In diesem Jahr habe ich wieder die Web Engineering Unconference besucht, die vom 20. bis zum 22. September in Palma de Mallorca stattfand. Mittlerweile eine lieb gewonnenen Gewohnheit und auch dieses Mal waren die Vorträge, Diskussionen und Gespräche interessant und anregend.
Das ist umso schöner, weil Anfang des Jahres durchaus dunkle Wolken am Veranstaltungshimmel zu sehen waren. Das eingespielte Orga Team der letzten Jahre hatte aufgehört. Das neue Team musste sich erst finden, weshalb die Ankündigung recht spät kam. Zwischenzeitlich waren Flug- und Hotelpreise ordentlich gestiegen und das alles in einem wirtschaftliche schwierigeren Umfeld.
Erfreulicherweise wurden trotz der halbierten Teilnehmerzahl auch dieses Mal wieder viele interessante Themen präsentiert. Die informellen Gespräche jenseits der eigentlichen Konferenz waren anregend und vielschichtig.
Das kommt sicherlich auch daher, dass dieses kleine, aber feine Branchentreffen keine herkömmliche Konferenz ist sondern eine Unkonferenz. Hier wird nicht zwischen Zuhörern und Vortragenden unterschieden, sondern jeder kann seine eigenen Themen mitbringen und vorstellen. Alle zusammen stimmen dann ab, welche Themen angenommen werden.
Das kann auch recht spontan sein. Einen eigenen Vortrag hatte ich dieses Mal nicht vorbereitet. Mir ging aber seit längerem ein Thema durch den Kopf, das ich nicht so recht zu fassen bekam. Am Vorabend habe ich das einigen Leuten gegenüber erwähnt und die Reaktion war immer “Mensch, das ist doch relevant und spannend – mach was dazu!”
Das Thema ist ständig steigende Komplexität.
Genauer die Frage, weshalb wir dazu tendieren, Systeme immer komplexer zu machen, bis sie nicht mehr richtig funktionieren oder aktualisert werden können. Konkreter Anlass war das Refactoring einer umfangreichen Software, aber das Problem ist nicht technisch, sondern eher universell.
Die üblichen Ansätze, steigende Komplexität in den Griff zu bekommen, laufen darauf hinaus, neue Werkzeuge und Verfahren zu etablieren, um die Komplexität zu managen. Leider wird das Problem dadurch nicht gelöst, sondern nur verschoben und die Gesamtkomplexität steigt duch die neuen Tools sogar noch weiter an.
Oft wäre es besser, stattdessen die Komplexität zu reduzieren, aber diese Weg wird fast nie gegangen. Mich interessierte die Frage, weshalb das so ist. Zumal das kein technisches Problem ist. Wir sehen dieselben Muster bei allen möglichen Organisation in der Wirtschaft und auf staatlicher Seite.
Ich hatte also Szenarien und Fragen mitgebracht. Passenderweise hatte Julia Dorandt (Beratung Judith Andresen) einen Vortrag vorbereitet, in dem sie Strategien vorstellte, die Individuen nutzen, um in einem komplexen System handlungsfähig zu bleiben. Stichwort “fight flight freeze fawn“. Wir haben also zusammen einen Slot genutzt, in dem ich einleitend die Fragestellung aufgeworfen habe und Julia anschließend die Theorien aus der Verhaltenspsychologie erläutert hat.
Für das Thema haben wir viel positives Feedback bekommen. Ich konnte jedoch leider keine konkreten Handlungsempfehlungen ableiten. Als ich in der darauf folgenden Woche in meiner Firma davon erzählte, wurde das Thema aufmerksam aufgenommen und ich bekam einige gute Hinweise auf Quellen zu dem Thema.
Weitere weiche Themen auf der WEUC waren Neurodiversität, “Talking to people” und Kommunikation in schwierigen Organisationsstrukturen.
Technische Vorträge gab es natürlich auch.
Alexander M. Turek hielt einen Vortrag zu “Strict PHP”. Was bedeutet das, wozu ist es gut und weshalb es nicht reicht, das einfach im Programm zu deklarieren.
Rainer Schuppe (Oberservability Heroes) stellte Open Telemetry vor – ein Framework zur Erfassung von Messdaten. Er demonstrierte Einsatzzwecke und Möglichkeiten zur Datenauswertung.
Und natürlich gab es auch in diesem Jahr wieder einige Slots zum Thema “Künstliche Intelligenz”. Während KI in den vergangenen zwei Jahren eher als enormes Potential gesehen wurde, nimmt nun die tatsächliche Nutzung sprunghaft zu. Beispiele:
Automatisierte Websiteanalyse
Suche in und Zusammenfassung von großen Dokumentensammlungen
Unterstützung beim Programmieren und Einsatz bei personaliserter Akquise.
Automatische Erstellung von “best of presentation” Videos. Der Teilnehmer kommentierte das so: “Das Ergebnis sind so eine Art TikTok Videoschnipsel von unseren Vorträgen.”
Bei generativer KI zur Erzeugung von Bildern und Videos sind die enormen Verbesserungen der letzten zwei Jahre augenfällig, aber es gibt noch immer zu viele eigentümlichen Artefakte. Dennoch wurde gerade die Zusammenarbeit von Runway (AI basierte generierung von Videos) mit der Filmproduktionsfirma Lionsgate bekanntgegeben.
Joschua Ziethen (Yet Another Agency) zeigte interessante Beispiele zum Einsatz von KI Toolchains mit Hilfe von make.com. Zudem hat mich der Bastian Hofmann (Qdrant) zum Thema Vektordatenbanken sehr angesprochen.
Trotz des reduzierten Umfangs gab es also auch in diesem Jahr wieder reichlich spannenden fachlichen Austausch. Ein Teilnehmer meinte sogar, dass er es gut fand, dass wir in diesem Jahr nur zwei, anstelle von drei parallelen Tracks hatten, weil man so weniger verpasst.
Es gibt also viel Positives zu berichten. Dennoch haben mir aber viele von meinen Buddies aus der E-Commerce Szene gefehlt. Ohne Marco, Lars, Fabian oder Thomas ist es nicht so ganz dasselbe. Andererseits habe ich darum bei der Abendgestaltung nicht über die Stränge geschlagen. Das ist dann wiederum ganz gut für die Gesundheit des alten Mannes.
Hat die WEUC noch Zukunft?
Die Diskussion, ob wir die Veranstaltung im nächsten Jahr weiterführen sollen, wurde einstimmig bejaht. Wir waren uns auch einig, dass 50 Teilnehmer die Untergrenze sind und wir eher wieder auf 75 bis 90 kommen sollten.
Diese zusätzlichen Teilnehmer wollen wir vozugsweise in anderen Branchen als e-commerce und außerhalb von Deutschland finden, um die Diversität an Themen und Sichtweisen zu fördern. Denn trotz Englisch als Konferenzsprache wurde der Anspruch, eine internationale Konferenz zu sein, in diesem Jahr nur knapp erreicht.
Bei der Frage, ob es wieder Mallorca sein muss, gab es unterschiedliche Meinungen. Mir selbst ist das nicht so wichtig (“Meinetwegen Kassel oder Bielefeld”), so lange sich eine gute Mischung aus Teilnehmern und Themen findet. Die überwiegende Mehrheit fand jedoch, dass die entspannte Atmosphäre und das Ambiente zum Erfolg der Veranstaltung beiträgt.
Da ist etwas dran. Das Besondere, weshalb ich jedes Jahr gerne wieder teilnehme ist die Offenheit, mit der hier Herausforderungen und Lösungsansätze besprochen werden. Im Gegensatz zu anderen Konferenzen, steht hier nicht Verkauf und Selbstdarstellung im Vordergrund, sondern ehrlicher Gedankenaustausch.
Zum Ende der Veranstaltung ein Zeichen zu setzen, sagte eine Sponsorin bereits die Unterstützung für 2025 zu. Nun ist es an uns, den längeren zeitlichen Vorlauf für eine gute Organisation und Medienarbeit zu nutzen.
Auf dass die Web Engineering Unconference 2025 wieder interessant, spanned und lehrreich wird.
Wenn man einem bekannten deutschen Nachrichtensender glauben möchte, ist es ein wahres Abenteuer, elektrisch von Stuttgart nach Colmar (222km!) und dann in den Schwarzwald in den Urlaub zu fahren. Die Story verlinke ich jetzt mal absichtlich nicht. Zudem halte ich halte diese Tour eher für einen etwas längeren Tagesausflug, als einen Urlaub.
Ich fahre meist zweimal pro Jahr für ein paar Tage in den Norden an die dänische Grenze (450km) um Freunde und Verwandte zu besuchen. Anfang August war es mal wieder so weit. Zum ersten Mal mit dem E-Auto und es gab noch eine Premiere:
Ich bin nach 22 Jahren endlich mal auf die andere Seite nach Dänemark rübergefahren und habe mich dort etwas umgesehen.
Wie habe ich mich auf mein Wagnis vorbereitet?
Ich habe die Karte in meiner Maingau App angesehen und danach noch die Karte von Tesla. Tatsächlich sind Schnelllader im Norden etwas dünner gesäät, aber entgegen landläufiger Meinung muss man ja nicht jede Stunde an die Steckdose.
Ich bin mit knapp 100% Ladung in Berlin losgefahren, genauso wie ich früher vor der Abfahrt vollgetankt habe. Dann habe ich dem Auto gesagt “Navigiere mich nach Flensburg”. Die angezeigte Strecke entspricht genau der, die ich seit Jahren fahre. Es wurde ein Ladestopp ungefähr auf der Hälfte der Strecke angezeigt – in Wittenburg, wo ich ebenfalls seit Jahren meinen Zwischenstopp mache. Als ich noch meinen kleinen Peugeot hatte, musste ich dort auf dem Autohof auch immer noch Zwischentanken. Der hatte die Strecke nämlich auch nicht in einem Rutsch geschafft.
Invasion der Wikinger an der Skipiste in Mecklenburg-Vorpommern?
Bis hierhin also überhaupt nichts Neues. Lediglich, dass ich nicht auf den Autohof gefahren bin, sondern 500m weiter zu den Superchargern an der Skihalle. Die 8 Ladesäulen waren auch gut besucht. Ich war der einzige mit deutschem Kennzeichen – der Rest Norweger, Schweden und Dänen.
Das Auto zeigte mir irgendwann an, dass die Ladung genügt, um das Ziel zu erreichen. Zur Vorsicht habe ich noch 5% draufgelegt und dann ging es weiter.
Da ich aufgrund des etwas dünneren Ladenetzes (und vor allem der unverschämten Roaming-Preise für Ladestrom) gerne mit genügend Kapazität im Akku am Urlaubsort ankommen wollte, habe ich das Auto noch einmal in der Nähe von Schleswig auf 95% geladen. Das sollte für die kleineren Touren in den nächsten Tage genügen.
