Noch einen Nachtrag zum letzten Vierteljahr: Warum ich im “hohen Alter” von 50 Jahren noch einen Motorradführerschein gemacht habe.
Spontane Entscheidung…
Einerseits war das eine ziemlich spontane Entscheidung. Ich brauchte einen neuen Personalausweis. In Berlin ist das ein ziemlicher Aufwand, weil man sich dafür zwei Monate im Voraus einen Termin reservieren muss. Ernsthaft!
Während der am Sommeranfang vereinbarte Termin beim Bürgeramt so langsam näher rückte, hatte ich mir mein E-Moped zugelegt. Das Fahren machte total Spaß, aber die unsägliche Beschränkung auf 45Km/h ist im Berliner Stadtverkehr einfach nervig und gefährlich. Eine Woche vor dem Termin hatte ich also den Gedanken “Mach doch auch noch den Klasse A Führerschein. Den Termin beim Bürgeramt hast Du ja schon.”
Also schnell recherchiert, was man dafür benötigt, wo eine geeignete Fahrschule ist, wie teuer das ungefähr sein wird und los ging es…
…oder 40 Jahre Verspätung?
Es gibt natürlich auch noch eine etwas andere Sichtweise: Ich habe mich schon als Teenager für Leichtkrafträder und Motorräder interessiert, hatte aber nie genug Geld für eine 80er. Für den Motorradführerschein auch nicht (den Autoführerschein hat Oma gesponsert, aber unter der Bedingung, dass ich nicht auch noch Motorrad fahren lerne). Später hatte ich immer noch kein Geld – oder keine Zeit mehr. Und jetzt hat es gerade gepasst. Über 30 Jahre später…
Das Ergebnis: Erst mal genügend Führerscheinklassen…
Es lief wie erwartet
Mein Fahrlehrer meinte zu Beginn. “Glaub nicht, dass Du schon fahren kannst, nur weil Du seit Jahren Auto und 50er fährst.”
Nun – das hatte ich auch nicht erwartet. Der Vorteil, wenn man schon ewig Auto fährt ist, dass man geübt darin ist, Situationen und die anderen Verkehrsteilnehmer einzuschätzen. Der Nachteil ist, dass man sich 100 kleine Schlampereien angewöhnt hat, mit denen man gut durch den täglichen Verkehr kommt – aber nicht durch die Prüfung.
Zur Vorbereitung auf die Theoretische Prüfung kann ich übrigens die ADAC App auf wärmste empfehlen. Die ist wirklich gut und funktioniert fast genauso, wie die, die die DEKRA zur Prüfung verwendet.
Aber zurück zur Praxis: Zwei Räder sind natürlich etwas ganz anderes als vier Räder. Dazu kommt: Mein Moped wiegt 80Kg und hat 3PS. Die Fahrschulmaschine wiegt 200Kg und hat 75 PS. Zweieinhalb mal so viel Gewicht und 25 Mal so viel Leistung. Natürlich habe ich da erst mal ‘nen Heidenrespekt. Und auch wenn man im Kopf schon weiß, wie die Technik funktioniert und was man tun muss – der Körper muss erst mal langsam lernen, mit der Kraft und Masse umzugehen. Aber das war mir klar.
Unerwartete Details
Trotzdem gab es natürlich ein paar Dinge, mit denen ich nicht so gerechnet hatte.
Lenken geht anders – rechts fahren, rechts drücken
Erst mal das “verkehrt herum lenken”. Bei langsamer Fahrt ist das Motorrad im instabilen Zustand und fährt sich wie ein extrem schweres Fahrrad: Etwas kippelig. Will man nach links, dann lenkt man auch nach links. Aber ab ca. 35Km/h funktioniert das anders rum. Das Motorrad will eigentlich nur geradeaus weiterfahren. Wenn man nun nach links will, muss man erst einen kurzen Lenkimpuls nach rechts geben, damit die Maschine nach links in die Kurve kippt. Das widerspricht völlig der Intuition und muss erst mal gelernt werden.
Motorradfahren ist Arbeit
Auch wie wichtig die richtige Körperhaltung in verschiedenen Fahrsituationen ist, war mir nicht sofort klar. Arme locker halten – aber bei einer Vollbremsung durchdrücken und mit den Knien am Tank abstützen. Bei Schrittgeschwindigkeit so weit wie möglich nach vorne setzen, beim Kreisfahren leicht nach innen. Fußballen auf die Rasten, aber bei Schrittgeschwindigkeit hinten leicht mitbremsen usw.
Passiv auch dem Bock sitzen ist nicht. Am Anfang ist das Fahren daher auch körperlich durchaus fordernd. Nach den ersten Fahrstunden war ich jedes mal derart nass geschwitzt, dass ich meine Unterwäsche hätte auswringen können. Das lag zum Teil aber auch am warmen Wetter und der ungewohnten Kleidung.
Schutzkleidung – eine Wissenschaft für sich
Was mich aber Anfangs am meisten gestört hat, ist die Kleidung. Fahrstunden und Prüfung darf man nur in vollständiger, zertifizierter Schutzkleidung absolvieren: Helm, Handschuhe, Motorradstiefel und Kombi mit Protektoren (Textil oder Leder ist egal).
Die ersten beiden Fahrstunden habe ich schon dafür benötigt um überhaupt mit meiner Ausrüstung klar zukommen. Ehrlich gesagt fand ich schon das Anziehen der Klamotten anstrengend. Alles muss eng sitzen, damit nicht im Wind flattert und Unruhe in die Maschine bringt. Die Klamotten sind dick und schwer und haben überall Protektoren eingebaut. Die Stiefel sind schwer und sehr steif. Rumlaufen ist damit eigentlich nicht möglich. Im neuen, straff sitzenden Integralhelm musste ich zunächst etwas gegen meine Platzangst ankämpfen und der Ohrstöpfel des Funkgeräts hat auch gedrückt.
Und dann stand ich da und fühlte mich, als ob ich eine Ritterrüstung trage. Ich kann damit kaum laufen, höre meinen eigenen Atem laut im Helm und soll jetzt noch diese Höllenmaschine steuern? In der ersten Fahrstunde hatte ich Schwierigkeiten überhaupt den Schalthebel mit dem linken Fuß zu treffen und die Schalter an den Lenkgriffen sauber mit den Handschuhen zu bedienen schien mir auch fast unmöglich. Aber mit der Zeit gibt sich das.
Motorradfahrer brauchen Platz
Ich meine nicht unbedingt den Platz auf der Fahrbahn, obwohl es schon erstaunlich ist, dass man beim Fahren ungefähr gleich viel Platz wie ein Auto benötigt. Oder dass das Motorrad beim rückwärts Einparken fast denselben Lenkradius wie ein Auto hat. Ich rede auch nicht von dem Stellplatz – den habe ich zum Glück.
Ich meine den Platz, den man in der Wohnung benötigt – für die Ausrüstung. Der Helm ist genauso sperrig wie die Stiefel. Die Kleidung lässt sich wegen der ganzen Protektoren nicht zusammenlegen und nimmt daher viel Raum ein. Und das gleich mehrfach, weil man ja für unterschiedliches Wetter, unterschiedliche Kleidung braucht.
Sperrig – wohin mit der Kombi?
Was kostet der Spass?
Es kommt zunächst einiges an Kleinkram zusammen: Sehtest, Fotos, Gebühren und so weiter. Der größte Brocken sind natürlich die Fahrstunden: Grundfahrübungen, Pflichtfahrten (Autobahn, Überland, Nachtfahrt) und die Übungen in der Stadt, wo am Ende auch die Prüfung abgenommen wird. Die genaue Anzahl an Fahrstunden hängt etwas damit zusammen, wie man sich anstellt. Mich hat der Führerschein alles in allem ca. €1.800,- gekostet.
