr einen Club, von dem sich so manche Kommerzdisko mehr als nur eine Scheibe abschneiden kann.
Dirk Ollmetzer | Sunday, 22 September 2019 | Retro, Unterwegs
Am Sonntag nach der enorm großen “Fridays for Future” Demonstration sollten die Berliner freiwillig auf das Autofahren verzichten. Über 400 Menschen sind dem Aufruf gefolgt und fuhren stattdessen mit dem Motorrad durch die Stadt. Und zwar nicht aus Protest, sondern zu einem guten Zweck.
Worum ging es?
Der Distinguished Gentlemens Ride (kurz DGR) findet in über 700 Städten weltweit am letzten Septemberwochenende statt. Für Berlin musste die Veranstaltung um eine Woche vorverlegt werden, da die Stadt am 29.September bereits durch den Marathon vollständig blockiert wird.
Es handelt sich um eine Benefizveranstaltung zur Unterstützung von Projekten, die der Männergesundheit dienen. Das ist z.B. Forschung im Bereich Prostatakrebs, oder Projekte der Suizidprävention. Also ernste Themen, um die sich Männer gerne herumdrücken, bis es zu spät ist.
Um die Männer (und ihre Frauen) für diese ernsten Themen zu aktivieren, wurde eine Veranstaltung ins Leben gerufen, die einfach Spaß macht. Eine gemeinsamer Ride-Out mit klassischen oder umgebauten Motorrädern im “Gentleman-Outfit”. Anstatt Lederkombi sind ausnahmsweise Tweed-Sakkos, weiße Hemden und Weste und ähnliches angesagt. Der Style Guide zeigt Outfits zwischen englischem Landadel und dem smarten Donald Draper aus der Serie Mad Men.
Im letzten Jahr habe ich den Distinguished Gentlemens Ride in Berlin ganz knapp verpasst. Ich war quasi “um die Ecke” aber wusste von der tollen Veranstaltung nichts. Da ich weder das passende Motorrad noch die passende Garderobe habe, wollte ich mich in diesem Jahr wenigstens an den Straßenrand stellen und die Prozession von mehreren hundert Motorrädern und gestylten Fahrern ansehen. Daraus wurde wieder nichts – ich bin nämlich “aus Versehen” mitgefahren. Und das kam so:
Der Startpunkt wurde nur registrierten Teilnehmern mitgeteilt. Es sollte ein “zentraler bekannter Ort” sein. Also habe ich überlegt, dass der Ort groß genug für vierhundert angemeldete Motorräder sein und zudem auch Stil haben muss. So viele Möglichkeiten gibt es nicht. Der Alexanderplatz ist groß genug, sieht aber wie eine Müllhalde aus, im Lustgarten bekommt man die Motorräder nicht untergestellt, der Bebelplatz auf dem die Nazis 1933 die Bücherverbrennung durchführten – das wäre schlechter Stil.
Also fuhr ich auf gut Glück mal zum Gendarmenmarkt und lag damit goldrichtig. Nur dezent neben der Szenerie zu parken hat nicht gelappt, weil mich gleich die Einweiser auf den Platz in Reihe zwei dirigiert haben.
Nun gut. Also bin ich zur Orga und habe gesagt, dass ich gar nicht mitfahren kann, weil ich nicht registriert bin und mein Outfit auch nicht regelkonform ist (Retro Lederjacke über weißem T-Shirt, dunkelblaue enge Kevlar Jeans und Motorradstiefel in “Ziviloptik”). Die Dame musterte mich von oben bis unten und sagte dann in strengem Ton: “Okay, es geht gerade so. Das nächste Mal dann mit Anmeldung und Hemd. Du fährst mit.”
Das war kein Angebot, sondern ein Feststellung. Jo – okay Chefin!
BSA, Baujahr 1925
Royal Enfield
Da allerfeinstes Motorradwetter war (trocken, Sonne, leichter Wind, 24 Grad), konnte ich mir schlimmeres vorstellen. Dann fahre ich also mit. Vorher gab es noch ein einstündiges Programm zu den Gesundheitsthemen, Verhaltensregeln für das Fahren in Kolonne, einen Sonderapplaus für die Motorradstaffel der Berliner Polizei, die die Straßen für uns freimachen würde und ein Gruppenfoto auf den Stufen des Konzerthauses.
Ansprache
Danach wurde Aufstellung hinter dem führenden Polizeifahrzeug genommen. Wenn 400 Motorräder angelassen werden – zumal viele sehr alte und relativ laute – dann zittert die Luft. Dieses dumpfe Grollen lässt einen nicht kalt und viele Touristen blieben an der Strecke neugierig stehen, zückten ihre Smartphones zum fotografieren und filmen und fragten sich, was diese Truppe denn wohl darstellt. Da wir aber offensichtlich keine Rocker, sondern ein braver, lustig gekleideter Haufen waren, waren die Reaktionen fast ausschließlich wohlwollend. Freundliche Gesichter und fröhliches Winken war die Regel.
Gewerbehof im Prenzlauer Berg
Es ist schon nett, wenn einem die Polizei den Weg freimacht und man sich um keine Verkehrsregel kümmern muss. Ich bin heute gefühlt über hundert rote Ampeln gefahren und einmal sogar falsch herum durch eine Einbahnstraße. Die Strecke war verschlungen. Einige markante Wegpunkte waren “unter den Linden”, Potsdamer Platz, Großer Stern im Tiergarten, Str. des 17. Juni, Schloss Charlottenburg, Westend, Kantstr, Kurfürstendamm, Landwehrkanal, Friedrichstr. und Torstr. Nach über einer Stunde Fahrt waren wir am Ziel: Dem Club Roadrunners Paradise in einem Gewerbehof im Prenzlauer Berg.
Roadrunners Paradise
Also fast bei mir um die Ecke. Dort gab es dann ein gemeinsames Ausklingen bei Streetfood, Getränken und später auch Livemusik. Ein wirklich schöner Sonntag – und im nächsten Jahr habe ich passende Kleidung.