Die ersten drei Tage habe ich mich auch nur im Umfeld von Glücksburg aufgehalten. Die Sonne schien und es war Strandwetter. Das ist hier selbst im Sommer nicht selbstverständlich und wurde daher ausgenutzt.
Was geht denn so in Dänemark?
In diesem Jahr hatte ich mir fest vorgenommen, endlich auch mal die Nordseite der Flensburger Förde zu besuchen. Morgens ging es zunächst zum Strand nach Dreiby. Die Landschaft ist genauso grün, hügelig und mit Wasserflächen durchzogen, wie auf der deutschen Seite. Trotzdem ist die Atmosphäre anders. Die Gegend ist dünner besiedelt, die Häuser ducken sich flacher hinter die Büsche und Bäume und der Strand war naturbelassen und sehr viel leerer, als in Holnis.
Mittags fuhr ich in die Altstadt von Sønderborg um dort einen ein leckeres Sandwich und köstlichen Kaffee zu mit zu nehmen. Sønderborg wird manchmal “die kleine Schwester von Flensburg” genannt und das trifft es auch recht gut.
Westlich von Sønderborg befindet sich die Dybbøl Banke (Düppeler Schanze). Hier verlor Dänemark im zweiten Deutsch-Dänischen Krieg1864 die Herzogtümer Schleswig und Holstein and Preußen und das aliierte Österreich. Die Anhöhen werden von Dänemark als historische Orte erhalten. Man kann die teilweise geschleiften Befestigungen noch sehen und es gibt ein Museum.
Danach bin ich in die Kleinstadt Broager gefahren. Die beiden charakteristischen weißen Kirchtürme habe ich jahrelang von Holnis aus gesehen. Nun habe ich mir den Ort und den ganzen Kirchberg endlich einmal aus der Nähe betrachtet. Sonst ist in dem verschlafenen 3.300 Seelen Ort nicht viel los und es zog mich wieder zurück nach Deutschland.
…und was ist jetzt mit aufladen?
Stimmt. Jetzt bin ich schon drei Tage durch die Gegend gefahren und der Akku ist immer noch nicht leer. Auf dem Weg habe ich einige 11KW Ladesäulen gesehen, aber in Klipev stehen Supercharger und dort kostet mich der Strom trotz Nachmittagszuschlag nur DKK 2,50 (€0,33) pr kWh. Der Ladepark liegt an der Autobahn E-45 (in Deutschland A7) und hat sagenhafte 48 Ladesäulen von Tesla und noch weitere von anderen Anbietern. Also mal eben wieder auf 90% und in der Zeit bei Mecces einen Kaffee ziehen.
Als ich an meiner Pension in Bockholm angekommen bin, war ich von dem unfassbar niedrigen Stromverbrauch fasziniert. Für die knapp 40km über Autobahn, Schnell- und Landstrassen habe ich nur etwas über 4kW benötigt. Zugegeben – ich bin gemütlich gerollt, aber nicht einmal €1,50 für die Strecke finde ich sensationell!
Ich habe ein paar Minuten nur gelacht, weil mir zum Vergleich einfiel, was ich im Jahr zuvor ausgerechnet hatte. Da war ich von derselben Pension aus abends noch mal kurz zur Tankstelle gefahren. Die liegt 5km entfernt in Glücksburg, also hin und zurück 10km. Der Mercedes benötigte auf Kurzstrecke gerne mal 12 Liter/100km oder mehr. Rechnen wir der Einfachheit halber mit 10. Für die Fahrt zur Tankstelle und zurück habe ich also einen Liter verbraucht – für damals €1,80.
Kein weiterer Kommentar mehr zu den Betriebskosten.
Obwohl doch – einen hab ich noch. Zwei Tage und etliche gefahrene Kilometer später fahre ich bei der Verwandschaft in Nordfriesland auf den Hof. Die haben schon vor Jahren ihr Scheunendach mit Photovoltaik voll und auch eine Wallbox in der Garage, obwohl noch kein E-Auto auf dem Hof steht (O-Ton: “…die hat damals zusammen mit der Anlage nur €150,- gekostet. Dann habe ich das gleich mitinstallieren lassen”). Ich frage, ob ich mal anstöpseln darf. Durfte ich. Wir waren alle interessiert, ob die Anlage richtig funktioniert. Das Auto meckert etwas, weil nur auf zwei von drei Phasen geladen wird, aber es geht. Mit gemütlichen 7kW. Aber der Nachmittag ist lang und sonnig und am Abend ist der Akku trotzdem voll.
Die nächsten 200km bin ich also völlig klimaneutral mit Solarstrom gefahren. Einfach klasse!
Nach 6 Tagen zurück nach Berlin
Leider war der Urlaub nur sehr kurz und ich musste am Sonntag zurück nach Berlin. Die Fahrt war eher zäh. Die Autobahnen waren sehr voll. Mehr als 120km/h selten möglich. Zwischenladen wieder in Wittenburg. Zwei längere Staus vor Berlin. Schlecht für die Durchschnittsgeschwindigkeit, gut für den Verbrauch. In Berlin mit 40% im Akku angekommen.
Und wo war jetzt das Drama?
Es gab keines. Und das, obwohl ich nur das Modell mit dem kleinen Akku habe (60kWh statt 80kWh). Ich hatte allerdings auch keine echten Probleme erwartet.
Ich bin insgesamt 1.350 km gefahren, habe 194kWh verbraucht (inkl. Ladeverluste etc.) und weniger als €75,- bezahlt.
Zugegeben – die gute Infrastruktur von Tesla hilft, aber ich hätte auch stets woanders laden können. Allerdings zu höheren Kosten mit weiteren Stromverträgen. Und das ist meines Erachtens das eigentliche Problem der E-Mobilität: Die völlige Intransparenz an den Ladesäulen. Da muss die Politik dringend ran.
Es hat sich seit längerem abgezeichnet und im März habe ich es endlich durchgezogen. Ich habe mein Verbrenner Auto gegen ein E-Auto eingetauscht.
Warum?
Ernsthaft? Ölkrise 1973, Ölkrise 1979, Unglücke mit Tankern und Bohrinseln, diverse Kriege und Unruhen, Klimakatastrophe um mal ein paar Stichpunkte zu nennen. Wenn man mal ehrlich ist, wissen wir seit 50 Jahren, dass wir vom Öl weg müssen. Und jetzt geht es bei Autos auch endlich – also los!
Warum jetzt?
Es war für mich nie die Frage, ob ich umsteigen möchte, sondern nur wann. Ich habe lange den schleppenden Aufbau der Ladeinfrastruktur verfolgt, den langsamen Rückgang der enorm hohen Kaufpreise und nun hat endlich beides für mich mich gepasst. Wo ich hinwill gibt es mittlerweile Strom und das Auto war zwar nicht gerade billig, aber preiswert und ich musste keine Niere verkaufen um die Anschaffung zu finanzieren.
Was ist es geworden?
Meine Hauptkriterien bei der Suche waren:
Berlin / Hannover (300km) muss in einem Rutsch möglich sein. Auch bei Tempo 120-130.
10-80% Laden in 30 Minuten.
Keine ernsthaften Kinderkrankheiten.
Keine Newcomer Marke. Ich möchte auch in sechs oder acht Jahren noch Ersatzteile bekommen.
Und natürlich – ich muss den Hobel bezahlen können.
Mittlerweile kommen da tatsächlich mehrere Modelle verschiedener Hersteller in Frage. Leider fielen aber ziemlich viele Kandidaten bei einem Punkt durch: Effizienz.
Was nützt mir denn ein großer (teurer, schwerer) Akku, wenn der genau so schnell leergenuckelt wird, wie ein kleinerer in einem effizienten Auto? Strom gibt es ja auch nicht gerade umsonst. Ich habe auch verblüfft festgestellt, dass große und stark motorisierte E-Autos z.T. deutlich weniger verbrauchen als viele elektrische Kleinwagen. Wer hätte das gedacht?
Am Ende bin ich dann beim Tesla Model 3 Basismodell mit Heckantrieb und kleinem Akku gelandet. Laut etlicher Vergleichstests ist das eines der effizientesten E-Autos. Der kommt mit seinem 60kw/h Akku nämlich fast genau so weit, wie andere Modelle mit 77kw/h. Außerdem ist das ein LFP Akku, der wirklich von 0-100% genutzt werden kann, kein Kobalt enthält, nicht brennt und doppelt so lange hält, wie normale NMC. Das Preis-Leistungsverhältnis ist super.
Und ich bin E-Auto Anfänger. Durch das Supercharger Netz ist das wie fahren lernen mit Stützrädern :-D
Und wie ist er?
Mein erstes Zwischenfazit nach 2.000 km (alles von Wochenendeinkauf über Kurzausflüge bis 300km Mittestrecken):
Ja geil! Macht total Spass.
OK, etwas differenzierter bitte. Der Tesla ist in vieler Hinsicht deutlich anders, als herkömmliche Auto. Einiges ist gut, einiges albern, manches einfach nur anders und manches auch eher doof.
Dinge, die ich gut finde
Das Fahrgefühl ist einfach nur großartig. Ruhig, kraftvoll, unaufgeregt, sehr entspannt.
Beim Blinken wird das Bild der Seitenkamera auf dem Display angezeigt. Kein toter Winkel mehr!
Zusätzlich zum echt großen Kofferraum gibt es vorne nachmal ein Gepäckfach.
One Pedal Driving. Ich habe auf den 2.000 km vielleicht 5x das Bremspedal benutzt.
Das Auto ist bis jetzt so sparsam, wie ich es erhofft hatte.
Supercharger sind so gut wie idiotensicher und günstig. Die meisten Standorte haben auch recht viele Lader. 8-20 Stück sind normal.
AC Lader (langsam – meist 11kw) von anderen Anbietern sind weniger günstig, aber funktionieren in Kombination mit 1-3h Parken auch gut.
Vorklimatisierung und Sitzlüftung – einfach genial! Wenn die Sonne das Auto auf 65 Grad aufgeheizt hat und die Kunstledersitze knallheiß sind, einfach in der Smartphone App eingeben, dass man in 5 min losfahren will. Beim Einsteigen hat das Auto dann nur noch 30 Grad, 30 Sekunden Sitzlüftung an und man klebt nicht am Sitz fest.
Die Soundanlage klingt gut.
Die Software ist stabil und die Bedienung auf dem Display schnell.
Unerwartet, aber klasse: Weil das Design sehr reduziert ist, bekommt man das Auto schnell sauber. 10 Minuten mit Lappen und Staubsauger und innen ist wieder alles schick. Mein Mercedes hatte tausend Schalter, war eng und zerklüftet und man musste elende Verrenkungen machen um in alle Ecken zu kommen.