Aber das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Was ich zunächst unterschätzt hatte, ist die Schutzkleidung. Ohne komplette Ausrüstung (Helm, Handschuhe, Motorradstiefel, Kombi mit Protektoren an Gelenken und Rücken) darf man nicht auf die Maschine. Macht ja auch Sinn. Das blöde ist aber, dass man am Anfang ja noch nicht weiß, worauf man achten muss. Daher habe ich leider viele Dinge zweimal gekauft. Eine richtige Herausforderung ist es, einen vernünftigen Helm zu finden. Im zweiten Anlauf habe ich mich für einen Shoei Air GT entschieden, der auf 400,- herabgesetzt war. Eine gute Wahl. Er sitzt fest, drückt nicht, ist bei schneller Fahrt leise, hat ein Pinlock Visier gegen beschlagen und eine integrierte Sonnenblende.
Dazu kam, dass ich zunächst Klamotten für den Hochsommer (30 Grad) benötigt habe und dann für den Herbst (12 Grad). So sind dann schnell nochmal €1.600,- dazugekommen. Natürlich hat man die Ausrüstung dann auch schon für das eigene Motorrad, aber die Ausgabe hat man trotzdem gleich.
Wie lang hat das gedauert?
Den Antrag zur Erweiterung meiner Fahrerlaubnis habe ich am 9. Juli abgegeben und die praktisch Prüfung am 31. Oktober bestanden.
Hat es gelohnt?
Es war etwas blöde, dass ich genau zum Saisonende (Fahrprüfung am 31.10) fertig geworden bin. Ich habe mich entschlossen, mir trotzdem sofort ein Motorrad zuzulegen, damit ich über den Winter nicht gleich wieder alles verlerne. So lange es das Wetter zulässt fahre ich. Auch wenn es grau ist und das Thermometer nur drei Grad anzeigt.
Meine hübsche Suzi…
Mein Eindruck nach einem Monat Fahrpraxis: Es macht wirklich richtig Spaß. Also: JA – es hat sich gelohnt!
In meinen letzten beiden Artikeln habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie ich selbst so langsam vom Benzin loskommen kann, ohne auf die eigenständige motorisierte Fortbewegung zu verzichten. Das hat mir von einem Bekannten die Einladung eingebracht, ich könne mal seinen Tesla ausprobieren. Wenn wir es schaffen, uns auf einen Termin zu einigen, werde ich das auch sehr gerne mal machen. Aber auch wenn mich das Auto faszinieren sollte, liegt es leider deutlich außerhalb meiner finanziellen Reichweite. Deshalb gehe ich das Ganze mal von der anderen Seite an: Nicht ganz oben, sondern ganz unten auf der Mobilitätsskala.
Am 6. Mai habe ich im Artikel “Weg vom Benzin (Teil 1) – alleine durch die Stadt” die Testfahrt auf einem elektrischen Moped beschrieben. Nach einigem Hin und Her hatte ich mich dazu entschlossen, mir so ein Gefährt zuzulegen. Das ging nicht ganz so spontan wie gedacht, da diese Maschinen momentan offensichtlich wie geschnitten Brot verkauft werden (“Ich habe gerade alle verkauft, aber der nächste Container kommt in vier Wochen…”). Aber jetzt ist es so weit.
Seit gestern habe ich jetzt eine Super Soco TS 1200 R. Das ist ein etwas anderes Modell, als ich zuerst gefahren bin, aber die Unterschiede sind nicht gravierend. Die Soco TC hatte 3 KW Höchstleistung und die Soco TS nur 2,4 KW, aber da ich ohnehin nur alleine auf dem Bock sitzen werde, macht das vom Fahrgefühl kaum einen Unterschied. Größer sind die Unterschiede im Styling: Die TC machte einen gediegeneren Eindruck mit leichten Retro Einschlägen, was sich neben der Sitzbank auch in der zurückhaltenden Farbskala zeigt. Die TS sieht flotter aus und ist in fetzigeren Farben erhältlich. Dem genialen matt-orange konnte ich nicht widerstehen, und so habe ich nun auf dem Hof neben meinem schwarzen Auto noch dieses schicke Gefährt stehen.
Super Soco TS 1200R
Da ich die Maschine erst seit zwei Tagen besitze, kann ich nur meine ersten Eindrücke wiedergeben. Diese basieren auf 40 Km Berliner Stadtverkehr bei sommerlichen 27 Grad.
Geschwindigkeit
Auch wenn die Soco recht flott aussieht – sie ist letztlich nur ein Moped, das max. 45 Km/h schnell sein darf. Daher habe ich die richtig großen mehrspurigen Straßen auf denen real eher so 60 Km/h gefahren wird gemieden und mir andere Wege über Nebenstrassen gesucht. Dafür muss ich mir aber erst mal meine “Berliner Straßenkarte im Kopf” neu erfahren. Das wird sicher noch ein paar Wochen dauern.
Damals mit meiner Honda NSR 50 waren Autofahrer beim Ampelstart so manches mal genervt, weil ich nicht schnell genug vom Fleck kam. Das ist mit der Soco gottseidank nicht mehr so. Es hat nie jemand gedrängelt, meist war ich auf den ersten 100 – 200 m sogar schneller. Die Beschleunigung von der Ampel weg ist also trotz nur 2,4 KW Leistung ausreichend und geht linear bis 47 Km/h auf dem Digitaltacho stehen. Bei guter Laune auch mal 50 Km/h, aber ich denke, der Tacho geht etwas vor. Auch die negative Verzögerung funktioniert gut. Die beiden Scheibenbremsen sind gut dosierbar und packen kräftig zu. Eine Vollbremsung habe ich noch nicht ausprobiert.
Fahrgefühl und Komfort
Obwohl die Soco viel kleiner, als ein richtiges Motorrad ist, kann ich mit meinen ca. 1,90m gut sitzen ohne mich zusammenfalten zu müssen. Die Sitzbank könnte etwas breiter und das Fahrwerk dürft gerne etwas geschmeidiger sein. Das Berliner Kopfsteinpflaster ist schon etwas gemein. Auf einem ganz besonders fiesen Abschnitt der Kurfürstenstr. konnte ich nur knapp über Schrittgeschwindigkeit fahren. Ansonsten ist das Fahrwerk der nur knapp 80Kg leichten TS 1200 völlig problemlos.
Alle Bedienelemente liegen gut zu Hand und machen einen qualitativen Eindruck. Im Gegensatz zu einem normalen Mockick ist die Bedienung viel einfacher. Kein Chocke am Vergaser, keine Fußhebel, keine Kupplung am linken Lenker, sondern die Hinterradbremse. Mit dem Funkschlüssel die Alarmanlage ausschalten und den Startknopf auf der Tankattrappe drücken. Das Display macht dann kurz einen Selbsttest, während ein Stadtsound wie beim Handy ertönt und man kann losfahren. Meine anfängliche Skepsis zum digitalen Armaturenbrett scheint unbegründet. Obwohl es nicht entspiegelt ist, war es sowohl bei direkter praller Sonne, als auch bei einer Fahrt durch einen Tunnel jederzeit gut ablesbar.
Schlüssel und Puck für die Alarmanlage
Das Fahren geht denkbar unspektakulär ab. Einfach am “Gasgriff” drehen und das Maschinchen wird lautlos ohne Unterbrechung schneller bis die Höchstgeschwindigkeit erreicht ist. Weil der Bosch-Motor direkt in der Hinterradnabe sitzt, hört man nicht einmal ein Summen, wie man es von manchen Elektrorollern kennt. Anfangs war ich über das Verhalten der Motorsteuerung etwas irritiert: Nicht alleine die Stellung des “Gasgriffs” entscheidet darüber, ob “Strom” gegeben wird, sondern auch die Lastsituation. So hatte ich ein paar mal bei ca. 40 Km/h das Gefühl, dass die Maschine nicht richtig auf meine rechte Hand reagiert. Aber wenn man das Prinzip verstanden hat, ist alles tutti.
Sozialverträglichkeit
Weil die Maschine nahezu geräuschlos ist, muss man mehr auf Fußgänger und Radfahrer aufpassen, die sich häufig nur auf das Gehör verlassen. Andererseits habe ich viele wohlwollende Blicke und sogar Lächeln geerntet (in BERLIN!!!), wenn ich an der Ampel oder am Zebrastreifen Fußgänger durchgelassen habe. Das wäre mir auf einem knatternden und stinkenden Zweitakter wohl kaum passiert. Zudem haben mich mehrere Leute nach Detail zu der Maschine gefragt. Das Interesse an Elektromobilität scheint groß zu sein. Die häufigste Frage war – wie zu erwarten – nach der Reichweite.