Die Verarbeitung ist gut. Nur auf extremen Kopfsteinpflaster klötert die Gurtmechanik. Sonst ist Ruhe im Karton.
Dinge, die nett, lustig oder albern sind
Der Ton beim Verriegeln des Autos kann geändert werden. Das standardmässige “meep meep” klang mir zu sehr nach billiger 90er Jahre Nachrüst-Alarmanlage. Ich habe mir einen Sound zusammengebastelt, der irgendwo zwischen Laserschwert und elektrischer Funkenentladung klingt. Passt besser zu dem Auto :-D
Man kann den Tesla furzen lassen – und dann auch noch in unterschiedlichen Intensitäten. Ist OK, wenn man 5 jährige Kinder zum Lachen bringen will.
Eingebaute Lightshow mit Dancemoves (was ?!?). Habe selber schon etwas verwundert und amüsiert an so einem Event teilgenommen. Wer sich fragt, wovon ich rede, sucht am besten mal bei Youtube nach “Tesla Lightshow” oder guckt gleich das Video vom “Tesla Takeover 2024“.
Entertainment wie Spiele, Video- und Audiostreaming und sogar eine Software, mit der man mal eben Musikstücke zusammenbasteln kann.
Dinge die einfach nur anders sind
Die Philosophie, wenn möglich Mechanik durch Software zu ersetzen. Versteht nicht jeder. Für ITler seit ewigen Zeiten völlig normal.
Die Bedienung generell. Viel Touch und etwas Sprache, Kaum Knöpfe, kein Tacho direkt vor der Nase. Viele finden das doof, andere lieben den reduzierten und aufgeräumten Look.
Die Klima/Lüftung hat zwar keine mechanische Bedienung mehr, aber dafür kann man auf dem Display mit den Fingern die Luftströmung verschieben und teilen.
Die Materialauswahl im Innenraum. Anders, aber auch schön.
Das Lenkrad fasst sich sehr gut an, aber die Naht des Bezugs ist auf der Rückseite und nicht innen. Am Anfang etwas irritierend.
An einigen Stellen etwas seltsame Prioritäten. Beispiel: Die Hebel am Lenkrad einsparen, aber dafür ein Touchdisplay für den Fond und ein teures Glasdach.
Eher doof
Die ganzen besch… Assistenzsysteme, die Bevormundung, das ständige gepiepe. Hat mich am Anfang irre gemacht, aber das meiste bekommt man ausgeschaltet. Fairerweise muss man sagen, dass das weniger an Tesla liegt. Der ganze Müll ist mittlerweile von der EU für alle Neuwagen vorgeschrieben. Was für Drogen nehmen diese Leute in Brüssel eigentlich während der Arbeit?
Keine Blinkerhebel. Ich habe mich dran gewöhnt und kann jetzt sogar im Kreisverkehr richtig “rausblinken”, aber trotzdem – das war blöd. Minimalismus finde ich ich schick, aber das ist zuviel des Guten. Und ich glaube auch, dass viele das Model 3 genau deshalb nicht kaufen, obwohl es sonst ein tolles Auto ist.
Zwischenfazit
Zwei Monate und 2.000km ist noch nicht viel, aber bis jetzt macht das Auto sehr viel Spass und keine Probleme. Den Gedanken, dass ich einen schönen, gut erhaltenen Mercedes gegen ein amerikanisches Auto, das in China gebaut wurde eintausche und das auch noch klasse finde, hätte ich vor zehn Jahren noch für recht abwegig gehalten.
Laden statt tanken – man muss halt etwas umdenken. Man lädt nicht, wenn der Akku alle ist, sondern wenn man gerade eine gute Gelegenheit hat. Und schon hat man kaum Mehraufwand.
Ich will niemanden bekehren. E-Mobilität passt vielleicht noch nicht für jeden (mein Cousin reist gerne mit großem Wohnwagen) oder überall (In Nord/Ostdeutschland leider noch sehr wenige Schnellader), aber für mich passt es ganz hervorragend.
Dirk Ollmetzer | Thursday, 16 May 2024 | Unterwegs
Sonntag, 12. Mai. Als ich morgens das Haus verließ, traf ich einen Nachbarn. Ich grüßte und sagte, dass ich mich passend für den Gottesdienst angezogen habe. Er musterte meine Motorradkombi, lächelte und meinte nur “oh – ist schon wieder ein Jahr um?”. Ertappt!
Manche nennen sich Christen und gehen einmal im Jahr in die Kirche – zu Weihnachten.
Ich bin getaufter Atheist und gehe auch einmal im Jahr in die Kirche – zu Muttertag. So auch in diesem Jahr. Gemeint ist natürlich der nunmehr 29. Motorradgottesdienst in Friedrichswalde (hier meine Artikel von 2023 und 2022).
In diesem Jahr bin ich mit zwei Arbeitskollegen gefahren. Natürlich sind wir nicht einfach die 70 km Autobahn hoch nach Norden gebrettert, sondern fuhren die Strecke gemütlich über kleine Landstraßen. Der Weg ist zumindest ein wichtiger Teil vom Ziel. So konnte wir die eineinhalb Stunden dauernde Fahrt in die Schorfheide genießen. Das Wetter war perfekt: Sonnig und warm, aber nicht heiß. Die Landschaft stand in voller Blüte, sah bezaubernd aus, duftete gut und mein Antiallergikum hat gewirkt.
So eine kleine Tour ist Balsam für die Seele.
Wir kamen gegen 12 Uhr in Friedrichswalde an und konnten unsere Maschinen noch in der Nähe der Kirche abstellen. Etwas später war bereits das halbe Dorf zugeparkt. Ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Jahr wieder an die 1.000 Motorräder waren.
Als erstes haben wir Pastor Schwieger und seine Frau begrüßt. Trotz des Trubels nahmen sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch. Danach machten wir uns auf ins Getümmel. Viele Menschen standen oder saßen in kleinen oder größeren Gruppen zusammenstanden schnackten miteinander. Dazu bot Dominic Mertens eine gelungenen Mischung aus Coversongs dar. Wir genossen die sehr nette, entspannte und angenehme Atmosphäre.
Nachdem wir uns hinreichend mit leckerem Grillgut, Getränken, Kaffee und Kuchen versorgt hatten, machten wir die obligatorische Runde durch das Dorf, um uns die Maschinen anzusehen. Auch diesmal waren wieder einige wunderschön restaurierte Oldtimer dabei. Und wie jedesmal bin ich auch diesmal verblüfft gewesen, wie etliche hunderte Motorräder zusammen stehen können und keine zwei Maschinen gleich sind.
Um 14:00 begann der Gottesdienst, den ich wie auch in den vergangenen Jahren vom “Balkon” aus verfolgt habe. Die musikalische Untermalung – kräftiger Bluesrock mit christlichen Texten – kam auch in diesem Jahr wieder von Fat Hat. Im Gegensatz zum letzten Jahr allerdings ohne Feuerbälle.
Die Predigt war eine Metapher über Freiheit und Verantwortung, die vordergründig vom Motorradfahren handelt, aber eigentlich recht universell ist. Schön fand ich die Stelle in der aufgezählt wurde, was man während des Motorradfahrens alles tut. All die Schalter und Hebel mit beiden Händen und Füßen zu bedienen, Sitzhaltung, Gleichgewicht, Blickführung, usw. Das klingt für nicht-Biker nach harter Arbeit (die es auch ist) und macht dennoch so viel Vergnügen.
Natürlich gehörte auch wieder eine Schweigeminute dazu, während der wir den Verstorbenen und Kranken gedacht haben.
Nach dem Gottesdienst blieb noch etwas Zeit für ein Getränk, bevor auf der Dorfstraße für die gemeinsame Ausfahrt Aufstellung genommen wurde. Wie in den vergangenen Jahren wurde der Konvoi von der Motorradstaffel der Johanniter begleitet. Nicht so schön war allerdings, dass einige Autofahrer nicht verstanden haben, dass man nicht in einen geschlossenen Verband hereinfahren darf und versucht haben, sich einfach vorbei zu drängeln.
Da wir drei noch die 70km zurück nach Berlin vor uns hatten, haben wir die Karawane ziehen lassen. Wir stärkten uns noch mit einem letzten Stück Kuchen und machten uns dann auf den Weg. Am Werbellinsee legten wir noch einen kleinen Zwischenstopp ein, den einer meiner Kollegen für einen kurzen Sprung ins kühle Nass nutzte.
Diese Erfrischung erwies sich als als goldrichtig, weil wir bereit ein paar Kilometer später im Stau standen. Das Ende eines langen Wochenendes mit starkem Rückreisverkehr nach Berlin, eine zugestaute A11 und eine Baustelle in Eichwalde ergaben einen unerquicklich langen Stau entlang des Werbellinsees. Mit dem Auto hätten wir hier sicherlich 40-50 Minuten gestanden. Mit dem Motorrad fahre ich an so etwas vorsichtig und mit etwas schlechtem Gewissen vorbei, aber eine knappe Stunde mit Stop and Go und Geschwindigkeiten im einstelligen Km/h Bereich geht einfach nicht.
Trotz der etwas mühsamen Rückfahrt war der Motorradgottesdienst auch in diesem Jahr wieder sehr erfreulich. Den Kollegen hat es ebenfalls gefallen. Ich freue mich schon jetzt auf die 30. Ausgabe im nächsten Jahr.
Ein Geburtstag lieferte den Anlass zu einem zweitägigen Ausflug nach Rostock. Natürlich war ich schon etliche Male dort oben an der Küste: Von Kühlungsborn und Heiligendamm bis Fischland / Darß / Zingst. Immer links oder rechts an Rostock vorbei oder schnell durch bis nach Warnemünde, aber niemals in der Stadt selbst.
O.K., Warnemünde ist technisch gesehen ein Stadtteil von Rostock – fühlt sich aber nicht so an. Mein Eindruck war immer, dass die Stadt nur aus Schnellstrassen und DDR Plattenbauten entlang der Warnow besteht und tatsächlich stimmt das auch für große Teile der Stadt.
Aber das ist eben nicht alles und ich habe nun eine sehr schöne Seite kennengelernt.
Rostock ist im Jahr 1283 der Hanse beigetreten und war daher über Jahrhunderte eine blühende Handelsstadt. Zwar wurden während des zweiten Weltkriegs weite Teile der Stadt zerstört, aber die verblüffend große Altstadt hat immer noch viele schöne Ecken und historische Gebäude – teilweise sogar aus dem 14. Jahrhundert. Zudem sind noch Teile der Stadtmauer und mehrere Stadttore erhalten.
Ein Highlight für mich sind die beiden noch erhaltenen Bastionen vor der Stadtmauer an der südwestlichen Seite der Altstadt. Auf der Karte kann man noch die typischen, zackigen oder Rondellartigen Grundrisse der Wallanlagen erkennen. Sie sind auch noch immer von einem wassergefüllten Wallgraben umgeben. Im Gegensatz zum 17. Jahrhundert ist die Anlage aber mit großen Bäumen bewachsen und bildet so einen idyllischen Stadtpark. Trotz des Bewuchses kann man aber noch immer deutlich die enormen Höhenunterschiede von bis zu 20m sehen. Kaum vorstellbar, welch unglaublicher Kraftaufwand der Bau dieser Anlagen ohne Maschinen seinerzeit gewesen sein muss.
Heubastion und Wallgraben – früher Verteidungungsanlage, heute Park
Ich war ohnehin etwas erstaunt, daß es in der Altstadt im Gegensatz zum Umland ganz und gar nicht flach ist.
Und sehr schön ist, dass die Altstadt jenseits der Einkaufsstraße tatsächlich bewohnt wird. Es ist kein reines Shopping / Kneipen / Museums- / Touristenbespaßungs- / Eventdingens, sondern richtige Stadt mit einer Gebäudemischung aus jeder Epoche seit dem 14. Jahrhundert, die ich als sehr angenehm empfinde. Selbst den paar DDR Plattenbauten merkt man an, dass sie in Form und Proportion eingepasst wurden, was seinerzeit vermutlich mit harten Bandagen politisch erkämpft werden musste.
Es gibt in der Altstadt viele schöne und besondere Ecken. Die Nicolaikirche (ab 1230) fiel mir auf, weil es einen Gang gibt (Schwibbogen) , mit dem man quer unter dem Kirchenschiff hindurchgehen kann. Noch ungewöhlicher: Im Dachstuhl sind auf mehreren Etagen Wohnungen (für Kirchenmitarbeiter) untergebracht und im Turm sind Büros (der evangelisch Lutherischen Kirche). Am kuriosesten ist jedoch, dass der Umbau zu DDR-Zeiten in den 1980er Jahren durchgeführt wurde – und das Geld dafür aus Westdeutschland kam, aber das ist eine etwas längere Geschichte.
Zwei Tage sind kurz. Was fiel mir sonst auf?
Mir war nicht bekannt, dass das Kreuzfahrtunternehmen AIDA seinen Firmensitz in Rostock hat.
Die Tourismusabgabe der Stadt ist mit €3,70 pro Tag recht happig, zumal der An- und Abreisetag jeweils voll zählen (also 3 x €3,70 für die zwei Tage). Immerhin ist die ÖPNV Nutzung dabei eingeschlossen – nur habe ich das nicht gebraucht.
Und wenn ich schon mal beim Geld bin: Auf der Hinreise bin ich von Berlin zunächst nach Warnemünde und habe mich vom Navi meines Autos einlullen lassen. Das dumme Ding hat mich tatsächlich östlich der Warnow langfahren lassen. Und plötzlich stand ich ohne Wendemöglichkeit vor dem Warnowtunnel – der einzigen mautpflichtigen Strasse in Deutschland! Also erst mal auf den Standstreifen, Geld suchen und dann die völlig unnötigen €4,10 zu bezahlen.
Das Parkhaus am Rande der Altstadt, in dem ich mein Auto stehen ließ,war auch etwas hinterhältig. Bis 45 min darf man umsonst parken, danach kostet es Geld. Max. Tagessatz: €10,-. Eigenlich sehr fair – nur gibt es keine Schranke und somit auch keinen Parkschein. Man muss das einfach wissen und sich einen entsprechenden Ausweis besorgen, weil tatsächlich streng kontrolliert wird.
Und wenn ich schon mal beim Auto bin – in der Überschrift habe ich ein kleines Wortspiel versteckt. Ich bin nämlich nicht nur durch Rostock gestromert (= “ziellos geschlendert”), sondern auch die komplette Strecke hin- und zurück gestromert (= “elektrisch gefahren”). Meinen Benziner habe ich durch ein E-Auto ersetzt und das war die erste etwas längere Fahrt. Aber dazu schreibe ich separat.
Der Klimawandel ist real und seit einigen Jahren auch deutlich spürbar. Das 1,5 Grad Ziel haben wir bereits im letzten Jahr gerissen und die Zukunft sieht nicht gut aus. Ich muss leider zugeben, dass ich auch ein Gewohnheitstier bin und nicht mein ganzes Leben auf den Kopf stellen will. Ich möchte auch weiterhin Wurst auf meinem Brötchen haben und wegfahren können. Aber das ist natürlich keine Entschuldigung überhaupt nichts zu tun. Also versuche ich durchaus, Dinge zu ändern. Wie in den letzten Jahren auch schon.
Bringt das überhaupt etwas, wenn ich etwas ändere?
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob meine Bemühungen überhaupt etwas bringen, nutze ich seit einigen Jahren den CO2 Rechner des Umweltbundesamtes um mir meine persönliche CO2 Bilanz zu erstellen. Dabei lag ich seit einige Jahren stets deutlich unter dem deutschen Durchschnitt und zudem gingen meine CO2 Emissionen auch stetig zurück. Von unglaublichen 21,56 t CO2 im Jahr 2000 (durch sehr viele berufsbedingte Flüge) über schon bessere 9,22 t 2019 bis auf 8,84 t für 2022. Die Hebel waren vor allem Einsparungen im Energierverbrauch im Haushalt und geändertes Mobilitätsverhalten durch Änderungen im Beruf.
2011 bin ich noch über 35.000 km mit dem Auto (Golf TDI) gefahren. In den letzten Jahren gab es teilweise Homeoffice und mein Büro lag im Nachbarbezirk – klarer Fall für das Fahrrad.
So weit, so schön – und wie geht es weiter?
Zwar habe ich es auch 2023 noch einmal geschafft, die Vorjahreszahl leicht zu unterbieten, aber so richtig viel Potential scheint da nicht mehr drin zu sein. Meine CO2 Bilanz für 2023 liegt bei 8,6 Tonnen – ca. 16% unter dem Deutschen Durchschnitt von 10,34t. Bei Wohnen und Energie liege ich extrem gut, bei Ernährung und sonstiger Konsum leicht besser, aber der Bereich Mobilität ist nicht gut. Das lag vor allem an drei Flugreisen – eine beruflich, eine privat und einmal Urlaub.
Für dieses Jahr sind auch wieder mindestens ein oder zwei Flugreisen fest eingeplant. Das restliche Mobilitätsbudget wird aus familiären Gründen auch nicht geringer ausfallen können. Vermutlich werde ich sogar wieder etwas mehr mit dem Auto fahren müssen. Mein Ziel ist es dennoch, für 2024 unter 8t zu kommen.
Wo ist der Hebel für weitere Reduktion?
Für dieses Jahr ist der Hebel ein technischer. Ich habe vor, meinen schönen (alten und durstigen) Mercedes bald durch ein Elektroauto zu ersetzen. Somit würde es auch Sinn machen, den Urlaubsflug durch einen kürzeren Urlaub mit dem Auto zu ersetzen.
Ich bin gespannt, wie sich das in meiner Gesamtbilanz auswirken wird.
Wie schon im letzten Jahr, war ich auch in diesem Jahr wieder für ein paar Tage in London. Einer meiner Jugendfreunde lebt dort und sein Geburtstag war Anlass genug um sich in der Metropole mal wieder blicken zu lassen. Obwohl ich die Stadt bereits zum vierten Mal seit 2018 besucht habe, konnte ich wieder viele interessante Orte und Dinge entdecken.
London City Airport – spektakulär und empfehlenswert
Wie bereits 2022 bin ich mit British Airways zum London City Airport in den Docklands geflogen (London hat 5 Flughäfen, die man von Berlin auch alle erreicht). Diesmal bin ich auch von dort abgeflogen und kann es nur empfehlen. Der Flughafen ist klein, schnell und es gab nicht eine Minute Verspätung. Zudem sind die für die Strecke eingesetzten kleinen Embraer 190 sehr komfortabel.
Den spektakulären Anflug knapp vorbei an den Hochhäusern der City und der Docklands hatte ich im letztjährigen Artikel (London, Oktober 2022) bereits beschrieben.
Der Start ist auch sehr speziell: Die Startbahn, die zwischen zwei ehemaligen Hafenbecken liegt, ist mit 1500m extrem kurz. Der Flieger steht am letzten Ende, links und rechts Wasser. Die Bremsen sind fest angezogen, während die Triebwerke auf Vollast hochgefahren werden. Das ganze Flugzeug vibriert, die Tragflächen kommen schon ins schwingen und dann werden auf einmal die Bremsen gelöst. Wow – so schnell bin ich noch nie in der Luft gewesen! Fast ein Katapultstart.
Wetter
Laut Voraussage sollte es an allen Tagen stark und ständig Regnen. Freundlicherweise hielt sich das Wetter nicht ganz daran und wir hatten zwischendurch viel Sonne und konnten so ausgedehnte Spaziergänge machen. Trotzdem: Es hat jeden Tag geregnet und wir hatten immer um 90% Luftfeuchtigkeit. Alle meine Sachen waren stets klamm.
Der Goldbarren in meiner Hand
Im letzten Jahr hat mich der Besuch in der British Library begeistert, bei dem ich etliche historische Schätze im Original ansehen konnte. In diesem Jahr hatte ich ebenfalls eine besondere Erfahrung:
In der Bank of England einen echten Goldbarren anzufassen und sein verblüffend hohes Gewicht zu spüren!
Ihr wisst schon, diese Dinger, die als Währungsreseve in Fort Knox gestapelt werden, wie bei James Bond. Und eben in der Bank of England. Die haben angeblich über 400.000 Stück davon.
Natürlich kommt man dort nicht in die Tresorkammern. Aber die Bank hat ein Museum, in dem man einen(!) Goldbarren anfassen kann. Das Ding ist natürlich so gesichert, das man ihn nicht mitnehmen und auch nicht etwas davon abkratzen kann.
Der Barren aus 99.5% reinem Gold fühlt sich angenehm an und ist verblüffend schwer, selbst wenn man das eigentlich schon vorher weiß. Es sind satte 13Kg. Und nachdem ich das wusste, habe ich gleich mal den aktuellen Goldpreis gegoogelt. Ich hatte den Gegenwert eines guten Einfamilienhauses in der Hand: ca. €780.000. Puh…
Das Museum ist auch sonst sehr interessant: Alte Münzen, Geldscheine, Schecks und sogar die Gründungsurkunde der Bank of England von 1694. Passend dazu wurde erklärt, wie bis zum 17. Jahrhundert zunächst die Goldschmiede Währungshüter waren und nach einem Staatsbankrott die Zentralbank gegründet wurde. Aber auch die Verstrickung der Bank of England in den Sklavenhandel wurde ausfühlich thematisiert. Auf jeden Fall ein sehr lohnenswerter Besuch.