Reichweite
Der Akku ist neu und benötigt vermutlich erst einmal ein paar Ladezyklen, bevor ich da wirklich belastbare Zahlen habe. Auf der Homepage von Soco stehen 160km. Das gilt aber nur wenn man mit zwei Akkus fährt und vermutlich bei konstant 15 Km/h. Ich nur einen Akku und fahre im Berliner Verkehr. Mit 80 Km sollte ich also nicht rechnen. Der Händler meinte, dass je nach Fahrweise zwischen 50 und 60 Km realistisch seien. Das scheint sich zu bestätigen. Gestern Abend hatte ich 30km zurückgelegt und der angezeigte Akkustand lag bei 42%.
Digitaltacho
Man kann das Ladegerät direkt an die Soco stecken, wenn man eine Garage mit Stromanschluss hat. Diese Luxus ist mir nicht vergönnt, also habe ich abends den Akku herausgenommen, den 12 Kg schweren Block in das vierte Obergeschoss gewuchtet und in der Küche wieder aufgeladen. Das Ladegerät hat einen recht lauten Lüfter, wird dafür aber kaum warm. Beim ersten Mal roch das Gerät etwas chemisch nach neuer Elektronik. Eine volle Ladung soll ca. 5 Stunden dauern. Nach vier Stunden war die Kontrollampe am Ladegerät wieder grün, aber der Akku zeigte nach dem Wiedereinbau nur 90% an. Vielleicht war das Ladegerät etwas optimistisch? Mal sehen, wie sich das nach 5-10 Ladezyklen verhält.
Soco Akku und Ladegerät
Zwischenfazit
Ich glaube, dass der Kauf kein Fehler war, weil das Fahren mit der Soco einfach viel Spass macht. In den nächsten Wochen werde ich auf dem Weg zur Arbeit mehr Erfahrung sammeln – insbesondere zur Reichweite und dann nochmals darüber berichten.
Weg vom Benzin. Bloss wie? In der letzten Woche hatte ich die Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche (teil-)eletrische Fahrzeuge auszuprobieren: Ein Elektromokick (siehe vorheriger Artikel) und einen Kombi mit Hybridantrieb.
So sinnvoll ein kleines praktisches Zweirad für die Stadt ist – manchmal benötigt man ja doch ein Auto. Ein reines Elektroauto kommt für mich zur Zeit noch nicht in Frage und einen normalen Verbrenner möchte ich mir nicht nochmal kaufen. Da bleibt eigentlich nur der Hybridantrieb übrig.
Meine erste Probefahrt mit einem Hybridauto liegt fast 10 Jahre zurück. Den Honda Insight fand ich 2009 nicht passend für mich und danach hatte ich das Thema erst einmal zur Seite gelegt. Aufgrund der aktuellen Abgasdiskussion wollte ich mich aber über den aktuellen Stand der Technik informieren und ein aktuelles Modell zur Probe fahren.
Das Angebot von bezahlbaren Hybridfahrzeugen in Deutschland ist ziemlich übersichtlich. Da seit längerem jedes zweite Taxi in Berlin ein Toyota Prius ist, gehe ich davon aus, dass die Technik langlebig und günstig im Unterhalt ist. Toyota baut den Prius sei nunmehr 20 Jahren – und genauso lange empfinge ich den Wagen als optische Beleidigung.
Toyota Auris Touring Hybrid – Der sparsame Raumgleiter
Toyota baut diesen Antrieb aber auch in zwei andere Fahrzeugtypen ein: In das Kompakt-SUV C-HR und in den normalen Auris. Ich habe mich dazu entschieden, das “normale” Auto zur Probe zu fahren und bekam einen Auris Touring Hybrid zur Verfügung. Der Kombi ist mit seinen fast 4,60 Außenlänge eigentlich nicht mehr der Kompaktklasse zuzurechnen. Der Platz war absolut ausreichend – nur sollte man mit 1,90 nicht hinter einem anderen 1,90 Menschen sitzen.
Toyota Auris – Raumgleiter von vorne
Toyota Auris – Raumgleiter von hinten
Design und Platzangebot
Das Äußere des Wagens gefällt mir im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen des Herstellers sogar recht gut. Es hat was von einem Raumgleiter ohne mit Extravaganzen zu nerven. Das passt auch zum Fahrgefühl, aber dazu später mehr. Der Innenraum ist sehr konservativ. Gut so, weil man nichts lange suchen muss. Einsteigen, Lenkrad, Sitz und Spiegel einstellen, Startknopf drücken (Keyless-Go) und los geht es. Man kann ganz normal fahren, ohne irgendwelche Besonderheiten beachten zu müssen. Die Ausstattung war gut. Alles was das Autofahren angenehm macht war an Bord: Von Lederlenkrad bis Rückfahrkamera. Der Preis des Testwagens lag bei ca. €28.000,-
Der erste Eindruck
Ungewöhnlich ist, dass es beim Starten kein Motorgeräusch gibt. Also den Fuß auf die Bremse, das niedliche Wählhebelchen auf “D” stellen und sanft auf das Gaspedal treten. Lautlos rolle ich vom Hof und durch die Seitenstraße mit Tempo 30. Erst als ich auf die Hauptstraße einbiege und stärker beschleunigen muss, meldet sich Benzinmotor dezent zu Wort.
Die Materialien sind in Ordnung, die Verarbeitung gut. nichts wackelt oder klappert während der Fahrt. Alle Bedienelemente, die zum eigentlichen Fahren notwendig sind liegen dort wo man sie erwartet. Umso ärgerlicher ist der unnötige Ausrutscher in der Mittelkonsole: Das spiegelnde Touch-Display. Schlimm genug, dass Elemente, die man blind bedienen können muss, wie die Lautstärke der Musikwiedergabe zum Blick auf das Display nötigen – man erkennt dort ggf. nicht mal etwas, weil das Display höllisch spiegelt. Ein dicker Minuspunkt für dieses Sicherheitsrisiko.
Murks in der Mittelkonsole
Die Fahrtstrecke
Meine Probefahrt ging durch den Berliner Stadtverkehr, über die Landstraße zum Berliner Autobahnring und ein paar Ausfahrten weiter wieder zurück in die City. Insgesamt waren das ca. 50Km, die ich mit einem kleinen Zwischenstop bei einem Drive-In in zwei Etappen fuhr. Die erste Hälfte der Fahrt war mit einem Kaltstart. Die zweite Hälfte der Strecke startete ich mit warmen Motor. Das ist insofern wichtig, weil der Verbrauchszähler nach jedem Start zurückgesetzt wird.
Der Verbrauch
Toyota gibt den Verbrauch mit 3,5 bis 4 Liter an. Ich denke bei mir so “Lächerlich! So ein großes Auto. Wir liegen bestimmt mindestens zwischen 5 und 6 Liter und das wäre noch gut”. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese Werte realistisch sein könnten. Als ich mit kaltem Motor losgefahren bin, lag der Verbrauch bis kurz vor der Autobahn bei 4,8 bis 5 Litern trotz teilweise etwas zähem Verkehr. Auf der Rückfahrt mit warmen Motor lagen wir kurzzeitig sogar bei nur 3,3 Liter(!). Als ich wieder beim Händler angekommen bin, zeigte der Durchschnittsverbrauch 3,7 Liter an. Bei durchgängig laufender Klimaanlage!
Das sind fast 10 Liter weniger, als bei meinem angeblich “Blue Efficiency” Mercedes.
Okay – ich bin beeindruckt!