Freizeitvergnügen
Abends haben wir gerne mal zwei Bier im Black Lion Pub in der Kilburn High Road zu uns genommen. Der Pub sieht klasse aus, die Bedienung ist freundlich und aufmerksam, das Bier schmeckt gut und sowohl Sunday Roast (Rinderbraten mit Yorkshire Pudding) als auch der (die, das?) Cheesy Naan waren lecker.
Am Geburtstag von meinem Freund sind wir Mittags zunächst wie in alten Zeiten eine Runde Billiard spielen gegangen. Wir waren zunächst etwas irritiert, weil sich die Billardsalons alle “Billardclub” nannten. Tatsächlich sind es Clubs, bei denen man Mitglied sein kann. Aber auch als normaler Mensch bekommt man einen Tisch, wenn etwas frei ist. Als wir meinten, wir möchten für eine Stunden einen “Pool Table” haben, wurden wir gleich wieder mit den kleinen, feinen kulturellen Unterschieden konfrontiert: “Ihr meint American Pool?” Ähm – ja. Snooker muss nicht sein.
Ich hatte schon einige Wochen vor der Reise vorgeschlagen, wir könnten uns Livemusik anhören und recherchiert, was so geht. Irgendwas nettes, nicht zu teuer und so halbwegs in der Gegend wo mein Kumpel wohnt. Man will ja nicht nachts müde und evtl. etwas angetrunken durch die ganze Metropole zurückeiern. Ich bin dann auf Larkin Poe im Roundhouse in Camden aufmerksam geworden. Die Gruppe sagte mir nichts, aber zwei Frauen die amerikanischen Southern Rock spielen, fand ich passend.
Besser hätte ich es kaum treffen können. Der Veranstaltungsort ist ein ehemaliger alter Lokschuppen aus dem Jahr 1847(!) unweit des berühmten Camden Market. Tolle Location! Das Eröffnungskonzert haben 1966 übrigens Pink Floyd gegeben und seit dem haben so ungefähr alle hier gespielt: Stones, Bowie, Led Zeppelin, Doors, Motörhead, Kraftwerk, …
Passend zu Geschichte des Ortes habe ich mich bei der Vorgruppe The Sheepdogs spontan um 50 Jahre in die frühen 70er gebeamt gefühlt: Southern Blues Rock (obwohl sie aus Kanada sind) im Stile von Allman Brothers, Creedence Clearwater und so weiter. Und die Optik war ebenfalls im 70er Stil. Vor allem sind die Jungs gut! Und das Londoner Publikum hat das gewürdigt. Spätenstens beim zweiten Song waren alle gut dabei, wie das in Berlin häufig nur beim Hauptact der Fall ist.
Larkin Poe waren eine Spur heftiger und moderner im Sound und haben den Saal ordentlich gerockt. Zwischendurch gab es auch einen rein akustischen Part zu dem sich alle vier Musiker um ein Mikro gruppiert haben um reinsten Südstaaten Blues zu spielen. Als das Publikum schon gut in Schwung war, lobte Sängerin Rebecca Lovell die britische Rockmusik um dann Elton Johns “Crocodile Rock” zu spielen. So ungefähr der ganze Saal (ca. 1000 Besucher) hat laut und deutlich mitgesungen. Das nenne ich mal eine gelungene Hommage an die Gastgeber!
Ich hatte eigentlich auch aufgrund des verträglichen Preises von ca. £32,- eher mit einem netten Abend in einem etwas größeren Club gerechnet. Bekommen haben wir ein großartiges Rockkonzert. Klasse!
Überhaupt – Musik…
An den unmöglichsten Stellen stehen in der Stadt Klaviere herum: Im Bahnhof, im Einkaufszentrum und so weiter. Und wenn sich da jemand dransetzt, kann diese Person auch sehr gut spielen. Egal wo ich in London bisher jemanden habe musizieren hören (Pub, Bahnhof, Strassenmusikanten, …) – das Niveau ist stets exzellent gewesen. Und falls Ihr jemals an der Abbey Road seid: Lasst das Foto auf dem Fußgängerüberwegs bleiben. Ich bin da 20 mal mit dem Bus vorbei – immer dasselbe: Die Touristen verstopfen da andauernd die Strasse und ein gutes Foto wird es eh nicht.
Der Norden: Hampstead / Golders Green / Fortune Green
Den Sonnenschein am Dienstag haben wir genutzt, um den Norden Londons zu erwandern. Wir sind zunächst von Süden nach Norden durch den riesigen, hügeligen und wilden Landschaftspark Hampstead Heath gelaufen. Dabei haben wir wieder den grandiosen Ausblick vom Parliament Hill über die Innenstadt genossen (Foto von letztem Jahr hier: London, Oktober 2022), sind an malerischen Teichen, knorrigen alte Bäumen vorbeigelaufen und sind von Ausblicken auf Teile Londons, die wie verträumte Kleinstädte in kleinen Tälern im Wald zu liegen scheinen, überrascht worden.
Danach sind wir nach Westen zur Hampstead High Street gelaufen. Auch hier viel Grün und Kleinstadtfeeling. An den Läden merkt man, dass Geld hier absolut kein Problem für die Bevölkerung ist. Alles klein, fein, tippi-toppi. Das war genau richtig um ganz entspannt eine kleine Stärkung in einem schnuckeligen Cafe einzunehmen, bevor ich mir eine Besonderheit angesehen habe, die mich seit meinem ersten London Besuch 1980 interessiert hat: Die tiefste U-Bahn Station in London.
Die 1907 eröffnete Station Hampstead der Northern Line liegt fast 60m tief. Sie hat daher keine Rolltreppen sondern nur Aufzüge und eine Treppe für Notfälle. Während die Eingangshalle oben und der Tunnel unten immer noch fast im schicken Originalzustand und gut gepflegt sind, macht der Treppenschacht schon optisch sehr deutlich, dass man die 320 Stufen bitte nur im Notfall benutzt werden sollte: Keine Verkleidung der Metallwand und in der Mitte lärmt der Ventilationsschacht.
320 Stufen in die Tiefe – ich habe die “Umdrehungen” nicht gezählt.
Von hier aus fuhren wir 1 1/2 Stationen in Richtung Norden nach Golders Green.
Ups – woher kommt die halbe Station?
Eigentlich sollte es zwischen Hampstead und Golders Green noch die Station Old Bull and Bush in fast 70m Tiefe unterhalb des Golders Hill geben. Aber weil die darüber geplante Siedlung nie gebaut wurde, gibt es die Station nur im Rohbau.
Am Auslauf des Golders Hill kommt die Northern Line ans Tageslicht. Und kurz hinter den drei(!) Tunnelportalen liegt die Station Golders Green und ein Betriebshof der Tube. Man merkt deutlich, dass dieser Stadtteil erst mit der U-Bahn kurz vor dem ersten Weltkrieg angelegt wurde. Die ehemalige Dorfstraße ist von dreigeschossigen Wohnhäusern gesäumt, die kleine Läden im Erdgeschoss haben und der Rest sind recht großzügige Doppelhäuser mit Garten. Nicht die sonst üblichen Reihenhäuser.
Von hier aus sind wir mit dem Bus wieder nach Süden zum Fortune Green gefahren. Diese ehemalige Gemeindewiese sollte Ende des 19. Jahrhundert komplett bebaut werden, aber die Anwohner haben damals die Fortune Green Preservation Society gegründet und einen Teil gerettet. Da musste ich sofort an den kautzigen Song We Are The Village Green Preservation Society denken, mit dem Kinks 1968 die englischen Besonderheiten und Spleens auf die Schippe nahmen. Ich habe den Song auch dann nicht mehr aus dem Kopf bekommen, als wir über den daneben liegenden Hampstead Cemetery gelaufen sind. Sehr alt und wild. Nachts bei feuchtem, nebligen Wetter ist das die perfekte Kulisse für Horrorgeschichten.
Stadtumbau
London gehört zu den teuersten Städten der Welt. Ich finde es recht erstaunlich, dass immer noch der größte Teil des Stadtgebietes aus kleinen Reihenhäusern besteht. Weniger erstaunlich ist es hingegen, dass auch sehr viel Stadtumbau mit wirklich großen Hochhäusern durchgeführt wird. Nicht nur Bürogebäude in der City, sondern auch Wohnhochhäuser. Ich habe extrem schrecklich Gegenden gesehen (Docklands), ziemlich schreckliche (neben dem Millenium Dome) und schreckliche (Vauxhall, neben dem MI6) und rund um das ehemalige Kraftwerk Battersea.
Ein eher gelungenes Gebiet für Stadterneuerung liegt sehr zentral in Kings Cross. Drei der größten Bahnhöfe Londons liegen auf nicht einmal 700m nebeneinander an der Euston Road: Euston (hässlicher Zweckbau aus den 60ern), St. Pancras (unglaublich protziger “Barock” in rotem Backstein) und Kings Cross (Schlichte Fassade aus gelbem Backstein mit zwei gigantischen Torbögen).
St. Pancras und Kings Cross liegen direkt nebeneinander und teilen sich den größten U-Bahnknotenpunkt der Stadt. Die Gleisanlagen laufen nach Norden ca. im 35 Grad Winkel auseinander. Das V-förmige Gebiet dazwischen wird vom Regents Kanal durchzogen und war früher Umschlagplatz für Kohle, Standort eines Gaswerkes, sowie für kleine Industriebetriebe. In dieser lauten schmutzigen Gegend wohnten auch noch viele arme Menschen, weshalb die 1906 eröffnete U-Bahnstation Yorck Road ab 1918 zunächst teilweise und ab 1932 komplett geschlossen wurde.
Man mochte die Herrschaften, die in die Vorort pendelten nicht unnötig den Kontakt mit armen und schmutzigen Menschen zumuten…
90 Jahre später ist hier ein neuer Stadtteil entstanden – und er funktioniert verblüffend gut. Das liegt vor allem an seinen Widersprüchen: Zentral und belebt, aber ruhig. Moderne Neubauten, aber die industrielle Vergangenheit nicht komplett abgeräumt. Dicht, aber mit genügend Freiflächen, Wasser und sogar etwas Grün. Sehr verkehrsgünstig, doch ohne Straßenverkehr.
Zudem gibt es eine gute Nutzungsmischung: Sehr viel Bürofläche für so ‘unbedeutende’ Firmen wie Google, Meta, Samsung diverse AI-Firmen usw.. Daneben ist ein sehr großes Gebäude mit Colleges für Kunst, Design und Theater. Es gibt sehr viele Wohnungen; Teilweise Apartements für etliche Millionen, aber auch 30% sozialer Wohnungsbau (was immer das in London bedeutet) und sogar Studentenwohnheime. Entlang des Regent Kanals gibt es auch etlich Liegeplätze für Hausboote. Auf dem Gelände findet sich viel Gastronomie und etwas Einzelhandel. Herausgekommen ist ein recht angenehmer Ort, der versucht, die Historie mit einzubeziehen. Der Ort ist recht belebt, aber ruhig.