Bestwert 3,3l. Am Ende blieb es unter 4l
Das Fahrgefühl
Der Wagen lässt sich sehr angenehm fahren. Die Lenkung ist recht leichtgängig, aber präzise. Das Fahrwerk straff aber dennoch komfortabel. Dank Automatik gleitet man entspannt durch Stop-and-go. Der Charakter des Wagens beruhigt und verführt zu ruhigem mitschwimmen im städtischen Gewusel. Das trägt sicher seinen Anteil zu dem extrem geringen Verbrauch bei. Der Auris ist gut verarbeitet, komfortabel und meist so leise, dass man nur Wind und Abrollgeräusche hört – außer man muss mal stärker beschleunigen.
Der Motor ist mit einem stufenlosen Getriebe gekoppelt. Sobald man Leistung abruft, dreht der Motor hoch und das Geräusch passt einfach nicht zur gefühlten Beschleunigung. Das ist zwar Gewöhnungssache, aber es irritiert. Schlimmer ist jedoch, dass dann nicht allzuviel passiert.
Der Antrieb ist mit 136 PS angegeben, was für ein Fahrzeug dieser Größe knapp ausreichen würde, aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Verbrennungsmotor alleine hat nämlich nur 99 PS. In der Stadt und bis Landstraßentempo schiebt der Elektromotor ordentlich mit und spielt seinen Drehmomentvorteil aus, aber auf der Autobahn geht dem Wagen schnell die Puste aus.
Er kommt zwar maximal auf 175Km/h, aber ab 120 passiert nicht mehr viel. Auf dem fast leeren Berliner Ring kam ich bis 160, aber das war sehr zäh. Wenn man viel auf der Autobahn im Berufsverkehr unterwegs ist und nur die Wahl hat mit 90 hinter Lastwagen zu hängen oder mit 160 von Kleintransportern gejagt zu werden, ist das sehr unangenehm. Zudem steigt dort natürlich auch der Benzinverbrauch rapide an.
Das Fazit
Der Auris Hybrid ist ein richtig gutes Auto – solange man nur selten Autobahn fährt. Er ist das genaue Gegenteil von meinem aktuellen Auto. Der Mercedes ist chic, aber unpraktisch und in der Stadt ein absoluter Säufer. Dafür fühlt er sich aber auf der Autobahn pudelwohl. Entspanntes Schnellfahren zu relativ moderatem Verbrauch ist sein Ding.
Der Toyota ist das totale Vernunftauto, dass sich angenehm fährt. Die Verbrauchswerte empfinde ich als sensationell. Nur die Autobahnfahrt ist weder lustig noch günstig.
Ich plädiere dafür, in Deutschland endlich flächendeckend Tempo 120 auf Autobahnen einzuführen – aus Gründen der Verkehrssicherheit und damit man sich endlich guten Gewissens solch ein tolles Vernunftauto zulegen kann.
Da solch ein Tempolimit in Deutschland genausowenig zu erwarten ist, wie sinnvolle Waffengesetze in den USA kann ich nur warten, bis Toyota in der nächsten Version dem Benzinmotor etwas mehr Rumms spendiert.
Die teils schon hysterisch geführte Diskussion um Dieselabgase und Elektroautos finde ich nervig. Schon seit längerem ist klar, dass der klassische Verbrennungsmotor am Ende ist. Ebenso klar ist aber auch, dass die Übergangsphase auf eine neue Technik etwas dauern wird und wir am Ende auch einen anderen Umgang mit Mobilität haben werden.
Elektroantrieb ist toll, kann aber zur Zeit noch nicht alle Bedürfnisse abdecken. Schwerlastverkehr und lange Strecken sind nicht sein Ding. Da kann die Hybridtechnik als Brückentechnologie sinnvoll sein. Aber im innerstädtischen Verkehr ist der Elektroantrieb eigentlich schon heute einsatzbereit.
In der letzten Woche hatte ich die Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche (teil-)eletrische Fahrzeuge auszuprobieren: Ein Elektromokick und einen Kombi mit Hybridantrieb.
Das elektrische Mokick Soco TC
Vor ca. 20 Jahren hatte ich schon einmal ein Mokick: eine Honda NSR 50. Ich habe sie sehr gerne gefahren und zwar über das ganze Jahr, außer bei Schnee und Eis. In der Stadt ist das die schnellste Möglichkeit, mittellange Strecken zurückzulegen und man hat auch nur selten Parkplatzstress. Man benötigt keinen Motorradführerschein und es genügt eine günstige Versicherung. Obwohl diese Fahrzeuge in der Stadt super praktisch sind, fand ich seit längerem den Geräuschpegel und die Abgasfahne der 50er Zweitakter nervig und unzeitgemäß und habe das Thema für mich zu den Akten gelegt.
Seit ca. drei Jahren sind im Berliner Stadtverkehr immer mehr elektrische Leihroller von Emmy oder Coup unterwegs. Leise und offensichtlich sehr flink. Das hat mein Interesse wieder geweckt. Mit einem sauberen Elektroantrieb sind das eigentlich die idealen Stadtfahrzeuge. Die relativ geringe Reichweite ist da kaum relevant. Wichtig bei der Auswahl eines entsprechenden Fahrzeugs wären für mich:
Stabiles Fahrverhalten und ein kräftiger Antrieb, damit man möglichst zügig auf die erlaubten 45Km/h kommt. Ansonsten ist man ein Verkehrshindernis und wird häufig übel geschnitten.
Der Akku muss herausnehmbar sein, damit man ihn in der Wohnung laden kann. Auf der Straße und im Hof habe ich ja keine Steckdose. Verlässliche 50 Km Reichweite wären auch gut.
Ich muss gut, bequem und sicher sitzen können.
Ein annehmbares Design wäre auch gut.
Gesicherte Ersatzteilversorgung.
Am 1. Mai habe ich den Brückentag und das gute Wetter genutzt, um einen Händler aufzusuchen, der sich auf kleine Elektrofahrzeuge spezialisiert hat: Scooterhelden in Berlin Schöneberg. Den Laden gibt es schon ein paar Jahre und sie haben ein vergleichsweise breites Angebot.
Als ich im Laden meine Kriterien aufzählte, fiel mein Blick auf zwei kleine, fast baugleiche Motorräder von Soco. Die etwas flotter gestylte Super SOCO TS-1200 mit 2,4KW in sagenhaftem matt-metallic-Orange und eines etwas mehr Retro-Charme versprühende Super SOCO TC in schwarz mit 3KW.
Klassisch und modern – SOCO TC von der Seite
Das Probesitzen auf der Soco TC zeigte, dass mir das kleine Maschinchen wie angegossen passt. Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick, aber danach habe ich keinen Roller in dem Laden eines weiteren Blickes gewürdigt. Die Formalitäten für die Probefahrt waren schnell erledigt. Der 12Kg Akku wurde eingesetzt, ich erhielt eine kleine Einweisung und los ging es durch Schönebergs Seitenstraßen. Ich bin immerhin 20 Jahre nicht mehr gefahren. Da sollte man es etwas vorsichtig angehen lassen.
Schön und schmal – SOCO TC von hinten
Die Soco TC verfügt über Keyless Go. Der Schlüssel in der Tasche genügt, Startknopf drücken und das System fährt hoch. Die Bedienung ist sehr einfach, da es ohne Kupplung und Schaltung auch keine Fußhebel gibt. Nur Gasgriff und zwei Bremshebel wie am Fahrrad. Man kann drei Fahrstufen einstellen, was m.E. nicht nötigt ist.
SOCO TC von vorne
Die Soco zieht mit ihren 3KW für ein Mokick gut los. Der Nabenmotor von Bosch im Hinterrad entwickelt aus dem Stand sagenhafte 130Nm Drehmoment. Das waren mal gute Werte für einen Kleinwagen! Reserven hat die Maschine ausreichend. Ohne Drosselung sollen bis zu 70 Km/h drin sein – was in Deutschland natürlich nicht erlaubt ist.
Das Fahrverhalten ist ruckfrei, sicher, stabil und handlich. Es ist schon toll, wenn man am “Gasgriff” dreht, die kleine Maschine schnell Fahrt aufnimmt und man nichts hört außer dem Wind am Helm. Da die Maschine nahezu lautlos fährt, muss man aber verstärkt auf Fußgänger und Radfahrer achten, die einen akustisch nicht wahrgenommen haben. Gut, dass auch die Bremsen kräftig und gut dosierbar sind.
Die kleine Tour hat mir unheimlich Spaß gemacht. Der Preis ist mit €3300,- absolut angemessen.
Da es mittlerweile einen europäischen Importeur gibt, soll die Ersatzteilversorgung der natürlich auch China stammenden SOCO gesichert sein. Für die Akkus setzt der Hersteller Zellen von Panasonic und anderen Markenherstellern ein. Die Reichweite liegt bei offiziell 80 km, realistisch sollen 50-60 km sein. Wem das nicht ausreicht, der kann auch einen zweiten Akku einbauen.
Vor kurzem machten die beiden tödlichen Unfälle von “autonomen Autos” Schlagzeilen: Der Volvo SUV von Uber überfuhr eine Radfahrerin ohne zu bremsen und der Tesla fuhr ebenfalls ungebremst in eine Absperrung, wobei der “Fahrer” verstarb.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich (teil-)autonom fahrende Autos für ziemlichen Schwachsinn halte, der nur von den Hauptproblemen mit Autos ablenkt (Flächenverbrauch, Energie- und Ressourcenverbrauch). Aber ich versuche mich davon im Folgenden so wenig wie möglich ablenken zu lassen und sachlich und nüchtern abzuwägen.
Bereits als die Euphorie um autonome Fahrzeuge vor zwei oder drei Jahren richtig Schwung bekam, habe ich gesagt, dass ich nur zwei Arten von Fahrzeugen für akzeptabel halte:
Der Fahrer hat jederzeit die volle Kontrolle über das Fahrzeug. Er darf die Kontrolle auch nicht an Teilsysteme abgeben. Das war bis vor kurzem weltweit geltendes Recht aufgrund des Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aus dem Jahr 1968.
Es gibt keinen Fahrer mehr, weil das Fahrzeug in jeder Situation 100% Autonom agiert. Man ist Passagier wie in einem Bus oder Taxi ohne die Möglichkeit, in die Steuerung einzugreifen.
Jede Mischform dazwischen ist in extrem gefährlich. Wenn das Auto dem Fahrer die Routine abnimmt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er genau in dem Moment, in dem die Technik nicht weiter weiß, abgelenkt ist und die Verkehrssituation nicht in Blick hat. Die Reaktionszeit des Menschen, um sich zu orientieren, die Situation zu verstehen und wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen ist unakzeptabel hoch und ein Unfall sehr wahrscheinlich. Die beiden o.g. Unfälle hatten genau dieses Szenario.
Ärgerlich ist, dass das voraussehbar war, weil das Aufmerksamkeitsproblem keine neue Erkenntnis ist, wie ein Blick in Eisenbahnverkehr und Luftfahrt zeigt. Elekrische Lokomotiven haben bereits seit den 30er Jahren Totmannschalter bzw. heutzutage eine Sicherheitsfahrschaltung. Piloten in Verkehrsflugzeugen müssen auch während der Normalfluges per Autopilot ständig kleinere Aufgaben durchführen. Technisch sind die seit langem nicht mehr notwendig, sondern dienen hauptsächlich dazu, dass die Crew konzentriert bleibt. Und wir reden hier von Profis mit Spezialausbildung, Typzulassung und regelmäßigen Gesundheitschecks und Simulatortraining.
Diese Erkenntnis wird ausgerechnet bei Autos völlig ignoriert. Dazu kommt die aus der US-amerikanischen Mentalität erwachsene Hybris, übereilt unfertige Dinge auf die Menschheit loszulassen. In diesem Fall halte ich die ebenso typisch deutsche Behäbigkeit gegenüber Neuerungen, die mich so manches Mal auf die Palme bringt, für angemessener.
Ich denke, dass das Wiener Übereinkommen wieder uneingeschränkt gelten sollte.
Teilautonomes Fahren sollte aus Sicherheitsgründen wieder verboten werden.
Wenn dann in (m.E. etwas fernerer) Zukunft die Systeme so gut sind, dass sie wirklich völlig selbstständig fahren, reicht es den juristischen Begriff des Fahrers zu erweitern.
In Berlin findet parallel zur Bundestagswahl auch ein Volksentscheid zum möglichen Weiterbetrieb des Flughafens Tegel (TXL) statt. Ich habe meine Stimme bereits vor über einer Woche per Briefwahl abgegeben und möchte mich jetzt mal bekennen:
Ich habe dafür gestimmt, den Flughafen Tegel weiterhin offen zu halten.
Bäng!
Bevor jetzt mit faulen Tomaten oder Eiern nach mir geworfen wird, bitte ich darum, meine Argumente anzuhören.
Ich bin nämlich eigentlich dafür, ihn zu schließen, glaube aber, dass das in der jetzigen Situation nicht richtig wäre.
Was mich an der ganzen Diskussion pro und contra Tegel stört, ist die Oberflächlichkeit der Diskussion. Wer gegen TXL ist, wohnt in der Einflugschneise und will seine Ruhe haben und wer für TXL ist, ist ein Nostalgiker, der zu faul ist, nach Schönefeld zu fahren. Meine Stimmabgabe lässt sich also ganz einfach erklären:
Ich bin halt so ein Pfeffersack, der im Prenzlauer Berg wohnt, viel fliegt und es toll findet, dass der Flughafen nicht so weit weg ist.
Das stimmt zwar – ist aber irrelevant.
Die Fahrzeit nach Tegel und nach Schönefeld (bzw dann BER) ist beinahe identisch. Vom Fluglärm bekomme ich nur dann etwas mit, wenn in Richtung Osten gestartet wird, aber dass man nicht in Ruhe am Weissensee oder in Pankow spazieren gehen kann (geschweige denn dort wohnen) finde ich auch nicht so klasse.
Worum geht es mir also dann?
Der Hintergrund meiner Entscheidung liegt ca. 25 Jahre zurück. Damals habe ich Stadt- und Regionalplanung an der TU-Berlin studiert. Kurz nach dem Fall der Mauer war in Berlin alles zusammengebrochen. Der Osten sowieso, aber auch die hoch subventionierten Betriebe im Westteil wurden geschlossen. Die Zukunft völlig offen. Welche Rolle sollte und könnte die Stadt in Zukunft spielen? Welche Anforderungen würden sich daraus ergeben? Es gab jede Menge Meinungen, die in alle möglichen Richtungen gingen, aber in zwei Punkten herrschte relative Einigkeit:
Die Zeiten, in denen in Berlin eine nennenwerte Industrieproduktion hatte, sind endgültig vorbei
Egal welche Rolle Berlin zukünftig spielen würde – Eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur wäre in jedem Fall nötig
Vor diesem Hintergrund haben wir an der TU eine Luftverkehrsplanung erstellt. Zu diesem Zeitpunkt dienten Tegel, Tempelhof und Schönefeld der Zivilluftfahrt. Die Zahlen von 1993 als Ausgangsbasis unseres Konzeptes waren:
Flughafen
Startbahnen
Flugbewegungen
Passagiere
Tegel (TXL)
2
90.000
7 Mio.
Schönefeld (SXF)
2
31.300
1,6 Mio
Tempelhof (THF)
2
54.000
1,1 Mio
Die Randbedingungen der Überlegungen waren weiterhin:
Keine weitere militärische Nutzung der Flughäfen. Die Russen waren bereits abgezogen, die Franzosen hatten Tegel verlassen, die Amerikaner waren gerade dabei Tempelhof Air Force Base zu räumen und der britische Militärflugplatz Gatow wurde gerade geschlossen.
Berlin würde wieder Regierungssitz werden und daher auch einen Regierungsflughafen benötigen.
Aufgrund des witschaftlichen Zusammenbruchs Berlins wurde kurzfristig nicht mit einem starken Wachstum der Verkehrszahlen gerechnet. Mittel- und langfristig wurde jedoch ein sehr hohes Verkehrswachstum prognostiziert.
Unklar war dabei der Anteil an Luftfracht, die Entwicklung der Privat- und Geschäftsfliegerei und die Frage, ob Berlin mittelfristig wieder zu einem Hub werden würde. Die Optionen sollte auf jeden Fall offen gehalten werden.