London wäre aber nicht London, wenn nicht ein paar Strassenblöcke weiter an einer Hauptstraße ein winziger Durchgang wäre, in der man sich plötzlich in das Jahr 1880 zurückversetzt fühlt.
Wir haben noch etliche andere Dinge gesehen. Zum Beispiel bin ich zum ersten Mal durch den Hyde Park gelaufen oder habe mir den Flohmarkt in der Portobello Road angesehen. Den halte ich übrigens für maßloß überbewertet. Ich meine, er ist ganz nett, wenn man gerade mal in der Gegend ist. Muss jetzt aber auch nicht sein. Da finde ich den Flohmarkt am Mauerpark in Berlin spannender.
Ich kann aber jetzt nicht jede Kleinigkeit aufzählen, die wir gemacht haben, sonst wird dieser Artikel ja nie fertig. Darum komme ich jetzt mal zum…
Fazit
Innerhalb von 5 Jahren war ich jetzt vier mal in London. Jedes mal für mehrere Tage mit straffem Programm. Ich halte mich meist etwas Abseits von den üblichen Sightseeing Routen, aber ich habe immer jede Menge interessanter, skurriler, historisch bemerkenswerter oder einfach nur unterhaltsamer Orte gefunden. Die Stadt wird einfach nicht langweilig. Und dabei habe ich noch nicht mal mit Kunst oder Theater angefangen…
Leider ist sie so unfassbar absurd teuer, dass man das eigentlich nur als Tourist genießen kann – oder man ist wirklich reich. Und ich meine REICH! Ein Jahreseinkommen von läppischen £100.000,- reicht jedenfalls nicht für eine einigermaßen akzeptable Wohnung.
Aber das wird mich nicht abhalten, dort auch im nächsten Jahr mit meinem Kumpel Geburtstag zu feiern. Ich komme wieder!
Vom 22. bis zum 24. September fand die Web Engeneering Unconference in Palma de Mallorca statt. Bereits im letzten Jahr bin ich zu dieser Veranstaltung gereist, hatte damals eine ordentliche Portion Skepsis im Gepäck und wurde sehr positiv überrascht (siehe: “Web Engineering Unconference 2022“). Soviel vorneweg: Auch in diesem Jahr hat sich die Teilnahme für mich gelohnt.
Natürlich ist Mallorca stets eine Reise wert aber das Besondere der WEUC liegt nicht nur am Ort, sondern vor allem an der Art der Veranstaltung. Die Teilnehmerzahl ist auf 100 begrenzt. Teilweise kennt man sich schon seit Jahren, es sind aber auch viele neue Gesichter dabei gewesen. Jeder kann ein Thema mitbringen und vorstellen. Daher weiss man im Vorfeld auch nicht, was für Vorträge oder Diskussionsrunden zu erwarten sind. In diesem Jahr hatte ich auch einen Vortrag vorbereitet, den ich erfolgreich gehalten habe – dazu weiter unten mehr.
Da der Teilnehmerkreis mittlerweile sehr international ist, galt das Motto “english only, please!” – und zwar nicht nur für die Vorträge, sondern auch, beim gemeinsamen Essen und Trinken, damit jeder in interessante Gespräche einsteigen kann. Denn davon gab es reichlich.
Socializing
Diese Art Veranstaltung hat immer mehrere Ebenen: Zunächst natürlich die formelle Ebene des Informationsaustauschs in Vorträgen und Diskussionen während des offiziellen Programms.
Und dann gibt es die informelle Ebene: Gespräche zwischen den Pausen, sowie beim gemeinsamen Essen und Trinken. Das ist dann irgendwas zwischen vertiefenden fachlichen Gesprächen, Kontaktpflege und auch purem Spass. Einige Teilnehmer sind zum Beispiel zwischendurch kurz in den Hotelpool gesprungen, bevor die Veranstaltung weiterging.
Ein gemeinsames Abendessen, um den ersten Veranstaltungstag ausklingen zu lassen, gehört dazu. Und die Frage “Are we going to the Shamrock afterwards?” ist schon fast ein Running Gag. Diese irische Kneipe mit Livemusik ist nicht weit entfernt und dafür berüchtigt, dass man super bis in die Morgenstunden feiern kann. Da kommt man schnell in die Zwickmühle zwischen Geselligkeit und dem Ruf der Vernunft. Man muss ja am nächsten Morgen einigermaßen fit sein. Ich bin ja schließlich nicht mehr 20. Oder 30. Oder 40… (oh jeh…)
Technische Themen
An zwei Tagen, in drei parallenen Tracks und 11 Timeslots gab es insgesamt 32 Vorträge und Diskussionen. Aus Platzgründen kann ich hier nur einige nennen:
Alexander M. Turek zeigte in seinem Vortrag “How much database abstraction do i need?” die verschiedenen Ebenen von Datenbankabstraktion und wofür sie am besten einsetzbar sind, am Beispiel von Doctrine.
Ludovic Toison (NFQ Asia) sprach in “From DevOutch to DevOps” darüber, wie man durch vereinfachtes GIT-Branching in Verbindung mit Feature Toggles von relativ langsamen Release Zyklen zu Continuous Deployment kommt.
Dennis Heidtmann (ScaleCommerce) präsentierte in “Smoxy – a new shortcut for better TTFB” einen neuen Smart Proxy, der Load-Balancer, Page-Cache und Imageserver mit einer einfachen, übersichtlichen Nutzeroberfläche verbindet. Somit kann man einen Shop oder eine Symfony basierte Webapplikation sehr einfach erheblich beschleunigen – auch ohne Admin.
Es gab noch viele weitere interessante Themen (Sicherheit in Kubernetes Clustern, Data-Pipelines, was man aus Core-Dump aus gecrashten PHP Prozessen lernen kann etc.), die ich hier gar nicht ausführlich behandeln kann.
Das Top-Thema war natürlich Künstliche Intelligenz. Dazu gab es unter anderem eine Präsentation von Bertrand Lee (BrightRaven.ai) und mehrere Diskussionsrunden im Rahmen der Veranstaltung und in den informellen Treffen am Rande.
Im letzten Jahr gab es noch eine Vorführung der Bild-KIs Dall-E und Midjourney für die staunenden Teilnehmer. In diesem Jahr hatten die meisten bereits selbst mit KI herumprobiert. Die Frage war nicht mehr, ob die Technik genutzt werden wird, sondern nur noch darum wann und wofür sie bereits einsatzfähig ist. Relative Einigkeit herrschte in der Ansicht, dass wir Entwickler schon bald sehr viel anders arbeiten werden. Und der Zeithorizont ist sicher nicht 10 Jahre und vermutlich auch nicht mal 5, sondern eher noch kürzer.
Damit gehen interessante Fragen einher: Der Umgang mit “geistigem Eigentum” (das schreibe ich bewusst in Anführungszeichen, weil ich das Konzept schon immer für dumm gehalten habe), natürlich die soziale Frage, denn frei nach Karl-Marx hat derjenige die Macht, der über die Produktionsmittel verfügt. Und während der Entwickler bisher der Produzent (von Code) ist, wird er im neuen Modell nur noch Nutzer von Wissen sein, das andere bereitstellen. Er wird also vom Produzenten zum Kunden degradiert. Weil das bereits viele verstanden haben, ist in der KI momentan enorm viel Bewegung im Open-Source Bereich, weil die Entwickler ihren Vorteil nicht einfach kampflos den Konzernen übergeben wollen.
Nicht-technische Themen
Für eine Entwicklerkonferenz gab es auch in diesem Jahr wieder viele nicht technische Beiträge.
Maria Adler (Yet another Agency) gab Anregungen, wie man besser und zufriedenstellender mit der weit verbreiteten Ticketsoftware Jira arbeiten kann.
Tobias Schlitt (commercetools) gab Beispiele, wie man Zusammenarbeit und Teamgeist fördern kann, wenn es keine Büro mehr gibt und nur noch remote gearbeitet wird. Denn das tun im e-commerce Bereich mittlerweile ziemlich viele Firmen.
Claudia Bender sprach über “Social Engineering, Cyber Security and Cyber Thread Intelligence”. Das Thema hat mich brennend interessiert, lag aber leider parallel zu einem anderen sehr interessantem Track.
Bei der Vorstellung der Themenvorschläge am ersten Tag sagten nämlich zwei Teilnehmer (die ich hier öffentlich nicht explizit nenne), dass sie gerne über Mental-Health-Probleme sprechen würden, falls das jemanden interessiert. Und darauf hoben sich fast von allen Teilnehmern die Hände. Am Ende wurden es sogar zwei Diskussionsrunden an Tag eins und zwei. Mein Eindruck ist, dass unter ITlern Probleme mit Depressionen und ähnlichem noch deutlich häufiger vorkommen als im Bevölkerungsdurchschnitt. Wir sind aber wohl jetzt an einem Punkt, an dem die Menschen zu verstehen beginnen, dass es sich um ernsthafte Krankheiten handelt, die man nicht einfach langfristig verstecken oder ignorieren kann.
Mein Vortrag
Wie eingangs erwähnt, hatte ich In diesem Jahr auch einen Vortrag vorbereitet. Zu Jahresbeginn fragte ich meinen Arbeitgeber, ob ich etwas zu unseren Erfahrungen der letzten Jahre erzählen darf/soll. Ich bekam grünes Licht und keine Vorgaben.
Herausgekommen ist ein Vortrag mit dem Titel “How to modernise a 12 years old web application – and the whole company”. Im Kern ging es darum, dass man ein für die Firma essentielles Softwareprodukt nicht modernisieren kann, ohne die Organisation drumherum und die Arbeitsweisen neu zu strukturieren.
Zu Beginn ist mir ein peinlicher technischer Fehler passiert, der für 5min Verspätung gesorgt hat und zudem habe ich noch nie einen öffentlichen Vortrag in englisch gehalten. Daher war ich ziemlich nervös. Mir wurde aber hinterher versichert, dass davon nichts zu spüren war und ich souverän rüberkam. Ich möchte mich hier nochmal ganz herzlich bei Alexander M. Turek für seine spontane technische Hilfe danken.
Nach meinem Vortrag und dem Ende der Unconference hat die Zeit noch gereicht, um mit Freunden eine gute Stunde das Strandleben zu genießen, bevor wir später in einem hervorragenden Tapas-Restaurant in der Altstadt ein gemeinsames Abendessen zum Abschied genossen.