Es galt nun, die Hauptfaktoren Ausbaufähigkeit, Lärmschutz, Naturschutz, Anbindung, externe Infrastrukturkosten abzuwägen.
Zu Beginn der Planungen war zunächst alles denkbar. Die Extrempositionen waren der Weiterbetrieb aller bestehenden Flughäfen oder die Schließung aller Flughäfen und Neubau weit im Süden (Sperenberg) oder weit im Norden (Prignitz mit Transrapidanschluss von Berlin und Hamburg).
Nach sehr lebhaften, aber sachlich gut begründeten Diskussionen entschieden wir uns damals für folgende Variante:
Aus Gründen des Lärmschutzes und aufgrund von Sicherheitsbedenken sollte Tempelhof geschlossen werden.
Schönefeld sollte aufgrund seiner guten Erreichbarkeit zum einzigen Flughafen für die Verkehrsfliegerei ausgebaut werden. Um die angestrebte hohe Kapazität zu erhalten, mussten die beiden Startbahnen einen größeren Mindestabstand erhalten. Zudem lag die damalige Nordbahn zu dicht an Bohnsdorf. Unser Vorschlag war, die damalige Nordbahn zu schliessen, die Südbahn zur neuen Nordbahn zu machen und südlich davon den neuen Flughafen zu bauen und südlich davon eine neue Start- und Landebahn.
Das entspricht ziemlich genau dem späteren offiziellen Konzept des BER. So wurde er auch gebaut.
Für Tegel hatten wir vorgesehen, Verkehrsfliegerei dort nicht weiterzuführen, ihn aber als Regierungsflughafen, sowie als Standort für die Privat- und Geschäftsfliegerei weiter zu betreiben. Dadurch hätte man eine saubere Trennung von der Verkehrsfliegerei erreicht, die Kapazität in Schönefeld würde nicht durch Kleinflugzeuge beeinträchtigt, die Berliner würden erheblich weniger Fluglärm als bisher ausgesetzt sein.
Diese Überlegung finde ich auch noch immer richtig. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der BER noch immer nicht eröffnet ist, aber bereits jetzt zu wenig Kapazität aufweist. Es geht dabei ja nicht nur um die Terminals, sondern vor allem um die Slots. Der BER hat nur zwei Startbahnen. Hierüber die normale Verkehrsfliegerei plus Regierungsfliegerei plus General Aviation abzuwickeln halte ich mittelfristig für unrealistisch.
Startbahnen
Flugbewegungen
Passagiere
1993 TXL, SXF, THF
6
175.000
9,7 Mio
2016 TXL, SXF
3
282.000
32,9 Mio
Zukünftig BER
2
426.000 max.
27 Mio, 50 Mio max.
Ein Flughafen reicht für eine Stadt, wie Berlin nicht aus. Zwei sind genau richtig.
Paris hat 3, London gar 5 Flughäfen. Oder wir bauen solche Monster wie Chicago O’Hare oder Atlanta Hartsfield, was ich aber in Deutschland für unrealistisch halte.
Das Chaos Communication Camp findet seit 1999 alle vier Jahre im Berliner Umland statt. Bei den letzten beiden (2007 und 2011) war ich jeweils beruflich verhindert. Dieses mal sollte es jedoch klappen und die Freude war groß, als ich das Ticket hatte und mein Urlaub genehmigt war.
Das Eintrittsbändchen zum Camp
Um das Fazit vorwegzunehmen – die Erfahrung war beides gleichzeitig: super und mist.
Ich hatte mich seit Wochen vorbereitet, den kompletten Mittwoch Zeug zusammengepackt und bin am Donnerstag Morgen losgefahren. Die Fahrt von Prenzlauer Berg zum ca. 80Km nördlich von Berlin gelegenen Ziegeleipark Mildenberg dauert etwas über eine Stunde. Die Brandenburger Landschaft ist nur recht spärlich besiedelt, aber mit viel Wald und Wasser sehr schön (siehe Video weiter unten). Die Strecke zum Ziegeleipark war gut ausgeschildert und der letzte Hinweis ist wirklich gelungen… :-D
Eindeutig: Hier geht’s zum Internet
Nach der Anreise machte ich auf dem Gelände das BER-Village ausfindig, in dem sich einige Berliner Vereine zusammengetan hatten um zusammen zu zelten und eigene kleinere Vorträge stattfinden zu lassen.
Der “Eingang” zum BER Village
Eine handvoll Leute davon kenne ich, also stellte ich mein Zelt in das Village und verlegte Strom- und Ethernet Kabel. Nachdem mein Zelt endlich voll ausgestattet war, machte ich mich erst mal auf den Weg über das Gelände.
Das Zelt steht (zum ersten Mal) und ist komplett connected
Der Rundgang war toll – überall interessante Leute aus aller Herren Länder, spleenige Basteleien (Ein Roboter, der Crepes herstellt, ein elektrisches Fahrzeug aus zwei Getränkekisten, …) und nerdiger Humor. Leider ist fast überall Fotografieren unerwünscht, deshalb hier nur ein kleiner Rundblick.
Panorama. Ca. 1/6 des Camp Geländes
Foodcourt
Schlafzelte stehen fast überall
Auf dem Gelände stehen natürlich die Artefakte der alten Ziegelei; Ringöfen, Bagger und alle möglichen Spezialgebäude. Zudem ist das ganze Areal mit einem Gleisnetz der Ziegeleibahn durchzogen. Ein Rundkurs wurde sogar regelmäßig mit einer Museumsbahn befahren. Insbesondere nachts mußte man ziemlich aufpassen, wo man hintrat. Gleise, Kabel (Ethernet oder Strom) oder provisorische Wasser und Abwasserleitungen. Die komplette Infrastruktur für die 4500 Besucher mußte extra für das Camp aufgebaut werden.
Ringofen mit Bahnschienen
Das kleine Vortragszelt
400KVA – zwei von etlichen Dieselgeneratoren mit insgesamt 2,5MW Leistung
Nach Sonnenuntergang verwandelte in einen fast magischen Ort: Alles wurde bunt beleuchtet und die Stimmung war super. Auch hier merkt man, dass irrsinnig viel Arbeit mit Liebe zum Detail investiert wurde.
Foodcourt und Dancefloor
Großes Vortragszelt und Umgebung
In dem Eintrittspreis war auch ein elektronisches Spielzeug enthalten, dass ich mir natürlich nicht entgehen lassen konnte. Nach einer etwas verwirrenden Schnitzeljagd über das halbe Gelände und langem Anstehen hatte ich nach knapp zwei Stunden um 23:00 auch mein Rad1o-Badge bekommen. Jetzt wollte ich mich in mein Zelt zurückziehen, noch etwas rumbasteln und dann schlafen.
Denkste!
Bei den Vorbereitungstreffen hieß es, dass die Ecke des BER Village aufgrund der Nähe von Anwohnern leise sein würde und die Party auf der anderen Seite des Geländes stattfindet. Tatsächlich feierten im BER 50-100 Leute zu lauter und, basslastiger Musik. Mein Zelt stand gefühlt mitten auf der Tanzfläche. An Schlaf war – egal ob mit oder ohne Ohrenstöpsel – nicht zu denken. Um 2:00 Morgens war immer noch kein Ende in Sicht und wir bekamen die Auskunft “Das geht mindestens noch bis 5 Uhr. Und das bleibt die nächsten Tage auch so”.
Übersicht über das Gelände und die Umgebung
Eigentlich hätte ich an der Stelle bereits nach Hause fahren können. Sich mitten in der Nacht, todmüde, ohne richtiges Licht einen neuen Platz für das Zelt zu suchen – nachdem alle einigermaßen brauchbaren Flecken bereits belegt waren, macht so richtig Spaß. Nämlich gar keinen. Die ganze Aktion hat eine Stunde gedauert. Am Ende stand mein Zelt fast genau am Haupteingang, ohne Strom, ohne Netzwerk und alle Klamotten wild durcheinandergeworfen.
Um halb vier bin ich dann stinksauer eingeschlafen und um kurz nach acht wieder aufgewacht, weil das Zelt in der Sonne bereits brütend heiss wurde. Den Tag habe ich unausgeschlafen, mit Kopfschmerzen und angesäuert verbracht. Bei 35 Grad habe ich den ganzen Tag geschwitzt ohne Ende, was durch den Sandstaub, der über das Gelände wehte auch nicht besser wurde. Zudem merke ich, dass mich diese provisorischen Sanitäreinrichtungen kolossal stören und dass beim Programmieren im Hackcenter Zelt Staub und Legionen von Ameisen in den Laptop eindringen wollen, finde ich auch nicht so richtig prall.
Ich habe dann abends beschlossen, nach Hause zu fahren, bevor ich fünf Tage schlechte Laune habe. Dass ich auch in Berlin nicht zur Ruhe gekommen bin, weil ich mein Telefon verloren habe steht noch mal auf einem anderen Blatt.
Am Sonntag bin ich dann wieder auf das Camp zurückgekehrt und noch ein bisschen Nerdkultur zu inhalieren und den einen oder anderen zu treffen, aber irgendwie hatte ich mir das im Vorfeld anders vorgestellt.
Versteht mich nicht falsch: Die Orga hat einen Super Job gemacht. Ein Gelände mitten in der Pampa mit Mobilfunk, leistungsfähigem Internet, richtig viel Strom, Wasser und einer Abwasserlösung für über 4000 Menschen zu versorgen ist eine echte Herausforderung und sie wurde mit Bravour gemeistert. Ein interessantes Programm zusammenzustellen (die Vorträge kann man hier ansehen: http://media.ccc.de/browse/conferences/camp2015/index.html), den Foodcourt, die Feuerwehr und den Behördenkram zu organisieren…
Alles war wirklich klasse gemacht – aber Camping nervt mich einfach total. Das hatte ich im Vorfeld leider vollkommen unterschätzt.
Vor knapp drei Wochen habe ich mein Smartphone von Jolla bekommen nutze es seitdem jeden Tag. Die Einschätzung der bisherigen Tester kann ich bestätigen: Das Smartphone funktioniert an sich schon ganz gut, aber für normale Verbraucher hat es noch etwas viele Kanten.
Viel Licht
An der Hardware gibt es überhaupt nichts auszusetzen. Gute Verarbeitung, Display und Kamera finde ich absolut ausreichend, für den wechselbaren Akku gebe ich einen Extrapunkt. Anfangs gab es ein Problem mit der Akkuleistung, aber seitdem ich den NFC Chip in der Gehäuserückseite mit Alufolie abgeklebt habe, läuft das Telefon zwei Tage.
Fast alle Verbindungsarten funktionieren einwandfrei: UMTS/GSM, WLAN und Kopplungen mit Computer und Freisprechanlage per Bluetooth sind problemlos. Was seltsamerweise überhaupt nicht richtig funktioniert, ist der Anschluss an den Computer per USB Kabel. Der Apple Mac erkennt überhaupt nicht, dass ein Gerät angesteckt wurde, Windows konnte ich nicht ausprobieren und Linux erkennt zwar ein Gerät, verweigert aber den Zugriff.
Die Bedienung ist zunächst etwas ungewohnt, aber nach ein- oder zwei Tagen kommt man problemlos klar. Seit ich mein Gerät am 24.01. zum ersten Mal eingeschaltet habe sind zwei Updates für das Betriebssystem erschienen, in dem Bugfixes und kleine Verbesserungen enthalten sind. So soll nun auch das Akkuproblem behoben sein, was ich aber aufgrund meines Hardware-Bugfixes nicht merke. Ich habe das Problem, dass das Jolla regelmässig meckert, meine SIM Karte müsse neu eingelegt werden, aber ich gehe eher von einer defekten SIM Karte aus, da ich dasselbe Problem auch schon mit dem HTC One S hatte.
Jolla arbeitet jedenfalls fleissig daran, das System zu verbessern. Es soll auch weiterhin ein Update pro Monat geben.
Richtig toll finde ich, dass das Jolla nur mit den absoluten Basis Apps (Phone, SMS, Browser, Kamera, Kontakte, Galerie und Store) ausgeliefert wird. Jedes Zusatzprogramme, dass man haben möchte, muss man explizit nachinstallieren. Aber ab hier wird es leider auch etwas finster. Die Apps sind nämlich sehr rudimantär und bieten kaum Einstellungsmöglichkeiten.
Viel Schatten
Mail z.B. unterstützt immerhin mehrere Konten, bietet aber z.B. nicht die Möglichkeit, das Nachladen von Bildern zu verhindern, was aus Datenschutzgründen absolut notwendig ist. Es werden leider auch keine selbsterzeugten Serverzertifikate akzeptiert. In so einem Fall funktioniert nur die unverschlüsselte Mailübermittlung. Ein echtes No-Go. Die Anzeige von HTML Mails ist auch so klein, dass man sie nicht lesen kann.
Ein anderes Beispiel ist die Fotogalerie. So kann man in der Übersicht zwar mehrere Bilder auf einmal markieren – aber nur zum Löschen und nicht um einen ganzen Schwung auf einmal per Bluetooth auf den Computer zu schieben. Sehr lästig – vor allem, weil der Weg über USB leider ebenfalls nicht funktioniert (s.o.).
Es gibt leider noch sehr viele solcher Ungereimtheiten. Die Kontakte und Termine möchte ich auch gerne mit meinem eigenen Server abgleichen und nicht mit Google. Standardmässig zur Zeit nicht möglich, aber…
Viel Nerd-Zeug
Das oben genannte gilt für normale Nutzer. Für Nerds gibt es aber oftmals Wege, die Normalsterblichen nicht zugänglich sind. Die Schlüssel dazu sind der Entwicklermodus und der SSH Zugang.
Gestern bin ich auf eine Erweiterung aufmerksam geworden, wie man Synchronisation per CardDAV und CalDAV nachrüsten kann. Genau das will ich haben, damit ich meine persönlichen Daten wieder von Google wegbekomme. Die Lösung heisst SyncEvolution. Diese Software ist aber noch Beta und nicht im Jolla Store zu finden. Man muss sich per SSH auf dem Smartphone einloggen, ein zusätzliches Repository registrieren und kann dann per Paketmanager die Software installieren. Ob und wie die Verbindung mit OwnCloud funktioniert, weiss ich noch nicht, weil ich erst noch den Server im Heimnetz aufbauen muss.
Da ich nun also schon eine SSH Verbindung zum Smartphone hatte, konnte ich auch per SFTP auf das Dateisystem zugreifen und die ganzen Fotos en bloc herunterladen.
Dass es die Möglichkeit gibt, so zu arbeiten, ist toll. Das es aber momentan oftmals nur so geht ist aber Mist. Für Leute mit UNIX Kenntnissen ist das alles nicht sonderlich aufregend, aber für normale Benutzer vollkommen indiskutabel.
Am Freitag fuhr ich geschäftlich nach Fulda zu einem kleinen aber feinen eCommerce Workshop. Über den möchte ich aber nicht berichten, sondern lieber um das Drumherum.
Spass mit der Bahn
Dass bei der Bahn eigentlich nie etwas richtig funktioniert ist ja zu erwarten – speziell wenn es warm ist und noch spezieller, wenn einige Hauptstrecken aufgrund von Hochwasserschäden gesperrt sind. Tatsächlich wurde ich auch nicht enttäuscht.
Geplant war, mit dem ICE von Berlin Hauptbahnhof direkt nach Fulda zu fahren – was auch tatsächlich funktioniert hat. Nur das “wie” war mal wieder interessant. Laut Fahrplan sollte die Abfahrt 7:35 am Hauptbahnhof sein und bei einer ungefähren Fahrzeit von 2,5 Stunden über die Schnelltrassen in Richtung Westen bis Hildesheim und von dort in Richtung Süden bis Fulda führen. So hätte ich locker den Beginn des Wokshops um 10:30 geschafft.