An alle, die ich hier nicht explizit erwähnt habe: Ich habe jedes einzene Gespräch genossen und mich während der ganzen vier Tage keine Minute gelangweilt. Es gab unheimlich viele, gute Anregungen. Und selbst wenn ich Themen bereits kannte, konnte ich mich doch bestätigt fühlen, dass wir diese Dinge bei uns in der Firma bereits erfolgreich einsetzen.
Den Satz mit ungläubigem Blick habe ich mir neulich auf dem Weg ins Büro eingefangen. Wer mir auf Facebook folgt, kennt die Geschichte bereits. Für mich war das Anstoß zu diesem Artikel. Ich hätte ihn auch so betiteln können:
Von Fahrrädern auf der Autobahn, Händen auf dem Asphalt und meiner Allergie gegen den Begriff “Verkehrswende”.
Am ersten Juni Wochenende habe ich in Berlin an zwei interessanten Veranstaltungen zum Thema “Verkehr” teilgenommen. Samstag habe ich das Festival für elektrische Motorräder Reload.Land besucht, mich informiert und Probefahrten unternommen. Darüber habe ich bereits den Artikel “Das leiseste Motorradfestival der Welt: Reload.Land” geschrieben.
Von Fahrrädern auf der Autobahn
Am Sonntag Morgen habe ich mich auf mein Fahrrad geschwungen und bin bei der ADFC Sternfahrt mitgefahren. Das ist eine seit mehreren Jahren stattfindende, angemeldete Demonstration, bei der sichere Infrastruktur für Radfahrer gefordert wird. Die Forderung halte ich für sehr vernünftig, habe aber noch nie an der Sternfahrt teilgenommen.
Ich habe immer nur am Rande mitbekommen, dass das kein guter Tag ist, um sich ins Auto zu setzen und einen Sonntagsausflug zu machen. Auf 20 verschiedenen Strecken mit insgesamt 1000 km Länge fuhren die Demonstranten aus allen Himmelsrichtungen zum Großen Stern im Tiergarten in der Mitte Berlins. Ein Teil (8,5 km) der Strecke führt auch über den südlichen Stadtautobahnring A100 und über die Avus A115 (11,5 km). Ich hatte mich immer gefragt, weshalb denn nun ausgerechnet über die Autobahn gefahren werden muss.
Jetzt weiß ich es.
Zum Einen natürlich wegen der Symbolik und zum anderen werden am Dreieck Funkturm alle Routen zusammengeführt und 50.000 Radfahrer brauchen Platz.
Viel Platz!
So viel Platz, dass selbst die sehr breiten Berliner Hauptstrassen zu eng sind. Lediglich die Stadtautobahn und die Ost-West Achse Bismarckstr. / Straße des 17. Juni sind breit genug für diese Massen. Und trotzdem kam es immer wieder zu Staus. Auf der Autobahn 15 Minuten im Stau zu stehen ist nichts ungewöhnliches. Auf der Autobahn mit dem Fahrrad 15 Minuten im Stau zu stehen, allerdings sehr wohl.
Ich fühle mich generell unwohl in Menschenmassen, aber die Veranstaltung war ruhig, friedlich, super organisiert. Die Polizei sperrte die Straßen mit ihren Einsatzwagen und Motorrädern. Und auch die Fahrradstaffel war dabei. Es gab Gott sei Dank nur wenige Leute, die mit lauter Musik unterwegs waren. Und wenn, war es kein Problem, Abstand zu gewinnen. Natürlich hat ein Scherzkeks genau in dem Augenblick “Autobahn” von Kraftwerk (1974) gespielt, als wir in Tempelhof auf die A100 aufgefahren sind. Das Stück dauerte mit 22 Minuten ungefähr so lang, wie die Fahrt von der Auffahrt Tempelhofer Damm bis zur Abfahrt Messe am Dreieck Funkturm.
Wer war dabei? Alle!
Was die Sache angenehm genmacht hat: Es waren alle da. Jede Altersklasse, jedes Geschlecht, Szenetypen, Familien mit Kindern, Rentner auf Torenrädern, Sportler auf Rennrädern, Jugendliche auf Mountain Bikes, die Wheelies machten, Rocker auf vermutlich selbstgebauten Chopper-Fahrrädern im Harley-Stil, Typen auf allen möglichen Arten von Lastenfahrrädern und, und, und. Ein totaler Querschnitt durch die Gesellschaft auf jeder denkbaren Art von Fahrrädern.
Mein Fazit: Das ist eine ganz coole Demo, die bereits optisch klar macht, worum es geht: Es gibt massenweise Radfahrer, die einfach mehr Platz brauchen, als sie jetzt bekommen. Außerdem hatte ich einfach eine gute Zeit und bei bestem Wetter eine nette und sichere 35 km Runde durch die Stadt.
Von Händen auf dem Asphalt
Am darauf folgenden Montag Morgen bin ich zum Büro gefahren – natürlich mit dem Fahrrad. Bei der Annäherung an die Kreuzung Frankfurter Allee / Warschauer Str. sah ich, wie ein quergestellter Bereitschaftswagen der Polizei die Fahrbahn blockiert und daneben eine Person auf der Fahrbahn saß, neben der ein Polizist kniete. Und ich dachte sofort “Oh nein, bitte keinen Unfall mit Fußgänger oder Radfahrer”.
Das war es Gott sei Dank nicht. Es klebten sich mal wieder Leute von der “letzten Generation” auf dem Asphalt fest. Zum X-ten Mal. Es war eine von wer weiß wievielen Aktionen, die seit Wochen massiv den Berufsverkehr (auf den Fahrbahnen) behinderte. Als ich vorsichtig über die gesperrte Kreuzung fuhr kam einer aus der Truppe mit Flyern in der Hand und stahlendem Gesicht auf mich zu. Als ich anhielt und nicht etwa den Flyer nahm, sondern reichlich genervt fragte, wann sie gedenken mit dem Mist wieder aufzuhören blickte ich in ein verwirrtes Gesicht und hörte den Satz “…aber wieso? Du bist doch auch mit dem Rad unterwegs?”
Ich hatte irgendwie keine Lust auf eine Diskussion, sondern wollte nur ins Büro. Möglicherweise war das falsch. Was ich vielleicht hätte sagen sollen:
“Ja, ich fahre mit dem Rad ins Büro. Aber nicht weil ich ein guter Mensch bin, sondern weil ich ein privilegierter Mensch bin.”
Ich wohne nur fünf Kilometer vom Büro entfernt. Das kann ich mir nur leisten, weil ich einen 25 Jahre alten Mietvertrag habe. Das Büro hat eine abschlossene Tiefgarage in der ich mein Rad an massive Stahlbügel anschließen kann. Wir haben hundert, weil 1/3 der Tiefgarage für Fahrräder reserviert ist. Welches Büro hat das schon? Für mich ist das Fahrrad einfach am praktischsten. Gefolgt von Motorrad, ÖPNV und erst ganz zum Schluss das Auto. Natürlich nehme ich da das Fahrrad.
Aber das war in meinem Leben auch schon mal deutlich anders. Damals, als es in Berlin nahezu unmöglich war, an vernünftig bezahlte Arbeit zu kommen, habe ich es mir nicht ganz freiwillig ausgesucht, 300km zu pendeln. Mehrere Male Hamburg, mal Hannover und die Krönung (im negativen Sinn) war es, mit dem Flugzeug nach Zürich zu pendeln.
Und weil ich das hinter mir habe, bin ich mir meines Standortprivilegs absolut bewußt. Ich verstehe, dass es andere eventuell nicht so gut getroffen haben. Junge Familien, die sich in der Stadt keine Wohnung mehr leisten können und an dem notorisch unzuverlässigen ÖPNV verzweifeln. Selbst innerhalb von Berlin kann man so ungünstige Wege zwischen zwei Orten haben, dass man das mit den Öffentlichen einfach nicht machen will. Die Stadt ist immerhin 900 qkm groß und hat mehr als 30 km Durchmesser.
Meine Allergie gegen den Begriff “Verkehrswende”
Dieses Nichtverstehen des “Aktivisten” ist leider typisch. Und es ist einer der Gründe meiner Allergie gegen den Begriff der Verkehrwende. Das scheint für die meisten einfach zu bedeuten “Die Autos müssen alle aus der Stadt raus und wir fahren Fahrrad”.
Natürlich ist es besser, wenn ich eine Fahrt mit dem Fahrrad mache, anstelle mich für die paar km ins Auto zu setzen. Aber diese extrem verkürzte Aussage halte ich für viel zu platt. Wenn das alles wäre, müsste die vorbildliche Fahrradnation Niederlande ja spürbar weniger CO2 Emissionen haben, als Deutschland. Schauen wir mal, was das Umweltbundesamt für das Jahr 2020 dazu sagt.
Deutschland: 8,8t CO2 pro Kopf Niederlande: 9,4t CO2 pro Kopf
“Aber die fahren doch alle Fahrrad????” Hmm, reicht wohl nicht.
Offensichtlich sind die Dinge doch etwas komplizierter. Es geht um Strukturen, auf die der Einzelne nur sehr begrenzt Einfluss hat. Es geht also darum, diese Strukturen zu ändern. Bessere Radinfrastruktur gehört dazu. Aber die rosa Elefanten im Raum, über die niemand redet sind Flächennutzung, Bodenmarkt und Arbeitsmarkt. Und weil der Artikel schon recht lang ist, höre ich an dieser Stelle auf und schreibe meine Bedenken in eine Folgeartikel. In der Hoffnung, dass das für die Eine oder den Anderen ein “Cliffhanger” ist.
Aufgrund der guten Resonanz im letzten Jahr, fand auch in diesem Jahr wieder das Reload.Land Festival für Elektromotorräder statt. Veranstaltet von Mitgliedern des Craftwerk in Berlin Lichtenberg. Das ist ein Treffpunkt für Motorradbegeisterte, Selbsthilfewerkstatt und ein Veranstaltungsort.
Über die erste Veranstaltung im letzten Jahr hatte ich den Artikel “Viele Zweiräder mit Stromantrieb” geschrieben. Ich bin damals das erste Mal elektrisch angetrieben Zweirräder gefahren, die schneller als 45 km/h sind und war begeistert.
Während die Veranstaltung 2022 noch ein etwas improvisierter Testballon war, ist in diesem Jahr alles ein wenig professioneller. Von den kostenlosen Eintrittskarten, über eine schön präsentierte Ausstellung von Custom Elektro Bikes bis hin zu den Ausstellern.
Wer war da – oder auch nicht?
Am “unteren Ende” waren die E-Bike Hersteller Urban Drivestyle und Super 73 leider nicht mehr dabei. Dafür kam am “oberen Ende” ordentlich was dazu. BMW zeigte seinen erfolgreichen Elektroroller CE04, Harley Davidson brachte seine LiveWire Modelle mit (leider nur zum Angucken und Probesitzen) und Energica kam mit seiner ganzen Produktpalette vorbei und bot geführte Touren an. Brekr aus den Niederlanden und RGNT aus Schweden und Zero aus den USA waren auch wieder vor Ort, dafür fehlte Cake aus Schweden.