Tatsächlich geschah folgendes: Ich komme rechtzeitig zum Bahnhof und informiere mich an den Hinweistafeln, ob es Probleme mit dem gebuchten Zug gab. Kein Hinweis – alles gut. Nur der Zug steht nicht an der Anzeigetafel am Bahsteig 14. Auf Nachfrage kommt heraus, dass der Zug auf Gleis 2 abfahren wird. Das bedeutet, dass der Zug nicht oberirdisch in Richtung Westen abfährt, sondern 30 m tiefer im Untergeschoss in Richtung Süden. Der eigentliche Witz ist aber, dass die Abfahrtzeit 30 Minuten vorverlegt wurde, was ich 5 Minuten vor der planmässigen Abfahrtzeit mitbekomme. Spitze!
Aber die Bahn wäre ja nicht die Bahn, wenn sie nicht massiv Verspätung hätte. In diesem Fall 40 Minuten. So bekam ich trotzdem locker den Zug. Die Klimaanlage ist auch nicht ausgefallen und da für mich freundlicherweise sogar erster Klasse gebucht war, verlief die Fahrt angenehm ruhig und komfortabel.
Spannend war die Strecke. Nach ungefähr einer Stunde schaute ich aus dem Fenster und sah, dass wir gerade an der Leipziger Messe vorbeifuhren und dann scharf rechts auf eine Nebenstrecke abbogen. Aha?
Den Rest der Fahrt kann ich nur unter der Überschrift “Die schönsten Nebenstrecken in Sachsen, Thüringen und Hessen” beschreiben. Durchaus malerisch, aber sehr langsam! Um 12:00 kam ich dann in Fulda an.
Das Schlosshotel
Malerisch ging es dann auch weiter, weil das Seminar und die Übernachtung im Schlosshotel gebucht war. Nun bedeutet der Name “Schlosshotel” ja in der Regel, dass sich das Hotel in fussläufiger Entfernung zu irgendeinem ehemaligen Adelssitz befindet. Nicht so in Fulda. Das Hotel ist tatsächlich das Schloss – naja, zumindest die ehemalige Orangerie. Seminarraum und Zimmer waren zwar in einem modernen Anbau untergebracht, aber Abendessen im Restaurant in den Kellergewölben oder Frühstück im Barocksaal mit Deckengemälde haben schon was!
Schlosshotel in Fulda
Restaurant Dianakeller
Frühstück im Apollo Saal
Deckengemälde im Saal
Vermeidbare Patzer
Leider entsprach der Service nicht ganz dem hochwertigen Ambiente. WLAN war im ganzen Hotel nicht verfügbar, so dass der Konferenzraum hässlich mit Ethernetkabeln verschandelt werden musste. Wenn man einen Seminarraum mit Verpflegung bucht und dann abgezählte, kleine Hefekuchenstückchen zum Kaffee bekommt ruft das bei mir ebenfalls Stirnrunzeln hervor.
Abends im Restaurant freut man sich über eine übersichtliche, aber Hochwertiges versprechende Speisekarte. Jedoch geht mitten in der Bestellung ein Gericht nach dem anderen aus, so dass ich letztlich keines der vier Gerichte bestellen konnte, auf die ich Appetit gehabt hätte. Nichts gegen Lammkarree, aber das wollte ich eigentlich nicht haben. Diese Knappheit der Speisen ist umso unverständlicher, als wir die Gruppe zu 20:00 angemeldet hatten.
Geweckt wurde ich am nächsten Morgen übrigens durch eine Hotelmitarbeiterin, die einfach in das Zimmer kam. Natürlich hat sie sich entschuldigt und hat sofort kehrt gemacht.
Sicherlich ist das alles kein Beinbruch, aber diese leicht vermeidbaren Patzer passen einfach nicht richtig ins Bild. Insofern kann ich das Hotel moment nur mit Vorbehalt empfehlen. Ein etwas aufmerksameres Management hätte den Aufenthalt perfekt gemacht. Es sei noch erwähnt, dass das Frühstück dann immerhin schmackhaft und sättigend war.
Sonstiges
Die Rückfahrt mit der Bahn war problemlos, aber leider auch wieder sehr langsam.
Das Wesentliche ist, dass der Erfahrungsaustausch im Workshop offen und konstruktiv war zu zu einer erstaunlichen Initiative geführt hat – aber davon wollte ich ja nicht erzählen… ;-)
In letzter Zeit habe ich wieder verstärktes Interesse an Themen aus meinem früheren Leben gefunden. Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre studierte ich Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin. Seinerzeit haben wir schon sehr intensiv Themen wie “Die autofreie Stadt”, “zunehmende Nomadisierung im Arbeitsleben”, “zunehmende Bedeutung weicher Standortfaktoren”, “Auswirkung digitaler Vernetzung auf Raumstrukturen” diskutiert. Wir kamen uns schlau vor und hielten uns für die Avantgarde. Doch die 90er und 00er Jahre sahen so aus, als hätten wir uns in vielen Dingen geirrt und alles würde einfach immer so weiter laufen: Globalisierung, Verkehrszunahme, weitere Zersiedlung und so fort.
In letzter Zeit scheinen sich aber die Zeichen zu mehren, dass wir doch nicht ganz so sehr daneben lagen, sondern uns vor allem im Zeithorizont geirrt hatten. Immer mehr Artikel berichten über Entwicklungen, wie die folgenden:
Ein zunehmender Teil der jungen Menschen in den traditionellen Industrieländern verzichten auf ein eigenes Auto – teils aus Umweltgewissen, teils aus finanziellen Gründen, teils weil sie den Besitz und die damit verbundenen Verpflichtungen zu lästig finden.
Damit einher geht ein Trend, wieder zentral wohnen zu wollen. Lange Pendlerwege sind zunehmend uncool. Firmen an abgelgeneren Orten haben zunehmend Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu rekrutieren.
Nach Jahrzenhnten des Lohndumpings und der Haltung, die Menschen sollen froh sein, wenn sie überhaupt irgendwo arbeiten dürfen, geschieht nun langsam das unfassbare: Arbeitnehmer stellen zunehmend Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Und dabei geht es häufig nicht um Geld, sondern um Work/Life Balance.
Das Internet hat seine Rolle als Spielplatz für Techniker abgelegt. Die Normalos haben das Netz übernommen. Medienkonsum, Onlinebanking, Einkauf,… immer mehr Tätigkeiten werden zumindest teilweise von zuhause aus gemacht.
Nicht nur Arbeitsverhältnisse, sondern auch die Büroarbeitsplätze selbst werden flexibler. Es wird mit Büros auf Zeit experimentiert.
Der Flächenbedarf von Handel und Dienstleistungen stagniert und beginnt teilweise bereits zurückzugehen.
Überhaupt leben wir in einer Zeit zunehmender Miniaturisierung und Entstofflichung. Viele technische Dinge um uns herum werden ständig kleiner. Aus grossen Maschinen werden kleine. Hardware wird durch Software ersetzt – bei Maschinensteuerungen genauso wie bei Tonträgern oder Druckerzeugnissen.
Treibende Faktoren hinter allem sind zunehmende Verknappung von Ressourcen und immer bessere globale Kommunikationsmöglichkeiten.
Immer mehr Menschen wird klar, dass die Energiewende unausweichlich ist. Das Ziel, weniger Rohstoffe und Energie zu verbrauchen ist in breiten Bevölkerungsschichten angekommen. Diejenigen, die noch anderer Meinung sind, werden durch stark steigende Preise zum Umdenken gezwungen werden.
Systeme haben eine unglaubliche Trägheit. Aber wenn erst einmal etwas in Bewegung gerät, kann sich schnell eine unheimliche Dynamik des Umbruchs ergeben. Wer glaubt, dass sich unserer Welt in den letzten 50 Jahren stark verändert hat, wird sich in den nächsten 20 Jahre schwer umschauen und seinen Sinnen nicht mehr trauen.
Wir leben in spannenden Zeiten.
(Future Shock ist der Titel eines Buches von Alvin Toffler aus dem Jahr 1970. Es sagte damals einige gesellschaftliche und wirtschaftliche Megatrends voraus, von denen viele heutzutage auf die eine oder andere Art bewahrheitet haben)