Besonders gefreut habe ich mich, daß Sur-Ron anwesend war und ein paar schöne Stücke mitbrachte und auch der direkte Konkurrent Talaria zeigte ein neues Modell.
Neben dem lockeren Herumschlendern und Strom schnacken, konnte man natürlich auch wieder viele Maschinen zur Probe fahren. Im letzten Jahr hatte ich das E-Moped von Brekr, A1 Bikes von BlackTea Cake und Ovaobike, sowie die FX/E und die SR/S von Zero gefahren.
In diesem Jahr hatte ich mich auf BMW, Harley Davidson Livewire und Energica gefreut. Aus der Fahrt mit der Livewire wurde leider nichts. Sowohl die bekannte S1 als auch die neue S2 Del Mar waren nur zum Angucken und Probesitzen vor Ort. Schade. In meinen Augen eine vertane Chance. Dafür fand ich die drei Fahrten, die ich machen konnte umso spannender.
Probefahrt Nr. 1: BMW CE04
Ich hatte mich vor ewigen Zeiten bei BMW zu einer Probefahrt des Elektro-Großrollers CE04 angemeldet. Dazu kam es aber nie, weil das Modell stets ausverkauft war. Umso erfreuter war ich, dass BMW nicht nur anwesend war, sondern auch gleich etliche CE04 mitgebracht hat.
Das Design spaltet: Entweder man findet es völlig unmöglich oder man mag das futuristische. Ich neige zu letzterem. Eine Mischung aus Star Wars und Akira ist für ein modernes Elektrofahrzeug eigentlich genau richtig.
Erster Eindruck nach der Annäherung: Solide bis zum geht nicht mehr. Bester deutscher Maschinenbau und auch die Elektronik inklusive hochauflösendem entspiegeltem Display machte einen guten Eindruck und funktionierte tadellos.
Ich musste mich den ersten Kilometer an die Sitzposition gewöhnen. Da ich noch nie einen Chopper oder Großroller gefahren bin, fand ich die Haltung tief zu sitzen und die Füße weit nach vorne zu stellen sehr eigenwillig. Und die Maschine ist breit. Man muss man die Beine schon recht weit spreizen. Daher könnte es für kleinere Menschen trotz des tiefen Sitzes unerwartet schwierig werden, die Füße auf den Boden zu bekommen. Dazu kommt der wirklich lange Radstand und das recht hohe Gewicht. Ein Wunder an Wendigkeit ist der CE04 also nicht.
Dafür liegt er satt auf Straße, lässt sich trotz der kleinen Räder nicht von Spurrillen irritieren. Beschleunigung ist wie bei allen Elektrofahrzeugen mehr als ausreichend. Genauso klasse ist die Rekuperation. Bei halbwegs ziviler Fahrweise braucht man die Bremse kaum. Lieber die Bewegungsenergie wieder zurück in den Akku.
Der CE04 ist durch sein Gepäckfach (das ruhig etwas größer sein könnte) und die Typ2 Ladebuchse alltagstauglich. Kein Wunder, dass er sich gut verkauft. Der Basispreis von €12.000,- ist für ein so brauchbares Elektrofahrzeug akzeptabel. Auch große Verbrenner Roller kratzen gerne mal an der 10.000er Marke. Aber BMW wäre nicht BMW, wenn es nicht eine lange Aufpreisliste geben würde…
Mein Fazit: Ich bin nicht spontanverliebt, aber der CE04 ist ein gutes, interessantes Fahrzeug. Alltagstauglich, spritzig, super verarbeitet. Zwar teurer als ein Verbrenner, aber nicht mehr doppelt oder dreifach so teuer. Für die Eine oder den anderen bestimmt eine Überlegung wert. Probiert es mal aus. Macht Spass!
Probefahrt Nr. 2: Energica EsseEsse9
Im letzten Jahr hatte ich die Zero SR/F als Benchmark für Motorräder bezeichnet. Umso mehr habe ich mich auf das vergleichbar positionierte Modell vom italienischen Hersteller Energica gefreut. Und die Vorfreude war berechtigt. Denn wenn Italiener im Fahrzeugbau so richtig Herzblut (und Geld) investieren, ist das Ergebnis eigentlich immer extrem geil! Die Maschinen sahen alle bis ins Detail scharf aus. Auch die Qualitätsanmutung ist super.
Natürlich darf es auch kleinere Extravaganzen geben. Die Lösung Fahrmodi (inkl. Rückwärtsgang!) über den Killswitch zu lösen fand ich jetzt nicht so überzeugend. Das hat einen Kollegen bei der Probefahrt auch für 3min. zum Stehen gebracht. Die Probefahrt war nämlich in Gruppe mit einem jungen italienischen Energica Mitarbeiter als Guide. Er fuhr teilweise dort, wo es technisch machbar war etwas – hmmmm – engagiert. Sagen wir mal so: Ich war ganz froh, einen Helm zu tragen und ein italienisches Kennzeichen am Fahrzeug zu haben.
Andererseits: Als wir in einer 30er Zone mit fünf italienischen Sportmotorrädern an einem Biergarten vorbeifuhren und kaum zu hören waren, gab es schon einige erstaunte Gesichter. Im Vergleich zu einer fahrtechnisch ebenbürtigen Ducati sehr leise, aber im Vergleich zu einer Zero deutlich lauter. Dafür sorgt der Antrieb, der die Umwelt wissen lässt, dass hier mechanisch etwas passiert. Aber ich denke, dass das ein guter Kompromiss ist. Noch gehört zu werden, aber nicht rumzunerven ist eigentlich genau das, was man haben will.
Leistungsmäßig ist das hier Oberklasse: 80 kW und satte 207 Nm Drehmoment. Von 0 auf 100 in 3 Sekunden. Noch Fragen?
Andersherum von 100 auf 0 ist dank fetter Brembo Bremsen ebenfalls kein Problem. Das Fahrwerk ist auch über jeden Zweifel erhaben und bietet durchaus mehr Komfort, als erwartet. Vermutlich auch dank des heftigen Gewichts von 260 kg. Die merkt man Gottseidank nur im Stand, bzw beim Rangieren. Selbst sehr langsame Fahrt (Stop and go) ist geschmeidig. Das hat sie mit der Zero gemeinsam.
Das hohe Gewicht liegt zum Teil am Lithium-Polymer Akku mit einer Kapazität von sagenhaften 21,5 kW/h. Das ist so viel, wie vor wenigen Jahren die ersten E-Autos hatten. Und er ist serienmäßig schnelladefähig. Per DC können 6,7 km/min nachgeladen werden. 200 km fahren, 30 Minuten Pause für Toilette, Kaffee, Auflockern und dann weiterfahren ist also völlig realistisch. Einer aus der Gruppe fuhr privat eine Zero und war verblüfft, dass wir auf der Tour nur 2% der Akkuladung verfahren haben.
Mein Fazit: Ich habe ein neues Traummotorrad. Ein Traum wird es aber auch bleiben, bei €25.000,- Einstiegspreis. Puh…
Probefahrt Nr. 3: Sur-Ron Ultra Bee
Dafür habe ich unerwarteterweise einen interessanten, bezahlbaren Kandidaten für Pendeln im urbanen Bereich gefunden: Die Sur-Ron Ultra Bee.
Sur-Ron ist seit Jahren mit seinen Off-Roadern Firefly (siehe mein Fahrberich “Der Ritt auf dem Glühwürmchen“) und der Storm Bee gut im Geschäft. Es gibt mittlerweile auch unfassbar viele Zubehör- und Tuningteile.
Genau zwischen die kleine Firefly und die ausgewachsene Storm Bee haben sie jetzt die UltraBee platziert. Ich konnte das zulassungfähige A1 Motorrad mit Geländebereifung auf dem Geländeparcour testen. Das sehr schmale und leichte (86 kg!) Motorrad ist natürlich extrem handlich und wendig und bügelt grobe Unebenheiten einfach aus. Mit den 6 kW Dauer- und 12,5 kW Höchstleistung kommt sie zwar nur auf 90 km/h Spitze, aber ist in flotten 2,5 Sekunden von 0 auf 50. Das macht Spass! Mit Strassenreifen in der Stadt bestimmt auch.
Und der Akku? Er hat 4 kW/h (72 V, 55 Ah) Kapazität. Man kann ihn herausnehmen, aber bei über 20 kg Gewicht wird man das wohl lieber lassen. Dafür kann man das Ladegerät unter dem Sitz mitnehmen und mit einem Typ2 Adapter sogar an AC Ladesäulen klemmen. Sur-Ron gibt eine maximale Reichweite von 120 km an, aber das ist m.E. völlig unrealistisch. Ich bin seinerzeit mit 1,7 kW/h ca. 40 km weit gekommen – im Stadtverkehr. Ich tippe also auf ca. 80 km in der Stadt. Der Spass kostet €7.500,-
Customizing
Die Motorradszene liebt das customizing, das von leichten Anpassungen bis zu komplett Um- und Neuaufbauten geht. Ich habe an meiner Suzuki ein kurzes Heck, LED Lauflichtblinker und einstellbare, rot eloxierte Kupplungs- und Bremshebel. Das sind eher sehr dezente Anpassungen. Da sieht man im Craftwerk ganz andere Dinge.
Und wenn man Verbrenner Motorräder umbauen kann, geht das mit elektrischen natürlich erst recht. Viele Exemplare wurden in einer liebevoll gestalteten Ausstellung gezeigt. Hier nur ein kleiner Ausschnitt.
Silent Ride
Am Abend des ersten Tages wurde eine gemeinsame Ausfahrt durch Berlin durchgeführt – natürlich ausschließlich mit Elektrofahrzeugen (auch ein elektrischer VW Käfer Umbau war dabei). Ich habe mit das ganze vom Straßenrand aus angesehen. Es ist schon ziemlich speziell, wenn eine Horde von 50 Motorrädern an einem vorbeifährt und das akustisch im normalen Straßenlärm völlig untergeht.
Fazit
Klasse Veranstaltung. Ich hoffe, das wird zu einer Dauereinrichtung. Im letzten Jahr hatte ich noch gefragt “Die Zukunft ist elektrisch – aber ist es die Gegenwart auch schon?” Bei aller Freude und Faszination für die Fahrzeuge schreckte doch immer noch die eingeschränkte Praxistauglichkeit und der Preis der Fahrzeuge. Der Preis bleibt ein Thema, aber bei der Praxistauglichkeit ist der Fortschritt in nur einem Jahr schon deutlich spürbar. Vor dem Ende des Benzinzeitalters muss man als Zweiradfahrer jedenfalls keine Angst haben.